Editorial
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Rezensionen Sezession 2 · Juli 2003<br />
Geschlechterkriege<br />
Martin van Creveld: Das<br />
bevorzugte Geschlecht. München:<br />
Gerling Akademie Verlag<br />
2003. 492 S., kt, 29.60 €<br />
Arne Hoffmann: Sind Frauen<br />
die besseren Menschen? Berlin:<br />
Schwarzkopf & Schwarzkopf<br />
2001. 604 S., br, 18.90 €<br />
Nicht jeder Tabubruch setzt<br />
heroischen Mut voraus und<br />
die Bereitschaft, womöglich<br />
öffentlich geächtet zu werden.<br />
Als der Militärhistoriker Martin<br />
van Creveld vor vierzehn<br />
Jahren in seinem Buch Kampfkraft.<br />
Militärische Organisation<br />
und militärische Leistung<br />
1939-1945 der Wehrmacht ein<br />
deutliches Lob zollte und sie<br />
von einer wirksamen Durchdringung<br />
mit nationalsozialistischer<br />
Ideologie freisprach,<br />
war das ein Tabubruch. Die<br />
Stimme, mit der da unpopuläre<br />
Forschungsergebnisse vorgebracht<br />
wurden, verhallte<br />
aber nicht ungehört, immerhin<br />
war van Creveld Professor mit<br />
internationalen Lehraufträgen,<br />
fungierte später außerdem als<br />
amerikanischer Regierungsberater<br />
und war im israelischen<br />
Generalstab tätig. Als „unerhört“<br />
im Sinne eines moralischen<br />
Verstoßes war seine Studie<br />
auch nicht einfach abzukanzeln,<br />
immerhin war der<br />
Autor Israeli und konnte von<br />
daher schwer in Verdacht genommen<br />
werden, der Braunen<br />
Ära das Wort zu reden.<br />
Für sein neues Buch hat<br />
van Creveld, mittlerweile<br />
Dozent an der Universität in<br />
Jerusalem, sein angestammtes<br />
Metier verlassen. Oder auch<br />
nur beinahe – Das bevorzugte<br />
Geschlecht darf man als eine<br />
Fortsetzung des Geschlechterkampfes<br />
lesen. Wiederum<br />
darf sich der Wissenschaftler<br />
als Tabubrecher fühlen,<br />
dies, obwohl platte Sprüche<br />
gegen Frauen im allgemeinen<br />
(etwa als „Blondinenwitze“)<br />
und Emanzen im besonderen<br />
längst Legion sind und auch<br />
den Rand des Stammtisches<br />
verlassen haben. Dem westlichen<br />
Emanzipierungswahn,<br />
der sich längst mittels Quotenund<br />
Sprachregelungen, per<br />
Gleichstellungsbehörden und<br />
diverser immer neuer Gesetzesvorlagen<br />
als eine Art Staatsfeminismus<br />
institutionalisiert<br />
hat, und der dennoch die Frau<br />
in einer unterprivilegierten<br />
Situation sieht, hält der Autor<br />
entgegen: Frauen werden<br />
nicht unterdrückt und sind<br />
nie unterdrückt worden. Sie<br />
sind das eigentlich privilegierte<br />
Geschlecht und sind dies auch<br />
in der Vergangenheit immer<br />
gewesen.<br />
Seinem Buch voran stellt van<br />
Creveld ein Zitat von John Stuart<br />
Mill: „Die Aufgabe derer,<br />
welche eine beinahe allgemein<br />
verbreitete Ansicht angreifen,<br />
wird unter allen Umständen<br />
eine sehr schwere sein. Sie<br />
müssen ungewöhnlich befähigt<br />
und überdies sehr glücklich<br />
sein, wenn es ihnen gelingt,<br />
sich überhaupt Gehör zu verschaffen.“<br />
Daß van Crefeld<br />
nicht wirklich an einer medienwirksamen<br />
Rezeption seines<br />
