Ãsthetische Medizin - Nasenkorrekturen - Park Klinik WeiÃensee
Ãsthetische Medizin - Nasenkorrekturen - Park Klinik WeiÃensee
Ãsthetische Medizin - Nasenkorrekturen - Park Klinik WeiÃensee
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Ästhetische <strong>Medizin</strong><br />
eBook<br />
PROF. DR. HANS BEHRBOHM<br />
<strong>Nasenkorrekturen</strong> –<br />
Mikrochirurgie zwischen Ästhetik<br />
und Funktion<br />
mit Beiträgen zur biostatischen Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />
online<br />
eBook<br />
www.zwp-online.info
I Autor _ Rhinochirurgie<br />
Prof. Dr. Hans Behrbohm<br />
_ Chefarzt der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Plastische Operationen an der <strong>Park</strong>-<strong>Klinik</strong> Weißensee, einem<br />
akademischen Lehrkrankenhaus der Charité (www.park-klinik.com)<br />
_ Zugleich Niederlassung am Kurfürstendamm 61 (www.ku61.de)<br />
_ Besondere Tätigkeitsschwerpunkte: plastische, rekonstruktive und ästhetische Gesichtschirurgie, funktionell-ästhetische<br />
Chirurgie der Nase, endoskopische Mikrochirurgie der Nasennebenhöhlen und der Schädelbasis, Entwicklung des Konzepts der<br />
Biostatischen Chirurgie der Nase (www.ku61.de/nase_sanft.pdf)<br />
_ Publikationen: 3 Lehrbücher im Thieme-Verlag, Stuttgart, New York, zahlreiche Monografien und über 100 wissenschaftliche<br />
Originalarbeiten (www.thieme.de)<br />
_ Gründungs- und Vorstandsmitglied des Privat-Instituts für <strong>Medizin</strong>ische Weiterbildung und Entwicklungen Berlin e.V.<br />
(www.imwe-berlin.de)<br />
_ Auszeichnungen: Humboldt-Preis der Humboldt-Universität zu Berlin, First Prize Award der British Medical Association, Medal<br />
of the All India Rhinologic<br />
_ Society-Gesellschaften: Norddeutsche Gesellschaft für Otorhinolaryngologie und zervikofaziale Chirurgie (Präsident<br />
2001/2002), European Academy of Facial Plastic Surgery, American Academy of Facial Plastic and Reconstructive Surgery,<br />
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Internationale Gesellschaft für ästhetische<br />
<strong>Medizin</strong><br />
Verlag:<br />
Projektbetreuung:<br />
Satz/Layout:<br />
OEMUS MEDIA AG<br />
Holbeinstraße 29<br />
04229 Leipzig<br />
Claudia Schreiter<br />
Dipl.-Des. Jasmin Hilmer<br />
© Prof. Dr. Hans Behrbohm/OEMUS MEDIA AG<br />
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages und/oder des Autors.<br />
02 I
Inhalt _ Rhinochirurgie I<br />
I Fachbeiträge<br />
04 Dem Leben auf der Spur – Jacques Joseph<br />
Ein Wegbereiter der plastischen Gesichtsund<br />
Nasenchirurgie<br />
12 Die funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase<br />
18 Bezugskoordinaten der ästhetischen<br />
Gesichtschirurgie – zwischen Mathematik und<br />
Intuition. Teil 1: die Nase<br />
24 Bezugskoordinaten der ästhetischen<br />
Gesichtschirurgie – zwischen Mathematik und<br />
Intuition. Teil 2: die Regionen Stirn, Wangen und Kinn<br />
29 Approaches & Techniques –1. Rhinoplastik –<br />
Die Eversionstechnik<br />
(Non-delivery oder splitting approach)<br />
31 Approaches & Techniques – 2. Rhinoplastik –<br />
Die Luxationstechnik (Delivery approach)<br />
33 Approaches & Techniques – 3. Rhinoplastik –<br />
Die offene Technik (Open approach)<br />
40 Approaches & Techniques –<br />
4. Die Rhino-Mentoplastik mit autologem Ohrknorpel<br />
43 Osteotomien im Gesicht – die Kunst und Technik<br />
der Knochenschnitte. Teil 1: Rhinoplastik<br />
49 Osteotomien im Gesicht – die Kunst und Technik<br />
der Knochenschnitte. Teil 2<br />
54 ... Cyrano kommt, die Nase ist schon da ...<br />
Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei<br />
überprojizierten und funktionellen Spannungsnasen –<br />
Teil 1: Klinische Anatomie und Indikationen<br />
58 ... Cyrano kommt, die Nase ist schon da ...<br />
Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei<br />
überprojizierten und funktionellen Spannungsnasen –<br />
Teil 2: Prinzipien der Chirurgie bei überprojizierten<br />
und funktionellen Spannungsnasen<br />
63 Biostatische endoskopische Chirurgie des Siebbeins<br />
(BES) – von der Architektur des zentralen<br />
Gesichtsschädels<br />
70 „swinging double door“ – Eine neue Technik<br />
der biostatischen und endoskopischen Chirurgie der<br />
Nasenscheidewand<br />
77 Der schwierige Aufstieg zum K2 – Intracavitäre<br />
Minimalinvasive Chirurgie der Nasennebenhöhlen –<br />
ICMIC<br />
82 Perforierende Gesichtsverletzungen<br />
86 1x1 der Präparier- und Instrumentenkunde<br />
für die Plastische Gesichts- und Halschirurgie.<br />
Schneidende Instrumente, Teil 1: Skalpelle<br />
89 1x1 der Präparier- und Instrumentenkunde<br />
für die Plastische Gesichts- und Halschirurgie.<br />
Schneidende Instrumente, Teil 2: Scheren<br />
93 1x1 der Präparier- und Instrumentenkunde<br />
für die Plastische Gesichts- und Halschirurgie.<br />
Teil 3: Praktischer Exkurs<br />
I03
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Dem Leben auf der Spur –<br />
Jacques Joseph<br />
Ein Wegbereiter der plastischen Gesichts- und<br />
Nasenchirurgie<br />
Dem Leben auf der Spur, so heißt die aktuelle Dauerausstellung im <strong>Medizin</strong>historischen Museum der Berliner Charité. In<br />
einem historischen Krankensaal werden Schicksale einzelner Patienten und das Eingreifen der <strong>Medizin</strong> verschiedener<br />
Epochen in ihr Leben dargestellt.<br />
Abb. 1<br />
Abb. 2<br />
Abb. 1_Operationssituation bei<br />
einer Rhinoplastik, heute eine<br />
der häufigsten Operationen im<br />
Gesicht aus ästhetischer oder<br />
funktioneller Indikation.<br />
Abb. 2_Dem Leben auf der Spur.<br />
Dokumente über den „Fall“ Karl<br />
Hasbach. Originalinstrumente<br />
von Jacques Joseph.<br />
_Unter den gezeigten Patientengeschichten befindet<br />
sich auch die des Studienrats Karl Hasbach. Dieser<br />
wurde im November 1914 als Leutnant zum<br />
Kriegsdienst einberufen. Im Februar 1915 erlitt er an<br />
der französischen Front durch einen Granatsplitter<br />
eine Zertrümmerung von Oberkiefer und Nase.1915<br />
und 1916 wurde er 19-mal operiert – offensichtlich<br />
mit unbefriedigendem Ergebnis. Zwischenzeitlich<br />
erfolgte eine epithetische Versorgung der Nase und<br />
dann von 1916 bis 1918 die endgültige Rekonstruktion<br />
der entstellten Gesichtsteile durch Jacques<br />
Joseph in Berlin.<br />
Doch wer war Jacques Joseph? In der Hall of Fame<br />
der berühmten deutschen Chirurgen finden sich nur<br />
spärliche Hinweise auf einen Mann, dem heute bedeutende<br />
Verdienste für die plastische Gesichts- und<br />
besonders die Nasenchirurgie zugesprochen werden.<br />
Josephs Karriere begann im Wilhelminischen<br />
Deutschland und führte ihn zu höchster fachlicher<br />
Anerkennung und gesellschaftlicher Wertschätzung<br />
in der Weimarer Republik und endete im Nationalsozialismus<br />
unter Demütigung und quasi Berufsverbot<br />
zu Beginn der systematischen Juden -<br />
verfolgung. Joseph wirkte zeitlebens in Berlin und<br />
lehnte eine Emigration ab, die für seine Frau Leonore<br />
und Tochter Bella später die letzte Chance blieb.<br />
Der gezeigte Fall des Karl Hasbach stammt aus<br />
Josephs Zeit an der Berliner Charité. Der in freier<br />
Niederlassung tätige Arzt wurde am 2. Juni 1916<br />
durch das preußische Ministerium für geistliche und<br />
Unterrichtsangelegenheiten mit der Leitung ei -<br />
ner Abteilung für plastische Gesichtschirurgie an<br />
der Charité beauftragt. Seine Abteilung befand<br />
sich in der Ohren- und Nasenklinik und bestand von<br />
04 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
1916 bis 1922. Die Verwundeten wurden von den<br />
Schlachtfeldern in Sanitätswaggons mit der Eisenbahn<br />
direkt zum Bahnhof Friedrichstraße und von<br />
dort auf Josephs Acht-Betten-Station gebracht. Mithilfe<br />
von regionalen oder Stirn- und Oberarm-Lappenplastiken<br />
einerseits und freien Knorpel- und<br />
Knochentransplantaten andererseits gelangen ihm<br />
auch in Fällen ausgedehnter Verletzungen meisterhafte<br />
Rekonstruktionen des Gesichts wie die des<br />
genannten Karl Hasbach. Auch Elfenbein aus der<br />
Berliner Pianofabrik Bechstein wurde als Implantat<br />
verwendet.<br />
_Jacques Joseph – Biografisches<br />
Jakob Joseph, der sich später Jacques nannte,<br />
wurde am 6. September 1865 in Königsberg als drittes<br />
Kind des Rabbiners Israel Joseph und dessen Frau<br />
Sara geboren. Von 1885 bis 1889 studierte er an der<br />
Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin <strong>Medizin</strong>. Er<br />
schloss das Studium 1889 ab und promovierte 1890<br />
in Leipzig.<br />
_Karriereknick nach Otoplastik<br />
Nach seiner Approbation und <strong>Medizin</strong>alprakti -<br />
kantenzeit ließ sich Joseph 1892 als praktischer Arzt<br />
in Berlin-Mitte nieder. Bald schon strebte er trotz einer<br />
florierenden Praxis nach Spezialisierung und bewarb<br />
sich 1892 erfolgreich an der Universitätsklinik<br />
für orthopädische Chirurgie, die von Professor Julius<br />
Wolff (1836–1902), im Berliner Volksmund „Knochenwolff“,<br />
geleitet wurde.<br />
Josephs chirurgische Ausbildung fand ein jähes<br />
Ende, als er ohne Information und Erlaubnis Wolffs<br />
einem zehnjährigen Jungen zu große und abstehende<br />
Ohrmuscheln („Eselsohren“) korrigierte. Der<br />
Junge hatte bis dahin unter dem Spott seiner Umwelt<br />
gelitten. Obwohl dieser erste plastische Eingriff<br />
Josephs erfolgreich verlief, entließ ihn Wolff mit der<br />
Begründung, dieser habe eine an seiner <strong>Klinik</strong> unerprobte<br />
und noch dazu „kosmetische“ Operation<br />
ohne sein Einverständnis durchgeführt. Josephs<br />
vierjährige Tätigkeit und beginnende Hochschul -<br />
karriere an Wolffs renommierter <strong>Klinik</strong> waren damit<br />
1896 beendet. Er ging zurück in die private Niederlassung.<br />
unübersichtlich und stark infektionsgefährdet.<br />
Joseph wurde dafür von führenden deutschen Chi -<br />
rurgen, besonders von Erich Lexer, immer wieder<br />
angegriffen. Am Beginn des Ersten Weltkrieges<br />
hatte Jacques Joseph bei Fachkollegen wie bei medizinischen<br />
Laien den verdienten Ruf des prominentesten<br />
deutschen Gesichtschirurgen.<br />
_Erster Weltkrieg: Hoher Bedarf an<br />
rekonstruktiver Gesichtschirurgie<br />
Der Krieg brachte für Jacques Joseph, den Stabsarzt<br />
der Reserve, neue Herausforderungen.<br />
Es entstanden Verletzungen in einer Häufigkeit<br />
und Schwere, wie sie bis dahin unvorstellbar waren.<br />
Joseph steigerte Anzahl und Umfang seiner Operationen<br />
ins Extreme und war auch auf dem Gebiet<br />
der Wiederherstellungschirurgie außerordentlich<br />
erfolgreich. Wegen seiner spektakulären Ergebnisse<br />
wurde auch der „Oberste Kriegsherr“ Wilhelm II. auf<br />
ihn aufmerksam. 1915 bot der Kaiser persönlich dem<br />
nicht habilitierten Joseph eine Professur für plastische<br />
Chirurgie an der Charité an, die dieser ablehnte,<br />
weil sie an die Bedingung seines Übertritts zum<br />
Christentum geknüpft war.<br />
_Professor an der Charité – Leiter der<br />
Abteilung für plastische Gesichtschirurgie<br />
Durch die Fortdauer des Krieges überstieg die<br />
Häufigkeit schwerer Gesichtsverletzungen allein<br />
aus Berlin die Kapazität von Josephs Praxis. Am<br />
2. Juni 1916 wurde an der von Adolf Passow<br />
Abb. 3<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c<br />
Abb. 3_Jacques Joseph ca. 1920.<br />
Abb. 4a_Patientin mit „hängendem<br />
Septum mittleren Grades“.<br />
Abb. 4b_OP-Plan der Nasenverkleinerung<br />
nach Joseph. Resektionsschema<br />
und Zustand nach der<br />
Resektion (oben: Septumansicht,<br />
unten: Seitenwandansicht).<br />
Abb. 4c_Nach der doppelseitigen<br />
Segmentresektion (totaler Verkürzung<br />
mit Höckerabtragung).<br />
Abb. 5a_Junger Soldat mit totalem<br />
Nasendefekt.<br />
Abb. 5b_Schnittführung auf der Stirn<br />
bei der Nasenersatzplastik (frontale<br />
Methode nach Joseph).<br />
Abb. 5c_Nach der „chirurgischen<br />
Modellierung und Knocheneinführung“<br />
aus J. Joseph: Nasenplastik<br />
und sonstige Gesichtsplastik,<br />
C. Kabitzsch, Leipzig 1931.<br />
_Erste intranasale Septorhinoplastiken<br />
Joseph führte in eigener Praxis 1898 die erste Nasenverkleinerungsplastik<br />
damals noch über einen<br />
äußeren Zugang aus. 1904 berichtete er zum ersten<br />
Mal über die simultane intranasale Korrektur einer<br />
Höckernase mit Korrektur des vorderen Septums.<br />
Diesen Zugang baute Joseph in den folgenden Jahren<br />
systematisch für weitere Indikationen aus. In -<br />
tranasale Operationstechniken galten damals als<br />
Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c<br />
I05
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 6a_Prof. Jacques Joseph bei<br />
der Demonstration einer Rhinoplastik<br />
1921 im Kreise interessierter Ärzte<br />
(aus: P. Natvig: Jacques Joseph –<br />
Surgical Sculptor, W.B. Sauders,<br />
Philadelphia 1982).<br />
Abb. 6b_Aufnahme während eines<br />
rhinoplastischen Präparierkurses im<br />
anatomischen Institut der Charité<br />
1922. Von links nach rechts sitzend:<br />
Prof. Joseph, Prof. Kopsch, unbekannter<br />
spanischer Chirurg; stehend:<br />
Dr. Jacques Maliniac, Dr. Gustave<br />
Aufricht, Dr. Zoltán Nagel.<br />
Abb. 6c_Hörsaal des Instituts für<br />
Anatomie der Charité. Prof. M.E.<br />
Tardy enthüllt eine von C. Bahr geschaffene<br />
Büste von J. Joseph anlässlich<br />
des internationalen Kurses<br />
„THE NOSE & FACE“ 2005 in Berlin.<br />
Abb. 7a–b_Operationssituationen<br />
bei einer Rhinoplastik.<br />
