Editorial
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Pfeile.<br />
zige, was aus den Durchhalteparolen der letzten<br />
Monate so richtig haften blieb. Der Trümmerfrauenappell<br />
des „BürgerKonvents“ legt eindrucksvoll<br />
Zeugnis ab von der geänderten Bildsprache<br />
angesichts eines kollabierenden Sozialsystems.<br />
Und von hier aus ist auch die Verschiebung<br />
der Diskussion in Richtung Europa durch<br />
Habermas zu interpretieren. Habermas ist klug<br />
genug, um zu sehen, daß ganz allmählich alle<br />
Diskussionen um die Nation zu kreisen beginnen,<br />
anders ausgedrückt: daß Solidarität und<br />
Gemeinsamkeit als Grundforderung einen Rahmen<br />
brauchen, der den Sinn eines Zusammenstehens<br />
eindeutig und nachvollziehbar vermitteln<br />
kann.<br />
Die Nation als Schicksalsgemeinschaft zu<br />
verstehen, setzt voraus, daß ein „Wir“ im Bewußtsein<br />
jedes Einzelnen verankert ist. Daß es<br />
die Bundesrepublik Deutschland insgesamt versäumt<br />
hat, dieses „Wir“ zu bestimmen und vom<br />
„Nicht-Wir“ abzugrenzen, liegt am Einfluß von<br />
Leuten wie Habermas. Seine Experimentierfreude<br />
und Risikobereitschaft verblüfft immer wieder,<br />
wobei die Folgen dadurch schon gemildert<br />
sind, daß das Habermassche Haus am Starnberger<br />
See längst gebaut ist, und er soziale Zerrüttungen<br />
nicht zu Gesicht bekommen wird. Aus<br />
solchermaßen individuell gesicherter Zukunft<br />
heraus klingt die Forderung seltsam, ungesicherte<br />
Zukunft müsse auch ohne Identitätskorsett<br />
ertragen werden können.<br />
Denn „Europa“ wird auf absehbare Zeit<br />
keine Identität stiften können, und deshalb liegt<br />
nichts näher, als auf die Nation zu verweisen<br />
und die alte Lehre der Schumacher-SPD ernst<br />
zu nehmen: daß nämlich eine Vernachlässigung<br />
des Nationalen die Loyalität der Massen in dem<br />
Moment kostet, in dem abstrakte Problemlösungen<br />
nicht mehr greiffen.<br />
Für Gerhard Schröder lag es in diesem Jahr<br />
schon einmal nahe, die Frage nach der Nation<br />
zu stellen: Denn noch immer ist die Nation das<br />
einzige wirklich handlungsfähige Subjekt der<br />
Außenpolitik. Alle internationalen Gremien und<br />
Vereinigungen basieren auf einzelnen Nationen.<br />
Auch der amerikanische Alleingang basiert auf<br />
der Nation, auf einer Nation allerdings, die mit<br />
mächtigen Erzählungen, Bildern und Botschaften<br />
dem Individuum den Tod als äußerste Konsequenz<br />
nationaler Politik aufzubürden imstande<br />
ist. Das ist es: In ihrer Bereitschaft, Konsequenzen<br />
zu tragen, ist die Geschlossenheit der<br />
amerikanischen Nation phänomenal.<br />
Gerhard Schröder hat seine Nation zu Alleingängen<br />
verführt, ohne daß sie wüßte, wozu<br />
sie in der Lage und was sie zu ertragen imstande<br />
ist, und ohne daß der Kanzler selbst es wüßte.<br />
Verantwortungslosigkeit ist wohl eine der Lehren<br />
von Habermas, der mit seiner Europa-Debatte<br />
einmal mehr bewies, daß er den Menschen<br />
nicht als Menschen erträgt und deshalb die notwendige<br />
anthropolgische Kehre nicht vollzieht:<br />
weg von der Überforderung, hin zur mobilisierenden<br />
Eindeutigkeit der Identität.<br />
Heft 1:<br />
Zuwanderung in Deutschland<br />
30 Seiten, November 2001<br />
Heft 2:<br />
Aufstand der Aufständigen<br />
48 Seiten, November 2001<br />
Heft 3:<br />
Nationale Identität<br />
32 Seiten, Mai 2002<br />
Heft 4:<br />
Politische Kampagnen<br />
40 Seiten, September 2002<br />
Wissenschaftliche Reihe<br />
Jedes Heft 5 <br />
Institut für Staatspolitik<br />
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