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Massgeblichkeitsprinzip und Privatisierung - IFF - Universität St.Gallen

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6 Madeleine Simonek, <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> <strong>und</strong> <strong>Privatisierung</strong><br />

Entscheiden festgestellt hat, können deshalb Kantonalbanken<br />

keine <strong>St</strong>euerbefreiung wegen Verfolgung öffentlicher<br />

Zwecke beanspruchen. Das B<strong>und</strong>esgericht kam zum<br />

Schluss, dass Kantonalbanken fast keine öffentlichen<br />

Zwecke mehr erfüllten, sondern wie Universalbanken in erster<br />

Linie gewinnorientiert <strong>und</strong> wirtschaftlich am Markt<br />

tätig seien. Eine <strong>St</strong>euerbefreiung sei deshalb nicht gerechtfertigt,<br />

wobei es ohne Bedeutung sei, wenn ein Kanton in<br />

wesentlichem Umfang an seiner Kantonalbank beteiligt<br />

bleibe 23 .<br />

Überhaupt wird eine <strong>St</strong>euerbefreiung privatisierter Unternehmen<br />

immer dann schwierig zu erreichen sein, wenn diese<br />

Erwerbszwecke verfolgen. Eine <strong>St</strong>euerbefreiung ist<br />

gemäss b<strong>und</strong>esgerichtlicher Praxis in diesem Fall nur möglich,<br />

wenn eine solche juristische Person durch öffentlichrechtlichen<br />

Akt (z.B. Gesetz) mit der Erfüllung einer<br />

öffentlichen Aufgabe betraut wurde, diese öffentliche Aufgabe<br />

tatsächlich erfüllt, einer gewissen Aufsicht des Gemeinwesens<br />

unterliegt <strong>und</strong> die ausschliessliche <strong>und</strong> un -<br />

widerrufliche Widmung des Eigenkapitals für den öffent -<br />

lichen Zweck in den <strong>St</strong>atuten stipuliert ist 24 . Dieser Praxis<br />

ist im Gr<strong>und</strong>satz zuzustimmen. Wenn der mittelbare Zweck<br />

des Unternehmens in erster Linie in der Erzielung eines<br />

ausschüttbaren Gewinns liegt, kann eine <strong>St</strong>euerbefreiung<br />

namentlich auch dann nicht gewährt werden, wenn das<br />

privatisierte Unternehmen unmittelbar eine öffentliche<br />

Aufgabe erfüllt. Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben kann<br />

de lege lata nicht mit einer <strong>St</strong>euerbefreiung des ausschüttbaren<br />

Gewinns belohnt werden. Eine <strong>St</strong>euerbefreiung wäre<br />

in diesem Fall nur möglich, wenn die Gewinnorientierung<br />

als Endzweck des Unternehmens wesentlich hinter dem<br />

unmittelbaren Zweck der Erfüllung einer öffentlichen Auf -<br />

gabe zurückträte 25 .<br />

In der Mehrzahl der Fälle wird die übernehmende privatrechtliche<br />

Gesellschaft somit steuerpflichtig sein. Die<br />

<strong>Privatisierung</strong> eines öffentlichen Unternehmens hat deshalb<br />

zur Folge, dass das Unternehmen von einem steuerfreien<br />

in einen steuerpflichtigen Raum wechselt. Es findet<br />

ein Systemwechsel in der Besteuerung statt, ähnlich der<br />

Situation bei einem Sitzwechsel einer juristischen Person<br />

vom Ausland in die Schweiz oder – auf kantonaler Ebene –<br />

beim Wegfall des Holding- oder Domizilprivilegs.<br />

4 Gestaltung der Eröffnungsbilanz<br />

4.1 Fragestellung<br />

Mit dem Wechsel des öffentlichen Unternehmens von einem<br />

steuerfreien in einen steuerpflichtigen Raum kommt<br />

der Gestaltung der Eröffnungsbilanz der privatrechtlichen<br />

Gesellschaft besondere Bedeutung zu 26 . Die Eröffnungs -<br />

bilanz stellt die Gr<strong>und</strong>lage für die künftige Gewinnbesteuerung<br />