Abb. 8_Patientin vor a) und nach b)<br />
ästhetischer Nasenkorrektur wegen<br />
„abnormer Schmalheit der knöchernen<br />
Nase“ durch intranasale<br />
„Abtragung des Höckers“.<br />
Abb. 6a<br />
(1859–1926) geführten Ohren- und Nasenklinik der<br />
Charité eine Abteilung für plastische Gesichtschirurgie<br />
eröffnet. Das preußische Ministerium für<br />
geistliche und Unterrichtsangelegenheiten beauftragte<br />
J. Joseph mit der Leitung. „Remuneration“<br />
hatte er dafür jedoch nicht zu erwarten! 1919 wurde<br />
er zum Professor ernannt – diesmal ohne für ihn<br />
unannehmbare Bedingungen.<br />
_Der Praktiker und akademische Lehrer<br />
Nachdem die Abteilung für Gesichtsplastik ab<br />
1922 von der Heeresleitung nicht mehr getragen<br />
wurde, ließ sich Joseph wieder in eigener Praxis am<br />
Kurfürstendamm 63 nieder und widmete sich zunehmend<br />
der korrektiven und ästhetischen Chirurgie.<br />
Schwerpunkte waren jetzt Nasen- und „Hängewangen“-Plastiken<br />
ebenso wie Mammaplastiken.<br />
Joseph hielt Operationskurse in seiner Belegklinik in<br />
der Bülowstraße und Präparierkurse im Anatomischen<br />
Institut der Charité gemeinsam mit Professor<br />
Friedrich Kopsch ab. Hospitanten in seiner Praxis<br />
waren in diesen Jahren u.a. Gustave Aufricht, der<br />
später nach New York ging und wesentlich zur Verbreitung<br />
der Josephschen Verfahren in den USA beitrug,<br />
und der US-Amerikaner Joseph Safian.<br />
Abb. 6b<br />
Letzterer berichtete, dass von einer Plattform am<br />
Fußende des Operationstisches bis zu sechs in- und<br />
ausländische Ärzte gegen ein angemessenes Salär<br />
den Eingriffen zuschauen durften. Erklärungen und<br />
Kommentare zum operativen Vorgehen wurden<br />
nicht gegeben; Fragen während der Operation hatte<br />
sich Joseph verbeten. Das Ganze soll eher entmu -<br />
tigend als anregend und lehrreich gewesen sein.<br />
Nur die Beharrlichsten hielten durch und wurden<br />
Josephs dankbare Schüler und auch seine persönlichen<br />
Freunde.<br />
_Charakter und Charisma<br />
Jacques Joseph hat – so schildern es J. Safian und<br />
der Joseph-Biograf Paul Natvig – auf Außenstehende<br />
einen mürrisch-abweisenden, wenig „kordi -<br />
alen“ Eindruck gemacht. Die, die ihm näher standen,<br />
schätzten seine Herzenswärme und seinen Humor.<br />
Hinter einer rauen Schale verbarg sich ein tief empfindender,<br />
von einem klassischen Schönheitsideal<br />
faszinierter Mensch, der als Arzt besonders seinen<br />
unglücklichen entstellten Patienten aufrichtig zugetan<br />
war. Kriegsverletzte aus dem Ersten Weltkrieg,<br />
die von Joseph operiert worden waren, blieben ihm<br />
zeitlebens verbunden, wofür es aus den Familien der<br />
Abb. 6c<br />
06 I
ANZEIGE<br />
Abb. 7a<br />
Abb. 7b<br />
Verletzten noch in den zurückliegenden Siebziger- und Achtzigerjahren anrührende<br />
Belege gibt. Die letzte, 1990 noch lebende OP-Schwester aus Josephs <strong>Klinik</strong> schilderte<br />
ihren äußerst resoluten Chef als einen anziehenden, ausgesprochen schönen Mann<br />
und hielt die Josephschen OP-Schwestern für die seinerzeit bestbezahlten in Berlin.<br />
_„Nasenjoseph“ oder „Noseph“<br />
Joseph war als „Nasenjoseph“ oder „Noseph“ bereits zu Lebzeiten eine Legende.<br />
Durch den „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch wissen wir etwas über den Josephschen<br />
Praxisalltag im Jahre 1922 aus der Wartezimmerperspektive: „… empfing Herr<br />
Professor Joseph in seinem Ordinationszimmer am Kurfürstendamm die an Eitelkeit<br />
kranken Menschen. Jeden fragte er, was er sei, ob er reich sei und aus welchem Valutabezirk<br />
er komme, und dann, erst dann, fragt er ihn nach seiner Wesensart … und er<br />
muss die Wesensart kennen, denn danach stellt er die Nase her. ‚Wünschen Sie eine<br />
kecke Nase oder eine intelligente, eine kokette oder eine energische?’ … Der Herr Professor<br />
reicht ihm ein Album mit Hunderten von Photographien ehemaliger Patienten,<br />
vor der Operation und danach. Sie blättern im Album und wählen ein Näschen, das sie<br />
haben möchten. ‚Gut’ sagt der Herr Professor und packt sie an der Nase. Er verdeckt<br />
sie mit der Hand und den Fingern und zeigt ihnen, wie sie später aussehen werden.<br />
‚Kommen Sie morgen früh um zehn in meine Privatklinik Bülowstraße 22’.“<br />
_Der Arzt und Künstler<br />
Joseph war ein begnadeter Operateur, der neben exzellentem chirurgischen Können<br />
über jenes künstlerische Formgefühl verfügte, das er auch in seinem Lehrbuch<br />
von jedem forderte, der ästhetische Operationen ausführen will. Nach übernomme-<br />
Abb. 8a<br />
Abb. 8b
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 9a_Sattelnase mit tiefer<br />
Hautfurchung.<br />
Abb. 9b–c_Nach intranasaler<br />
Elfenbein-Einfügung.<br />
Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c<br />
Abb. 10a–d_Prinzip des bukkonasalen<br />
Schleimhautersatzes und<br />
Ersatzplastik der äußeren Nase<br />
mit einem Stirnlappen.<br />
nen oder ideenreich selbst entwickelten und zielstrebig<br />
vervollkommneten Verfahren operierte er<br />
mit sicherer Hand in schonender Weise. Jeder Defekt<br />
oder Formfehler wurde präoperativ gründlich analysiert,<br />
jeder Operationsschritt sorgfältig geplant,<br />
nichts wollte er während der Operation dem Zufall<br />
überlassen. Er hat die schwierigste Form der Nasenplastik,<br />
die Nasenersatzplastik, in einer Weise beherrscht<br />
und gefördert, dass seine Methoden hinsichtlich<br />
der äußeren Form kaum übertroffen werden<br />
können, wie Hugo Ganzer – selbst hocherfahren<br />
– 1943 betonte.<br />
_Der Publizist<br />
In seinem Hauptwerk „Nasenplastik und sonstige<br />
Gesichtsplastik nebst Mammaplastik“ sowie in mehr<br />
als 30 Publikationen und Handbucheinträgen hat<br />
Joseph die korrektive, rekonstruktive und ästhetische<br />
Rhino- und Gesichtschirurgie systematisiert<br />
und in ihren Zielen und Techniken neu definiert. Er<br />
hat die intranasalen Techniken der Rhinoplastik<br />
etabliert, sah die duale Aufgabe der Rhinochirurgie<br />
in Funktions- und Formverbesserung und die ästhetische<br />
Chirurgie als ärztliche Aufgabe. Jacques Joseph<br />
ist der Begründer der modernen Rhinoplastik und<br />
einer der wichtigsten Pioniere der plastischen Gesichtschirurgie.<br />
Er legte viel Wert auf eine präzise Analyse jedes<br />
morphologischen Problems. Das Prinzip der Defektanalyse<br />
nach Joseph unterscheidet zwischen dem<br />
scheinbaren, dem tatsächlichen und dem Gesamtdefekt.<br />
Zur genauen Planung bei Nasendefekten beschrieb<br />
er die Drittelung nach Joseph. Die Prinzipien<br />
der Rhinomioplastik und Rhinometaplastik haben<br />
noch heute Bedeutung.<br />
Joseph entwickelte die bukkale Nasenplastik als<br />
eine „neue Grundmethode“ mit dem Impetus, durch<br />
eine Trennung von Entnahme- und Implantationsregion<br />
eine Verringerung von narbigen Schrumpfungen<br />
und Deformierungen zu erreichen. Das Prinzip<br />
der bukko-nasalen Schleimhaut- und Ersatz -<br />
plastik der Nase leitete eine neue Epoche in der Rhinoneoplastik<br />
ein, weil es das Ziel einer vollständigen<br />
Epithelisierung der Nasenhöhle durch eine Umklappplastik<br />
mit Ersatz der äußeren Anteile der Nase<br />
durch einen Stirn-, Wangen- oder Armlappen verband.<br />
Die Stabilität erhielt die Neonase durch freie<br />
Implantate von Tibiaknochen oder Elfenbein.<br />
Jeder Arzt, der heute vor der Aufgabe steht, ähnliche<br />
Defekte zu korrigieren, wird nahezu fassungslos<br />
die genialen Resultate in Josephs Publikationen<br />
bewundern, die er ohne moderne Techniken der rekonstruktiven<br />
Chirurgie, wie z.B. den freien Gewebetransfer<br />
mit Mikrogefäßanastomosen, und meist<br />
in Lokalanästhesie erzielte.<br />
Abb. 10a Abb. 10b Abb. 10c Abb. 10d<br />
08 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Zudem ist besonders sein Buch ein Meisterwerk<br />
in jeder Hinsicht. Das betrifft die ausdrucksstarken<br />
Schwarz-Weiß-Bilder der Patienten, deren Anordnung<br />
in einem perfekten Layout, die Ehrlichkeit der<br />
Darstellung von Schwierigkeiten und Grenzen der<br />
Therapie sowie die sprachliche Gestaltung des Textes<br />
(mehr dazu www.jacques-joseph.de).<br />
Im Kaden-Verlag erschien 2004 eine aufwendig<br />
gestaltete reprografische Neuauflage des längst<br />
vergriffenen Hauptwerkes von Jacques Joseph „Nasenplastik<br />
und sonstige Gesichtsplastik nebst einem<br />
Anhang über Mammaplastik und einige weitere<br />
Operationen aus dem Gebiete der äußeren Körperplastik“.<br />
_Der Konstrukteur<br />
Joseph entwickelte Zeit seines Lebens neue Ins -<br />
trumente oder modifizierte und verbesserte diese<br />
und herkömmliche für seine innovativen Operationstechniken.<br />
Weltbekannt ist der sog. „Joseph“,<br />
ein nach ihm benanntes Raspatorium, nach dem<br />
auch heute noch in den Operationssälen auf der<br />
ganzen Welt verlangt wird.<br />
Joseph ließ jedes der von ihm entwickelten Ins -<br />
trumente mit einer kleinen Gravur „PROF. JOSEPH“<br />
versehen. Während der NS-Zeit emigrierten viele von<br />
Josephs Schülern und engen Mitstreitern. Die Originalinstrumente<br />
wurden in alle Welt verstreut und von<br />
bekannten plastischen Chirurgen wie Reliquien gehütet.<br />
Im Jahre 1969 erhielt Professor Rudolf Stellmach<br />
(1924–2003) von Dr. Pabst, einem plastischen<br />
Chirurgen in Berlin-Grunewald, einige von Josephs<br />
Originalinstrumenten. Stellmach, selbst ein anerkannter<br />
plastischer Chirurg und Spezialist auf dem<br />
Gebiet der Missbildungschirurgie des Gesichts, trug<br />
diese Instrumente von Josephs bedeutenden Schülern<br />
wie Gustave Aufricht, Joseph Safian, Samuel Fomon,<br />
Jacques Maliniac oder führenden plastischen<br />
Chirurgen wie John Maurice Converse zusammen. Die<br />
Sammlung dieser Originalinstrumente befindet sich<br />
derzeit in der Dauerausstellung des <strong>Medizin</strong>historischen<br />
Museums der Charité und illustriert im historischen<br />
Krankensaal den Fall des Karl Hasbach.<br />
_Die NS-Zeit<br />
Als die Nationalsozialisten 1933 die politische<br />
Macht in Deutschland übernommen hatten, erkannten<br />
nur wenige, welche Katastrophe heraufzog. Für<br />
jüdische Deutsche und Andersdenkende begann<br />
diese sofort. Joseph hatte – wie viele andere auch – die<br />
herandrängende braune Gefahr nicht ernst genommen.<br />
Höchster Anerkennung und Wertschätzung war<br />
– fast über Nacht – tiefste offizielle Missachtung gefolgt.<br />
Die Stenotypistin, die er zur Fertigstellung seines<br />
Lehrbuches angestellt hatte und die in seinem Haus<br />
wohnte, bespitzelte und erpresste ihn im Auftrag der<br />
Gestapo. Joseph durfte nur noch wenige plastische<br />
Eingriffe nach entwürdigenden „Sondergenehmigungsverfahren“<br />
durchführen. Durch den zügellosen,<br />
gewalttätigen Antisemitismus wurde für Joseph die<br />
Ausübung der ärztlichen Praxis immer schwieriger.<br />
_Der Tod<br />
Die Emigration war wohl ins Auge gefasst, als<br />
Jacques Joseph am 12. Februar 1934 in Berlin-Wilmersdorf<br />
verstarb. Er erlitt auf dem Weg zur Arbeit<br />
noch im Flur seines Hauses einen tödlichen Myokardinfarkt.<br />
Die inzwischen „gleichgeschaltete“ deutsche<br />
medizinische Fachpresse nahm von Josephs Tod keine<br />
Notiz mehr. Nachrufe erschienen nur in ausländischen<br />
Fachblättern. Für einen gewaltsamen Tod, der mehrfach<br />
vermutet wurde, gibt es nach den überlieferten<br />
einschlägigen Dokumenten keinen Hinweis.<br />
_Geschichte seiner Grabstätte<br />
Jacques Joseph wurde auf dem Jüdischen Friedhof<br />
in Berlin-Weißensee beigesetzt. Seine Witwe Leonore<br />
verließ Deutschland 1938 zufällig in der Nacht des<br />
berüchtigten Novemberpogroms. Auf mehreren Umwegen<br />
gelang ihr die Flucht in die USA. Sie starb dort<br />
1968 hochbetagt und verarmt. Josephs Grab wurde<br />
wie sein Haus im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben<br />
zerstört und galt seitdem als nicht mehr identifizierbar.<br />
W. Briedigkeit gelang es nach beharrlichen<br />
Recherchen, den zum Teil verschütteten und über-<br />
Abb. 11_Der Fall des Mustafa Ipar,<br />
eines türkischen Feldwebels, der in<br />
den Dardanellen eine ausgedehnte<br />
Gesichtsverletzung mit Fehlen beider<br />
Wangen, der Nase, des Oberkiefers<br />
einschließlich des harten Gaumens,<br />
der Oberlippe, eines Auges und des<br />
Oberlids und eines Teils der Zunge<br />
durch ein englisches Schiffs -<br />
geschoss erlitt.<br />
a_Anlage des Brückenkopflappens<br />
und Unterfütterung der Mittelpartie<br />
durch freie Haut.<br />
b_Rotation des Brücken lappens im<br />
Intervall.<br />
c_Defektdeckung durch den<br />
Brückenkopfhautlappen. Freie Hauttransplantation<br />
der Entnahmestelle.<br />
d_Replantation der „Ernährungs-<br />
brücke“ auf die Schläfengegend.<br />
Abb. 11a Abb. 11b Abb. 11c Abb. 11d<br />
I09
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 12a–b_Der gleiche Patient<br />
prä- und postoperativ.<br />
Abb. 12a<br />
Abb. 12b<br />
wachsenen Grabstein Josephs im August 2003 wie -<br />
derzufinden. Der Stein aus schwarzem Granit wurde<br />
geborgen, identifiziert und die nur noch fragmen -<br />
tarisch erhaltene ehemalige Inschrift entschlüsselt.<br />
Am 17. Oktober 2004 fand die Steinweihe anlässlich<br />
der vollendeten Wiedererrichtung der Grabstätte<br />
statt. Die Enthüllung und Weihe des Steins<br />
nahm der bekannte Berliner Rabbiner Professor<br />
Andreas Nachama in Gegenwart zahlreicher in- und<br />
