25.01.2014 Aufrufe

Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Ursprung</strong> <strong>und</strong> <strong>Verbreitung</strong> <strong>des</strong> <strong>alldeutschen</strong> <strong>Annexionismus</strong> 131<br />

unterstreicht nur die Stärke, die die Annexionsbewegung erlangt hatte - schloß<br />

Delbrück deutsche Gebietserwerbungen nicht aus, zumal „wo wirkliche Germanisierung<br />

möglich" erschien. Delbrück dachte dabei, wie se<strong>in</strong>e Polendenkschrift<br />

zeigt, nicht an Polen, wohl aber an Livland <strong>und</strong> Kurland, wie man gleichzeitigen<br />

Briefen entnehmen kann 118 . Möglich, daß hier se<strong>in</strong> Kollege <strong>und</strong> Schwager v. Harnack,<br />

<strong>der</strong> aus dem Baltikum stammte, e<strong>in</strong>en gewissen E<strong>in</strong>fluß ausgeübt hat 113 . Doch<br />

se<strong>in</strong> Hauptmotiv - wir kennen es schon - lag zweifellos <strong>in</strong> den Bemühungen, das<br />

durch die militärischen Erfolge e<strong>in</strong>mal geweckte Expansionsdrängen <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

von den westlichen Annexions wünschen auf die, wie er glaubte, weniger gefahrbr<strong>in</strong>genden<br />

Ziele <strong>in</strong> Osteuropa abzulenken. Wie sich wenige Wochen später<br />

zeigte, verfolgte Delbrück mit <strong>der</strong> Propagierung östlicher Kriegsziele auch <strong>in</strong>nenpolitische<br />

Absichten 114 .<br />

Im Endresultat wurde freilich ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Delbrückschen Entwürfe angenommen;<br />

das bereits erwähnte Aktionskomitee e<strong>in</strong>igte sich vielmehr am 9. Juli 1915 auf e<strong>in</strong>e<br />

Vorlage, die von dem Herausgeber <strong>des</strong> l<strong>in</strong>ksliberalen Berl<strong>in</strong>er Tageblattes Theodor<br />

Wolff stammte 115 . Der Kernsatz <strong>der</strong> Denkschrift <strong>der</strong> Gemäßigten:<br />

„In re<strong>in</strong> sachlicher Erwägung bekennen wir uns zu dem Gr<strong>und</strong>satz, daß die E<strong>in</strong>verleibung<br />

o<strong>der</strong> Anglie<strong>der</strong>ung politisch selbständiger <strong>und</strong> an Selbständigkeit gewöhnter<br />

Völker zu verwerfen ist . . ," 116<br />

sollte den Weg zu Gebietserwerbungen im Osten offen lassen, während er solche <strong>in</strong><br />

Westeuropa ausschloß 117 . Nur nach langer Debatte wurde e<strong>in</strong> Passus aufgenommen,<br />

<strong>der</strong> - e<strong>in</strong>er beliebten Formel folgend - e<strong>in</strong>en Frieden verlangte, <strong>der</strong> den deutschen<br />

Bd. 1, 1965, S. 97, spricht er aber wie<strong>der</strong> von dem „zur Mäßigung bekehrten" Delbrück, ohne<br />

diesen Vorgang genauer zu kennzeichnen. Von e<strong>in</strong>er „Bekehrung" Delbrücks ließe sich höchstens<br />

<strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne sprechen, daß er Ende 1915 den Gedanken, Belgien als Faustpfand bei<br />

Friedensverhandlungen zu verwenden, aufgab <strong>und</strong> statt<strong>des</strong>sen e<strong>in</strong>e öffentliche Freigabeerklärung<br />

für Belgien zu for<strong>der</strong>n begann (vgl. unten S. 136).<br />

112 Delbrück an Oncken, 9. u. 13. VIII. 1915, DB; ds. an Alfred Weber, 2. XI. 1915, DB.<br />

Über Delbrück auch Seeberg an Fester, 3. IX. 1915, FK.<br />

113 Harnack war an<strong>der</strong>s als die meisten se<strong>in</strong>er baltischen Landsleute sehr viel vorsichtiger<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Hoffnungen auf deutsche Lan<strong>der</strong>werbungen im Baltikum. So wünschenswert er sie<br />

fand, so skeptisch war er im H<strong>in</strong>blick auf die Chancen, die Deutschland <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht hatte<br />

(Kriegsziele<strong>in</strong>gabe an Bethmann Hollweg [?] vom 23. V. 1915, HB; Harnack an Valent<strong>in</strong>i,<br />

2. V. 1915, ebd., er biete ihm se<strong>in</strong>e Dienste <strong>in</strong> Kurland an sowohl unter <strong>der</strong> Parole: Wir behalten<br />

das Land „als auch unter <strong>der</strong> lei<strong>der</strong> sehr viel wahrsche<strong>in</strong>licheren: ,Wir behalten es<br />

nicht"').<br />

114 Delbrück an Oncken, 9. VIII. 1915, DB. Ds. an Harnack, 16. VIII. 1915, HB; ds. an<br />

L<strong>in</strong>a Delbrück, 7. VIII. 1915 (<strong>in</strong>: L<strong>in</strong>a Delbrück, Das Leben . . ., S. 170), wonach Delbrück<br />

die Zustimmung se<strong>in</strong>es Vetters Clemens v. Delbrück zu diesem Gedanken fand.<br />

" 5 Th. Wolff, Marsch, S. 270.<br />

116 Gedruckt erst im Juli 1917 <strong>in</strong> PrJbb, Bd. 169, S. 306ff., vorher als Flugblatt mit Kommentar<br />

bereits durch den Seeberg-Ausschuß ,Mitteilung' o. D. (ca. Nov. 1915) mit Unterschriften<br />

(E<strong>in</strong> Ex. <strong>in</strong> SchF).<br />

117 Delbrück an Oncken, 9. VIII. 1915, DB; ds. an Lenz, 7. VIII. 1915, DB. Für die von<br />

Harnack gegebene Interpretation vgl. unten S. 134.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!