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Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

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126 Klaus Schwabe<br />

Mit welchen Mitteln gelang es nun den Initiatoren <strong>der</strong> Denkschrift, dieses Programm<br />

den am 20. Juni 1915 im Berl<strong>in</strong>er Künstlerhaus versammelten Honoratioren<br />

annehmbar ersche<strong>in</strong>en zu lassen? Zunächst, <strong>in</strong>dem sie — außer Seeberg natürlich —<br />

selbst möglichst wenig hervortraten: Die Namen von Lezius, Liebig <strong>und</strong> Vietiaghoff<br />

erschienen nicht auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>ladung zu dieser Versammlung, <strong>und</strong> Hugenberg wollte<br />

sogar nicht e<strong>in</strong>mal die Denkschrift unterschreiben, weil sonst die „Sache . . . wie<br />

Mache <strong>der</strong> Schwer<strong>in</strong>dustrie" aussähe! 97 Außerdem bemühten sich die drei Redner<br />

aus <strong>der</strong> Professorenschaft - Seeberg, Schäfer <strong>und</strong> Schumacher 98 -, die Denkschrift<br />

sozusagen „von höherer Warte" zu beleuchten, ohne auf die Frage <strong>der</strong> Realisierung<br />

<strong>der</strong> dort verkündeten Kriegsziele näher e<strong>in</strong>zugehen. Sie alle unterstützten natürlich<br />

Annexionen im Pr<strong>in</strong>zip, waren aber doch bemüht, sie mit Formeln wie „Machterweiterung",<br />

„Err<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>es dauerhaften Friedens" <strong>und</strong> immer wie<strong>der</strong> „Sicherstellung"<br />

<strong>des</strong> Reiches für die Zukunft zu umkleiden.<br />

Am offenherzigsten war noch Schumacher, dem die Erörterung <strong>der</strong> westlichen<br />

Kriegsziele zufiel. Er erwähnte immerh<strong>in</strong> die wirtschaftlichen Interessen, die mit<br />

diesen For<strong>der</strong>ungen verb<strong>und</strong>en waren, <strong>und</strong> er nannte auch das Enteignungsverlangen<br />

beim Namen (Schäfer deutete es nur an, Seeberg erwähnte es gar nicht).<br />

Aber etwas beschönigte doch auch er die vorliegende Denkschrift, wenn er den angeglie<strong>der</strong>ten<br />

Belgiern e<strong>in</strong> parlamentarisches Leben zubilligte <strong>und</strong> den Flamen beson<strong>der</strong>e<br />

Unterstützung versprach.<br />

Bei Schäfer nahmen sich die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Denkschrift <strong>in</strong>sofern harmloser<br />

aus, als dieser se<strong>in</strong>e ursprünglichen <strong>und</strong> immer noch nicht ganz überw<strong>und</strong>enen Bedenken<br />

nicht verhehlte. Er hatte nichts gegen die Gew<strong>in</strong>nung von Siedlungsland im<br />

Osten. Aber handelte es sich im Westen nicht um „alt überlieferte Verhältnisse" -<br />

<strong>in</strong> Belgien, <strong>des</strong>sen „Verwaltung . . . seit e<strong>in</strong>em halben Jahrtausend" „e<strong>in</strong>e gewisse<br />

E<strong>in</strong>heit" besaß, <strong>in</strong> Frankreich, <strong>des</strong>sen Bevölkerung „durch e<strong>in</strong>e lange Geschichte<br />

an das Land gekettet" war, zu dem sie gehörte — m. a. W. um e<strong>in</strong>e „geschichtliche<br />

Entwicklung", die man „nicht übersehen" konnte? Doch schien es Schäfer nicht<br />

opportun, die Beseitigung dieser Schwierigkeiten zu diskutieren. An dem Recht zu<br />

kehrte, er müßte nicht nur schlimmste Unzufriedenheit <strong>der</strong> unteren <strong>und</strong> mittleren Klassen<br />

über den Steuerdruck, er müßte bis hoch <strong>in</strong> die führenden Kreise h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verbitterung erwarten,<br />

die den <strong>in</strong>neren Frieden gefährden würde, ja an die Gr<strong>und</strong>festen <strong>der</strong> Monarchie rühren<br />

könnte . . ." Auf Lezius' Autorschaft deuten e<strong>in</strong> Brief Gildemeisters an Seeberg, 16. VI. 1915,<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Randbemerkung Gildemeisters zu e<strong>in</strong>em Brief A. Lohmanns an Gildemeister,<br />

23. VI. 1915, h<strong>in</strong> (beide SK). Lezius waren solche Vorstellungen vertraut, wie se<strong>in</strong>e Voraussage<br />

e<strong>in</strong>er Revolution bei e<strong>in</strong>em Verzichtsfrieden zeigt (an Kropatschek, 4. V. 1915, SK).<br />

87<br />

Gildemeister an Seeberg, 16. VI. 1915, SK. Über die Taktik <strong>der</strong> Tarnung vgl. auch Claß,<br />

Strom, S. 395.<br />

98 Auf e<strong>in</strong>e Diskussion wollte es Seeberg nach „den schlechten Erfahrungen beim Preußentag"<br />

nicht ankommen lassen (an Lezius 6. VI. 1915, SK). Die Titel <strong>der</strong> drei Vorträge lauten:<br />

H. Schumacher, unsere Kriegsziele, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Westen; D. Schäfer, Unser Volk <strong>in</strong>mitten<br />

<strong>der</strong> Mächte; R. Seeberg, Unsere Kriegsziele, alle als Handschriften gedruckt <strong>und</strong> verteilt.<br />

Die Rede <strong>des</strong> Reg.Präs. v. Schwer<strong>in</strong> über östliche Kriegsziele <strong>in</strong>teressiert <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

nicht.

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