ausländischer Gäste vor. Großzügige Spenden aus<br />
dem In- und Ausland hatten die Wiedererrichtung<br />
der Grabstätte ermöglicht. Neben den vielen privaten<br />
Spendern gilt der Dank besonders folgenden<br />
Fachgesellschaften: American Academy of Facial<br />
Plastic and Reconstructive Surgeons, European<br />
Academy of Facial Plastic Surgery, Deutsche Gesellschaft<br />
für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und<br />
Halschirurgie, Norddeutsche Gesellschaft für Oto -<br />
r hinolaryngologie und zervikofaziale Chirurgie, Oto-<br />
Laryngologische Gesellschaft zu Berlin, Vereinigung<br />
der Westdeutschen Hals-Nasen-Ohrenärzte von<br />
1897. Die Initiative und Koordinierung erfolgten<br />
vom Privat-Institut für <strong>Medizin</strong>ische Weiterbildung<br />
und Entwicklung Berlin e.V. (www.imwe-berlin.de).<br />
Der rekonstruierte Stein spiegelt die wechselvolle<br />
Geschichte des Grabes wider: Die Vorderansicht<br />
trägt die neue Inschrift auf poliertem schwedischen<br />
Granit; die Rückseite zeigt den Stein unverändert so,<br />
wie er geborgen wurde – beschädigt und mit fragmentarischer<br />
Inschrift. So konnte Jacques Joseph<br />
auf diese Weise die Ehre erwiesen werden, die man<br />
ihm zu Zeiten seines Todes versagte. Die Anerkennung<br />
der Grabstätte als Ehrengrab der Stadt Berlin<br />
wurde 2004 beim Berliner Senat beantragt und ist<br />
bislang nicht positiv entschieden.<br />
_Jacques Joseph heute<br />
Nach der Publikation „Eine kleine Josephsgeschichte“<br />
(W. Briedigkeit) in einer international ver-<br />
Abb. 13a_Profilwinkelmesser<br />
nach Joseph.<br />
Abb. 13b_Rhinoskoliometer<br />
nach Joseph.<br />
Abb. 13c_Schiefnasenapparat<br />
nach Joseph.<br />
Abb. 13a Abb. 13b Abb. 13c<br />
10 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 14a_Der beschädigte Grabstein<br />
nach seiner Freilegung.<br />
Abb. 14b_Steinweihe der wieder -<br />
errichteten Grabstätte auf dem<br />
Jüdischen Friedhof in Berlin-<br />
Weißensee am 17. Oktober 2004.<br />
Abb. 14a<br />
Abb. 14b<br />
breiteten Zeitschrift erreichten den Autor zahlreiche<br />
Briefe von fernen Verwandten, ehemaligen Patienten<br />
und anderen Bekannten Josephs, die nach 1933<br />
vor den Nazis ins Ausland geflohen waren und sich<br />
noch an den Chirurgen erinnerten.<br />
Beispiel: … mit großem Interesse habe ich Ihren<br />
Artikel in „Aktuell“ diesen Monats gelesen. Es<br />
brachte mich ungefähr fünfundsiebzig Jahre in die<br />
Vergangenheit. „Nosephs“ Tochter Bella heiratete<br />
einen Vetter meines Vaters … In 1939 August war<br />
ich auf einem Kindertransport nach England, lebte<br />
aber nach dem Kriege in Johannesburg … Bis vor<br />
5 Jahren wohnte eine Verwandte mit einer Joseph-<br />
Nase dort …<br />
Glück verbunden sind. Der Körper ist aber auch zu<br />
einem Schauplatz für Identitätssuche und Selbst -<br />
inszenierung geworden. Insofern erscheint der Körper<br />
auch als ein möglicher Weg zum Glück._<br />
Abb. 15_„Theke der ästhetischen<br />
Chirurgie“ im Hygienemuseum<br />
Dresden während der Ausstellung<br />
Glück – welches Glück.<br />
Das Thema der Emigration und der Beseitigung<br />
charakteristischer Gesichtsmerkmale z.B. durch <strong>Nasenkorrekturen</strong><br />
zur Zeit des Nationalsozialismus beschreibt<br />
der Film „Don’t call it Heimweh“ von Thomas<br />
Halaszinsky.<br />
_Glück – welches Glück<br />
Dem weiten Feld des Begriffs Glück widmet sich<br />
die aktuelle Ausstellung des Hygienemuseums Dresden.<br />
Im Kanon der vielfältigen Gebiete, die das Glück<br />
ausmachen, wurde auch der ästhetischen Chirurgie<br />
ein Raum gewidmet. Wir wurden gebeten, eine<br />
„Theke der ästhetischen Chirurgie“ mitzugestalten.<br />
Dazu wurden einige Instrumente aus verschiedenen<br />
Epochen der Chirurgie ausgewählt, um dem Besucher<br />
die ganz praktische Seite der Schönheitschirurgie<br />
erlebbar zu machen. Wir haben besonders die von<br />
Joseph entwickelten Instrumente ausgewählt und<br />
deren Modifikationen in den letzten Jahrzehnten<br />
demonstriert. Joseph hat immer wieder auf die<br />
große psychologische Bedeutung der rekonstruktiven<br />
und auch der ästhetischen Chirurgie hingewiesen,<br />
die er erstmals als ärztliche Aufgabe – damals<br />
noch gegen den Mainstream der Fachgesellschaften<br />
– definierte. Gesundheit und Schönheit des Körpers<br />
sind heute Idealvorstellungen, die eng mit dem<br />
Abb. 15<br />
_Literaturliste<br />
Jacques Joseph – ein Pionier der plastischen<br />
Gesichtschirurgie. Walter Briedigkeit und<br />
Hans Behrbohm, Jüdische Miniaturen,<br />
Hentrich-Verlag, ISBN 3-938485-34-5, 61 Seiten.<br />
Weitere Literatur: www.jacques-joseph.de<br />
_Co-Autoren<br />
Prof. Dr. Walter Briedigkeit<br />
Berlin<br />
Dr. Gerhard Reintanz<br />
Ueckermünde<br />
face<br />
face<br />
I11
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Die funktionellästhetische<br />
Chirurgie<br />
der Nase<br />
Abb. 1_Die Delphische Sybille,<br />
Detail, Michelangelo Buonarroti<br />
(1475–1565); Rom, Vatikan,<br />
Sixtinische Kapelle.<br />
_Die Nase nimmt innerhalb der ästhetischen Einheiten<br />
des Gesichtes eine besondere Stellung ein.<br />
Aus ästhetischer Sicht kommt ihr die Aufgabe zu,<br />
als einzelne unpaare anatomische Einheit im Gesichtsmittelpunkt,<br />
die vertikalen Gesichtsdrittel<br />
und horizontalen -fünftel harmonisch zu verbinden.<br />
Das ist auch der Grund dafür, dass bereits geringfügige<br />
Formvarianten der Nase erheblichen<br />
Einfluss auf die Gesamtwirkung des Gesichtes haben<br />
können. Dabei besteht die Nase eigentlich nur<br />
aus wenigen morphologischen Bausteinen, und<br />
dennoch resultiert daraus eine unendliche Formenvielfalt.<br />
Keine Nase gleicht der anderen. Die<br />
Bausteine der Nase besitzen eine ästhetische und<br />
funktionelle Bedeutung (Abb. 2).<br />
_Ästhetische Grundsätze<br />
Es geht bei der Rhinoplastik aus ästhetischer<br />
Indikation eigentlich nicht nur um die Nase, sondern<br />
immer um den Kontext mit anderen individuellen<br />
Gesichtsmerkmalen. Es gibt eine gewisse<br />
Rangfolge der Gesichtsmerkmale. Die Ausstrahlung<br />
geht in erster Linie von den Augen aus. Die<br />
Nase hat sich den Augen „unterzuordnen“, d.h.<br />
durch eine möglichst elegant-harmonisch geschwungene<br />
Linie vom medialen Punkt der Augenbraue<br />
zum tip defining point (Pronasale) die<br />
Wirkung der Augen „freizugeben“, ohne durch<br />
dysharmonische Konturen, zum Beispiel Höcker,<br />
Knochengrate, Einsattelungen, Missverhältnisse<br />
von Breite und Länge, von ihr abzulenken.<br />
Die Nasenspitze wird von einem gleichseitigen<br />
Rhomboid definiert. Es wird durch die tip defining<br />
points sowie den supra- und infratip point gebildet.<br />
Die kaudale Kontur der Nasenflügel sollte eine<br />
geschwungene Linie bilden, die sog. gull in flight-<br />
Linie (Abb. 3a–d).<br />
Am Beispiel des Profils wird besonders deutlich,<br />
dass es bei der Rhinoplastik nicht nur um die Veränderung<br />
der Nase geht, sondern vielmehr um die<br />
Abstimmung mit den benachbarten ästhetischen<br />
Einheiten, vor allem dem Kinn und der Stirn zu einer<br />
harmonischen Profillinie. Zum Teil kann allein<br />
durch eine Veränderung der Nase bereits Einfluss<br />
auf zum Beispiel eine fliehende Stirn oder ein fliehendes<br />
Kinn genommen werden. Um die drei<br />
wichtigsten Punkte zur Beurteilung des Gesamtprofils<br />
und hinsichtlich ihrer Lagebeziehung im<br />
Profil zu beurteilen, hat sich uns eine eigene Modifikation<br />
des von Charles Baud (1982) angegebenen<br />
Gesichtskreises bewährt.<br />
Mit dem Radius Porion-Pronasale wird ein<br />
Kreisbogen um das Gesicht geschlagen. Im Idealfall<br />
liegen Trichion (Stirnhaargrenze) und Pogonion<br />
auf der Peripherie des Kreises. Eine Überprojektion<br />
der Nase zeigt sich durch Zurückwandern<br />
des Kinn- (Weichteilpogonions) und des Stirn-<br />
Haarpunktes. Ebenso kann ein relativer Rückstand<br />
von Kinn und Stirn erkannt werden. Es ergeben<br />
sich somit konkrete Hinweise für die Harmonisierung<br />
des Profils. Das Profil wird neben der Nasen-<br />
12 I
Die richtige Technik –<br />
Eine Sache der Erfahrung<br />
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I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 2_Die „Bausteine“ der Nase.<br />
Von kranial nach kaudal nimmt die<br />
Flexibilität der Nase zu. Während der<br />
knöcherne Teil (Baum) völlig rigide<br />
ist, beginnt im Rhinion der flexible<br />
knorpelige Teil, bestehend aus den<br />
Dreiecksknorpeln (Schmetterling)<br />
und den Flügelknorpeln (Vögel). Das<br />
Nasenseptum besitzt statische Bedeutung<br />
und trägt die Dreiecks- und<br />
medialen Flügelknorpel. Da, wo sich<br />
die Schwingen von Schmetterling<br />
und Vogel begegnen, befindet sich<br />
die Nasenklappe. Sie besitzt eine<br />
wichtige dynamische Funktion für die<br />
Nasenatmung.<br />
Abb. 3a_Patientin mit funktioneller<br />
Spannungsnase. Überlanges Infratipdreieck.<br />
Unpräzise aesthetic<br />
eyebrow line.<br />
Abb. 3b_Zurückverlagertes Kinn<br />
bei überprojizierter Spitze.<br />
Abb. 3c_Resultat nach Septorhinound<br />
Kinnplastik vor drei Jahren.<br />
Gleichseitiges Rhomboid der Spitze.<br />
Harmonische aesthetic eyebrow line,<br />
gull in flight-Linie.<br />
Abb. 3d_Profilkorrektur nach<br />
Septorhino- und Kinnplastik in einer<br />
Sitzung.<br />
Abb. 2<br />
form entscheidend von der Stellung des Ober- und<br />
Unterkiefers und typischen Abweichungen bei<br />
gnatischen Anomalien bestimmt. Vereinfachend<br />
werden zur Unterscheidung eines geraden, konvexen<br />
oder konkaven Profils zwei Geraden an das<br />
Gesicht gelegt, von der Stirn zur Oberlippenkante,<br />
von der Oberlippenkante zum Weichteilpogonion.<br />
Ein konvexes Weichteilprofil deutet auf eine<br />
Angle-Klasse-II-Relation, ein konkaves Profil auf<br />
eine Angle-Klasse-III-Beziehung hin.<br />
_Funktionelle Grundsätze<br />
Die Nase erfüllt eine Vielzahl unterschiedlicher,<br />
zum Teil lebenswichtiger Funktionen. Die Nase ist<br />
Atmungsorgan und klimatisiert die eingeatmete<br />
Luft unabhängig von deren Temperatur und Luftfeuchtigkeit<br />
durch Erwärmung auf konstant 34 °C<br />
und Wassendampfsättigung auf eine Luftfeuchtigeit<br />
von ca. 85% im Nasenrachen. Zugleich<br />
beherbergt sie das periphere Riechorgan, prägt<br />
das individuelle Timbre und die Tragfähigkeit der<br />
Stimme durch die sog „Nasalität“. Sie ist Reflexorgan<br />
und die „Frontlinie“ unseres Organismus, weil<br />
sie ununterbrochen auf Allergene und Antigene<br />
auf verschiedenen Ebenen, zum Beispiel zellulär,<br />
humoral oder immunologisch reagieren muss. Die<br />
physiologische Funktion der Nasennebenhöhlen<br />
und des Mittelohres hängen maßgeblich von der<br />
Nasenfunktion ab (Abb. 4).<br />
Das Septum nasi ist das wichtigste Verbindungselement<br />
zwischen der inneren Nase, Cavum<br />
nasi, und der äußeren Nase. Es dient der Aufhängung<br />
der Seitenknorpel und auch die Fußplatten<br />
der medialen Schenkel der Flügelknorpel sind an<br />
der vorderen Septumkante fixiert. Damit gehört<br />
das Septum zu den Tip support-Mechanismen<br />
der Nasenspitze, d.h. einer Summe von strukturellen<br />
Elementen, die die Stellung, Form und Protektion<br />
der Nasenspitze bestimmen.<br />
Die funktionell wichtigste Stelle der inneren<br />
Nase ist die Nasenklappe (Abb. 4). Sie besitzt eine<br />
dynamische, querschnittsregulierende Funktion,<br />
die den nasalen Atmungswiderstand in hohem<br />
Maße bestimmt. Die Nasenklappe befindet sich<br />
zwischen dem kranialen Septum und dem ventralen<br />
Dreiecksknorpel (Abb. 2).<br />
_Funktionell-ästhetische Chirurgie<br />
Die moderne Nasenchirurgie hat immer dualen<br />
Charakter. Nasenform und -funktion sind deshalb<br />
untrennbar, weil sie durch die gleichen morphologischen<br />
Strukturen gewährleistet werden. Das<br />
Septum nasi ist einerseits das wichtigste Element<br />
der funktionellen Chirurgie der Nase, weil es maßgeblich<br />
an Funktionsstörungen, zum Beispiel<br />
Septumdeviationen, Stenosen der Isthmus-Region<br />
und der Nasenklappe, Sattelbildungen, Achsenfehlstellungen<br />
des Septums und der Nase, beteiligt<br />
ist. Andererseits können durch gezielte<br />
Operationsschritte am Septum ästhetische Zielstellungen<br />
elegant erreicht werden, zum Beispiel<br />
Rotation der Spitze, Veränderung der Projektion,<br />
Abb. 3a Abb. 3b Abb. 3c Abb. 3d<br />
14 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 6<br />
Abb. 4_Die Nase als Strömungskörper.<br />
Isthmusbereich. a_Nasenvorhof.<br />
b_Muschelkopfregion.<br />
c_Hinteres Cavum nasi. d_Choane.<br />
e_Naseneingangsregion.<br />
i_Isthmusspalt, Nasenklappe.<br />
Abb. 6_Schematische Darstellung<br />
und Möglichkeit des splitting<br />
approach.<br />
Abb. 4<br />
Kürzen oder Verlängerung der Nase, Formen desinfratip-Winkels<br />
oder die Formung des Nasolabialwinkels.<br />
Ideal ist es, wenn funktionelle und ästhetische<br />
Gesichtspunkte und synergistische Ziele in einer<br />
Operation, Septorhinoplastik, durch gezielte Veränderungen<br />
an einzelnen Bausteinen umgesetzt<br />
werden können, die dann durch dynamische<br />
Interaktionen, dynamics of rhinoplasty, zu einem<br />
optimalen funktionellen und ästhetischen<br />
Resultat führen.<br />
_Planung und Analyse<br />
Auf der Grundlage einer genauen anatomischen<br />
Analyse einer Formvariante oder Fehlstellung<br />
werden der im Einzelfall günstigste Zugang<br />
