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Massgeblichkeitsprinzip und Privatisierung - IFF - Universität St.Gallen

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Madeleine Simonek, <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> <strong>und</strong> <strong>Privatisierung</strong><br />

9<br />

Aufdeckung stiller Reserven, wobei beide Autoren aber davon<br />

ausgehen, dass die stillen Reserven noch vor der <strong>Privatisierung</strong><br />

in der Sphäre des übertragenden Gemeinwesens<br />

aufgedeckt werden.<br />

4.3.4 Exkurs: <strong>St</strong>euerrechtliche Behandlung<br />

verdeckter Kapitaleinlagen in Deutschland<br />

In Deutschland lauten die gesetzlichen Bestimmungen<br />

über die steuerliche Gewinnermittlung ähnlich wie in der<br />

Schweiz. Gemäss § 5 Abs. 1 Satz 1 E<strong>St</strong>G bilden die<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmässiger Buchführung Gr<strong>und</strong>lage für<br />

die steuerliche Gewinnermittlung. Es gilt auch in Deutschland<br />

das <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong>.<br />

Das <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> ist dabei ähnlich ausgestaltet<br />

wie in der Schweiz. Eine Bindung der <strong>St</strong>euerpflichtigen an<br />

ihre Handelsbilanz besteht vor allem in Form der sogenannten<br />

umgekehrten Massgeblichkeit. Diese ist in § 5<br />

Abs. 1 Satz 2 E<strong>St</strong>G statuiert <strong>und</strong> verlangt, dass steuer liche<br />

Wahlrechte nur in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz<br />

ausgeübt werden dürfen. Will eine steuerpflichtige Person<br />

ein steuerliches Wahlrecht (vor allem Abschreib ungen,<br />

Rückstellungen usw.) zu ihren Gunsten geltend machen,<br />

muss sie die entsprechende Buchung bereits in ihrer Handelsbilanz<br />

vornehmen 48 .<br />

Dieser Gr<strong>und</strong>satz gilt indessen nicht für verdeckte Kapitaleinlagen.<br />

Gemäss § 6 Abs. 1 Ziff. 5 E<strong>St</strong>G sind Sacheinlagen<br />

ausdrücklich mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Zuführung<br />

anzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn in der Handelsbilanz<br />

ein anderer Wert verbucht worden ist. Verdeckte Kapitaleinlagen<br />

sind in Deutschland somit kraft ausdrücklicher<br />

Gesetzesbestimmung in der <strong>St</strong>euerbilanz offenzulegen 49 .<br />

4.3.5 Beurteilung<br />

4.3.5.1 Vorbemerkung<br />

Mit Ausnahme von GURTNER 50 äussert sich die zitierte herrschende<br />

Lehre nicht ausdrücklich zur Frage, in welchem<br />

Verhältnis eine steuerliche Offenlegung verdeckter Kapi -<br />

taleinlagen zum <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> steht. So wird<br />

namentlich nicht darauf eingegangen, wo die Grenze<br />

zwischen einer Bindung der steuerpflichtigen Person an<br />

ihre Handelsbilanz <strong>und</strong> der Freiheit von ihrer Handels -<br />

bilanz zu ziehen ist.<br />

Als Richtschnur für die Abgrenzung dieser beiden<br />

Gr<strong>und</strong>sätze muss zweifelsohne der Gr<strong>und</strong>satz der Besteuerung<br />

nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dienen.<br />

Das Leistungsfähigkeitsprinzip gilt als F<strong>und</strong>amentalprinzip<br />

unserer <strong>St</strong>euerordnung. Es ist ein verfassungsmässiges<br />

Recht <strong>und</strong> zusammen mit den Gr<strong>und</strong>sätzen der Allgemeinheit<br />

<strong>und</strong> Gleichmässigkeit der Besteuerung ausdrücklich in<br />

Art. 127 Abs. 2 BV verankert. Es soll <strong>St</strong>euergerechtigkeit,<br />

namentlich eine gerechte Verteilung der <strong>St</strong>euerlasten<br />

gemäss der persönlichen Leistungsfähigkeit jeder steuerpflichtigen<br />

Person garantieren. Das Massgeblichkeits -<br />

prinzip wie auch der Gr<strong>und</strong>satz der <strong>St</strong>euerneutralität von<br />

