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Massgeblichkeitsprinzip und Privatisierung - IFF - Universität St.Gallen

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Madeleine Simonek, <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> <strong>und</strong> <strong>Privatisierung</strong><br />

7<br />

öffentlichen Unternehmens zu ihren wirklichen Werten auf<br />

die Gesellschaft übertragen <strong>und</strong> zu diesen Werten in deren<br />

Eröffnungsbilanz eingestellt werden dürfen. Als wirklicher<br />

Wert gilt der Geschäftswert nach Art. 960 Abs.1 OR 29 . Vorbehalten<br />

bleiben selbstredend spezialgesetzliche Bestimmungen,<br />

die dem allgemeinen Rechnungslegungsrecht vorgehen.<br />

Die Botschaft des B<strong>und</strong>esrates zum Fusionsgesetz sieht die<br />

Aufwertung der Aktiven bzw. Abwertung der Verbindlichkeiten<br />

des öffentlichen Unternehmens auf ihre wirklichen<br />

Werte denn auch ausdrücklich vor. Gemäss Art. 100 Abs.2<br />

FusG muss ein Institut des öffentlichen Rechts die Gegenstände<br />

des Aktiv- <strong>und</strong> des Passivvermögens, die von der<br />

Fusion, Umwandlung oder Vermögensübertragung erfasst<br />

werden, in einem Inventar eindeutig bezeichnen <strong>und</strong> bewerten.<br />

«Da sich die Bewertung in der Rechnungslegung<br />

von Instituten des öffentlichen Rechts häufig an anderen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen orientiert als im Privatrecht, muss anlässlich<br />

der Überführung in eine privatrechtliche Rechtsform eine<br />

Anpassung <strong>und</strong> Korrektur gr<strong>und</strong>sätzlich möglich sein. So<br />

müssen im Inventar beziehungsweise in der Eröffnungs -<br />

bilanz insbesondere Aufwertungen <strong>und</strong> Aktivierungen vorgenommen<br />

werden können, da später Aufwertungen unter<br />

den Voraussetzungen des Privatrechts nur noch sehr eingeschränkt<br />

zulässig sind 30 .»<br />

Das Inventar ist von einer besonders befähigten Revisorin<br />

oder von einem besonders befähigten Revisor zu prüfen, sofern<br />

nicht in anderer Weise sichergestellt ist, dass die Erstellung<br />

<strong>und</strong> Bewertung des Inventars den anerkannten Rechnungslegungsgr<strong>und</strong>sätzen<br />

entsprechen 31 . Keine Prüfung ist<br />

notwendig, wenn seitens der öffentlichen Hand das notwendi -<br />

ge Fachwissen vorhanden ist <strong>und</strong> allgemein anerkannte oder<br />

gesetzliche Bewertungsregeln zur Anwendung gelangen 32 .<br />

4.3 <strong>St</strong>euerrechtliche Eröffnungsbilanz<br />

4.3.1 Problempunkte<br />

Aus steuerrechtlicher Sicht ergeben sich in Bezug auf die<br />

steuerlichen Eröffnungswerte keine weiteren Probleme,<br />

wenn das öffentliche Unternehmen bereits in der handelsrechtlichen<br />

Eröffnungsbilanz zu seinen Verkehrswerten<br />

eingebucht wird. Die handelsrechtskonforme Eröffnungsbilanz<br />

ist in diesem Fall gestützt auf das Massgeblichkeits -<br />

prinzip auch für die steuerliche Gewinnermittlung des privatisierten<br />

Unternehmens massgebend. Sämtliche stillen<br />

Reserven werden aus handels- <strong>und</strong> steuerrechtlicher Sicht<br />

aufgedeckt; das Unternehmen wird künftig nur auf dem im<br />

steuerpflichtigen Raum erarbeiteten Gewinnen besteuert.<br />

Die Ermittlung des Verkehrswertes eines öffentlichen Unternehmens<br />

ist allerdings nicht einfach. Die Bewertung öffentlicher<br />

Sachen ist schwierig, Vergleichswerte fehlen oftmals<br />

33 . Es kann sich nach einiger Zeit deshalb zeigen, dass<br />

das öffentliche Unternehmen zu einem zu niedrigen Wert<br />

übergegangen ist. Es stellt sich dann die Frage, ob der Übernahmewert<br />

nachträglich in der <strong>St</strong>euerbilanz korrigiert werden<br />

kann. Wird eine Korrektur nicht zugelassen, werden<br />

stille Reserven, die in einem steuerfreien Raum entstanden<br />

sind, nachträglich beim privatisierten Unternehmen be -<br />

steuert 34 .<br />

Das Bedürfnis, eine von der handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz<br />

