Editorial
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Kurzbeiträge<br />
Sezession 2 · Juli 2003<br />
Neue Weltsicht, alte Schweinereien<br />
von Rolf Stolz<br />
Die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“<br />
(IGMG), jene in den siebziger Jahren unter anderem<br />
Namen von dem daheim momentan etwas<br />
ins Abseits geratenen Ex-Ministerpräsidenten<br />
Erbakan gegründete größte und mächtigste<br />
Fundamentalistenorganisation auf deutschem<br />
Boden, ist in Otto Schilys Verfassungsschutzbericht<br />
unter der Rubrik „Ausländerextremismus“<br />
zu finden – noch. Wie lange noch?<br />
Wo der diktatorisch von dem Süleymanli-Geheimorden<br />
geführte „Verband Islamischer Kulturzentren“<br />
(VIKZ) so wenig unter den offiziell<br />
genannten Verfassungsfeinden zu finden ist<br />
wie die ursprünglich vom türkischen Staat installierte,<br />
aber längst weitgehend von islamistischen<br />
Ultras dirigierte „DITIB“, wo ein praktizierender<br />
Muslimbruder wie Nadeem Elyas zum<br />
Vorzugsgesprächspartner der Thierse, Kock &<br />
Co geworden ist, wittern die Jünger Erbakans<br />
Morgenluft – zumal sie ja per Runderlaß des<br />
türkischen Außenministers quasi zum verlängerten<br />
Arm der Ankaraer Islamistenregierung<br />
in Westeuropa befördert wurden. Längst schon<br />
gelang es ihnen, von naiven Kirchenoberen wie<br />
von nach Stimmvieh Ausschau haltenden Politikastern<br />
das Testat des um Integration bemühten<br />
Biedermanns zu erhalten. Was dem ungläubig<br />
staunenden und zweifelnden Polittheater-Publikum<br />
hier als Resozialisierung von Ex-Terroristen<br />
und Integration gläubiger Muslime in die<br />
Gesellschaft verkauft wird, ist in Wirklichkeit<br />
nichts anderes als der Versuch eines diktatorisch<br />
geführten islamistischen Netzwerks, die alten<br />
Ziele auf neuen Wegen durchzusetzen, indem<br />
man zeitweise die Parolen abändert, taktisches<br />
Verschweigen und Verhüllen – also die vom politischen<br />
Islam seit alters her anempfohlene Taquia<br />
– betreibt und mit hinreichend naiven und<br />
unpolitischen Gesprächspartnern eine als „Dialog“<br />
getarnte Gehirnwäsche startet. Sind das<br />
zu harte Worte, womöglich gar Vorurteile über<br />
Ausländer, die wir intoleranten eurozentrischen<br />
Rassisten unbelehrbar wiederkäuen ?<br />
Nun, machen wir eine Lackmusprobe.<br />
Schauen wir uns an, wie Milli Görüs es im praktischen<br />
Leben mit der Demokratie hält, wie man<br />
mit Kritikern umgeht. Denn nicht das abstrakte,<br />
rituell abgesonderte Bekenntnis zum Rechtsstaat<br />
entscheidet - es kommt immer darauf an,<br />
ob Andersdenkende respektiert werden, ob Kritik<br />
ausgehalten und aufgenommen wird. Kritik<br />
an Milli Görüs gibt es in reichlichem Umfang<br />
und seit gut drei Jahrzehnten. Es hat sie gegeben,<br />
als im Januar 1980 aus einer Berliner Moschee<br />
der IGMG-Vorläuferorganisation AMGT<br />
gut achtzig aufgehetzte Islamisten hervorstürmten<br />
und Celalettin Kestim, einen linken türkischen<br />
Lehrer, der gerade Flugblätter verteilte,<br />
überfielen und ermordeten – was im übrigen<br />
weitgehend ungesühnt blieb, sieht man von einigen<br />
lächerlichen (Bewährungs)Strafen und Freizeitarresten<br />
ab. Die Kritik hat es gegeben, als die<br />
IGMG Ende der achtziger Jahre ihre Vorgehensweise<br />
modifizierte und etwa die alte antisemitische<br />
Hetze nur noch auf türkisch veröffentlichte<br />
beziehungsweise den Anhängern die Lektüre<br />
entsprechender türkischer Autoren empfahl.<br />
Eine Zeitlang hat die IGMG diese Kritik<br />
dann weitgehend ignoriert und eher die eigenen<br />
Bataillone gesammelt als die gegnerischen<br />
angegriffen. Aber offenkundig geht diese Etappe<br />
zu Ende. Man fühlt sich stark genug, die Reihen<br />
marschieren geschlossen, die Deutschen<br />
sind teils atomisiert-entpolitisiert, teils noch im<br />
Multikulti-Rausch halb und halb anislamisiert,<br />
und die wenigen Wachen, die den Tiefschlaf<br />
des deutschen Nachtwächterstaats stören, kann<br />
man als rechtsextreme Ruhestörer und hysterische<br />
Emanzen verbellen. Jetzt scheint der IGMG<br />
die Zeit gekommen, zunächst all diejenigen Publizisten<br />
und Journalisten moralisch-politisch<br />
zu vernichten, die ihr im Weg stehen. Darin liegt<br />
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Stolz – Neue Weltsicht