des privatisierten Unternehmens dar. Die in die Eröffnungsbilanz<br />

eingebuchten Übernahmewerte bilden den<br />

Ausgangspunkt für die Berechnung der künftigen Abschreibungen<br />

sowie der künftigen Kapitalgewinne <strong>und</strong><br />

-verluste des Unternehmens. Die privatrechtliche Gesellschaft<br />

wird aus steuerplanerischer Sicht deshalb ein Inte -<br />

resse daran haben, die Aktiven <strong>und</strong> Verbindlichkeiten des<br />

öffentlichen Unternehmens möglichst zu den Verkehrs -<br />

werten vom übertragenden Gemeinwesen zu übernehmen.<br />

Aus handels- <strong>und</strong> steuerrechtlicher Sicht stellen sich daraus<br />

folgend vor allem zwei Fragen: Erstens, ob die stillen Reserven<br />

aus handelsrechtlicher Sicht in der Eröffnungsbilanz<br />

des privatisierten Unternehmens aufgedeckt werden dürfen<br />

<strong>und</strong> zweitens, ob sie in der handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz<br />

aufgedeckt werden müssen, um aus steuerrechtlicher<br />

Sicht akzeptiert zu werden 27 . Während die Beantwortung<br />

der ersten Frage – soweit für eine <strong>St</strong>euerrechtlerin ersichtlich<br />

– kaum Probleme aufgibt, sind sich Lehre <strong>und</strong> Praxis in<br />

der Beantwortung der zweiten Frage uneinig.<br />

4.2 Handelsrechtliche Eröffnungsbilanz<br />

Bei der <strong>Privatisierung</strong> öffentlicher Unternehmen kommt<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich das private Rechnungslegungsrecht zur Anwendung<br />

28 . Aus handelsrechtlicher Sicht dürfte es deshalb<br />

unbestritten sein, dass Aktiven <strong>und</strong> Verbindlichkeiten eines<br />

23 BGE 2. April 2001 i.S. Berner Kantonalbank, ASA 70 (2001/02)<br />

294 = <strong>St</strong>E 2001 B 71.63 Nr. 17; BGE 30. April 2001 (Waadtländer<br />

Kantonalbank) 127 II 113 = <strong>St</strong>R 2001, 517.<br />

24 BGE 2. April 2001 E.2 c, ASA 70 (2001/02) 294 ff.; BGE 30. April<br />

2001 E.6 b, 127 II 113 = <strong>St</strong>R 2001, 517. Vgl. auch Kreisschreiben<br />

(Anm. 22) Ziff. 4.<br />

25 Vgl. zum Ganzen ausführlich SIMONEK, <strong>St</strong>euerbefreiung,<br />

231 ff., mit weiteren Hinweisen. In diesem Sinn auch VGE FR<br />

vom 9. Juni 2000, FZR 2000, 338 = RDAF 2001 II 178. A.M. KUS -<br />

TER 211 ff.; GRETER Art. 56 DBG N 35 ff.<br />

26 Wird das öffentliche Unternehmen auf eine bereits bestehende<br />

juristische Person übertragen, ist nicht eine Eröffnungsbilanz,<br />

sondern eine Übernahme- oder Fusionsbilanz zu erstellen.<br />

An der steuerrechtlichen Beurteilung des Vorgangs ändert<br />

sich dadurch aber nichts, weshalb im Folgenden auf diese<br />

Sachverhaltsvariante nicht besonders eingegangen wird.<br />

27 Obwohl sich die gleichen Fragen genauso hinsichtlich der Offenlegung<br />

eines Goodwills stellen, ist es im Rahmen dieses<br />

Beitrages nicht möglich, auch darauf einzugehen. Die steuerliche<br />

Behandlung von Goodwill wirft gegenüber derjenigen von<br />

stillen Reserven zusätzliche, komplexe Fragen auf, die einer<br />

gesonderten Untersuchung bedürften. Die nachfolgenden<br />

Ausführungen beschränken sich somit ausschliesslich auf die<br />

steuerliche Behandlung stiller Reserven.<br />

28 R.H.WEBER 78. Wenn das privatisierte Unternehmen weiterhin<br />

eine öffentliche Aufgabe erfüllt, können öffentlich-rechtliche<br />

Bewertungsvorschriften allerdings auch nach der <strong>Privatisierung</strong><br />

gültig bleiben: ANDREAS MÜLLER/VITTORIO JENNI, Rahmenbedingungen<br />

bei der <strong>Privatisierung</strong> kommunaler Aufgaben –<br />

eine aktuelle Übersicht, AJP 1999, 1071 ff., insb. 1079.<br />

<strong>IFF</strong> Forum für <strong>St</strong>euerrecht 2002

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