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Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

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132 Klaus Schwabe s<br />

Opfern entspräche. Man versprach sich gerade von diesem Satz e<strong>in</strong>e günstige Wirkung<br />

<strong>in</strong> „Universitätskreisen" 118 .<br />

Das Echo auf die Gegenadresse Theodor Wolffs fiel wesentlich bescheidener aus<br />

als das auf die Seeberg-E<strong>in</strong>gabe. Delbrücks Fre<strong>und</strong>e vermochten <strong>in</strong>sgesamt nur<br />

191 Unterschriften zusammenzubr<strong>in</strong>gen, von denen etwas mehr als die Hälfte von<br />

Hochschullehrern stammte — unter ihnen A. E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>, A. v. Harnack, M. Lehmann,<br />

M. Planck, G. Schmoller, E. Troeltsch <strong>und</strong> Max Weber.<br />

Unter den Gründen, die Delbrücks Anhänger zu ihrer Entscheidung bewogen,<br />

fielen Bedenken gegenüber möglichen „napoleonischen" Tendenzen <strong>der</strong> deutschen<br />

Politik nicht e<strong>in</strong>mal so schwer <strong>in</strong>s Gewicht wie die Furcht, durch die Verkündung<br />

so e<strong>in</strong>deutig großkapitalistischer Kriegsziele die Sozialdemokratie zu brüskieren <strong>und</strong><br />

damit die E<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Heimatfront - die große „<strong>in</strong>nere Eroberung" <strong>der</strong> ersten<br />

Kriegswochen - aufs Spiel zu setzen. So schrieb K. Wiedenfeld, <strong>der</strong> Hallesche<br />

Nationalökonom, an Delbrück:<br />

„Es wäre doch e<strong>in</strong> gar zu schmählicher Erfolg <strong>der</strong> Gegner <strong>der</strong> Sozi, wenn es ihnen<br />

wirklich gelänge, die sozialdemokratische Partei wie<strong>der</strong> ganz <strong>in</strong> die Negation zu<br />

drängen — sicherlich nicht <strong>der</strong> letzte Gr<strong>und</strong>, warum man jene Aktion auf umfassende<br />

Annexionen e<strong>in</strong>geleitet hat. Alles atmet auf <strong>in</strong> dem Gedanken, daß <strong>der</strong> Krieg uns<br />

wenigstens e<strong>in</strong>e arbeitsfähige Arbeiterpartei br<strong>in</strong>gen wird — <strong>und</strong> die Industriellen<br />

s<strong>in</strong>d so unpolitisch, daß sie nur an die Schwierigkeit ihrer Betriebsführung denken.<br />

Und dies ausschließlich wirtschaftlich <strong>in</strong>teressierte Element soll auch noch durch<br />

die Anglie<strong>der</strong>ung Belgiens gestärkt werden! E<strong>in</strong> ganz unglaublicher Gedanke!" 119<br />

Die <strong>in</strong>nenpolitischen Pr<strong>in</strong>zipien dieser Kathe<strong>der</strong>sozialisten erwiesen sich also als<br />

stärker als <strong>der</strong> alldeutsch-annexionistische Sog dieser Wochen.<br />

Wie stark dieser geworden war, zeigt endlich auch das Beispiel zweier Gelehrter,<br />

die we<strong>der</strong> die e<strong>in</strong>e noch die an<strong>der</strong>e Denkschrift unterzeichneten: Friedrich Me<strong>in</strong>ecke<br />

<strong>und</strong> Hermann Oncken. Beide hatten die E<strong>in</strong>ladung zu <strong>der</strong> Seeberg-Versammlung<br />

am 20. Juni 1915 unterschrieben, verwahrten sich jedoch öffentlich dagegen, daß<br />

diese Unterschrift bereits als Zustimmung zum Text <strong>der</strong> Seebergadresse gewertet<br />

würde 120 . Daß beide Historiker dennoch nicht wirklich Delbrücks Intentionen unter-<br />

118 Wolff, S. 270.<br />

119 Wiedenfeld an Delbrück, 16. VII. 1915, DB. Wiedenfeld ersche<strong>in</strong>t als „Professor<br />

Wiedfeld <strong>in</strong> Leipzig . . . Annexionsspezialist. . . für Antwerpen", bei Fischer, HZ 199, S. 272.<br />

Von Wiedenfeld stammt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat die Denkschrift: Antwerpens wirtschaftliche Zukunft, als<br />

Manuskript gedruckt, e<strong>in</strong> Ex. <strong>in</strong> DK. Sie schließt mit dem Satz: „Re<strong>in</strong> wirtschaftlich gewertet,<br />

entspricht also den Interessen Deutschlands an Antwerpen am meisten die politische Selbständigkeit<br />

Belgiens e<strong>in</strong>schließlich Antwerpens. Wie weit die politische . . . Wertung auf eben<br />

dieses o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Ziel h<strong>in</strong>deutet, das zu behandeln entzieht sich me<strong>in</strong>er Kompetenz."<br />

Die Denkschrift muß im Früh jähr 1915 dem Auswärtigen Amt vorgelegt worden se<strong>in</strong>; ihr<br />

E<strong>in</strong>gang wurde durch das A.A. am 21. April 1915 bestätigt. Das Konzept zu diesem Schreiben<br />

enthält den Randvermerk „Wiedenfeld ist vielleicht für Kriegsziel-Erörterung zu brauchen".<br />

(Akten <strong>des</strong> Ausw. Amtes, Weltkrieg 15, Bd. IV, S. 138).<br />

120 F. Me<strong>in</strong>ecke, Pol. Schriften u. Reden, S. 125; ds., Straßburg, Freiburg, Berl<strong>in</strong>, 1949,<br />

S. 202 f. — Wie viele, so nahm auch Me<strong>in</strong>ecke zu allererst an dem Schlußpassus <strong>der</strong> Seeberg-<br />

Denkschrift Anstoß (an Delbrück, 24. VI. 1915, DB). Vgl. auch Oncken an Delbrück, 28. VI.

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