Werks zweifelte, darf aber<br />
vorausgesetzt werden. Tatsächlich<br />
hat ja der Focus bereits<br />
eine Woche nach Erscheinen<br />
des Buches die Thesen des<br />
Autors zu einer Titelgeschichte<br />
gemacht, und daß die anderen<br />
relevanten Blätter folgen<br />
werden, ist so sicher wie das<br />
sprichwörtliche Amen in der<br />
Kirche. Van Creveld, hat also,<br />
dem gewählten Motto gemäß,<br />
Glück gehabt – selbst<br />
als Mann! Folgt man nämlich<br />
seinen Thesen, ist das außergewöhnlich,<br />
fungiert der Mann<br />
doch als Zahlmeister und Sündenbock<br />
für sämtliche Probleme,<br />
unter denen die Frauen<br />
dieser Welt zu leiden vorgeben.<br />
Der Grundwiderspruch in<br />
van Crevelds Ansatz liegt darin,<br />
daß er auf der einen Seite<br />
wieder und wieder anführt,<br />
daß sich Frauen in praktisch<br />
allen Ländern über ihre gesellschaftliche<br />
Stellung beklagen,<br />
auf der anderen Seite aber<br />
wiederholt Zahlen nennt, die<br />
belegen sollen, wie wenig die<br />
Gesamtheit der Frauen vom<br />
feministischen Eifer hält und<br />
wie zufrieden die Mehrzahl<br />
mit ihrer Rolle als Hausfrau,<br />
Mutter oder brave Angestellte<br />
sei. Van Creveld hat Daten<br />
über männliche und weibliche<br />
Lebensweisen gesammelt und<br />
für sein Buch solche ausgewählt<br />
und zusammengestellt,<br />
die insgesamt für eine Benachteiligung<br />
der Männer sprechen.<br />
Der große Rest bleibt einfach<br />
unerwähnt. So gerät seine<br />
Schrift zu einer anstrengungslosen<br />
Philippika gegen die<br />
weibliche Hälfte der Menschheit:<br />
Vor dem Gesetz, als<br />
Patientin, im Bett, vor dem<br />
Scheidungsrichter, als Ordensschwester<br />
gar: Überall hat frau<br />
die besseren Karten und spielt<br />
diese hemmungslos aus. Was<br />
nicht hineinpaßt in die Monokausalität<br />
seiner Beweisführung,<br />
wird passend gemacht<br />
oder einfach ohne Beleg das<br />
Gegenteil behauptet.<br />
Einen Beweis etwa bleibt<br />
er schuldig – es gilt zu widerlegen,<br />
daß eine Frau bei der<br />
Geburt eines Kindes ihr Leben<br />
einsetzt – bezüglich der in<br />
Wahrheit simpel widerlegbaren<br />
„Tatsache, daß selbst in<br />
den fortschrittlichsten Ländern<br />
etwa neunzig Prozent der<br />
Frauen weiterhin mindestens<br />
ein Kind zur Welt bringen“.<br />
Auch ist es barer Unsinn, daß<br />
das Fachgebiet „Geburt“, weil<br />
es nach van Creveld eines der<br />
schwierigsten medizinischen<br />
Fächer sei und weil ein Kind<br />
nach einem langen Entbindungsvorgang<br />
„unerwartet (!)<br />
und ohne Rücksicht auf die<br />
Tageszeit“ zur Welt komme,<br />
ein durch und durch von Männern<br />
besetztes Metier sei.<br />
Immerhin besteht bei einer<br />
Geburt allein die Hinzuziehungspflicht<br />
einer Hebamme<br />
– die praktisch in jedem Fall<br />
weiblich ist – , während ein<br />
ärztlicher Beistand nicht vorgeschrieben<br />
ist und in der Praxis<br />
eher abnimmt.<br />
Wo der Autor ausnahmsweise<br />
feministische Argumente<br />
aufgreift, klingt das etwa so:<br />
Ja, zugegebenermaßen sind<br />
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