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Editorial

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Sogar mit Jünger erging es ihm<br />

trotz der engen Beziehung ähnlich.<br />

Nach dem Krieg hatte Jünger bis<br />

1949 Publikationsverbot, und Nebel<br />

bemühte sich, den Widersinn<br />

dieser Weisung deutlich zu machen,<br />

indem er in einer Monographie<br />

Jüngers geistige Bedeutung herausstellte.<br />

Bereits in seinem ersten<br />

Buch hatte Nebel Jünger in einem<br />

Essay behandelt und ihn nicht als<br />

philosophierenden Kriegshelden<br />

charakterisiert, wie es dem Zeitgeist<br />

entsprochen hätte, sondern<br />

eben als Metaphysiker und Zeitkritiker.<br />

Dabei ging Nebel recht weit,<br />

wenn er 1939 mit Bezug auf Jünger forderte, erst müsse die optische Täuschung,<br />

die das Nichts für das höchste Sein hält, beseitigt und die Lage<br />

des Menschen erkannt werden, der „von allen Göttern verlassen, der Materie,<br />

dem blinden Zufall, der Tierheit vertrauenslos und verzweifelt ausgeliefert<br />

ist“.<br />

1951 trennten sich ihre Wege für ein Jahrzehnt. Über die Gründe kann<br />

man nur mutmaßen. Neben der Streitsucht Nebels, die ihm keine dauerhafte<br />

Beziehung zu großen Geistern erlaubte, kommen seine Kritik an Jüngers<br />

indifferenter Haltung zum Christentum und seine Geschwätzigkeit (gesteigert<br />

durch übermäßigen Alkoholkonsum) in Frage. Dieses Zerwürfnis ist<br />

besonders tragisch, weil Nebel – wie erwähnt – über Jünger erst zum Schreiben<br />

gelangte. Sein Selbstbild vom Autor orientierte sich allerdings stärker<br />

an einer Traditionslinie, die von Meister Eckart über Hölderlin zu Heidegger<br />

reicht: Nebel war davon überzeugt, daß man ein Werk nacherleben<br />

müsse, um es verstehen zu können. Das Werk eines Denkers oder Dichters<br />

sei ein „Ereignis“, in dem innerhalb der Welt des Alltags, bei Nebel Realität,<br />

das Wirken Gottes, die Wirklichkeit, nachvollzogen werde.<br />

Der angedeutete philosophische Rahmen Nebels war dabei denkbar<br />

einfach und provozierte bei einem Rezensenten das böse Wort von der<br />

„Bantuphilosophie“. Nebel genügte die Unterscheidung zwischen Realität<br />

und Wirklichkeit, um den Menschen in seinem Verhältnis zur Welt und<br />

zu Gott zu beschreiben. Gott sei die „wirkende Wirklichkeit“, die Fülle<br />

transzendenten Seins. Demgegenüber stehe die Realität, die Welt der alltäglichen<br />

Verrichtungen. Nebels Christentum wurde geprägt durch die<br />

Vorstellung vom plötzlichen Auftreten Gottes, die er von Karl Barth übernahm.<br />

Die Wirklichkeit breche im Ereignis in die Realität ein. Das Ereignis<br />

schlechthin sei die Offenbarung Gottes in Christus. Damit wies Nebel<br />

auf die Macht des Ereignisses hin, das das menschliche Gebundensein an<br />

die materiellen Fesseln der Realität und die damit verbundene Sicherheit<br />

zerstören könne. Der Mensch gelange im Ereignis zur Existenz, zum eigentlichen<br />

Menschsein in Gott. In seinem Buch Das Ereignis des Schönen<br />

(1953) hat Nebel diesen Zusammenhang erläutert und versucht, das Schöne<br />

vom Christusereignis her zu interpretieren.<br />

Aufschlußreich ist, daß Nebel erst nach 1945 den christlichen Glauben<br />

annahm und sich von da ab in der für ihn typischen unversöhnlichen<br />

und kategorischen Art darum bemühte, seinen bisherigen Denkweg vom<br />

Christentum her zu interpretieren. Seit seinem Buch Weltangst und Götterzorn,<br />

das 1951 erschien, widmete er sich einer Deutung der griechischen<br />

Tragik vom christlichen Glauben her. In der christlichen Offenbarung<br />

zeige sich der Gott, der schon zuvor unsichtbar anwesend war: „In<br />

Hellas wie in anderen archaischen Systemen spricht und handelt der Vater<br />

Jesu Christi – anders kann ich das Ethos dieser Menschen nicht begreifen.“<br />

Indem Nebel das Christentum als Interpretationsgrundlage für die<br />

antiken Tragödien heranzog, gelangte er zu eigenwilligen und bemerkenswerten<br />

Einsichten. Die Fachwelt konnte sie allerdings nicht nachvollziehen,<br />

da Nebel keine anerkannte Methode verwandte.<br />

So ist Weltangst und Götterzorn das letzte Buch Nebels, das in der<br />

breiteren Öffentlichkeit für Diskussionen sorgte. Es wurde in seiner Radikalität<br />

zurückgewiesen, Nebel nicht mehr ernstgenommen und vom wissenschaftlichen<br />

Gespräch ausgeschlossen. Dabei stand er mit seiner Pos-<br />

Gerhard Nebel<br />

Gerhard Nebel: Ernst<br />

Jünger. Abenteuer des<br />

Geistes, Wuppertal 1949<br />

Gerhard Nebel: Das<br />

Ereignis des Schönen,<br />

Stuttgart 1953<br />

Gerhard Nebel: Weltangst<br />

und Götterzorn. Eine<br />

Deutung der griechischen<br />

Tragödie, Stuttgart 1951<br />

Autorenportrait Nebel<br />

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