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Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

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150 Klaus Schwabe<br />

Dem Kreis um Delbrück - den Professoren Kahl, Anschütz <strong>und</strong> Ser<strong>in</strong>g, ferner dem<br />

ehemaligen Kolonialstaatssekretär Dernburg <strong>und</strong> dem früheren Botschafter Hatzfeldt<br />

-, <strong>der</strong> am 7. Juli e<strong>in</strong> Aktionskomitee gebildet hatte, mochte dieser Entwurf zu<br />

allgeme<strong>in</strong> kl<strong>in</strong>gen 109 . Auf jeden Fall f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> Delbrücks Nachlaß noch e<strong>in</strong>en<br />

zweiten, wesentlich präziseren 110 . Er gipfelte <strong>in</strong> den Sätzen:<br />

„Den Traum, durch den Frieden e<strong>in</strong>e Weltstellung zu gew<strong>in</strong>nen, die uns automatisch<br />

<strong>in</strong> Zukunft gegen Angriffe sichert, verwerfen wir als e<strong>in</strong>e dem Vaterlande<br />

<strong>und</strong> dem Weltfrieden gleich schädliche Utopie. E<strong>in</strong> ehrenvoller <strong>und</strong> dauern<strong>der</strong>, den<br />

Siegen unserer Krieger <strong>und</strong> dem nationalen Interesse entsprechen<strong>der</strong> Friede würde<br />

uns vielmehr am besten verbürgt ersche<strong>in</strong>en, wenn uns <strong>der</strong> nationale Staat ohne<br />

fremde Bestandteile erhalten bleibt, die jetzigen Grenzen aber weiter gezogen werden,<br />

wo die militärische Sicherung dies schlechth<strong>in</strong> verlangt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e wirkliche<br />

Germanisierung möglich ist; wenn Englands Beherrschung <strong>der</strong> belgischen Küste<br />

ausgeschlossen wird, <strong>und</strong> Sicherheiten für die germanische Zukunft <strong>des</strong> flamischen<br />

Stammes geschaffen werden, wenn weiter unser Kolonialreich vergrößert. . . wird;<br />

wenn endlich unsere Gegner uns e<strong>in</strong>e unseren eigenen Aufwendungen wie den<br />

Wert <strong>der</strong> eroberten <strong>und</strong> zurückzugebenden Landstriche entsprechende Entschädigung<br />

gewähren . . .".<br />

Was war damit geme<strong>in</strong>t? Delbrücks Korrespondenz aus diesen Wochen läßt darüber<br />

ke<strong>in</strong>en Zweifel bestehen: Ke<strong>in</strong>e Annexionen an <strong>der</strong> deutschen Westgrenze, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

nicht auf Kosten Belgiens 111 . Wie aber sah es im Osten aus? Hier - <strong>und</strong> das<br />

109 Wolff, S. 269.<br />

110 In DK.<br />

111 E<strong>in</strong>e Durchsicht von Delbrücks Korrespondenz aus dem Sommer 1915 beseitigt hier<br />

jeden Zweifel. Schon vorher (an Berthold Delbrück, 15. IV. 1915, DB) hatte er Belgien als<br />

das „trojanische Pferd" für Deutschland bezeichnet <strong>und</strong> jede direkte, aber auch <strong>in</strong>direkte<br />

Annexion abgelehnt. Ende Mai 1915 übersandte er Bethmann se<strong>in</strong>e Schrift: Bismarcks Erbe,<br />

mit dem H<strong>in</strong>weis, daß für „sehr viele <strong>der</strong> besten Deutschen . . . <strong>der</strong> zu hoffende Siegespreis<br />

nicht <strong>in</strong> Belgien liegt". (Konzept <strong>in</strong> DB, ähnlich ebd. an H<strong>in</strong>denburg, 8. VI. 1915.) An Oncken<br />

schrieb er am 13. VIII. 1915 (DB): „. . . Ihre Vorstellung, daß Belgien künftig das ,Glacis von<br />

England' gegen uns se<strong>in</strong> werde . . , halte ich für sehr anfechtbar. Glauben Sie, daß die Belgier<br />

so große Lust haben, ihr Land von Neuem Kriegsschauplatz werden zu lassen? Die ,Luxemburgisierung'<br />

Belgiens ist praktisch <strong>und</strong>urchführbar . . ." O<strong>der</strong> an Harnack, 16. VIII. 1915,<br />

HB: „. . . Wie w<strong>und</strong>erbar wäre es, wenn wir Livland befreiten <strong>und</strong> dafür sagen könnten: so<br />

nun lassen wir Belgien fahren." Es ließen sich noch weitere Belege <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne anführen.<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Ausnahme bildet sche<strong>in</strong>bar e<strong>in</strong>e Bemerkung D.'s (an K. Wiedenfeld, 16. VII.<br />

1915, Konzept <strong>in</strong> DB), die von „strategischen Grenzberichtigungen" im Westen spricht. Delbrück<br />

tat dies, um se<strong>in</strong>e Denkschrift gegen den Vorwurf <strong>der</strong> „Blutleere" zu verteidigen. Daß<br />

er damit nicht mehr geme<strong>in</strong>t haben kann, als was unter diesem Begriff <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er strikten Bedeutung<br />

zu verstehen ist, geht aus allen übrigen gleichzeitigen Äußerungen zu dieser Frage<br />

hervor (vgl. auch Anm. 56 u. 65, S. 117): Sicher nicht Beifort, auch nicht Longwy o<strong>der</strong><br />

Briey <strong>und</strong> ganz bestimmt nicht die Maasfestungen, son<strong>der</strong>n vielleicht Verbesserungen an<br />

<strong>der</strong> Grenze mit Luxemburg o<strong>der</strong> an den Vogesen von lokaler Bedeutung. Dazu hielt er e<strong>in</strong>e<br />

Entfestigung Belgiens allenfalls für durchsetzbar, wie e<strong>in</strong> Brief an Ludendorff vom 24. XII.<br />

1915, Konz. DB, zeigt. Im Gegensatz zu se<strong>in</strong>en Ausführungen <strong>in</strong>: Griff nach <strong>der</strong> Weltmacht,<br />

3. Aufl., S. 193, schien Fischer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em jüngsten Aufsatz: Weltpolitik, Wertmachtstreben<br />

<strong>und</strong> deutsche Kriegsziele (HZ 199 [1964], S. 276) dieser Tatsache Rechnung zu tragen. In<br />

se<strong>in</strong>er neuesten Studie: Weltmacht o<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang, Hambg. Stud. zur neueren Geschichte,

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