und die effektivste Operationstechnik ausgewählt.<br />
Dabei sollte neben dem Haut- und Bindegewebstyp<br />
auch das Lebensalter des Patienten<br />
berücksichtigt werden.<br />
Aus der Analyse wird ein Operationsplan erstellt,<br />
der die Wahl des Zugangs, die Operationstechnik,<br />
die postoperative Heilung, das zu erwartende<br />
Operationstrauma und natürlich das Operationsziel<br />
einschließt.<br />
Mitteldicke Haut stellt eine günstige Voraussetzung<br />
für eine Rhinoplastik dar. Dicke Haut<br />
neigt zu stärkerer Narbenbildung und postoperativen<br />
Problemen, zum Beispiel der Bildung eines<br />
„polly beak“.<br />
Auf der anderen Seite bedeckt dickere Haut<br />
kleine Unebenheiten des Nasenrückens und gestattet<br />
alle Techniken der Chirurgie der Nasenspitze.<br />
Dünne Haut neigt weniger zu postoperativen<br />
Problemen, erfordert aber ein hohes Maß an<br />
Präzision, da alle Konturunterbrechungen und<br />
Unebenheiten sichtbar werden.<br />
_Psychologie<br />
Der Rhinoplastiker muss einen „psychologischen<br />
Sinn“ entwickeln und sollte sich möglichst<br />
immer zwei Fragen beantworten:<br />
_Kann ich das morphologische Problem der Patientin/des<br />
Patienten lösen?<br />
_Löst die Operation die Probleme der Patientin/des<br />
Patienten?<br />
Dysmorphophobe Patienten müssen unbedingt<br />
vor einer Operation erkannt und beraten,<br />
aber niemals operiert werden. Für die psychologischen<br />
Kontraindikationen sei hier vereinfacht<br />
die Formel SIMON angegeben: single, immature,<br />
male, overexpectant, narcisstic.<br />
Abb. 5a–f_Beispiel für den Einfluss<br />
einer Septorhinoplastik auf das<br />
Gesicht. a_Patientin mit überwiegend<br />
knöcherner Schiefnase, knöchernem<br />
Höcker und überprojizierte<br />
Spitze, überlanges Infratip-Dreieck.<br />
d_Resultat drei Jahre postoperativ<br />
nach Achsenkorrektur und Kürzung<br />
des Infratip-Dreiecks. c_Präoperatives<br />
Profil. Überprojektion, knöcherner<br />
Höcker, verstrichener Nasolabialwinkel,<br />
relative Zurückverlagerung<br />
des Kinns, vestibular skin show.<br />
f_Postoperatives Profil: Absenken<br />
des Nasenrückens, Supratip break,<br />
Spitzenrotation nach kranial, Verlängerung<br />
der Oberlippe und relative<br />
Vorverlagerung des Kinns.<br />
e_ Prä- und postoperatives Halbprofil.<br />
Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c Abb. 5d Abb. 5e Abb. 5f<br />
I15
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 7_Schematische Darstellung<br />
des delivery appraoch. Links: Inkomplette<br />
Knorpel-Inzisionen, rechts:<br />
kraniale Volumenreduktion.<br />
b–d_Intra- und interdomale Nähte.<br />
Abb. 8a_Patientin mit breiter<br />
asymmetrischer Spitze.<br />
Abb. 8b_Zustand vier Jahre<br />
nach delivery approach mit<br />
Verschmälerung der Spitze durch<br />
Interdomal-Nähte.<br />
Abb. 8a<br />
Abb. 7<br />
_Grundsätze der modernen<br />
Septorhinoplastik<br />
Das Ziel der Septorhinoplastik ist es, durch<br />
effiziente, möglichst atraumatische Operationsschritte<br />
an den einzelnen Strukturelementen der<br />
Nase eine gewünschte Form- und Funktionsverbesserung<br />
zu erreichen. Nebeneinander können<br />
verschiedene Techniken, zum Beispiel Schnitttechniken<br />
(Resektionen), Nahttechniken (Inter- oder<br />
Transdomalnähte), gaft-Techniken (tip-, shield-,<br />
rim-, alar-, spreader-graft, collumellar strut) angewendet<br />
werden. Anzustreben ist eine natürliche<br />
Form, die in ihrer Größe dem Gesicht und Habitus<br />
des Patienten entsprechen muss. Dieses Ziel erfordert<br />
immer, dass mehrere Strukturelemente in das<br />
Operationskonzept einbezogen werden.<br />
Abb. 8b<br />
_Zugänge<br />
Für die funktionell-ästhetischen Operationen<br />
stehen verschiedene Zugänge zur Exposition der<br />
Nasenspitze und des Nasenrückens zur Verfügung.<br />
Es ist immer besser, wenn der Operateur zu jedem<br />
Problem eine adäquate Operationstechnik und einen<br />
angemessenen Zugang anbieten kann. Eine<br />
universelle Technik gibt es nicht. Schon gar nicht<br />
kann der offene Zugang diesen Anspruch erfüllen.<br />
Es ist immer ratsam, möglichst viel Funktionalität<br />
und natürliche Elastizität zum Beispiel im Bereich<br />
der Spitze zu erhalten. Die unnötige Desintegration<br />
der Strukturen führt zu Funktionsstörungen, weil<br />
die Feinelastizität und Flexibilität, zum Beispiel im<br />
Bereich der Nasenklappe, durch narbige Fixierungen<br />
verloren geht. Die Vorstellung am Ende einer<br />
Rhinoplastik die Nase mit einer Vielzahl von grafts<br />
neu aufzubauen, führt auf den ersten Blick zwar zu<br />
akzeptablen Resultaten, aber auch zu rigiden und<br />
unnatürlichen Strukturen. Die wirkliche Kunst der<br />
Rhinoplastik besteht in der effektiven Umsetzung<br />
eines gewünschten Planes über den besten, wenig<br />
invasiven und oft „trickreichen“ Zugang. Grandiose<br />
Meister dieses Metiers wie M. Eugene Tardy<br />
Jr., Tony Bull, Norman Pastorek unter anderem<br />
haben bewiesen, dass exzellente Resultate über<br />
endonasale Zugänge zu erzielen sind.<br />
_Endonasale Zugänge<br />
Endonasale Zugänge bieten den Vorteil einer<br />
subtilen und wenig invasiven Operation. Durch die<br />
Präparation in der chirurgischen Schicht kann eine<br />
Verletzung des SMAS (superficial muscular aponeurotic<br />
system) vermieden werden. Das Decollement<br />
erfolgt nur über dem knorpeligen und knöchernen<br />
Nasenrücken und bietet den Vorteil, präzise<br />
Taschen für tiefe oder oberflächliche autologe<br />
Transplantate (zum Beispiel Ohrknorpel) anzulegen.<br />
Während der Operation bleibt die Spannung des<br />
Weichteilmantels der Nase erhalten und die Auswirkung<br />
eines jeweiligen Operationsschrittes auf<br />
die gesamte Form – dynamics of rhinoplasty –<br />
kann jederzeit überprüft werden, um den nächsten<br />
Schritt entsprechend gezielt zu setzen. Das Gewebetrauma<br />
bleibt gering, die Narbenbildung nur auf<br />
umschriebene Areale begrenzt. Dadurch erfolgt die<br />
postoperative Heilung rasch und unkompliziert.<br />
Äußere Narben und postoperative Dyssymmetrien<br />
durch narbige Schrumpfungen werden weitestgehend<br />
vermieden.<br />
_Eversionstechnik – splitting appaoch<br />
Die Eversionstechnik ist für die Volumenreduktion<br />
der kranialen Flügelknorpel bei bullöser Na-<br />
16 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
senspitze gut geeignet. Der Zugang ist für Asymmetrien<br />
der Spitze nur in Ausnahmen zu empfehlen.<br />
Es sollte also eine symmetrische Spitze, kein bifida<br />
tip und kein breiter stumpfer Dom(winkel) bestehen.<br />
Die Form der kaudalen Flügelknorpel lässt<br />
sich durch diesen Zugang nicht verändern. Gut<br />
erreichbar ist der kraniale Flügelknorpel. Der<br />
transkartilaginäre Schnitt verläuft typischerweise<br />
kranial des tip defining points, welcher zuvor<br />
markiert werden sollte. Erreicht wird eine Verschmälerung<br />
im Supratipbereich und eine kraniale<br />
Rotation der Spitze, die durch ein Anschrägen<br />
der vorderen kranialen Septumkante synergistisch<br />
unterstützt wird. Die Kranialrotation entsteht<br />
durch narbige Schrumpfung zwischen der<br />
kaudalen Kante des Dreieckknorpels und dem belassenen<br />
Flügelknorpelanteil. Sie hängt vom Umfang<br />
der Volumenreduktion des kranialen Flügelknorpels<br />
ab (Abb. 5a–f, 6).<br />
_Luxationstechnik – delivery approach<br />
Abb. 9<br />
Abb. 9_Schematische Darstellung<br />
des open approach und seiner<br />
Möglichkeiten im Detail. a_Intraoperative<br />
Übersicht. b_Knorpelresektion,<br />
-rotation, -inzision, Reorientierung.<br />
c_Augmentation, Konturierung<br />
(tip-, shield-, alar-grafts). d_suture<br />
techniques (intra- und interdomale<br />
Nähte). e_columella strut.<br />
f_spreader grafts.<br />
In der Hand des geübten Chirurgen stellt die<br />
Luxationstechnik eine elegante Technik mit einer<br />
Vielzahl von Korrekturmöglichkeiten der Spitze<br />
dar. Es wird praktisch ein chondrokutaner Lappen<br />
aus dem Flügelknorpel und der Haut des Nasenvorhofs<br />
gebildet. Nach der Luxation der Flügelknorpel<br />
können diese unter Sicht und im Seitenvergleich<br />
gut bearbeitet werden. Es können Knorpelresektionen,<br />
keil- oder streifenförmige Resektionen<br />
aus den lateralen Flügelknorpeln, Veränderungen<br />
der Knorpelspannung durch Ritzen –<br />
cross hatching – Augmentationen mit autologem<br />
Knorpel und intra- sowie interdomale Nähte – suture<br />
technique – gelegt werden. Die Technik ist bei<br />
Spitzenasymmetrie und bifida tip geeignet. Die<br />
Projektion der Spitze kann kontrolliert und verändert<br />
werden. Eine Spitzenrotation nach kranial ist<br />
möglich (Abb. 7 und 8a–b).<br />
_Offene Technik – open approach<br />
Funktion von oberflächlichen und konturierenden<br />
Transplantaten (Abb. 9 und 10a–b)._<br />
_Information<br />
Die Grafiken entstammen den Werken<br />
face<br />
H. Behrbohm, M. E. Tardy, Jr.:<br />
Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase.<br />
Thieme, Stuttgart, New York, 2003<br />
H. Behrbohm:<br />
Aesthetic and reconstructive facial surgery.<br />
Endo-Press, Stuttgart, 2004<br />
H. Behrbohm:<br />
Ästhetische und plastisch-rekonstruktive<br />
Gesichtschirurgie. Endo-Press, Stuttgart, 2006<br />
Abb. 10a–b_Patientin mit hochgradiger<br />
Distorsion des knorpeligen<br />
Nasenrückens, Spitzenasymmetrie,<br />
Z.n. Voroperation. Rekonstruktion<br />
des knorpeligen Nasengerüstes in<br />
offener Technik (9, 10a–b).<br />
Die offene Technik der Rhinoplastik gestattet<br />
eine maximale Exposition der Flügelknorpel mit<br />
den medialen und lateralen Schenkeln, der Dome<br />
und des Nasenrückens. Vorteile der offenen Technik<br />
sind die binoculäre, dreidimensionale Darstellung<br />
und Präparation der Strukturen bei kontrollierter<br />
Blutstillung unter Sicht und weitgehend<br />
bimanueller Präparation. Größere, möglichst<br />
autologe, Transplantate können sehr präzise platziert<br />
und befestigt werden. Die Transplantate werden<br />
aus dem Septum- oder Flügelknorpelanteilen<br />
(erste Wahl) oder Conchaknorpel (zweite Wahl) gefertigt.<br />
Unterschieden werden tiefe Transplantate zum<br />
Ersetzen von Substanzdefekten mit statischer<br />
Abb. 10a<br />
Abb. 10b<br />
I17
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Bezugskoordinaten<br />
der ästhetischen<br />
Gesichtschirurgie –<br />
zwischen Mathematik<br />
und Intuition<br />
Teil 1: die Nase<br />
Abb. 1_Die Nase als ein zentrales<br />
Bezugssystem im Gesicht.<br />
a_Frontalregion, b_Parietalregion,<br />
c_Temporalregion, d_Brauen,<br />
e_Oberlid, f_Unterlid, g_Jochbeinregion,<br />
h_Wange, i_Unterwange,<br />
j_Perioralregion mit Ober- und Unterlippe,<br />
k_Kinn: Vertikale Drittel<br />
(Leonardo da Vinci), Horizontale<br />
Fünftel (Humphries u. Powell),<br />
Mediale Pupillen-Mundwinkel-<br />
Vertikale, Mediale Lidwinkel-<br />
Nasenflügel-Vertikale.<br />
Abb. 1<br />
_Proportionalität und Ästhetik folgen<br />
geometrischen Gesetzen<br />
Gerade auf dem Gebiet der ästhetischen Gesichtschirurgie<br />
stellt sich dem Chirurgen die<br />
Frage, welche Linien, Winkel und Kurven er im<br />
konkreten Fall besonders berücksichtigen beziehungsweise<br />
verändern soll, um ein möglichst<br />
perfektes Resultat zu erzielen.<br />
Die ältesten Sätze der Geometrie stammen<br />
vermutlich von Pythagoras von Samos (circa 500<br />
v. Chr.), so auch sein überlieferter Ausspruch: „In<br />
der Natur und der Kunst sind Zahlen entscheidend“.<br />
Der Mönch Fra Paciolo di Borgio beschäftigte<br />
sich im Venedig der Renaissance intensiv<br />
mit Proportionen und Ästhetik. 1509 veröffentlichte<br />
er sein Buch, in dem er die Entdeckung des<br />
„Goldenen Schnittes“ mitteilte. Seinem Zeitgenossen<br />
Leonardo da Vinci (1452–1519) verdanken<br />
wir die horizontale Aufteilung des Gesichtes<br />
18 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 2a–b_Junge Patientin mit<br />
knöcherner Höckerschiefnase mit<br />
Verziehung des Philtrums.<br />
Abb. 2c–d_Drei Jahre nach Rhinoplastik<br />
mit Achsen- und Profilkorrektur.<br />
Man sieht nicht an der Nase, sondern<br />
an den Augen, ob eine Rhinoplastik<br />
gelungen ist. (N. Pastorek, N.Y.).<br />
Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Abb. 2d<br />
in drei gleiche Abschnitte. Albrecht Dürer (1471–<br />
1582) war der bedeutendste deutsche Maler,<br />
Grafiker und Zeichner seiner Zeit. Er beschäftigte<br />
sich intensiv mit der Proportionslehre und dem,<br />
was Schönheit ausmacht. Schönheit galt als Ziel<br />
von Kunst. Dürer hielt sie unter Verwendung von<br />
„Zirkel und Richtscheit“ für konstruierbar. Die<br />
vertikale Aufteilung des Gesichtes in fünf gleiche<br />
Abschnitte geht auf Powell und Humphries<br />
(1984) zurück.<br />
Die Nase besitzt als singuläre und zentrale<br />
Struktur eine besondere Bedeutung für das Gesicht.<br />
Sie verbindet das obere Gesichtsdrittel<br />
(Stirnregion) mit dem unteren Drittel (periorale<br />
ästhetischen Einheit). Abgeleitet vom kartesischen<br />
Koordinatensystem erfüllt die Nase die<br />
imaginäre Funktion einer Ordinate, an welcher<br />
Symmetrie und letztlich auch Harmonie in einem<br />
Gesicht empfunden bzw. unbewusst wahrgenommen<br />
werden. Die paarigen ästhetischen Regionen<br />
(Brauen, Ober- und Unterlider, Wangen,<br />
Jochbeinregion werden quasi an der „Nasenordinate“<br />
gespiegelt. Aus dieser interaktiven Wirkung<br />
zwischen der Nase und verschiedenen ästhetischen<br />