Kapitaleinlagen sind aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip<br />

abgeleitete Unterprinzipien, die nur unter Berücksichtigung<br />

ihres F<strong>und</strong>aments ausgelegt werden dürfen.<br />

4.3.5.2 <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> 51<br />

4.3.5.2.1 Gr<strong>und</strong>satz<br />

Das <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong> wird im schweizerischen<br />

Gewinnsteuerrecht dem Verweis auf den Saldo der Er -<br />

folgsrechnung in Art. 58 Abs. 1 Bst. a DBG 52 <strong>und</strong> den entsprechenden<br />

kantonalen Bestimmungen entnommen. Es<br />

besagt, dass das Ergebnis der handelsrechtskonformen Erfolgsrechnung<br />

auch für die steuerliche Gewinnermittlung<br />

massgebend ist, sofern keine steuerrechtlichen Korrekturvorschriften<br />

ein Abweichen vom handelsrechtlichen Gewinnausweis<br />

erlauben 53 .<br />

<strong>St</strong>euerrechtliche Korrekturvorschriften sind notwendig,<br />

um den unterschiedlichen Zielsetzungen der handelsrechtlichen<br />

<strong>und</strong> steuerlichen Gewinnermittlung Rechnung zu<br />

tragen. Die handelsrechtliche Gewinnermittlung ist nach<br />

geltendem Recht auf dem Gläubigerschutz- <strong>und</strong> Vorsichts -<br />

prinzip aufgebaut. Die handelsrechtlichen Bewertungs -<br />

vorschriften sind deshalb Höchstansätze, die nicht über-<br />

48 Vgl. zur Rechtslage in der Schweiz Ziff. 4.3.5.2.2, unten. Eine<br />

Übersicht über die Situation in Deutschland gibt auch GURTNER<br />

82 ff.<br />

49 Vgl. zum Ganzen namentlich BRIGITTE KNOBBE-KEUK, Bilanz- <strong>und</strong><br />

Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage, Köln 1993, 184 f.; PETER<br />

QUANTSCHNIGG, Bilanzierungsprobleme im Zusammenhang mit<br />

verdeckter Gewinnausschüttung <strong>und</strong> verdeckten Einlagen, in:<br />

Probleme des <strong>St</strong>euerbilanzrechts, hrsg. von Werner Doralt im<br />

Auftrag der Deutschen <strong>St</strong>euerjuristischen Gesellschaft e.V.<br />

(D<strong>St</strong>JG Bd.14), Köln 1991, 47 ff., insb. 60.<br />

50 Nach GURTNER, 89, sind Kapitaleinlagen «nötigenfalls in Durchbrechung<br />

des <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong>s» zum Verkehrswert in<br />

die <strong>St</strong>euerbilanz einzustellen. Offenbar will er es damit vollständig<br />

ins Belieben des <strong>St</strong>euerpflichtigen stellen, Kapitaleinlagen<br />

in der Handelsbilanz oder nur in der <strong>St</strong>euerbilanz offenzulegen.<br />

51 Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, die Diskussionen<br />

über die Zukunft des <strong>Massgeblichkeitsprinzip</strong>s, die<br />

durch den Entwurf des B<strong>und</strong>esgesetzes über die Rechnungslegung<br />

<strong>und</strong> Revision (RRG) ausgelöst wurden, in die Beurteilung<br />

einzubeziehen. Den nachfolgenden Ausführungen ist deshalb<br />

ausschliesslich die geltende Rechtslage zugr<strong>und</strong>e gelegt.<br />

52 Nach Art. 58 Abs. 1 Bst.a DBG besteht der steuerbare Gewinn<br />

u.a. aus «a) dem Saldo der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung<br />

des Saldovortrages des Vorjahres».<br />

53 Vgl. u.v. BLUMENSTEIN/LOCHER 239 f.; CAGIANUT/HÖHN § 4 N 26 ff.;<br />

GURTNER 77; REICH, Realisation, 41 ff.<br />

<strong>IFF</strong> Forum für <strong>St</strong>euerrecht 2002

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