25.01.2014 Aufrufe

Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

134 Klaus Schwabe<br />

VII<br />

War das nun e<strong>in</strong> persönlicher Erfolg Seebergs o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Triumph <strong>der</strong> h<strong>in</strong>ter ihm<br />

stehenden Kräfte? Diese Frage führt noch e<strong>in</strong>mal auf das Problem <strong>der</strong> Verknüpfung<br />

<strong>der</strong> Kriegszielbewegung <strong>und</strong> ihrer Gegner mit den <strong>in</strong>nenpolitischen Machtträgern<br />

im Weltkriegsdeutschland zurück. Die weitgehende Manipulierung <strong>der</strong><br />

Seeberg-Bewegung durch alldeutsch-groß<strong>in</strong>dustrielle Interessenten bedarf nach dem<br />

Gesagten ke<strong>in</strong>es weiteren Kommentares. Es bleibt die Frage, wie sich Seeberg mit<br />

<strong>der</strong> Rolle <strong>des</strong> Sprechers e<strong>in</strong>er Tarnorganisation, wie man heute sagen würde, abgef<strong>und</strong>en<br />

hat. An<strong>der</strong>s als man aus se<strong>in</strong>er Rede am 20. Juni 1915 schließen könnte,<br />

hat er dies doch nicht so selbstverständlich getan. Von Anfang an hatte er den E<strong>in</strong>druck,<br />

daß die Verb<strong>in</strong>dung mit Schumacher ihm von <strong>in</strong>dustrieller Seite her aufgezwungen<br />

worden war 126<br />

— das Drängen <strong>der</strong> Industrievertreter wie Hugenberg<br />

machte ihn recht „nachdenklich" 187 , <strong>und</strong> er versuchte, diesem Druck gegenüber<br />

wenigstens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkte se<strong>in</strong>e eigene Vorstellung von <strong>der</strong> Kriegszielbewegung<br />

als e<strong>in</strong>er Volksbewegung zu behaupten: Er ignorierte das Verlangen Schumachers<br />

(<strong>und</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>des</strong>sen <strong>in</strong>dustrieller Auftraggeber) nach e<strong>in</strong>er strikten Geheimhaltung<br />

<strong>der</strong> Denkschrift so gründlich, daß diese b<strong>in</strong>nen kurzem sogar im Ausland<br />

auftauchte 128 . Für sich selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Anhänger hielt er damit, so gut es g<strong>in</strong>g, die<br />

SK); <strong>und</strong> an Fester, 3. IX. 1915, FK. Bonwetsch machte er auf Delbrücks „Bedenken ... <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Richtung Belgiens" aufmerksam. Den Brief Harnacks an Broedrich, den Geiss (a. a. O.,<br />

S. 63) <strong>und</strong> nach ihm Fischer (Weltmacht, 3. Aufl., S. 207) verwenden, um den Kreis um<br />

Delbrück <strong>des</strong> nach Osten <strong>und</strong> nach Westen gerichteten <strong>Annexionismus</strong> zu „überführen", zitiert<br />

Seeberg <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Briefen an Bonwetsch <strong>und</strong> Fester, ohne ihn jedoch - wie Geiss <strong>und</strong> Fischer<br />

— als Unterstützung westlicher Annexionsziele zu werten. Harnacks entgegenkommende Ausdrucksweise<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Brief an se<strong>in</strong>en Landsmann Broedrich wird aus <strong>der</strong> taktischen Absicht<br />

zu erklären se<strong>in</strong>, die auch Delbrück leitete: Dem Wunsche nach Bildung e<strong>in</strong>er breiten Kriegszielfront,<br />

die den Kanzler unterstützte. Angesichts dieser Situation wird man diesen Brief nicht<br />

als „Schlüssel" zum Verständnis <strong>der</strong> Stellung Harnacks <strong>und</strong> noch weniger <strong>des</strong> Delbrückkreises<br />

im Ganzen zur Belgienfrage werten dürfen.<br />

128 Seeberg an Lezius 10. VII. 1915 u. 16. VII. 1915, SK. Hier: „. . . Mit Schumacher]<br />

hat uns Claß böse here<strong>in</strong>gelegt."<br />

127<br />

Seeberg an Lezius, 10. VII. 1915, SK: „. . . Warum hat uns Cl[aß] Schufmacher]<br />

empfohlen? Hat er <strong>des</strong>sen Zusammenhänge mit <strong>der</strong> Schwer<strong>in</strong>dustrie gekannt? Mich hat das<br />

recht nachdenklich gemacht..." — Ähnl. an Lezius 16. VII. 1915:,,. . . Ich habe nichts gegen<br />

die Schwer<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> diesem Interessenkreise, sonst hätte ich ihre Glie<strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> so großem<br />

Umfang herangezogen. Was mich besorgt macht, ist etwas an<strong>der</strong>es. Seit e<strong>in</strong>iger Zeit nämlich<br />

wird unsere Denkschrift dadurch heruntergerissen, daß man sagt, sie sei bestellte Arbeit von<br />

Hugenberg . . . Dadurch wird natürlich die Wucht unserer Sache untergraben. Daher müssen<br />

wir uns hiergegen wahren. Wir wollen gern mit Landwirtschaft <strong>und</strong> Schwer<strong>in</strong>dustrie Hand <strong>in</strong><br />

Hand gehen, aber es wäre schimpflich, wenn wir nach ihrem Gefallen handeln sollten ..."<br />

128 Darüber vgl. D. Schäfer, Leben, S. 171 (über den amerikanischen Pressevertreter<br />

v. Wiegand). Zur Haltung Seebergs <strong>in</strong> dieser Frage höchst aufschlußreich se<strong>in</strong> Brief an Lezius<br />

vom [?] August 1915, SK: „Ich habe mit allen großen Männern die Verhandlungen geführt<br />

<strong>und</strong> sie dabei — für ihr Verständnis — here<strong>in</strong>gelegt. Ich habe die Sache so bekannt gemacht,<br />

daß sie vor Wut schäumten. Ich habe aber an<strong>der</strong>erseits ihnen von Anfang an versprechen<br />

müssen, nach Möglichkeit alles vertraulich ... zu behandeln. In dieser Lage hielt ich es für<br />

loyal gegen den Ausschuß, ihn von dem Odium, das auf mir zur Zeit lastet, zu befreien ..."

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!