Einheiten des Gesichtes entsteht die<br />
Möglichkeit einer erheblichen Einflussnahme<br />
auf das Gesicht durch eine Rhinoplastik (Abb. 1<br />
und 2).<br />
Dabei unterliegen die Strukturen einer ästhetischen<br />
Hierarchie. Alles muss sich der Ausstrahlung<br />
der Augen unterordnen. Diese werden zum<br />
Beispiel durch Lidstrich beziehungsweise -schatten<br />
ganz besonders hervorgehoben. Auch die<br />
Lippen können in ihrer Form, zum Beispiel ein<br />
zart geschwungenen Amorbogen, Volumen und<br />
Größe in vielfältige Weise betont und damit zu<br />
dominierenden Attributen werden.<br />
Daran gemessen hat die Rhinoplastik zwei<br />
ganz bescheidene und andere Ziele: Es sollte eine<br />
formschöne und zugleich individuell geformte<br />
Nase entstehen, die ausgehend von vorbestehenden<br />
Voraussetzungen, zum Beispiel Stellung<br />
von Kiefer, Stirn, Haut- und Bindegewebstyp, in<br />
ein Gesicht passt und seine Ausstrahlung in dessen<br />
Gesamtkontext verbessert (Abb. 2).<br />
Deshalb kann ein übiquitär empfohlener Nasentyp<br />
diesem Konzept niemals gerecht werden.<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, hat es sich bewährt,<br />
die Auswirkung einer Rhinoplastik auf das Gesicht<br />
gemeinsam mit der/dem Rhinoplastik-Kandidatin/-en<br />
in der Computergrafik zu simulieren.<br />
Wenn das verantwortlich durchgeführt wird und<br />
dazu dient, ein realistisches Operationsziel und<br />
eine gesunde Erwartungshaltung gemeinsam zu<br />
erarbeiten, ergeben sich daraus nur Vorteile. Die<br />
Nase tritt mit einem gewissen Understatement<br />
im Interesse einer Gesamtverbesserung des Gesichts<br />
zurück.<br />
Dieser Dualismus zwischen Nasenform und<br />
Ästhetik des Gesichtes wird von vielen Rhinoplastik-Kandidatinnen/-en<br />
empfunden und formuliert:<br />
„Ich möchte meine Nase operieren lassen.<br />
Ich finde, sie passt nicht zu meinem Gesicht.<br />
Sie ist zu lang, zu dick, zu dünn …“ Meist lässt<br />
Abb. 3<br />
Abb. 3_Gemessen an den Grundlinien<br />
kann eine Nase zu kurz, zu<br />
lang oder zu breit für ein Gesicht sein.<br />
I19
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 4_Perfekter Durchschnitt?<br />
Mit dem Computer können europäische,<br />
afrikanische und asiatische<br />
Frauengesichter gemischt werden.<br />
Es entsteht das rechte Gesicht ohne<br />
besondere Merkmale. Trotz des Verlustes<br />
an Individualität und Charakteristischem<br />
finden die meisten Menschen<br />
das „Mischgesicht“ am<br />
schönsten.<br />
Abb. 4<br />
Abb. 5a_Eine gerade Nase mit unterschiedlichen,<br />
asymmetrischen aesthetic<br />
eyebrow-lines. Es entsteht der<br />
Eindruck einer Schiefnase.<br />
Abb. 5b_Eine knöcherne Schiefnase<br />
mit Verziehung des Philtrums und<br />
echter Achsenabweichung nach<br />
rechts.<br />
Abb. 6_Nur ein Eindruck, nichts<br />
Messbares – eine zu breite Nase in<br />
einem schmalen Gesicht.<br />
sich diese Empfindung, dass die Nase durch<br />
Größe, Form, Schiefstand zu viel Aufmerksamkeit<br />
beansprucht, objektivieren (Abb. 3).<br />
_Harmonie des Gesichtes<br />
Ziel der ästhetischen Rhinoplastik ist es also<br />
einerseits Nasen zu formen, die das Gesicht nicht<br />
dominieren, sondern mit ihm harmonieren. Anderseits<br />
sollten Gesichter, die von Nasen dominiert<br />
werden, besonders bei Männern, nur nach<br />
sehr genauer Analyse, möglichst mithilfe der<br />
Computeranimation, verändert werden.<br />
Ganz grob kann bei den ästhetischen Indikationen<br />
zur Rhinoplastik zwischen den typerhaltenden<br />
und typverändernden Operationen<br />
unterschieden werden. Bei den typerhaltenden<br />
Rhinoplastiken, zum Beispiel Korrekturen von<br />
Höcker-, Sattel-, Breit-, oder Schiefnasen, wird<br />
die Verbesserung der Ausstrahlung eines Gesichtes<br />
durch eine konservative Korrektur einer<br />
Formvariante erzielt. Im Ergebnis einer typverändernden<br />
Rhinoplastik, zum Beispiel Reduktionsrhinoplastik<br />
mit deutlicher Umkehr der tipsupratip-Relation,<br />
Rhinoplastik in Kombination<br />
mit Mentoplastik, kann eine völlig neue physio-<br />
Abb. 5a Abb. 5b Abb. 6<br />
20 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 7a–b_Breitnase bei dickem<br />
Hauttyp. Die Gesichtszüge werden<br />
vergröbert.<br />
Abb. 7c–d_Fünf Jahre nach der<br />
Rhinoplastik mit Verschmälerung<br />
der Nase und der Spitze.<br />
Abb. 7a Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d<br />
gnomische Gesamtwirkung eines Gesichtes entstehen.<br />
Eine solche Veränderung muss vor der<br />
Operation von der/dem Patientin/-en ausdrücklich<br />
gewünscht werden und sollte in der präoperativen<br />
Computersimulation visualisiert werden,<br />
um späteren Identifikations- und Identitätsproblemen<br />
unbedingt vorzubeugen. Dieses Problem<br />
der typverändernden Rhinoplastik spitzt sich bei<br />
der Planung des Ziels einer Rhinoplastik bei Patienten<br />
verschiedener ethnischer Zugehörigkeiten<br />
zu, weil durch die Operation die speziellen<br />
ethnischen Charakteristika erhalten oder beseitigt<br />
werden können (Abb. 4).<br />
Generell sollte der plastische Gesichtschirurg<br />
immer den Impetus haben, das Besondere und<br />
Einzigartige eines Gesichtes zu erhalten, beziehungsweise<br />
durch „maßgeschneiderte Korrekturen“<br />
zu betonen. Die ideale Nase gibt es nicht,<br />
aber Merkmale, die über alle ethnischen und kulturellen<br />
Grenzen hinweg gelten, zum Beispiel<br />
eine harmonische aesthetic eyebrow line, eine<br />
gerade Nase und ein gerader Nasenrücken. Eine<br />
geringe Asymmetrie zum Beispiel im Verlauf der<br />
aesthetic eyebrow lines, eine zu breite Nasenspitze<br />
oder eine Asymmetrie im mittleren Gewölbe<br />
können sich erheblich auf das Gesicht<br />
insgesamt auswirken. Das häufige Anliegen von<br />
Rhinoplastik-Kandidaten/-innen „… meine Nase<br />
ist so schief, ich möchte sie korrigieren lassen<br />
….“, erfordert immer eine genaue Analyse, was<br />
ist wirklich schief im Sinne einer Achsenfehlstellung<br />
oder was erscheint nur schief oder asymmetrisch<br />
(Abb. 5a–b).<br />
Wichtig ist die Differenzierung zwischen asymmetrischen<br />
Kontur- beziehungsweise aesthetic eyebrow<br />
lines und einer echten Achsenfehlstellung<br />
zwischen den Bezugspunkten mittlere Glabella und<br />
Philtrum. Während die Achsenkorrektur mit den<br />
Mitteln der Septumkorrektur, mit oder ohne Lösen<br />
und Neufixierung der Dreiecksknorpel, Osteotomien,<br />
mit Kürzen der längeren Seite der Nasenpyramide<br />
auskommt, erfordern die Asymmetrien im-<br />
Abb. 8a_Junge Patientin mit dem<br />
Wunsch der Verschmälerung der<br />
Nasenspitze, bei Asymmetrie und<br />
büllöser Spitze.<br />
Abb. 8b_Vier Jahre nach Rhinoplastik.<br />
Deutliche Präzisierung der Konturlinien<br />
der Nase mit Rückwirkung<br />
auf das Gesicht.<br />
Abb. 8a<br />
Abb. 8b<br />
I21
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 9a, b_Knöcherne Schiefnase<br />
bei Gesichtsasymmetrie.<br />
Abb. 9c–d_Fünf Jahre nach „ballancierter“<br />
Achsenkorrektur.<br />
Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c Abb. 9d<br />
Abb. 10_Ein überlanges Infratip-<br />
Dreieck, oft bei Höckerlangnase,<br />
verkürzt die sichtbare Oberlippe.<br />
Abb. 11a–b_Ausgleich des Effektes<br />
der long sad lip nach Rhinoplastik<br />
durch Aufrichten des Lippenrots.<br />
Abb. 12_Häufige Gebiss- und Kieferfehlstellungen<br />
– Angle-Klasse II:<br />
Rücklage des ganzen Unterkiefers.<br />
Rücklage des Unterkiefer-Alveolarfortsatzes.<br />
Angle-Klasse III: Vorverlagerung<br />
des gesamten Unterkiefers.<br />
Vorverlagerung des Unterkiefer-<br />
Alveolarfortsatzes.<br />
Abb. 10<br />
mer die Mittel der Augmentation, des Graftings und<br />
der Camouflage.<br />
Für die Entscheidung was ist zu lang/zu breit<br />
kann sich der Gesichtschirurg auf die bewährten<br />
Formeln, Linien und Winkel verlassen. Dennoch<br />
gibt es Indikationen, die nicht messbar, sondern<br />
nur empfindbar sind. Wenn zum Beispiel ein<br />
Modell sehr nachdrücklich eine diskrete, genau<br />
definierte Verschmälerung der Nasenspitze fordert,<br />
wenn eine Kandidatin eine dezente Konturierung<br />
der Nase wünscht, um damit eine Streckung<br />
eines Rundgesichts zu erreichen, dann<br />
muss sich der Gesichtschirurg auf sein ästhetisches<br />
Empfinden verlassen, um zu entscheiden,<br />
ob die Umsetzung dieses Wunsches einer Patientin<br />
wirklich ästhetisch nutzt (Abb. 7, 8).<br />
Operiert werden darf nur dann, wenn auch<br />
der Arzt das Ziel der Operation für ästhetisch<br />
indiziert hält, denn sonst läuft er Gefahr, die<br />
Schnittstelle zwischen hohem ästhetischen Anspruch<br />
und Dysmorphophobie zu verkennen.<br />
Abb. 11a<br />
Abb. 11b<br />
Das wäre fatal, weil bereits bei diskreten Zeichen<br />
einer Dysmorphophobie (nicht nachvollziehbarer<br />
Leidensdruck bei ästhetisch marginalem<br />
Problem) nicht operiert werden darf.<br />
Jedes Gesicht besteht aus zwei mehr oder<br />
weniger asymmetrischen Hälften. Besonders<br />
schwierig wird es dann, wenn der Wunsch besteht,<br />
eine Schiefnase in einem asymmetrischen Gesicht<br />
zu begradigen (Abb. 9). Das ist möglich, auch bei fehlenden<br />
Koordinaten der Symmetrie, jedoch muss<br />
hier immer eine „ballancierte“ Symmetrie angestrebt<br />
werden. Eine lotrechte Nase in einem sehr<br />
asymmetrischen Gesicht schafft erst den Maßstab,<br />
mit dem diese sonst oft unauffällige Variante der<br />
Anatomie zum Stigma wird (Abb. 9).<br />
Das Verständnis dafür muss mit der Patientin<br />
beziehungsweise dem Patienten erarbeitet werden.<br />
Wegen der Spezifik dieser ästhetischen Fragestellungen<br />
sollte das immer im Rahmen einer<br />
spezialisierten Sprechstunde ohne Zeitdruck erfolgen.<br />
_„Ich möchte mir meinen Nasenhöcker<br />
entfernen lassen …“<br />
Ein Wunsch, dem der Arzt so fast nie entsprechen<br />
sollte, weil bei der Höckerlangnase oft ein<br />
sehr unschöner Pinocchio-Effekt entstünde,<br />
wenn nicht gleichzeitig die Spitze rotiert und die<br />
Nase verkürzt würde. Bei der Kürzung eines<br />
überlangen Infratip-Dreiecks (normalerweise<br />
Rhomboid der Nasenspitze) verlängert sich die<br />
sichtbare Distanz zwischen Subnasale und Lippenrot.<br />
Das kann dann eine schmale, volumenschwache<br />
Oberlippe erst recht betonen. Oft resultiert<br />
daraus der Wunsch der Berücksichtigung<br />
einer weiteren ästhetischen Einheit, zum<br />
Beispiel der Aufrichtung der Lippenkante (Abb. 10,<br />
11a,b).<br />
Grundlage für Profilkorrekturen ist immer die<br />
Beurteilung der Stellung von Ober- und Unterkiefer,<br />
beziehungsweise die Analyse von Kieferund<br />
Gebissstellung beziehungsweise -fehlstel-<br />
22 I
ANZEIGE<br />
Abb. 12<br />
lungen (ANGLE-Klassen). Nur so kann eine wirkliche von einer scheinbaren Dysprojektion<br />
der Nase unterschieden werden. Generell gilt, dass eine Rhinoplastik,<br />
insbesondere mit Veränderung der Projektion der Nasenspitze, immer erst<br />
dann erfolgen sollte, wenn eine kieferorthopädische Behandlung beendet ist<br />
und das Knochenwachstum als abgeschlossen gelten darf. Bei einem Vorgesicht,<br />
insbesondere mit prominentem Kinn, ist zum Beispiel immer vor einer<br />
deutlichen Absenkung des Nasenrückens zu warnen, weil das diese Fehlstellung<br />
unterstreicht (Abb. 12).<br />
_Fazit<br />
Mit einer gut geplanten Rhinoplastik kann erheblicher Einfluss auf das gesamte<br />
Gesicht genommen werden. Einerseits sollte der Operateur bewährte Koordinaten<br />
und Bezugssysteme der klinischen Geometrie verwenden, andererseits ist darüber<br />
hinaus ein gewisser Sinn für die Ästhetik und möglichst eine künstlerische Begabung<br />
hilfreich.<br />
Das alleinige chirurgische Handwerk im Sinne eines „Zurechtzimmern“ des morphologischen<br />
Gerüstes reicht für einen hohen Qualitätsanspruch heute nicht aus.<br />
Ziel ist immer eine individuell geformte Nase, die in ein konkretes Gesicht passt und<br />
dessen Attraktivität sichtbar verbessert._<br />
_Information<br />
face<br />
Grafiken aus den Werken<br />
Behrbohm, H/Tardy, M. E.:<br />
„Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase“. Thieme, Stuttgart, New York, 2003<br />
Behrbohm, H:<br />
„Revision Rhinoplasty – a case book“. Thieme, New York, in press<br />
Behrbohm, H:<br />
„Septorhinoplastik in verschiedenen Lebensabschnitten“. HNO-Aktuell, Kaden, Heidelberg,<br />
2004<br />
Behrbohm, H:<br />
„Aesthetic and reconstructive facial surgery“. Endo-Press, Tuttlingen 2005
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Bezugskoordinaten<br />
der ästhetischen<br />
Gesichtschirurgie –<br />
zwischen Mathematik<br />
und Intuition<br />
Teil 2: Die Regionen Stirn,<br />
Wangen und Kinn<br />
Abb. 1_Proportionen und Symmetrie<br />
des Gesichts: a-Achse: Vertikale Drittelung<br />
des Gesichts nach Leonardo da<br />
Vinci. b-Achse: Horizontale Fünftel<br />
nach Powell & Humphreys. Rechte Gesichtshälfte:<br />
Merkmale der Symmetrie:<br />
Symmetrische in nere Konturlinien des<br />
Gesichts: zygomatico maxillary und<br />
aesthetic eyebrow line. Gesichtsme -<br />
diane, Romboid der Nasenspitze. Linke<br />
Gesichtshälfte: Häufige Ursachen von<br />
Asymmetrie: asymmetrische eyebrow<br />
tip line (Pseudoschiefnase), Oberkiefer-,<br />
Mittelgesichts- oder Unterkieferhypoplasie<br />
(meist mit Schiefstellung<br />
des Mundes), schiefe Nasenbasis<br />
(Lippen-Kiefer-Gaumenspalten),<br />
Asymmetrie einzelner Struktur -<br />
elemente (Dreiecks-Flügelknorpel).<br />
_Das Gesicht besteht aus einer Summe einzelner<br />
