Massgeblichkeitsprinzip und Privatisierung - IFF - UniversitÃ¤t St.Gallen

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52 Jonas Misteli, Effektenhandel an ausländischen Börsen Ausländische Bank Kundenseitige Gegenpartei Erhält die schweizerische Bank den Auftrag von einem Kunden (ohne Status einer ausländischen Bank bzw. eines ausländischen Börsenagenten), ist – unter Vorbehalt einer anderen Ausnahmebestimmung im Stempelabgabengesetz – trotz Art.19 Abs. 3 StG die kundenseitige hälftige Abgabe geschuldet, weil Art. 19 StG sich aus - schliesslich auf Geschäfte mit ausländischen Banken bzw. Börsenagenten bezieht. Kunde (nicht ausländ. Bank od. Börsenagent) Kundenseitige Gegenpartei CH-Bank 0 0 (virt-x-Mitglied) Börsenseitige Gegenpartei Die Befreiung von der Abgabe für die kundenseitige Gegenpartei (sofern es sich dabei um eine ausländische Bank oder einen ausländischen Börsenagenten handelt) erfolgt nach geltender Praxis unabhängig davon, ob diese Gegenpartei das Geschäft auf eigene oder auf fremde Rechnung eingeht. Auch wenn die ausländische Bank bzw. der ausländische Börsenagent ihrerseits im Auftrag eines in- oder ausländischen Kunden handelt, ist nach geltender Praxis die ganze Transaktion gestützt auf Art. 19 Abs. 3 StG 44 vollständig abgabefrei. Der umständliche Nachweis eines sog. «Dreieckgeschäfts» im Auftrag eines abgabebe - freiten Anlegers 45 ist für eine Befreiung deshalb nicht erforderlich. Kunde CH-Bank 1/2 0 (virt-x-Mitglied) Ausländische Bank Kundenseitige Gegenpartei virt-x Börsenseitige Gegenpartei CH-Bank 0 0 (virt-x-Mitglied) virt-x virt-x Börsenseitige Gegenpartei Die Ausdehnung von Art. 19 Abs. 3 StG auf die kunden - seitige Gegenpartei ist aus Sicht der schweizerischen Mitglieder einer ausländischen Börse natürlich sehr zu begrüssen. Sie verhindert, dass diese im Brokeragegeschäft mit inländischen Titeln für ausländische Banken einem umsatz - abgabebedingten Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren aus - ländischen Konkurrenten ausgesetzt sind, und ermöglicht zudem, das Handelsgeschäft im Auftrag ihrer Kunden vollständig umsatzabgabefrei über ausländische Banken oder ausländische Niederlassungen zu «routen». Weil der Befreiungstatbestand von Art. 19 Abs. 3 StG nur unter der Voraussetzung zur Anwendung gelangt, dass der involvierte inländische Effektenhändler Mitglied der auslän - dischen Börse ist, können inländische Banken und Broker ohne Mitgliedschaft bei einer ausländischen Börse von dieser grosszügigen Praxis nicht profitieren und schulden bei Geschäften mit inländischen Titeln für ausländische Banken mindestens eine halbe Abgabe, bei einer Abwicklung über ein ausländisches Mitglied der ausländischen Börse sogar die ganze Abgabe. Ausländische Bank CH-Bank 1/2 1/2 (nicht virt-x-Mitglied) Ausländisches virt-x-Mitglied virt-x Damit werden inländische Banken ohne Mitgliedschaft bei der ausländischen Börse faktisch vom lukrativen Broke - ragegeschäft für ausländische Banken (und deren in- und ausländischen Kunden!) ausgeschlossen, weil diese ausländischen Institute schweizerische Blue Chips über (in- oder ausländische) Mitglieder einer ausländischen Börse abgabefrei handeln können. Die Gesetzmässigkeit der Ausdehnung der Rechtsfolgen von Art. 19 Abs. 3 StG auf die kundenseitige «Gegenpartei» erscheint m.E. zweifelhaft. Die ausländische Bank, welche einem inländischen Mitglied einer ausländischen Börse den Auftrag erteilt, einen Titel über die ausländische Börse zu handeln, ist bei der über die Börse abgewickelten Transaktion rechtlich betrachtet nicht in der eigentlichen Position der Gegenpartei des inländischen Mitglieds. Die eigent - liche Gegenpartei ist das andere Börsenmitglied bzw. die jeweilige CCP. Zudem deutet der oben zitierte Auszug aus der Botschaft zum dBG 2000 darauf hin, dass der historische Gesetzgeber wohl davon ausgegangen ist, dass bei einer Annahme von Art. 19 Abs. 3 StG die Kundenseite von der neuen Bestimmung völlig unberührt bleibe. Schliesslich ist auch für die aus der Ausdehnung resultierende Benachteiligung der nicht der ausländischen Börse als Mitglieder beigetretenen inländischen Banken und Broker kein vernünftiger Grund ersichtlich. Wenn der Handel mit inländischen Titeln im Auftrag von ausländischen Banken und Brokern über eine ausländische Börse abgabefrei möglich sein soll, dann sollten alle inländischen Wertschriftenhändler davon profitieren können, unabhängig davon, ob sie Mitglieder der ausländischen Börse sind oder nicht. Diese Zweifel an der Gesetzmässigkeit der Ausdehnung der Rechtswirkungen von Art. 19 Abs. 3 StG auf die kundenseitige Gegenpartei (sofern es sich dabei um eine ausländische Bank oder einen ausländischen Börsenagenten handelt) sollten m.E. im laufenden Gesetzgebungsverfahren beseitigt werden, indem einerseits die geltende Praxis ausdrücklich positiviert wird und andererseits sichergestellt wird, dass auch inländische Effektenhändler ohne Mitgliedschaft bei einer ausländischen Börse davon profitieren können, 44 Vgl. Fn 43. 45 Vgl. dazu ESTV-Wegleitung 2001 Rn 39; SWX-Rahmenbedingungen Rn 31 . IFF Forum für Steuerrecht 2002