abweichende <strong>St</strong>euerbilanz zu erstellen, kann<br />

sich zudem bereits im Zeitpunkt der <strong>Privatisierung</strong> ergeben.<br />

Wie die Praxis gezeigt hat, gibt es Fälle, in denen die stillen<br />

Reserven in der handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz nicht<br />

offengelegt werden können, sei es, weil andere als die handelsrechtlichen<br />

Bewertungsvorschriften (z.B. IAS oder<br />

US-GAAP) vorgezogen werden, sei es, weil eine Aufdeckung<br />

der stillen Reserven wegen der Kontinuität des<br />

Betriebes abgelehnt wird.<br />

Es stellt sich die Frage, ob es in solchen Fällen möglich ist,<br />

die stillen Reserven bloss in der <strong>St</strong>euerbilanz des privatisierten<br />

Unternehmens aufzudecken 35 . Die Antwort auf diese<br />

Frage hängt davon ab, ob dem Gr<strong>und</strong>satz der Massgeblichkeit<br />

der Handelsbilanz für die <strong>St</strong>euerbilanz einerseits<br />

oder dem Gr<strong>und</strong>satz der Gewinnsteuerneutralität von Ka -<br />

pitaleinlagen andererseits der Vorrang eingeräumt wird.<br />

Lehre <strong>und</strong> Praxis gewichten die Bedeutung dieser beiden<br />

Gr<strong>und</strong>sätze konträr.<br />

29 Wirtschaftsprüferhandbuch 13; PETER FORSTMOSER/GAUDENZ<br />

ZINDEL, Sacheinlagefähigkeit von Transferwerten im Berufssport,<br />

Neuausrichtung der Sacheinlagekriterien, REPRAX<br />

2001/2, 1 ff., insb. 22. Vgl. aber zu den Bewertungsproblemen<br />

im Zusammenhang mit <strong>Privatisierung</strong>en: R. H.WEBER 81 ff.<br />

30 Zit. Botschaft Fusionsgesetz 4482.<br />

31 Art. 100 Abs. 2 FusG.<br />

32 Botschaft Fusionsgesetz 4483.<br />

33 R. H.WEBER 81; PETER UEBERSAX, <strong>Privatisierung</strong> der Verwaltung,<br />

ZBl 102 (2001) 393 ff., insb. 414.<br />

34 Die verdeckte Kapitaleinlage wirkt sich bei wertbeständigen<br />

Gütern spätestens im Zeitpunkt der Veräusserung des eingelegten<br />

Gutes aus, indem der buchmässige Kapitalgewinn, bestehend<br />

aus der Differenz zwischen dem Veräusserungserlös<br />

<strong>und</strong> dem Buchwert des Gutes, auch die verdeckte Kapitaleinlage<br />

mit umfasst. Bei Gütern, die einem Wertverzehr unterliegen,<br />

wirkt sich die verdeckte Kapitaleinlage laufend durch verminderte<br />

Abschreibungen gewinnerhöhend aus. Wird es dem<br />

Unternehmen nicht gestattet, die eingebrachten Vermögenswerte<br />

in der <strong>St</strong>euerbilanz zu ihren tatsächlichen Werten einzusetzen,<br />

wird das Unternehmen in beiden Fällen auf einem Gewinn<br />

besteuert, den es nicht selbst erwirtschaftet hat, sondern<br />

der auf die verdeckte Kapitaleinlage des Einlegers zurückgeht<br />

(BRÜLISAUER/KUHN Art. 60 N 25, genauso bereits in einem unpublizierten<br />

Gutachten von MARKUS REICH/MADELEINE SIMONEK).<br />

35 Vgl. zum Goodwill Anm. 27, vorne.<br />

<strong>IFF</strong> Forum für <strong>St</strong>euerrecht 2002

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