Strukturelemente, die einerseits in unterschiedlicher<br />
Weise zu einem Gesamtbild beitragen und anderseits<br />
gerade für den Gesichtschirurgen Module darstellen,<br />
die er mehr oder weniger in ein ästhetisches Konzept<br />
einbeziehen kann. Die Formel eines Concepts of<br />
Beauty ist sinnvoll, weil es immer darum geht, durch<br />
eine Operation aus ästhetischer Indikation die Gesamtausstrahlung<br />
eines Gesichts zu verbessern<br />
und nicht besondere Einzelmerkmale zu formen, die<br />
schlimmstenfalls nicht zusammenpassen.<br />
Für die Operationsplanung haben sich einige<br />
Winkel und Bezugslinien bewährt, die als Basis-Rüstzeug<br />
wichtig sind.<br />
Gesichtsproportionen sowohl der Weichteile als<br />
auch des Skeletts können heute durch 3-D-Modelle<br />
erfasst werden. Mit Gittermodellen können Oberflächen<br />
mathematisch erfasst und in verschiedenen<br />
Blickwinkeln dargestellt werden.<br />
24 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
_Messlinien der Gesichtsform und innere<br />
Konturlinien des Gesichts (en face)<br />
Jedes Gesicht hat zwei mehr oder weniger unterschiedliche<br />
Hälften und besitzt eine gewisse physiologische<br />
Asymmetrie. Das wird deutlich, wenn man<br />
zwei rechte oder linke Hälften durch Fotomontage<br />
zusammenfügt. Eine deutliche Gesichtsasymmetrie,<br />
-skoliose oder einseitige Hypoplasie kann einzelne<br />
oder mehrerer Anteile, z.B. das Mittelgesicht, oder den<br />
Ober- oder Unterkiefer betreffen. Asymmetrien des<br />
Mittelgesichts haben häufig Dysgnatien zur Folge<br />
und gehen mit einer Achsenabweichung der Nase<br />
einher. Korrekturen solcher Kombinationen wollen<br />
besonders durchdacht sein (Abb. 1).<br />
Mithilfe der bitemporalen, bizygomatikalen, bi -<br />
gonialen und bimentalen horizontalen Abstände<br />
kann ein Gesichtstyp bestimmt werden. Die mediale<br />
bimaxilläre Distanz bestimmt bei dünnen Gesichtsweichteilen<br />
eine innere ästhetische Konturlinie des<br />
Gesichts, die zygomatico maxillary line. Um diese Linie<br />
zu betonen und den daraus entstehenden Konturschatten<br />
zu verstärken, ließ sich z.B. Marlene Dietrich<br />
die Bichat‘schen Fettkörper entfernen (Abb. 2–3).<br />
_Der erste Eindruck<br />
Am Anfang der Analyse von Merkmalen des Gesichts<br />
eines Patienten steht etwas, was sich schwer in<br />
Worte fassen lässt – der erste Eindruck. Obwohl er nur<br />
einen Moment dauert, bietet er die Chance, eine Viel -<br />
zahl von Informationen über die/den Kandidatin/-en<br />
für eine ästhetische Gesichtsoperation zu erfahren.<br />
Er sollte nicht dadurch vertan werden, weil sich der<br />
Arzt schon gedanklich mit Details der Operation befasst.<br />
Während des ersten Eindrucks wird intuitiv erfasst<br />
und meist sofort bewertet. Hierzu gehören Ausstrahlung,<br />
Sympathie oder Antipathie, das Wesen,<br />
welches freundlich oder verschlossen sein kann.<br />
Auch Körperhaltung und -sprache, die Art des Händedruckes,<br />
die Stimme und Sprache gehen in diesen<br />
Eindruck mit ein.<br />
Abb. 2<br />
Sokrates soll zu einem seiner Schüler gesagt haben:<br />
„Sprich, damit ich dich sehe.“ Möglichst viele Informationen<br />
sollte der Arzt neben der Inspektion und<br />
klinischen Untersuchung von seinem Gegenüber gewinnen.<br />
Er sollte genau zuhören, um im Dialog die<br />
wirklichen Motive des Patienten zu einer Gesichtsoperation<br />
zu erfahren, und vor allem, welche Erwartungen<br />
er daran knüpft.<br />
Letztlich kann der Gesichtschirurg den Patienten<br />
nur dann wirklich beraten, wenn er sein Psycho-<br />
Abb. 3<br />
Abb. 2_Distanzen und Messpunkte<br />
zur Gesichtsanalyse en face und<br />
innere ästhetische Konturlinien:<br />
1. Äußere Messpunkte:<br />
a) vertikale Höhe, b) bitemporale,<br />
c) bizygomatikale, d) bigonale und<br />
e) bimentale Abstände<br />
2. Innere Meßpunkte:<br />
A) mediale bimaxilläre Distanz<br />
3. Innere ästhetische Konturlinien:<br />
I) aesthetic eyebrow line, II) zygomatico<br />
maxillary line, III) temporal line,<br />
B) Bichat’scher Fettkörper<br />
1–4 Verschiedene Gesichtstypen<br />
Abb. 3_Die Betonung der zygomatikomaxillären<br />
inneren Konturlinie des<br />
Gesichtes wurde durch Marlene Dietrich<br />
besonders inszeniert und durch<br />
Beleuchtung und Schminke zusätzlich<br />
verstärkt.<br />
Abb. 4 a und b_Junge Patientin mit<br />
posttraumatischem Verlust der Tabula<br />
externa beider Stirnhöhlen nach frontobasaler<br />
Trümmerfraktur. Posttraumatische<br />
Breitnase mit open roof.<br />
Abb. 4 c und d_Zustand nach Rekonstruktion<br />
des Stirnreliefs mit einem<br />
3-D-Biozement-Implantat und<br />
Septorhinoplastik.<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />
I25
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c<br />
Abb. 5a_Intraoperativer Befund<br />
eines intraossären Hämangioms<br />
des Stirnbeins.<br />
Abb. 5 b_Defekt nach Tumor -<br />
resektion.<br />
Abb. 5c_Rekonstruktion des Defektes<br />
mit Knochenzement.<br />
Abb. 6a_Ausgedehnte Abtragung<br />
des Stirnbeins bei einem<br />
Potts Poffy-Tumor.<br />
Abb. 6b_Rekonstruktion des Stirn -<br />
reliefs mit Kalottenknochen.<br />
Abb. 7a_Patientin mit Höcker -<br />
langnase und tiefsitzendem Nasofrontalwinkel.<br />
Abb. 7b_Die Patientin zwei Jahre<br />
nach Septorhinoplastik mit Augmentation<br />
des Nasofrontalwinkels.<br />
gramm einigermaßen verstanden hat. Wird diese Gelegenheit<br />
verpasst, besteht die Gefahr, dass der Patient<br />
mit einem möglicherweise gelungenen Resultat<br />
einer Operation unzufrieden ist, ja gelegentlich auf Revision<br />
drängt, weil er Identifikations- oder Identitätsprobleme<br />
verspürt. Hinweise auf eine Dysmorphophobie<br />
sind eine Kontraindikation für die Operation.<br />
_Proportionen und Symmetrie<br />
Polyklet (etwa 450–410 v.Chr.) war neben Phidias<br />
der bedeutendste griechische Bildhauer. Zahlreiche<br />
seiner als Marmorkopie erhaltenen Bronzestatuen<br />
sind Hauptwerke der wichtigsten Epoche der griechischen<br />
Kunst. Doryphorus ist seine wohl bekannteste<br />
Statue und verkörpert die Lehre der von ihm veröffentlichten<br />
Schrift Kanon über Proportionen des<br />
menschlichen Körpers. Der Kanon Polyklets besteht<br />
erstmals aus einem durchgängigen System von ide -<br />
alen Verhältnisgrößen der Körperglieder zueinander,<br />
die in der Antike als Symmetrie bezeichnet wurde. Das<br />
Gleichmaß des menschlichen Körpers wurde richtungsweisend<br />
für die Malerei, bildende Kunst und<br />
Architektur und zum Sinnbild der Ästhetik.<br />
Die antike Proportionalitätslehre erhielt vor allem<br />
in der Renaissance erneut Bedeutung. Der Mönch Fra<br />
Pacioli di Borgo beschäftigte sich im Venedig des<br />
Mittelalters intensiv mit Proportionen und Ästhetik.<br />
1509 veröffentlichte er ein Buch, in dem er die Entdeckung<br />
des goldenen Schnittes mitteilte: Will man eine<br />
Strecke asymmetrisch teilen, so gibt es unterschiedlich<br />
viele Möglichkeiten, aber nur ein Schnitt erscheint<br />
dem Auge besonders gefällig. Dieser Schnitt unterteilt<br />
die Strecke in zwei Teile, a und b. Dabei verhält sich der<br />
kürzere Abschnitt a zu b wie b zur Gesamtlänge: a/b =<br />
b/a+b. Dieses Prinzip findet sich ubiquitär in der Natur<br />
und zeigt, dass Proportionalität und Ästhetik geomet -<br />
rischen Gesetzen folgen. Die Teilung des Gesichts in<br />
drei gleiche vertikale Abschnitte stammt von Leonardo<br />
da Vinci (1452–1519). Eine Erweiterung und Modifizierung<br />
erfolgte von Powell und Humphreys (1984).<br />
Die Angabe idealer Proportionen für das menschliche<br />
Gesicht ist für den Gesichtschirurgen wichtig<br />
zur Orientierung und als Maßstab. Im konkreten Fall<br />
ist es jedoch viel häufiger notwendig, das Ziel einer<br />
ästhetischen Operation der Herstellung oder Erhaltung<br />
der Harmonie des Gesichts unter Würdigung<br />
persönlicher oder ethnischer Eigenheiten unterzuordnen.<br />
Das Gesicht sollte immer als Einheit betrachtet<br />
werden und erfordert ein ausgewogenes Zusammenspiel<br />
aller ästhetischen Einheiten.<br />
_Die Stirn<br />
Die einzelnen ästhetischen Einheiten entstehen<br />
durch eine Aufteilung des Gesichtes durch anatomische<br />
Merkmale. Die Stirn prägt als eine prominente<br />
Abb. 6a Abb. 6b Abb. 7a Abb. 7b<br />
26 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 8a<br />
Abb. 8b<br />
Abb. 8c<br />
Abb. 8d<br />
Region oberhalb der Brauen das Gesicht. Die Glabella<br />
ist der vorderste Punkt der Stirn am Übergang zur<br />
Nase. Tiefe und Höhe des nasofrontalen Winkels prägen<br />
das Profil. Stirn und Nase stehen in einer ästhetischen<br />
Wechselwirkung. Eine fliehende Stirn akzentuiert<br />
die Nase, eine prominente Stirn vermindert<br />
ihre Länge scheinbar. Durch eine Veränderung der<br />
Höhe und Tiefe des nasofrontalen Winkels kann die<br />
Stirn-Nasen-Relation deutlich verändert werden.<br />
Durch frontobasale Frakturen, Stirnhöhlenmukozelen,<br />
Radikaloperationen und Tumoren des Stirnbeins<br />
entstehen Defekte, die das Gesicht sehr entstellen.<br />
Nach sorgfältiger Sanierung der Stirnhöhlen und<br />
Entepithelisierung kann das Relief rekonstruiert<br />
werden. Dazu steht autologes Material, z.B. Kalottenknochen<br />
oder Biokeramik, zur Verfügung. Größere<br />
Implantate werden in CAD/CAM-Technik vorgefertigt<br />
(Abb. 4a–6b).<br />
_Die Jochbein-Wangenregion<br />
Ein prominentes Jochbein gibt dem Gesicht eine<br />
attraktive äußere und innere Konturlinie (Abb. 8c).<br />
Die Wangenweichteile verändern sich im Alter. Das<br />
Wangenfett kann verloren gehen, sodass die Wange<br />
einsinkt. Zugleich kommt es zum Absinken der verbleibenden<br />
Weichteile aus der Wange nach kaudal.<br />
Es entstehen die „Hängebacken“. Durch Bindegewebserkrankungen<br />
können die Wangenweichteile<br />
schrumpfen (Abb. 8a–d).<br />
_Das Kinn<br />
Innerhalb der ästhetischen Einheiten des Gesichts<br />
wird das Kinn oft am wenigsten beachtet.<br />
Eine falsche Beurteilung der Kinn-Nase-Relation ist<br />
ein weitverbreiteter Fehler bei der Analyse von Rhinoplastikkandidaten.<br />
Dabei kann durch eine Deprojektion<br />
der Nase durch alleinige Rhinoplastik oft<br />
schon eine relative Vorverlagerung eines fliehenden<br />
Kinns erreicht werden. Genauso oft ist allerdings<br />
eine wirkliche Verbesserung des Profils nur durch<br />
eine simultane Rhino- und Kinnplastik zu erreichen<br />
(Abb. 9a–f).<br />
_Analyse des Profils<br />
Für die Beurteilung des Profils gibt es eine Vielzahl<br />
geometrischer Punkte und Linien. Je nach dem Inte -<br />
ressenschwerpunkt eines Fachgebietes werden sie zur<br />
Beurteilung der Lagebeziehung bzw. -verschiebung<br />
einzelner Strukturen verwendet. So bestehen in der<br />
Abb. 8a und b_Patientin mit schmaler,<br />
überprojizierter Langnase und<br />
flachen Jochbein- und Gesichts -<br />
konturen.<br />
Abb. 8c und d_Zwei Jahre postoperativ<br />
zeigt sich eine sichtbare Konturierung<br />
der aesthetic eyebrow- und<br />
zygomaticomaxillären Linien.<br />
Abb. 9a–c_Patientin mit fliehendem<br />
Kinn und überprojizierter<br />
Nasenspitze.<br />
Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c<br />
I27
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 9d–f_Veränderte Pofillinie vier<br />
Jahre nach Rhino- und Mentoplastik.<br />
Abb. 9d<br />
Abb. 9e<br />
Abb. 9f<br />
Abb. 10_Geometrische Punkte<br />
und Linien des Profils: T – Trichion,<br />
N – Nasion, R – Rhinion, Po – Porion,<br />
P – Pronasale, S – Subnasale,<br />
Pog – Pogonium.<br />
Kieferorthopädie andere Bezugsebenen als in der<br />
Otorhinolaryngologie und Gesichtschirurgie. Da es<br />
immer um ein Profil geht, werden einige fachübergreifende<br />
Gesichtspunkte dargestellt.<br />
In der Kieferorthopädie werden nach Schwarz<br />
neun verschiedene Varianten des Profils unterschieden.<br />
Als Bezugslinien dienen: a) Augen-Ohr-Ebene<br />
(Frankfurter Horizontale), b) Perpendiculare nasale<br />
nach Dreyfuss, c) Perpendiculare orbitale nach Simon.<br />
Nach der Lage des Subnasale zur Perpendiculare nasale<br />
werden drei typische Variationen unterschieden:<br />
– Durchschnittsgesicht: Subnasale auf der Nasion -<br />
senkrechten<br />
– Vorgesicht: Subnasale vor der Nasionsenkrechten<br />
– Rückgesicht: Subnasale hinter der Nasionsenkrechten.<br />
Bei einem geraden Vor- oder Rückgesicht ist das<br />
Pogonium in gleichem Umfang verschoben wie das<br />
Subnasale. In Abhängigkeit der Verschiebung des<br />
Weichteilpogoniums zum Subnasale werden nach<br />
vorn bzw. hinten schiefe Gesichtstypen unterschieden.<br />
Zur Unterscheidung eines geraden, konvexen<br />
oder konkaven Profils werden zwei Geraden an das<br />
Gesicht gelegt: a) vor der Stirn zur Oberlippenkante,<br />
b) von der Oberlippenkante zum Weichteilpogonium:<br />
Beim geraden Profil bilden beide Bezugslinien<br />
eine Gerade. Beim konvexen Profil findet sich eine<br />
relative Retroposition des Kinnpunkts. Das konkave<br />
Profil wird durch relative Ventralposition des Kinnpunktes<br />
charakterisiert. Auf die klassische Unterteilung<br />
der sagittalen Okklusionsabweichungen nach<br />
Angle wurde bereits in Teil 1 eingegangen.<br />
Am Beispiel des Profils wird deutlich, dass es bei<br />
dessen Korrekturen immer um die Verbesserung<br />
der Abstimmung der ästhetischen Einheiten Stirn,<br />
Kinn und Nase zu einer harmonischen Profillinie<br />
geht. Um die drei wichtigsten Punkte zur Beurteilung<br />
des Gesamtprofils abzubilden und hinsichtlich<br />
ihrer gegenseitigen Lagebeziehung im Profil zu<br />
