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GNOR Info Nr. 117

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Naturschutz<br />

Ausbringung von Bacillus thuringiensis israelensis (kurz BTI) mit dem Hubschrauber / Foto: Dr. Peter<br />

KELLER<br />

heim die erste Aktionsgemeinschaft<br />

zur Bekämpfung der Stechmücken<br />

gegründet. Dabei hat man die Hausmücken<br />

in den Kellern abgefackelt<br />

und Petroleumölfraktionen (50<br />

Liter Saprol/ha) auf der Wasseroberfläche<br />

der Brutgewässer versprüht.<br />

In den Jahren nach dem Krieg hat<br />

man herkömmliche Insektizide und<br />

später sogar DDT gegen<br />

Stechmücken eingesetzt. Die Plagen<br />

in den 1970er Jahren waren erneut<br />

verheerend, so dass die Notwendigkeit,<br />

etwas gegen die Lästlinge zu<br />

unternehmen, evident war.<br />

Zunächst hatten sich 48 Kommunen<br />

zwischen Ludwigshafen/<br />

Mannheim und Karlsruhe zusammengeschlossen.<br />

Später kamen alle<br />

Kommunen zwischen Bingen im<br />

Norden und dem Kaiserstuhl im<br />

Süden zur KABS hinzu, so dass es<br />

heute 102 Gebietskörperschaften<br />

sind. Zunächst wurde von der KABS<br />

die Biologie der einheimischen<br />

Stechmücken untersucht. Neben<br />

den bis dahin 46 bekannten<br />

Stechmückenarten haben KABS-<br />

Wissenschaftler in den Folgejahren<br />

noch vier neue Arten entdeckt, u. a.<br />

den japanischen Buschmoskito und<br />

den asiatischen Tigermoskito. Erste<br />

Versuche, die Fluginsekten in den<br />

Auen mit einem herkömmlichen<br />

Insektizid (Fenethcarb) zu bekämpfen,<br />

schlugen fehl und wurden<br />

zudem abgelehnt, da Carbamate<br />

unselektiv auf alle Insekten wirken<br />

und schnell Resistenzen zu erwarten<br />

sind. Die KABS hatte es sich außerdem<br />

zur Aufgabe gemacht, die<br />

Stechmücken umweltverträglich zu<br />

bekämpfen, so dass die Bevölkerung<br />

vor den Stechmücken geschützt und<br />

dabei die Unversehrtheit der Natur<br />

gleichermaßen berücksichtigt werden<br />

kann.<br />

Fast zeitgleich mit der Gründung<br />

der KABS wurde in der Negev-<br />

Wüste in Israel (daher "israelensis")<br />

ein Bodenbakterium entdeckt, nämlich<br />

Bacillus thuringiensis israelensis<br />

(kurz BTI), das weltweit in Böden<br />

vorkommt und jene Eiweißkristalle<br />

bildet, die ganz gezielt Mückenlarven<br />

abtöten, andere Organismen<br />

hingegen unbeschadet lässt. Bei der<br />

KABS kommen als Wirkstoff ausschließlich<br />

die Eiweiße von BTI<br />

zum Einsatz, die den Darm der<br />

Mückenlarven über einen komplizierten<br />

Wirkmechanismus, der sich<br />

über Jahrmillionen entwickelt hat,<br />

zerstören. Wegen des komplexen<br />

Wirkmechanismus haben sich bis<br />

heute keine Resistenzen gegen BTI<br />

entwickeln können. Zusammen mit<br />

der Universität Heidelberg hat die<br />

KABS diese Methode innerhalb kurzer<br />

Zeit vom Labor in die Praxis<br />

umsetzen können, um den vorübergehend<br />

gegen Stechmückenpuppen<br />

eingesetzten Lezithin-Paraffin-Film<br />

(Liparol) zu ersetzen. Es wurde<br />

zunächst die Selektivität der Eiweißkristalle<br />

im Labor und in Freilandversuchen<br />

in zahlreichen Diplomund<br />

Doktorarbeiten an verschiedenen<br />

Universitäten, aber insbesondere<br />

von Wissenschaftlern der Universität<br />

Heidelberg, untersucht. Parallel<br />

wurden geeignete Formulierungen<br />

für die Ausbringung von BTI speziell<br />

für die Anwendung mit dem<br />

Hubschrauber entwickelt. Alle Studien<br />

und Versuche haben gezeigt,<br />

dass nur Mückenlarven abgetötet<br />

werden, und zwar bereits bei sehr<br />

niedrigen Dosierungen; weiterhin,<br />

dass Stechmückenlarven etwas weniger<br />

empfindlich sind als die Larven<br />

der Kriebelmücken und weit<br />

unempfindlicher z. B. als die Larven<br />

der Zuckmücken und Kohlschnaken.<br />

In akribischer Feinarbeit wurden<br />

alle Brutgewässer der<br />

Stechmücken im KABS-Gebiet<br />

erfasst. Aber nicht nur die<br />

Stechmücken wurden kartiert, sondern<br />

auch schutzwürdige Arten, wie<br />

z. B. seltene Vögel oder Orchideen.<br />

Die relevanten Brutgewässer der<br />

Zuckmücken - meist eutrophe Altrheine<br />

und Baggerseen, die keine<br />

Stechmückenbrutgewässer sind -<br />

werden stets von der Bekämpfung<br />

ausgenommen. Die Ausbringung in<br />

ökologisch sensiblen Gebieten wird<br />

so gewählt, dass gefährdete Tiere<br />

und Pflanzen nicht geschädigt werden.<br />

Beispielsweise wird die Flughöhe<br />

des Hubschraubers von der<br />

Störempfindlichkeit der Vögel<br />

abhängig gemacht und die Dosierung<br />

so gewählt, dass allein die<br />

Stechmücken getroffen werden. In<br />

46<br />

<strong>GNOR</strong> <strong>Info</strong> <strong>117</strong>

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