Ausgabe lesen - Rheinkiesel
Ausgabe lesen - Rheinkiesel
Ausgabe lesen - Rheinkiesel
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kultur<br />
einem ½ Taler Strafe verurteilt“.<br />
Was für eine Mär hätte man daraus<br />
dichten können! Doch nicht<br />
so Wilhelm Grimm. War er verärgert?<br />
„<br />
Empört? Oder doch amüsiert?<br />
Er läßt es uns nicht wissen. Nur<br />
selten blitzt zwischen den Zeilen<br />
Grimmsche Ironie auf: „wir gingen<br />
in die Weinkelter in Clouths<br />
Haus, wo die Trauben gewogen<br />
wurden … wir ließen uns auch wiegen,<br />
ich war 149 Pfund schwer,<br />
Dortchen 110 und Gustchen 129.“<br />
Ganz anders dagegen der Ton seiner<br />
Briefe, die von einer tief empfun -<br />
denen Herzlichkeit und Freund -<br />
schaft gegenüber den Sim rocks<br />
und dem Rheinland erzählen:<br />
„Liebe Agnes, wie herrlich schmekken<br />
die Trauben vom Rhein …<br />
du hättest uns nichts besseres<br />
schenken können … Danke deinem<br />
Vater … sei glücklich und behalte<br />
lieb deinen treuen Freund Wilhelm<br />
Grimm“ (17. Oktober 1857).<br />
Jenseits der Märchen<br />
Auf seinen fast täglichen Spazier -<br />
gängen war Wilhelm Grimm häufig<br />
allein. Wer unter denen, denen<br />
er begegnete auf seinen Wegen,<br />
mag gewußt haben, wer der ältere<br />
Herr mit den melancholischen<br />
Augen war? Ohne den wir heute<br />
wohl kaum etwas wüssten von<br />
Rot käppchen, Schneewittchen<br />
oder Hänsel und Gretel. Oder<br />
auch dem Deutschen Wörter -<br />
buch. Denn die Brüder Grimm<br />
waren nicht nur Märchen samm -<br />
„Blicke, liebe Sonne … in das ein same<br />
Stübchen eines guten Kindes, und dein<br />
reiner Strahl berühre das Herz …“<br />
(Menzenberg 16. September 1853 Wilhelm Grimm)<br />
“<br />
ler. Ihre Forschungsleistun gen auf<br />
dem Gebiet der Germanistik, als<br />
deren Begründer sie gelten, sind<br />
mindestens ebenso so groß, wenn<br />
nicht größer. Das bislang größte<br />
Wörterbuch zur deutschen Spra -<br />
che hatten die Brüder Grimm<br />
1838 begonnen. Wilhelm Grimm<br />
bearbeitete bis zu seinem Tode mal<br />
gerade den Buchstaben D. In<br />
einem Brief an Gertrud Simrock<br />
klagt Wilhelms Frau (4. März<br />
1856): „Heraus müssen die Männer<br />
sonst verschimmeln sie ganz hinter<br />
dem Wörterbuch, das ackern geht<br />
vom Morgen bis in die Nacht“.<br />
Im Oktober reiste Familie Grimm<br />
wieder nach Berlin. „So Gott will<br />
und wir leben kommen wir nächstes<br />
Jahr wieder nach Breitbach“, schrieb<br />
Dorothea Grimm. Dieser Wunsch<br />
sollte nicht in Erfüllung gehen.<br />
Wilhelm Grimm starb 1859, ohne<br />
September 2013 5