beurteilen, hat sich uns eine eigene Modifikation<br />
des von Charles Baud (1982) angegeben Gesichtskreises<br />
bewährt (Abb. 10). Kurioserweise haben<br />
viele Menschen ihr Profil noch nie wahrgenommen.<br />
Viel häufiger wird das Halbprofil bewertet.<br />
Daher ist die Beratung mithilfe von standardisierten<br />
Fotos bzw. der verantwortlich ausgeführten<br />
Animation des realistischerweise zu erzielenden<br />
Resultates sinnvoll._<br />
_Information<br />
face<br />
Abb. 10<br />
Weitere detaillierte Hinweise finden Sie bei:<br />
Funktionell ästhetische Chirurgie der Nase.<br />
Behrbohm, H., Tardy, M.E., Thieme 1993, 244 Seiten<br />
28 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Approaches & Techniques<br />
1. Rhinoplastik – Die Eversionstechnik<br />
(Non-delivery oder splitting approach)<br />
_„Some times I do and some times I do not …“ antwortete<br />
Tony Bull (London), als er während einer<br />
Round-Ta ble-Diskussion gefragt wurde, wann er<br />
diesen oder jenen Zugang in der Nasenchirurgie<br />
verwende. Eigentlich ist damit das Thema Zugänge<br />
erschöpfend behandelt, denn das Zitat drückt aus,<br />
dass von Fall zu Fall zwischen den Zugängen variiert<br />
werden sollte.<br />
Die Wahl des Zugangs bei der Rhinoplastik ergibt<br />
sich aus den Wünschen der Rhinoplastikkandidatin/-ten,<br />
dem Knorpel-, Haut- und Bindegewebstyp<br />
und hängt auch davon ab, ob es eine primäre oder<br />
sekundäre Rhinoplastik ist. Der Operateur muss<br />
entscheiden, mit welcher Technik, zum Beispiel<br />
Naht-, Graft- oder Schnitt-Technik, er ein speziel -<br />
les Problem zum Beispiel der Nasenspitze lösen<br />
möchte. Aus dem chirurgischen Plan zum Erreichen<br />
eines ästhetischen Zieles wählt der Operateur den<br />
Zugang, mit welchem er die Technik am besten umsetzen<br />
kann.<br />
Prinzipiell sollte ein Zugang immer so invasiv<br />
wie nötig und so minimal wie möglich sein. Der<br />
Operateur kann die postoperative Wundheilung,<br />
umso besser kontrollieren, je kleiner die Wundflächen<br />
sind. Offene Zugänge können allein durch das<br />
umfangreiche Decollement und durch asymmetrische<br />
Schwellungen oder Vernarbungen vermeidbare<br />
Probleme schaffen.<br />
Diese Serie, die die einzelnen Möglichkeiten und<br />
Grenzen der verschiedenen Zugänge der Rhino- und<br />
Septumplas tik darstellen wird, soll ein Plädoyer für<br />
ein breites Repertoire der Zugänge und Techniken<br />
sein, die sich der Rhinoplastiker aneignen sollte, und<br />
nicht für die eine oder andere Methode. Es ist<br />
ebenso sinnlos, einen indizierten offenen Zugang<br />
zu vermeiden, wie den Versuch zu unternehmen,<br />
alle Probleme über endonasale Zugänge lösen zu<br />
wollen. Wohl aber ist es nicht akzeptabel, dass die offene<br />
Technik als routinemäßiger Zugang der ersten<br />
Wahl gepriesen wird, weil die endonasalen Techniken<br />
nicht mehr beherrscht werden.<br />
Abb. 1a<br />
Abb. 1c<br />
Abb. 1e<br />
Abb. 1a, c, e_Junge Patientin mit<br />
leicht bullöser Spitze und Nasen -<br />
höcker präoperativ und 1b, d, f ein<br />
Jahr nach Rhinoplastik mit kranialer<br />
Volumenreduktion der lateralen<br />
Flügelknorpel in Eversionstechnik<br />
und endonasaler Abtragung des<br />
knorpelig-knöchernen Höckers.<br />
I29
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 2_Das Prinzip der Eversionstechnik<br />
(non-delivery approach).<br />
Zitat zur Abbildung 2: „Es sollte<br />
immer mehr drin bleiben als entfernt<br />
werden …“ Norman Pastorek<br />
(New York).<br />
Abb. 3a_Die Eversionstechnik:<br />
Dargestellter kranialer Anteil des<br />
lateralen Schenkels des Flügelknorpels<br />
nach Ablösen des vestibulären<br />
Hautlappens. Rote Linie: gewünschte<br />
Exzisionslinie zur kontrollierten<br />
kranialen Volumenreduktion.<br />
Abb. 3b_Abtragen des kranialen<br />
Anteils des Flügelknorpels.<br />
Abb. 4_Prinzip der endonasalen<br />
Höckerabtragung mit Eversions -<br />
technik.<br />
Abb. 2<br />
Abb. 3a Abb. 3b Abb. 4<br />
Die Eversionstechnik (non-delivery approach) ist<br />
für die Volumenreduktion der kranialen Flügelknorpel<br />
bei bullöser Nasenspitze gut geeignet. Bei Asymmetrien<br />
der Spitze kommt dieser Zugang nur in<br />
Abb. 1b<br />
Ausnahmen zur Anwendung. Es sollte möglichst<br />
eine symmetrische Spitze mit guter Projektion, kein<br />
Bifida Tip und kein breiter stumpfer Dom(winkel)<br />
bestehen. Die Tip defining points können durch<br />
diesen Zugang nicht genähert werden, wohl aber<br />
kann die aesthetic eyebrow-line, die durch eine bullöse<br />
Spitze gestört wird, durch die Verbesserung des<br />
Übergangs vom mittleren Gewölbe zur Supratipund<br />
Tip-Region deutlich harmonisiert werden. Die<br />
Form der kaudalen Flügelknorpel lässt sich durch<br />
diesen Zugang nicht verändern. Die Rhinoplastikkandidatin/-kandidat<br />
muss wissen, dass die Nasenspitze<br />
durch dieses Manöver weniger bullös erscheinen<br />
wird, ohne dass sie sich selbst verschmälert.<br />
Der transkartilaginäre Schnitt verläuft typischerweise<br />
kranial der Tip defining points, welche<br />
zuvor markiert werden sollten. Erreicht wird eine<br />
Verschmälerung im Supratip-Bereich und eine kraniale<br />
Rotation der Spitze, die je nach Umfang der<br />
Resektion kontrolliert werden kann und durch ein<br />
Anschrägen der vorderen kranialen Septumkante<br />
unterstützt wird.<br />
Die Kranialrotation folgt den Prinzipien der Dynamics<br />
of Rhinoplasty. Es kommt zu einer narbigen<br />
Schrumpfung zwischen der kaudalen Kante des<br />
Dreiecksknorpels und dem belassenen Flügelknorpel.<br />
Sie hängt vom Umfang der Volumenreduktion<br />
des kranialen Flügelknorpels ab. Die Spitzenprojektion<br />
wird bei Erhalt des Tip defining points nicht verändert,<br />
beziehungsweise kann durch eine Resektionslinie<br />
kaudal davon beeinflusst werden (Abb.2).<br />
Wegen der geringen Invasivität und Blutung<br />
ist dieser Zugang für die simultane Anwendung<br />
mit endonasalen Operationschritten gut geeignet<br />
(Abb. 1 und 4)._<br />
Abb. 1d<br />
Abb. 1f<br />
Weitere Informationen dazu:<br />
Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase, H. Behrbohm, M.E.<br />
Tardy, Thieme 2003, 244 S.<br />
30 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Approaches & Techniques<br />
2. Rhinoplastik –<br />
Die Luxationstechnik<br />
(Delivery approach)<br />
_Die Luxationstechnik stellt eine elegante endo -<br />
nasale Technik dar, die dem geübten Chirurgen eine<br />
Vielzahl von Korrekturmöglichkeiten der Spitze<br />
gestattet. Es wird praktisch ein chondrokutaner<br />
Lappen aus dem Flügelknorpel und der Haut des<br />
Na senvorhofs gebildet.<br />
Dazu sind zwei Schnitte erforderlich. Zunächst<br />
erfolgt die interkartilaginäre Inzision in der Falte<br />
zwischen Dreiecks- und Flügelknorpel. Danach<br />
wird die Haut entlang der kaudalen Flügelknorpelkante<br />
inzidiert. Von diesem Flügelknorpelabschnitt<br />
aus wird dann die Haut des Nasenflügels vorsich -<br />
tig streng auf der Kontur des Knorpels präparierend<br />
bis zum interkartilaginären Schnitt untertunnelt.<br />
Nach der Luxation der Flügelknorpel können<br />
diese unter Sicht und im Seitenvergleich gut bear -<br />
beitet werden. Es können Knorpelresektionen zur<br />
kranialen Volumenreduktion, keil- oder streifenförmige<br />
Resektionen aus den lateralen Flügelknorpeln,<br />
Veränderungen der Knorpelspannungen durch Ritzen,<br />
Cross hatching, Augmentationen mit autologem<br />
Knorpel und intra- sowie interdomale Nahttechniken<br />
ausgeführt werden.<br />
Die Technik ist bei Spitzenasymmetrie und Bifida<br />
tip geeignet. Die Projektion der Spitze kann kontrolliert<br />
und verändert werden. Eine Spitzenrotation<br />
nach kranial kann ausgelöst werden.<br />
Für die Dome-suture-Technik besonders geeignet<br />
sind Patienten mit breiter Spitze, sogenannte<br />
boxy tip, dünner Haut und wenig subkutanem<br />
Fett- und Bindegewebe. Die Flügelknorpel selbst<br />
sollten stabil und elastisch sein. Interdomale<br />
Nähte werden zur Verschmälerung der Dome ver-<br />
Abb. 1a<br />
Abb. 1b<br />
Abb. 1c<br />
Abb. 1a–c_Präoperativer Befund.<br />
I31
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Bob Brown, Chicago<br />
Abb. 2 Abb. 3<br />
Bob Brown, Chicago<br />
Abb. 2_Das Prinzip und die Möglichkeiten<br />
der Luxationstechnik.<br />
Abb. 3_Transdomale Nähte zur<br />
Verschmälerung breiter Dome bei<br />
großem interdomalen Abstand und<br />
großem domalen Winkel.<br />
Abb. 4a–c_Postoperativer Befund<br />
nach endonasaler Reduktion des<br />
Nasenrückens und Spitzenplastik in<br />
Luxationstechnik mit transdomaler<br />
Nahttechnik.<br />
wendet. Mit transdomalen Nähten können die Tip<br />
defining points meist nach Entfernung des interdomalen<br />
Fett- oder Bindegewebes wirksam genähert<br />
werden. Aus eigener Erfahrung kann sowohl<br />
PDS 5 x 0 als auch Prolene (ungefärbt) 5 x 0 für diese<br />
Nahttechniken der Spitze empfohlen werden.<br />
Nach der Resorption ist die Spitzenform durch<br />
Schrumpfung und submuköse Vernarbung dauerhaft<br />
stabil. Die Knoten sollten immer an den Innenseiten,<br />
nicht auf der Knorpeloberfläche unter der<br />
Haut liegen.<br />
Eine besonders trickreiche und effektive Methode<br />
zur Verschälerung einer breiten Nasenspitze<br />
ist die Nahttechnik mit nur einem Faden, der transdomal<br />
eingestochen, interdomal zur Gegenseite geführt<br />
und dort wieder transdomal geführt wird._<br />
Abb. 4a<br />
_Literaturhinweis<br />
face<br />
Abb. 4b<br />
Abb. 4c<br />
Behrbohm H., Tardy M.E., Funktionell-ästhetische<br />
Chirurgie der Nase, Thieme 2004<br />
32 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Approaches & Techniques<br />
3. Rhinoplastik – Die offene Technik<br />
(Open approach)<br />
_Der offene Zugang zur Nasenspitze und zum Nasenrücken<br />
erfreut sich in den letzten Jahren einer<br />
zunehmenden Beliebtheit bei den Nasenoperateuren,<br />
sollte aber dennoch streng indiziert sein. Wegen<br />
des auf Kongressen und Kursen immer brisant diskutierten<br />
Themas der „Zugänge“ und dem großen<br />
Interesse an der offenen Technik soll diesem Zugang,<br />
seinen Möglichkeiten, Vor- und Nachteilen ein ausführlicher<br />
Beitrag gewidmet werden.<br />
Die wichtigsten Indikationen sind Asymmetrien<br />
und Deformierungen der Nasenspitze, deutliche<br />
Über- oder Unterprojektionen oder eine mangelhafte<br />
anatomische Definition, die häufig Gegenstand<br />
einer Revisionsoperation sind. Die Columellanarbe<br />
verheilt bei akkurater Nahttechnik in der Regel<br />
so unauffällig, dass sie für die Wahl des Zugangs<br />
keine Rolle spielt. Die anatomische Übersicht durch<br />
den offenen Zugang ist sehr gut und liefert dem<br />
Chirurgen diagnostische Informationen, die er<br />
durch die traditionellen geschlossenen intranasalen<br />
Zugänge nicht gewinnen würde. Diese technischen<br />
Vorteile müssen gegen die potenziellen Nachteile<br />
eines größeren Wundbettes, einer längeren Wundheilung,<br />
länger anhaltender Ödeme, z.B. der Nasenspitze,<br />
und durch ein insgesamt größeres Trauma der<br />
Operation abgewogen werden.<br />
Die häufigsten Indikationen sind:<br />
– Ausgeprägte Asymmetrien der Nasenspitze<br />
– deutliche Über- und Unterprojektionen der Nasenspitze<br />
– transplantationsbedürftige Deformierungen des<br />
Nasenrückens<br />
– Revisionen (meist nach mehrfachen Voroperationen)<br />
– Septumperforationen größer 8 mm<br />
– schwere Achsenfehlstellungen<br />
– Missbildungen, z.B. Spaltnasen, Binder-Syndrom<br />
(maxillonasale Dysplasie)<br />
– ausgeprägte Sattelnasen<br />
– Nasentumoren (in Abhängigkeit von der Lokali -<br />
sation).<br />
Abbildungen 1a–1h, 3g–3w:<br />
www.vincentmosch.de<br />
Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1d<br />
Abb. 1e Abb. 1f Abb. 1g Abb. 1h<br />
I33
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 2a Abb. 2c Abb. 2e<br />
Abb. 2b Abb. 2d Abb. 2f<br />
Abb. 2g<br />
Bob Brown, Chicago<br />
Der offene Zugang ist jedoch nicht indiziert,<br />
wenn das anatomische Problem und das Geschick<br />
des Operateurs eine subtile und konservative geschlossene<br />
Operation gestatten.<br />
Die offene Technik der Rhinoplastik gestattet<br />
eine maximale Exposition der Flügelknorpel mit den<br />
medialen und lateralen Schenkeln der Dome und<br />
des Nasenrückens. Der Hautschnitt erfolgt als Stufe<br />
oder gezackt in Höhe der Mitte der Columella. Die Inzision<br />
wird um die Kontur der medialen Schenkel<br />
Abb. 3a Abb. 3c Abb. 3e<br />
Abb. 3b Abb. 3d Abb. 3f<br />
herumgezogen und verläuft circa 2 mm dorsal der<br />
Columellavorderseite an der lateralen Columella und<br />
mündet in Flügelknorpelrandschnitte. Danach wird<br />
die Haut der mittleren Columella mit dem scharfen<br />
kleinen Scherchen oberhalb der medialen Schenkel der<br />
Flügelknorpel untertunnelt. Nun gelingt die schrittweise<br />
Präparation des Columellalappens. Sind die<br />
medialen Flügelknorpelschenkel dargestellt, so sollten<br />
ihre me dialen Seiten als Schiene für die Präparation<br />
nach kranial dienen. So gelangt man auf die<br />
Oberseite der Dome und nach Durchtrennen des<br />
interdomalen Bindegewebes auf die lateralen Schenkel.<br />
Abb. 1a–h<br />
Der externe Zugang: a) Lagerung der Patientin und<br />
Anzeichnen der Hautinzision in Form eines umgekehrten<br />
V in Höhe der Mitte der Columella, b) Präzisionsschnitt<br />
mit der 11er-Klinge, c) Anlegen subkutaner<br />
