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2. Ausgabe Leselicht

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Reportage<br />

Spielkinder!<br />

Ein Schlaglicht auf die Möglichkeiten von Online-Netzwerken<br />

Online-Netzwerke boomen derzeit. Sie sind ein Tummelplatz für<br />

Interaktion, lockere Bekanntschaften und die Aufrechterhaltung<br />

alter Freundschaften. Das Studentenportal studiVZ, das jüngst<br />

sein fünfzehnmillionstes Mitglied begrüßte, ist mittlerweile die<br />

größte Plattform ihrer Art in Deutschland. Vielfach werden Anonymität<br />

und Datenunsicherheit beklagt, doch bieten sich hier<br />

auch Chancen: Zum Beispiel die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu<br />

finden, denen man außerhalb des Internets nie begegnet wäre.<br />

So ein Glücksfall ist für ihre Mitglieder auch die Gruppe „Spielkinder!“.<br />

Ihre Wurzeln liegen in einer anderen Gruppe, die sich<br />

allgemein mit „Kinderkram“ beschäftigte. Weil dort aber viele lieber<br />

der Nostalgie ihrer Kindheitserinnerungen<br />

frönen<br />

wollten als wirklich zu spielen,<br />

wurde der Spieleecke<br />

ein eigenes Grüppchen eingerichtet.<br />

Weitere Mitglieder<br />

gesellten sich über den<br />

„Club der verrückt-fröhlichen<br />

Spinner“ hinzu. Ursprünglich<br />

noch eine unübersichtliche<br />

Massenveranstaltung wie<br />

die meisten Gruppen des<br />

studiVZ, kristallisierte sich<br />

bald ein harter Spielkinder-<br />

Kern heraus, der die Gruppenaktivität<br />

hoch hielt und im<br />

gemeinsamen Spielen und<br />

Plaudern immer enger zusammenrückte.<br />

Diese Nähe<br />

machte es irgendwann nötig, das Konzept offene Gruppe aufzugeben;<br />

wer nicht mitspielte, wurde rausgeworfen und bis heute<br />

gilt: Wer ein Spielkind werden will, der muss sich auch beteiligen!<br />

Schritte aus dem Netz in die Welt<br />

Seither ist die Atmosphäre deutlich intimer geworden: Ein kleiner<br />

Kreis Gleichgesinnter im regen Austausch miteinander. Neuzugänge<br />

stolpern eher durch die Bekanntschaft mit ‚alten’ Spielkindern<br />

in die Gruppe. Außerdem ist das Bedürfnis gewachsen, die<br />

entstandenen Spiel-Freundschaften auch in die nicht-virtuelle<br />

Welt auszudehnen. Ein erster Schritt in diese Richtung war ein<br />

gemeinsames, an getrennten Orten gebasteltes Hochzeitsgeschenk<br />

für eines der Mitglieder; ein „Wagnis“, wie Gruppengründerin<br />

Simone meint. Denn erstmals mussten Adressen preisgegeben<br />

und persönliche Schöpfungen ‚wildfremden’ Händen<br />

überlassen werden. Doch das Resultat machte Lust auf mehr:<br />

Inzwischen wird zu Weihnachten fleißig gewichtelt, familiärer<br />

Nachwuchs mit eigenen Fanclubs begrüßt und ein zweites, noch<br />

umfangreicheres Hochzeitsgeschenk machte sich auf die Reise.<br />

Einige Spielkinder haben sich sogar schon im echten Leben getroffen<br />

– ein Gefühl, als würde man alten Freunden wiederbegegnen,<br />

sagen sie.<br />

Gummipunkte als Belohnung<br />

Das Spielen steht natürlich immer noch im Vordergrund. Dabei<br />

reicht das Spektrum weit: Von simplen Kurzweil-Spielen wie<br />

„Wahrheit oder Lüge“ über verschiedene Quizvarianten bis hin<br />

zu Kreativspielen. Zu letzteren gehört zum Beispiel „Nobody is<br />

Perfect“: Der Spielleiter stellt eine Frage zu einem Sachverhalt<br />

und jeder denkt sich eine möglichst<br />

originelle und überzeugende Antwort<br />

aus. Anschließend werden<br />

alle Antworten inklusive der richtigen<br />

gepostet und es darf geraten<br />

werden, was tatsächlich stimmt.<br />

Besonderer Einfallsreichtum wird<br />

auch gerne mal mit Gummipunkten<br />

belohnt. Ein Beispiel für die<br />

Quiz-Spiele ist „Jeopardy“, jüngst<br />

moderiert vom bärigen Quizmaster<br />

Hubert Petz. Ganz neu im Repertoire:<br />

„Klau den Punkt“, den dein<br />

Vorschreiber möglichst originell<br />

und unauffindbar versteckt hat. Weil<br />

in dieser Gruppe immer Bewegung<br />

ist, bringt sie es inzwischen auf weit<br />

über 100.000 Forumseinträge.<br />

Mittlerweile ist die Gruppe „wie ein<br />

gemütliches Wohnzimmer, in das man sich reinsetzen und wohlfühlen<br />

kann“, sagt Spielkind Gisela. Die Gruppenmitglieder helfen<br />

einander, wenn das Examen zum bedrohlichen Ungeheuer<br />

wird oder der Arbeitgeber nervt, geben Geborgenheit, reichen<br />

Decken und Kekse, und freuen sich über jeden Erfolg mit. Auch<br />

wer länger nicht vorbei schauen konnte, wird mit offenen Armen<br />

empfangen.<br />

Natürlich fehlt der persönliche Kontakt, die Spielkinder haben miteinander<br />

eher eine „Fernbeziehung“, meint Misone. Und manchmal<br />

ist man nicht sicher, ob im schriftlichen Gespräch alles richtig<br />

verstanden wird, manches lässt sich auch gar nicht ausdrücken.<br />

Aber die fehlende räumliche Nähe wird durch die geistige ausgeglichen,<br />

was man nicht zuletzt am kindlichen Umgangston<br />

merkt. Über vieles kann man auch offener reden als in seinem<br />

alltäglichen Umfeld, wo viele andere Faktoren ein Gespräch vielleicht<br />

verhindern.<br />

Ein echtes Spielkindertreffen steht ganz oben auf der Wunschliste<br />

der Mitglieder – mindestens ein Wochenende müsste es lang<br />

sein, mit Kamin, echten warmen Decken, Keksen und Kakao für<br />

alle, mit Spielen und Gesprächen und jeder Menge Spaß.<br />

Jana König<br />

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