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Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

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118 Klaus Schwabe<br />

Bereits vorher hatte sich Delbrück auf Bismarck berufen:<br />

„. . . War es etwa die Logik von Königgrätz o<strong>der</strong> war es die e<strong>in</strong>e Logik Bismarcks,<br />

die uns 1866 den richtigen Frieden gegeben hat? . . . Da Bethmann ke<strong>in</strong> Bismarck<br />

ist, wird sich hier am meisten zu zeigen haben, ob Wilhelm II. mehr ist als Wilhelm<br />

I. ... In diesem Kampf ist es nicht unwichtig, daß wir auf <strong>der</strong> richtigen Seite<br />

stehen . . .""<br />

Die e<strong>in</strong>zige Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> europäischen Landkarte, die Delbrück für denkbar hielt,<br />

bestand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>herstellung Polens 68 . Aber wurde damit <strong>der</strong> Weg zu e<strong>in</strong>er<br />

Verständigung mit Rußland nicht für immer verbaut? Wenn Deutschland aber<br />

se<strong>in</strong>e schwerste Aufgabe, die Brechung <strong>der</strong> englischen Seeherrschaft, bewältigen<br />

wollte, mußte es zu e<strong>in</strong>er Verständigung mit Rußland o<strong>der</strong> Frankreich o<strong>der</strong><br />

mit beiden kommen 69 . — Dieser Gedankenaustausch, <strong>in</strong> dem sich Delbrück noch<br />

als konsequenter Verteidiger <strong>der</strong> schon vor dem Krieg gültigen Ziele deutscher<br />

„Weltpolitik" erwies, fand bereits vor <strong>der</strong> Marneschlacht statt.<br />

Vier Wochen später trat Delbrück <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er politischen Korrespondenz im Oktoberheft<br />

<strong>der</strong> „Preußischen Jahrbücher" mit se<strong>in</strong>em Kriegszielplan auch öffentüch<br />

hervor:<br />

„Die Sicherheit, die wir erkämpfen wollen, kann . . . nur bestehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

höchster eigener militärischer Kraft mit politischer Mäßigung . . . " 60<br />

Deutschland müsse versuchen — <strong>und</strong> dies war <strong>der</strong> Kern se<strong>in</strong>er Kriegszielkonzeption<br />

-, das Gleichgewicht zur See zu err<strong>in</strong>gen, müsse dabei aber das Gleichgewicht<br />

auf dem europäischen Kont<strong>in</strong>ent bewahren. Schon wenn es England nicht gelänge,<br />

die deutsche Seemacht auszuschalten, hätte das Reich damit die Anerkennung se<strong>in</strong>er<br />

maritimen Gleichberechtigung erzwungen.<br />

„E<strong>in</strong> militärisch unangefochtener Krieg ist . . . nach englischer Auffassung für<br />

Deutschland politisch bereits e<strong>in</strong> großer Sieg, <strong>und</strong> wir haben allen Gr<strong>und</strong>, diese<br />

Auffassung von Herzen für Deutschland für richtig zu erklären . . . " 61 .<br />

Solche Sätze klangen im Herbst 1914 defaitistisch. Sie brachten Delbrück empörte<br />

Zuschriften vieler Kollegen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Rüge von <strong>der</strong> militärischen Zensur e<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong> Appell an den Reichskanzler, <strong>des</strong>sen Politik Delbrück nur unterstützt zu haben<br />

glaubte, erwies, daß dieser es „für verfehlt" hielt, e<strong>in</strong>e „Gleichgewichtstheorie" zu<br />

formulieren, die „we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Auffassung <strong>des</strong> Auswärtigen Amtes" noch se<strong>in</strong>er „persönlichen<br />

Ansicht" „entspräche" 62 .<br />

67 Ds. an Lenz, 24. VIII. 1914, DB.<br />

68 Ds. an Lenz, 9. VIII. 1914, DB.<br />

68 Ds. an Lenz, 24. VIII. 1914, DB.<br />

80 H. Delbrück, Der zukünftige Friede, <strong>in</strong>: PrJbb, Bd. 158, S. 191. Auch: H. Delbrück,<br />

Krieg <strong>und</strong> Politik, 1919, Bd. I, S. 58ff. Der Aufsatz trägt das Datum <strong>des</strong> 27. IX. 1914, erschien<br />

aber im Oktoberheft <strong>der</strong> PrJbb.<br />

61 PrJbb, Bd. 158, S. 192. Die Wurzeln dieser Konzeption, die <strong>in</strong> die Vorkriegszeit zurückreichen,<br />

hat aufgedeckt: L. Dehio, Ranke <strong>und</strong> <strong>der</strong> deutsche Imperialismus, a. a. O., S. 42.<br />

62 O. Hamman im Auftrage Bethmanns an Delbrück, 18. X. 1914, DB. Kritik an Delbrück:<br />

Vgl. L<strong>in</strong>a Delbrück, Hans Delbrücks Leben, masch.geschr. IX. Fortsetzung, S. 75 u. 78, <strong>und</strong><br />

Annelise Thimme, Hans Delbrück als Kritiker <strong>der</strong> wilhelm<strong>in</strong>ischen Epoche, 1954, S. 175. —

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