2. Ausgabe Leselicht
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Titelthema<br />
Auszüge Schultagebuch:<br />
[…] Sprechen wir es aus wie es ist, ich fühle mich überfordert. Vielleicht wäre das mit etwas mehr Zeit nicht so, aber jetzt<br />
ist es so. Manchmal sind Schulsituationen aber auch so lächerlich, dass ich schon wieder heulen könnte. Wenn unsere<br />
Deutschlehrerin zum Beispiel auf das Klavier klopft und dabei einen Auszug aus „Antigone“ vorliest.<br />
„Na, könnt ihr es hören?“ fragt sie. Ja, Sie klopfen auf ein Klavier, denke ich mir. Aber nein, das ist natürlich nicht gemeint.<br />
„Könnt ihr den gleich bleibenden Rhythmus hören?“ Ein einheitliches Nicken in der Klasse. „Und, was bedeutet er?“ Wir<br />
müssen passen, sind aber total neugierig. „Er bedeutet Gefahr.“ Aha, denke ich mir, gleich bleibender Rhythmus bedeutet<br />
also Gefahr. Ich muss Grinsen und frage mich, ob Sophokles damals neben einem Klavier stand und klopfend überlegt<br />
hat, wie er in sein gerade erst begonnenes Stück die Gefahr einbauen könnte. Und plötzlich bemerkte er seine klopfende Faust<br />
auf dem Klavier. „Heureka (oder so ähnlich)“ rief er da und hatte damit den gleich bleibenden Rhythmus erfunden. Ganz<br />
unter uns gesagt, ich muss mir noch einmal stark überlegen, ob ich morgen wieder in die Schule gehe.<br />
29.09.03<br />
[…] In Mathe habe ich öfter nach draußen geguckt und dem Wind zugehört. Der ist frei, kann in die Klassenräume<br />
fliegen und wenn ihm die Luft zu stickig wird, verschwindet er wieder. Ich verschwinde auch, allerdings<br />
nur in Gedanken. Heute ist der B-Tag. Mit Blödsinn hat alles angefangen, dann bin ich in die Bibliothek geradelt,<br />
um mich mit Büchern über Bismarck einzudecken. Für diesen Geschichtsvortrag chtsvo<br />
habe ich mich freiwillig<br />
gemeldet, damit ich mich endlich mehr traue.<br />
1<strong>2.</strong>09.03<br />
Auszug Traumtagebuch:<br />
Bin mit drei Freunden in einer fremden Stadt. Vor uns ein Tunnel, durch den wir gehen müssen. Doch er<br />
ist ganz verschoben und zusammengedrückt, wie in einer Tropfsteinhöhle. Wir waten wie Enten hinunter<br />
und wieder hinauf. Dann kommen wir in eine Art Waldgebiet, dessen Wege sehr ausgeprägt sind. Dort<br />
sind drei, vier Treppen, die nach oben fahren auf einen riesigen Platz. Dort gibt es Außenschienen, die<br />
ringsherum führen und einen ganz modernen bunten Zug, der rings herumfährt. Es herrscht ein ohrenbetäubender<br />
Lärm. Wir sind an einem Abteil angelangt, sieht eher aus wie eine Gondel. Einer steigt ein,<br />
zwei von uns bleiben draußen und laufen schon weiter. Während der Außenzug immer weiter fährt, setzt<br />
sich nun eine Achterbahn in Bewegung und ich bin froh, dass ich dort nicht drin sitze.<br />
14.<strong>2.</strong>2000<br />
Auszüge Wolkentagebuch:<br />
Der Himmel zeigt sich mir in einem hellen Blau. Die Wolken sehen aus als hätte sie ein Maler ohne großartig zu<br />
überlegen auf das Blau gekleckst. Für die Wolke direkt über mir hat er viel Farbe genommen, aber anscheinend<br />
noch mehr Wasser[…]<br />
29.7.04<br />
Schräg rechts über mir strahlt die Sonne. Ich sitze auf einer Wiese im Park von Bad Dürrenberg. P., der auf dem<br />
Gehweg steht, meint, das wäre illegal. Ich bin also ein illegaler Wiesensitzer und beobachte, ohne jemanden zu<br />
fragen den Himmel. Während vor mir, hoch oben feldgroße Wolken thronen, schleicht sich von hinten ein grauer<br />
Wolkenriese an. Aber ich beachte ihn einfach nicht. Der Himmel ist blassblau und von Sonnenstrahlen durchflutet.<br />
Der graue Riese ist nun direkt über mir und nimmt die Sonne gefangen. Jetzt kann ich ihn nicht mehr ignorieren.<br />
Die Vögel im Käfig neben mir schreien ihn an. Aber was können Gefangene schon gegen einen grauen Riesen ausrichten?<br />
1.8.04<br />
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