Jonas Misteli, Effektenhandel an ausländischen Börsen 53 sofern diese ihre Aufträge von ausländischen Banken bzw. Börsenagenten nachweislich über ein inländisches Mitglied einer ausländischen Börse abwickeln lassen. 5 Fazit Nach der hier vertretenen Auffassung bergen die derzeitige Fassung von Art. 19 Abs. 3 StG und die dazu entwickelte Praxis erhebliche rechtliche Ungereimtheiten und Unsicher - heiten in sich. Dies dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass die Bestimmung in Eile erlassen werden musste, noch bevor die virt-x ihren Betrieb effektiv aufnahm und noch bevor der zu regelnde Sachverhalt definitiv feststand. Mit der Überführung des Dringlichkeitsrechts in ordentliches Recht besteht nun die Gelegenheit, diese Unklarheiten im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 19 Abs. 3 StG durch den Gesetzgeber zu klären. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und für die Zukunft klare und diskriminierungsfreie Rechtsverhältnisse schafft. Solche bilden eine wesentliche Voraussetzung für die möglichst effiziente Weiterentwicklung der Kapitalmärkte und verringern das Risiko, dass das Umsatzabgaberecht bereits in Kürze nochmals revidiert werden muss. Literatur und Materialien Botschaft zum DBG 2000, Botschaft des Bundesrates für ein Bundesgesetz über neue dringliche Massnahmen im Bereich der Umsatzabgabe vom 2. Oktober 2000, BBl 2000 5835 ff. Botschaft zum Steuerpaket 2001, Botschaft des Bundes - rates zum Steuerpaket 2001 vom 28. Februar 2001, BBl 2001 2983 ff. EBK-Mitteilung 18/2001, Mitteilung der EBK vom März 2001 betreffend virt-x, Meldepflichten nach Art.2ff. BEHV-EBK, EBK-M 18 (2001) Beilage 2d ESTV-Informationsschreiben 2001, Informationsschreiben der ESTV (Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer und Stempelabgaben) vom 9. Feb - ruar 2001 an die inländischen Effektenhändler betreffend Abgabe auf Wertpapieren beim Umsatz ESTV-Wegleitung 2001, Wegleitung der ESTV (Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer und Stempelabgaben) zur Umsatzabgabe, Ausgabe 2001 GIGER P., Der OTC Handel mit Finanzderivaten aus rechtlicher Sicht, Schweizer Schriften zum Bankrecht, Bd. 49, Diss. Universität Zürich, Zürich 1998 (zit.: GIGER (1998)) SBVg Zirkular Nr. 6919, Zirkular der Schweizerischen Bankiervereinigung Nr. 6919 vom 23. Februar 1999 be treffend Teilrevision des Stempelgesetzes – Zirkular Nr. 7010, Zirkular der Schweizerischen Bankiervereinigung Nr. 7010 vom 11. Oktober 2000 be - treffend Revision des Stempelgesetzes – Zirkular Nr. 7028, Zirkular der Schweizerischen Bankiervereinigung Nr. 7028 vom 15. Dezember 2000 betreffend Revision des Stempelgesetzes STOCKAR C., Neue Massnahmen bei der Umsatzabgabe, Hinweise zum dringlichen Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000, ST 2001, 251 ff. (zit.: STOCKAR [2001]) – Übersicht und Fallbeispiele zu den Stempelabgaben und zur Verrechnungssteuer, 3. Auflage, Therwil/Basel 2000 (zit.: STOCKAR [2000]) – Neuerungen bei der Umsatzabgabe, Hinweise zum dringlichen Bundesbeschluss vom 19. März 1999, ST 1999, 349 ff. (zit.: STOCKAR [1999]) SWX-Börsenordnung, Börsenordnung der SWX vom 6. Oktober 1994 SWX-Rahmenbedingungen, Publikation der SWX vom 20. Juli 2001 betreffend Regulatorische Rahmenbedingungen für schweizerische virt-x-Teilnehmer SWX-Wegleitung, Wegleitung der SWX betreffend Stempelabgabe für Remote Members, 2. März 1999. TANNER S., Steuerpaket 2001, Praxisforum, StR 2001, S. 844 ff. (zit.: TANNER [2001]) VIRT-X, virt-x Phase 1 Clearing & Settlement, 13. Dezember 2000 (zit.: virt-x Phase 1) VIRT-X, The rules of virt-x, vom 26. Juni 2001 (zit.: virt-x rules) WALSER H., Die Pensionskassen als Effektenhändler, Diskriminierende Abgaben, höhere Verwaltungskosten, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 219 vom 21. September 2001 (zit.: WALSER [2001]) Erlasse dBB 1999, Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen im Bereich der Umsatzabgabe vom 19. März 1999, AS 1999 1287 ff. dBG 2000, Bundesgesetz über neue dringliche Massnahmen im Bereich der Umsatzabgabe vom 15. Dezember 2000, AS 2000 2991 ff. StG, Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 27. Juni 1973, SR 641.10 IFF Forum für Steuerrecht 2002
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