2. Ausgabe Leselicht
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Berufsperspektive<br />
„Ich will untersuchen, ob Täter auch anhand ihrer ,ähs‘ und<br />
,ähms‘ überführt werden können.“<br />
Katharina Frießleben studiert seit 2005 Sprechwissenschaft an<br />
der Uni Halle. Schnell stand für sie fest, dass sie weder ans Theater,<br />
noch in eine Arztpraxis will. Als „Sachverständige für Sprechererkennung“<br />
möchte sie zukünftig bei der Polizei arbeiten. Was<br />
hinter diesem Berufsbild steckt, verrät sie im folgenden Interview,<br />
aber auch, ob sie deshalb einen Krimi auf ihrem Nachtschrank<br />
liegen hat und warum sie das Studentenleben vermissen wird.<br />
Interview: Susanne Weigel<br />
1. Bei Studienantritt wird man von Freunden und Verwandten<br />
gern gefragt: „Was ist später eigentlich dein Beruf?“ Was<br />
hast du anfangs darauf geantwortet?<br />
Eigentlich das, was ich heute immer noch antworte:<br />
Mein Studienfach besteht aus 4 Bereichen: Rhetorik; Sprach-,<br />
Sprech-, Stimmstörungen; Sprechkunst und Phonetik/Phonologie.<br />
Ich kann also in jedem<br />
Bereich arbeiten,<br />
der auch nur im Entferntesten<br />
etwas mit<br />
Sprechen zu tun hat.<br />
Entweder als Sprecher<br />
selbst oder als<br />
Trainer bzw. Lehrer.<br />
So kann ich z.B. Nachrichtensprecher<br />
im<br />
Radio oder Fernsehen<br />
werden, Ausländer in<br />
der deutschen Aussprache<br />
unterrichten,<br />
Katharina Frießmann<br />
Politiker rhetorisch<br />
schulen, im Krankenhaus Schlaganfallpatienten therapieren oder<br />
mit Schauspielern arbeiten.<br />
<strong>2.</strong> Wie bist du auf das Berufsbild „Sachverständige für Sprechererkennung“<br />
aufmerksam geworden?<br />
Ich habe am DGSS-Studierendenforum (Deutsche Gesellschaft<br />
für Sprechwissenschaft und Sprecherziehung e.V.) in Jena teilgenommen.<br />
Das war im Mai 2007. Ein Seminar, das Prof. Adrian<br />
P. Simpson anbot, lautete: „CSI Jena – den Tätern auf der Spur“.<br />
Schon die nähere Beschreibung hat mich fasziniert und so auch<br />
das Seminar selbst. Meine Freundin und ich haben danach Prof.<br />
Simpson zu einem Workshop nach Halle eingeladen. Dieser fand<br />
im Juli 2008 statt und hat mich in meinen ersten Eindrücken bestärkt.<br />
Zu dieser Zeit hatte ich mich auch schon für ein Praktikum<br />
im Landeskriminalamt Brandenburg in Eberswalde beworben.<br />
Dort war ich für zwei Wochen im vergangenen Februar und<br />
konnte den Sprechererkennern bei ihrer Arbeit über die Schulter<br />
sehen.<br />
3. Was genau habt ihr bei dem Workshop gemacht?<br />
Wir haben anhand authentischer Aufnahmen einen Fall untersucht,<br />
den Prof. Simpson selbst bearbeitet hatte. Wir hatten also<br />
Foto: Katharina Frießmann<br />
ein Audio-Stimmmaterial und ein Audio-Vergleichsmaterial und<br />
haben diese miteinander verglichen. Zuerst haben wir dazu<br />
die Tataufnahme verschriftet, dann allgemeine Merkmale des<br />
Täters wie Geschlecht, Alter und regionale Herkunft bestimmt<br />
und schließlich sprecherspezifische Merkmale, wie z.B. eine ungewöhnlich<br />
hohe Stimme oder stereotype Melodieverläufe. Dasselbe<br />
wurde auch mit der Vergleichsaufnahme gemacht, um danach<br />
die beiden Aufnahmen miteinander vergleichen zu können.<br />
Wir haben außerdem Computerprogramme kennengelernt, die<br />
zu Stimmanalysen genutzt werden können, und gelernt, Computerfehler<br />
zu erkennen und zu korrigieren.<br />
4. Wo können „Sachverständige für Sprechererkennung“<br />
eingesetzt werden?<br />
Sprechererkenner werden bei allen Verbrechen eingesetzt, in<br />
denen die Stimme eine Rolle spielt, die in irgendeiner Weise<br />
aufgenommen wurden. Zum Beispiel auf einer Mailbox, einem<br />
Anrufbeantworter, durch Telekommunikationsüberwachung<br />
oder Anrufe, die beim Notruf eingehen und dort mitgeschnitten<br />
werden. In letzter Zeit nimmt aber auch die Arbeit an kinderpornographischen<br />
Vergehen zu, bei denen den Sprecherkennern<br />
meist eine Videodatei zur Verfügung steht. Außerdem wird auch<br />
rechtsextremistische Musik unter die Lupe genommen.<br />
5. Dein bevorzugter Arbeitsort ist bei der Polizei. Dann liegt<br />
doch sicherlich gerade ein Krimi auf deinem Nachtschrank.<br />
Oder anders gefragt, was liest du gerade?<br />
Nee du, privat bin ich für Krimis gar nicht zu haben. Zurzeit lese<br />
ich von Watzlawick „Anleitung zum Unglücklichsein“.<br />
6. Hast du deine Abschlussarbeit mit dem Blick auf dein späteres<br />
Berufsbild ausgerichtet? Wie lautet das Thema?<br />
Ja! Das Diplomarbeitsthema hat sich innerhalb meines Praktikums<br />
am Landeskriminalamt Brandenburg ergeben, als mir<br />
schon klar war, dass das mein Berufswunsch ist. Mein Arbeitstitel<br />
lautet: „Qualitative Untersuchung von Häsitationen / gefüllten<br />
Pausen anhand von Notrufmitschnitten“.<br />
Ich will also untersuchen, ob Täter auch anhand ihrer „ähs“ und<br />
„ähms“ überführt werden können.<br />
7. Gab es einen alternativen Berufswunsch, falls die Sprechererkennung<br />
doch nicht das Richtige für dich gewesen wäre?<br />
Nein, nicht wirklich! Aber ein Plan B wäre nicht schlecht, da es<br />
nicht so viele Chancen gibt, eine Stelle zu ergattern. Wahrscheinlich<br />
werde ich promovieren, um die Zeit bis zur nächsten freien<br />
Stelle zu überbrücken.<br />
8. Rückblickend auf deine Studienzeit: Was wirst du besonders<br />
vermissen?<br />
Die Möglichkeit ständig dazuzulernen, sich den Tag selbst einzuteilen<br />
und auszuschlafen.<br />
Danke für das Interview<br />
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