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Massgeblichkeitsprinzip und Privatisierung - IFF - Universität St.Gallen

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8 Madeleine Simonek, <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> <strong>und</strong> <strong>Privatisierung</strong><br />

4.3.2 Praxis der ESTV<br />

4.3.2.1 Gemäss geltendem Recht<br />

Die <strong>St</strong>euerbehörden schliessen aus dem Massgeblichkeits -<br />

prinzip in aller Regel, dass die Aktiven <strong>und</strong> Verbindlich -<br />

keiten eines öffentlichen Betriebes nicht nur in einer <strong>St</strong>euer -<br />

bilanz, sondern bereits in der handelsrechtlichen Über -<br />

nahme- <strong>und</strong> Eröffnungsbilanz der juristischen Person zu<br />

ihren wirklichen Werten eingestellt werden müssen. Werden<br />

die handelsrechtlich zulässigen Höchstwerte in der<br />

Handelsbilanz aus irgendwelchen Gründen nicht ausgeschöpft<br />

<strong>und</strong> das öffentliche Unternehmen zu einem niedrigeren<br />

als seinem tatsächlichen Wert übertragen, wird die<br />

Errichtung einer <strong>St</strong>euerbilanz, in welcher das übergeführte<br />

Unternehmen zu seinem tatsächlichen Wert eingesetzt<br />

wird, nicht zugelassen. Eine Ausnahme wird lediglich dann<br />

gemacht, wenn die übernehmende Gesellschaft aus recht -<br />

lichen Gründen, z.B. wegen branchenspezifischer Bewertungsvorschriften,<br />

den handelsrechtlichen Bewertungsspiel -<br />

raum nicht zu ihren Gunsten ausnützen kann. Eine nach -<br />

trägliche Korrektur wird ausserdem zugelassen, wenn sie in<br />

der Handelsbilanz <strong>und</strong> noch innerhalb des laufenden Geschäftsjahres<br />

vorgenommen wird 36 . Eine Anpassung der<br />

übernommenen Werte einzig in der <strong>St</strong>euerbilanz wird von<br />

den <strong>St</strong>euerbehörden aber auch in diesem Fall abgelehnt 37 .<br />

4.3.2.2 Gemäss Fusionsgesetz<br />

An dieser Situation soll sich auch nach Inkrafttreten des<br />

Fusionsgesetzes nichts ändern 38 . Die Botschaft des B<strong>und</strong>esrates<br />

äussert sich ausdrücklich zu den <strong>St</strong>euerfolgen einer<br />

<strong>Privatisierung</strong>. Der B<strong>und</strong>esrat unterscheidet dabei zwischen<br />

dem Inventar <strong>und</strong> der Eröffnungsbilanz. Eine Offenlegung<br />

der stillen Reserven im Inventar sei unabdingbar.<br />

Nur im Inventar offen gelegte <strong>und</strong> bestätigte Mehrwerte<br />

könnten wie Einlagen der Mitglieder von Kapitalgesellschaften<br />

behandelt <strong>und</strong> gestützt auf Art. 60 Bst. a DBG <strong>und</strong><br />

Art. 24 Bst. a <strong>St</strong>HG steuerfrei belassen werden 39 . Eine<br />

Offenlegung nur im Inventar <strong>und</strong> nicht auch in der handelsrechtlichen<br />

Eröffnungsbilanz soll gemäss den Erläuterungen<br />

aber nur möglich sein, wenn eine Aufwertung in der<br />

Eröffnungsbilanz infolge spezialgesetzlicher Vorschriften<br />

unzulässig ist. Als Beispiel weist die Botschaft auf Art. 24<br />

Abs. 2 Bst. g Bankenverordnung hin. Kommen keine spe -<br />

zialgesetzlichen Rechnungslegungsbestimmungen zur Anwendung,<br />

müssen die stillen Reserven nach diesen Erläuterungen<br />

auch nach Inkrafttreten des Fusionsgesetzes in der<br />

handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz aufgedeckt werden,<br />

um steuerrechtlich anerkannt zu werden. Eröffnungsbilanz<br />

<strong>und</strong> Inventar stimmen in diesem Fall überein. Die Erstellung<br />

einer <strong>St</strong>euerbilanz soll nicht gestattet werden 40 .<br />

4.3.3 Lehrmeinungen<br />

Für den Fall, dass ein Unternehmen oder einzelne Sachwerte<br />

im Zuge einer Kapitaleinlage von einem steuerfreien in<br />

einen steuerpflichtigen Raum wechseln 41 , ist die schweizerische<br />

Lehre im Gegensatz zur Praxis der ESTV nahezu einhellig<br />

der Meinung, dass verdeckte Kapitaleinlagen in einer<br />

<strong>St</strong>euerbilanz aufgedeckt werden dürfen 42 . Die zitierten<br />

Autoren begründen ihre Meinung einhellig damit, dass<br />

Kapitaleinlagen, unabhängig davon, ob sie offen oder verdeckt<br />

erbracht werden, nie steuerbarer Ertrag des Unternehmens<br />

sein können. Unterschiedliche Meinungen be -<br />

stehen lediglich darüber, ob die verdeckt eingelegten stillen<br />

Reserven sofort steuerlich geltend gemacht werden müssen<br />

oder ob eine gewinnsteuerfreie Aufdeckung auch noch zu<br />

einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Namentlich die ältere<br />

Lehre befürwortet eine jederzeitige steuerfreie Aufdeckung<br />

der verdeckten Kapitaleinlage 43 . In der neueren<br />

Lehre ist demgegenüber die Tendenz erkennbar, nur eine<br />

sofortige Geltendmachung der verdeckten Kapitaleinlage<br />

zuzulassen 44 . Zum spezifischen Fall der <strong>Privatisierung</strong> öffentlicher<br />

Unternehmen haben sich erst wenige Autoren<br />

geäussert. Einzig GURTNER 45 nimmt ausdrücklich auf die<br />

<strong>Privatisierung</strong> Bezug <strong>und</strong> befürwortet die Offenlegung verdeckter<br />

Kapitaleinlagen in einer <strong>St</strong>euerbilanz auch für diesen<br />

Fall. Ebenso befürworten LOCHER 46 <strong>und</strong> SPORI 47 eine<br />

36 So auch RKE FR 30. Oktober 1987, <strong>St</strong>R 45 (1990) 560; AGNER/<br />

JUNG/STEINMANN Art. 60 N 1.<br />

37 NEUHAUS Ziff. 2.1.2 (<strong>Privatisierung</strong> durch Sacheinlagegründung).<br />

38 Das Fusionsgesetz wurde in der Herbstsession 2001 im <strong>St</strong>änderat<br />

beraten <strong>und</strong> wird vermutlich in der Frühjahrsses -<br />

sion 2002 in den Nationalrat kommen. Wahrscheinlichstes<br />

Datum seines Inkrafttretens ist im Moment der 1. Januar 2003.<br />

39 Botschaft Fusionsgesetz 4483.<br />

40 NEUHAUS Ziff. 2.2.3 (Rechtskleidwechsel bei <strong>Privatisierung</strong>en<br />

nach dem FusG).<br />

41 Eine völlig andere Ausgangslage liegt vor, wenn die verdeckte<br />

Kapitaleinlage aus einem steuerpflichtigen Raum kommt. In<br />

diesem Fall müssen beim Abtreter <strong>und</strong> beim Übernehmer kongruente<br />

Wertfestsetzungen bestehen. Eine Aufdeckung stiller<br />

Reserven einzig in der <strong>St</strong>euerbilanz der übernehmenden Gesellschaft<br />

ist deshalb nicht möglich.<br />

42 BÖCKLI, Transponierungstheorie, 42; CAGIANUT/HÖHN § 10<br />

N 33 ff.; GURTNER 88 f.; KÄNZIG 86; KUHN/BRÜLISAUER Art. 60<br />

N 20 ff.; REICH, <strong>St</strong>euerfolgen, 512; RYSER 166 f.; SCHÄRRER 283;<br />

SPORI, Umwandlung, 8; WEIDMANN/BÜHLER 370 f.; WÜRTH 140;<br />

ZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH N 40b ZU § 45. Anders aber<br />

YERSIN, Apports, 115 f.; DIES., Réflexions, 632. Zurückhaltend<br />

auch REICH, Vorteilszuwendungen, 632 ff.<br />

43 So u.a. KÄNZIG 86.<br />

44 So u.a. CAGIANUT/HÖHN § 10 N 37.<br />

45 GURTNER 88 f.<br />

46 LOCHER, Aspekte, 244 f.<br />

47 SPORI, Umwandlung, 7 f.<br />

<strong>IFF</strong> Forum für <strong>St</strong>euerrecht 2002

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