Taschen mit der spitz-spitzen und gebogenen<br />
kleinen Präparierschere, d und e) Präparieren entlang<br />
der medialen Schenkel der Flügelknorpel, f) Ab -<br />
lösen der Weichteile der Spitze in der supraperichondralen<br />
Schicht, g) Exposition der Flügelknorpel, h)<br />
Umformen von Größe, Form und Stellung der Flügelknorpel,<br />
hier durch interdomale Nähte.<br />
Später können die Dreiecksknorpel und die Nasenklappe<br />
dargestellt werden. Sie lassen sich bis zum<br />
Rhinion (Key stone area) verfolgen. Auch die Ossa<br />
nasalia und der Proc. frontomaxillaris können direkt<br />
dargestellt werden. Während die Präparation zunächst<br />
superperichondrial erfolgt, sollte sie in Höhe<br />
des Rhinions subperiostal fortgesetzt werden.<br />
Dazu wird das Periost vorsichtig lateral inzidiert<br />
und mit einem scharfen Elevatorium nach Freer oder<br />
Joseph von der Mittellinie nach lateral unter Verursachung<br />
eines kratzenden Geräusches abgeschoben.<br />
Vorteile der offenen Technik sind die binokulare,<br />
dreidimensionale Darstellung und Präparation der<br />
Strukturen bei kontrollierter Blutstillung unter Sicht<br />
und eine weitgehend bimanueller Präparation. Größere<br />
Transplantate können sehr präzise platziert und<br />
durch Nähte definitiv befestigt werden.<br />
Abb 2a–g<br />
Rekonstruktion des vorderen Septum nasi und<br />
der Columella mit autologem Knorpel aus der Ohrmuschel.<br />
a) 62-jährige Patientin mit Z. n. zweifacher<br />
Septorhinoplastik. b) nach Rekonstruktion von Septum<br />
und Columella (Profilplastik), c) fehlende Definition<br />
der Spitze und Ptose, d) zwei Jahre postoperativ<br />
zeigt sich eine deutliche Verbesserung der Spitzenprojektion<br />
und -definition, e) die Nasenbasis präund<br />
f) postoperativ. Als Zugang wurde die alte sehr<br />
tiefe Narbe nach Columellainzision gewählt (praktisch<br />
nicht sichtbar), g) schematische Darstellung<br />
des operativen Vorgehens.<br />
34 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
_Wichtigste Transplantat-Typen<br />
Verwendet werden sollten immer möglichst<br />
autologe Transplantate. Die Transplantate werden<br />
aus Septum- oder Flügelknorpelanteilen (erste<br />
Wahl) oder Knorpel aus dem Cavum conchae oder<br />
Tragus der Ohrmuschel (zweite Wahl) gefertigt.<br />
Unterschieden werden tiefe Transplantate zum Ersetzen<br />
von Substanzdefekten und Aufbau von Statik,<br />
von oberflächlichen zur Konturierung der Nase. Die<br />
Transplantate können immer ein- oder beidseits eingebracht<br />
werden.<br />
Für die Entnahme und präzise Dimensionierung<br />
steht ein Operationszirkel zur Verfügung. Das Zuschneiden<br />
erfolgt auf einem Schneidebänkchen<br />
(Karl Storz) auf dem OP-Tisch. Hier wird das Transplantat<br />
„geschnitzt“ und die Kanten gebrochen.<br />
Abb. 3a–w<br />
Rekonstruktiver Aufbau einer Nase bei Lippen-<br />
Kiefer-Gaumenspalte. a) 17-jährige Patientin mit<br />
breiter wenig projizierter Nase, b) ein Jahr nach offener<br />
Rhinoplastik, c) präoperativ besteht ein flaches Profil,<br />
d) postoperativ zeigt sich eine deutliche Ver änderung<br />
des Profils durch Anheben des Nasenrückens, dezente<br />
Kranialrotation der Spitze, Korrektur des Nasolabialwinkels<br />
und der Columella-Nasenflügel-Relation,<br />
e) prä- und f) postoperativer Befund.<br />
g–w Schritte der Operation:<br />
g) Hautschnitt für die Entnahme von Rippenknorpel,<br />
h) Ablösen des Perichondriums der Rippe,<br />
i) Entnahme des Rippenknorpels aus dem Perichon -<br />
driumfach, j) „Schnitzen“ der Transplantate, k) nur<br />
ein „ballancierter“ Span aus den zentralen Anteilen<br />
des Rippenknorpels wird dauerhaft formstabil bleiben,<br />
l) genaue Dimensionierung mit dem chirurgischen<br />
Zirkel nach Behrbohm (Karl Storz), m) supraperichondrale<br />
Präparation der Nasenspitze und des Rückens,<br />
n) Anlegen einer Columellatasche für den statischen<br />
Columella strut, o) Einpassen und Fixieren<br />
des Columella struts, p) Einnähen des columella<br />
struts, q) Einpassen des Nasenrückenspans, r und<br />
s) Verbindung von Columella strut und dorsal graft<br />
wie „Nut und Feder“, t) Einbringen und Fixierung<br />
eines tip graft, u) Hautnähte, v) Verlagerung des<br />
rechten Nasenflügels, w) Hautexzision und Formen<br />
der Wölbung des Nasenloches links.<br />
Abb. 3g Abb. 3h Abb. 3i<br />
Abb. 3j Abb. 3k Abb. 3l<br />
Abb. 3m Abb. 3n Abb. 3o<br />
Abb. 3p Abb. 3q Abb. 3r<br />
Abb. 3s Abb. 3t Abb. 3u<br />
_Columella strut<br />
Das Transplantat wird in eine Tasche zwischen<br />
den basalen medialen Schenkeln der Flügelknorpel<br />
über der Spina nasalis anterior aufgestellt und zwischen<br />
den medialen Schenkeln mit durchgreifenden<br />
Nähten befestigt. Es dient der Kontrolle der Projektion,<br />
Verbesserung der Protektion (Tip support). Eine<br />
unterschiedliche Höhe der Dome kann ausgeglichen<br />
Abb. 3v<br />
Abb. 3w<br />
I35
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />
Abb. 4e Abb. 4f Abb. 4g Abb. 4h<br />
Abb. 5a Abb. 5b Abb. 6a Abb. 6b<br />
werden. Von basal aus kann die Symmetrie der Spitze<br />
aufgebaut werden.<br />
Abb. 4a–f<br />
Deformierungen der Nasenspitze a–f) Asymme -<br />
trie der Flügelknorpel mit Spitzendeformierung bei<br />
einer Patientin und einem Patienten mit dünnem<br />
Hauttyp prä- (a, c, e) und zwei Jahre postoperativ<br />
(b, d, f), g) durch den offenen Zugang zeigt sich die<br />
anatomische Ursache der Deformierung bei dem Patienten,<br />
h) die Symmetrie der Nasenspitze wird von<br />
unten nach oben entlang eines Columella struts<br />
aufgebaut.<br />
_Tip grafts<br />
Sie können auf den Domen als trapezförmige<br />
Transplantate zur Konturierung der Spitze oder Verbesserung<br />
der Projektion aufgebracht werden. Die<br />
Fixierung erfolgt mit Nylon oder PDS 5-0 (Abb. 5a–c).<br />
Abb. 5a–c<br />
a) Patientin mit hochgradiger Deformierung<br />
der knorpeligen Nase, b) drei Jahre postoperativ, c)<br />
Schema des konkreten chirurgischen Vorgehens<br />
mit Implantation eines Tip grafts, Shield grafts,<br />
zweier Alar button grafts aus autologem Con-<br />
36 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Abb. 5c<br />
4<br />
1 tip graft<br />
2 alow graft<br />
3 shield graft<br />
4 Camouflage<br />
Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />
Abb. 6c<br />
Shield graft<br />
Bob Brown, Chicago<br />
chaknorpel und Camouflage mit Tragusperichondrium.<br />
_Shield grafts<br />
Shield grafts können zur Verlängerung der Nase, zur<br />
Formung des double breaks oder eines harmonischen<br />
Columella-Lobus-Tip-Übergangs platziert werden. In<br />
Kombination mit einem Columella strut unterstützen<br />
sie den Tip support und die Domkonturen (Abb. 6a–c).<br />
Abb. 6a–c<br />
22-jährige Patientin mit Z. n. Septorhinoplastik<br />
mit Resthöcker und bifida tip. a) Präoperativ, b) zwei<br />
Jahre postoperativ, c) schematische Darstellung des<br />
chirurgischen Vorgehens unter Verwendung eines<br />
Shield grafts aus dem cavum conchae.<br />
_Onlay grafts<br />
Onlay grafts werden sowohl im Bereich des Nasenrückens<br />
oder der lateralen Flügelknorpel als Alar<br />
onlay grafts zum Ausgleich von Substanzdefekten<br />
oder zur Konturierung verwendet.<br />
_Camouflage<br />
Spitze Dome können durch das Auflegen von<br />
autologem Gewebe abgedeckt werden. Dadurch<br />
entstehen weichere Konturen der Spitze und ein<br />
harmonischer Übergang zu den Facets. Hier hat sich<br />
Tragusperichondrium und Temporalisfaszie bewährt<br />
(Abb. 5c).<br />
_Spreader grafts<br />
Sie werden zwischen der dorsalen Septumkante<br />
und dem Dreiecksknorpel extramukös platziert. Sie<br />
dienen gleichermaßen funktionellen als auch ästhetischen<br />
Zielstellungen.<br />
Eine Indikation besteht bei der Abtragung von<br />
größeren Höckern, Absenken des Nasenrückens bei<br />
funktionellen Spannungs- oder Großnasen bei kurzen<br />
Nasenbeinen.<br />
Ebenso können sie für die Korrektur von Schiefnasen<br />
verwendet werden. Spreader grafts verhindern<br />
das Entstehen einer Klappenstenose und ermöglichen<br />
eine harmonische Augenbrauen-Tip-<br />
Linie (Abb. 7a–c).<br />
Abb. 7a Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d Abb. 7e<br />
I37
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 8a<br />
Abb. 8b<br />
Abb. 8c<br />
Abb. 8d<br />
Abb. 8e<br />
Abb. 8f<br />
Abb. 8g<br />
Abb. 8h<br />
Abb. 8i<br />
Abb. 7a–e<br />
a, d) 30-jährige Patientin mit Z.n. Septorhinoplas -<br />
tik mit inverted v-Phänomen und Resthöcker durch<br />
unvollständige Kürzung der Septumoberkante vor<br />
der Revisionsoperation, b) Rekonstruktion des Übergangs<br />
von knöcherner und knorpeliger Nase und des<br />
mittleren Gewölbes durch Spreader grafts. c, e) Die<br />
Patientin zwei Jahre postoperativ.<br />
_Reduktionsplastik<br />
bei Überprojektion der Nase<br />
Bei deutlicher Überprojektion der Nasenspitze<br />
oder bei Großnasen werden die Effekte der Dynamics<br />
of rhinoplasty nicht genügen, um eine ausreichende<br />
Verkleinerung der Nase zu erzielen. Hier empfiehlt<br />
sich ein offener Zugang mit der Möglichkeit der Reduktion<br />
der einzelnen Bausteine.<br />
Abb. 8a–i<br />
a und c) Junge Frau mit überprojizierter Spitze und<br />
Großnase bei deutlicher Hyperplasie der Flügelknorpel<br />
und dünner Haut, b und d) drei Jahre nach Reduktionsplastik,<br />
e) Anzeichen der Resektionslinien, f) Resektate<br />
der knorpeligen und knöchernen Bausteine, g und h)<br />
Sliding hier der medialen Schenkel der Flügelknorpel,<br />
i) Befund am Ende der Operation.<br />
_Flip flop- (Umklapp-)Plastik der<br />
Flügelknorpel<br />
Bei paradox gebogenen Flügelknorpeln besteht<br />
die Möglichkeit der Abtrennung der lateralen Flügelknorpel<br />
unterhalb der Dome, deren Rotation und<br />
seitengleiche Neupositionierung. Dabei können die<br />
Knorpel auch seitlich ausgetauscht werden.<br />
Abb. 9a–g<br />
a, c, e) Patientin mit paradox gebogenen Flügelknorpeln,<br />
Überprojektion der Spitze und Bifida tip,<br />
b, d, f) zwei Jahre nach Umklapp-Plastik in offener<br />
Technik, g) schematisches Vorgehen bei der Operation.<br />
Für das Verständnis der Anatomie der Nase ist die<br />
offene Technik eine Offenbarung. Oft zeigen sich<br />
feine Kurvaturen und Dyssymmetrien z. B. der Flügelknorpel,<br />
die präoperativ nicht zu erkennen sind.<br />
Für das Verständnis der „Dynamics of rhinoplasty“<br />
ist die offene Technik keine Innovation.<br />
38 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 10a–d<br />
Vollständige Umformung einer breiten plumpen<br />
Nasenspitze (boxy tip) durch offene Spitzenplastik.<br />
a) Abnehmen von Messpunkten am Beginn der<br />
Operation, b) Analyse der Anatomie nach Darstellung<br />
der Flügelknorpel, c und d) Verlagerung und<br />
Neupositionierung der Nasenflügel.<br />
Die offene Technik ist eine ideale Technik für die o. g.<br />
Indikationen. Dennoch stellt sich die Frage, ob so viel<br />
Übersicht im Einzelfall immer nötig ist. Die Kunst bei<br />
der Rhinoplastik besteht auch darin, einen Zugang so<br />
invasiv wie nötig und so wenig traumatisch wie möglich<br />
zu wählen. Insofern verlässt die offene Technik<br />
dieses Prinzip des Konservatismus in Richtung einer<br />
höheren Aggressivität. Große submuköse Wundareale<br />
führen zu flächigen Vernarbungen. Die Folge sind eine<br />
längere Wundheilung, Ödeme und mögliche Sensibilitätsstörungen<br />
im Bereich der Spitze. Der Rhinoplastiker<br />
sollte alle Zugänge im Repertoire haben, um<br />
sich im konkreten Fall für den besten zu entscheiden.<br />
Das wird oft, aber bestimmt nicht immer, der offene<br />
Zugang sein._<br />
Abb. 9a Abb. 9c Abb. 9e<br />
Abb. 9b Abb. 9d Abb. 9f<br />
_Literaturhinweis face<br />
Abb. 9g<br />
Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />
Behrbohm H., Tardy M. E.:<br />
„Funktionell-ästhetische<br />
Chirurgie der Nase“<br />
Thieme, Stuttgart, New York, 2005<br />
Behrbohm H., Kaschke O., Nawka T. Swift A.<br />
„Ear, Nose, and Throat Disease & Head and Neck<br />
Surgery“<br />
Thieme, Stuttgart, New York, 2009<br />
Abb. 10a<br />
Abb. 10b<br />
Abb. 10c<br />
Abb. 10d<br />
I39
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Approaches & Techniques<br />
4. Die Rhino-Mentoplastik<br />
mit autologem Ohrknorpel<br />
_Am Beispiel des Profils wird besonders deutlich,<br />
dass es bei der Septorhinoplastik nicht nur um die<br />
Veränderung der Nase geht, sondern vielmehr um die<br />
Abstimmung mit den benachbarten ästhetischen<br />
Einheiten und vor allem mit dem Kinn und der Stirn zu<br />
einer harmonischen Profillinie.<br />
Zum Teil kann allein durch eine Veränderung der<br />
Nase, insbesondere der Stellung der Nasenspitze zur<br />
Gesichtsebene (Projektion), bereits Einfluss auf eine<br />
fliehende Stirn oder ein fliehendes Kinn genommen<br />
werden. Manchmal kann durch eine gezielte Veränderung<br />
des Nasofrontal- oder Nasolabialwinkels eine<br />
Nase z.B. deprojiziert und ein Profil harmonisiert werden,<br />
ohne dass die eigentliche Position der Nasenspitze<br />
verändert wird. Ein dominantes Kinn in Kombination<br />
mit einer Sattelnase mit typischer Unterprojektion<br />
und Kranialrotation der Spitze kann meist bereits<br />
mit dem Aufbau des Nasenrückens scheinbar zurückversetzt<br />
werden. Bei einem deutlich fliehenden<br />
Kinn in Verbindung mit einer überprojizierten Nase<br />
besteht die Indikation zu einer Mento-Rhinoplastik.<br />
Dazu wird in diesem Beitrag eine eigene Technik angegeben,<br />
die sich in mehr als 50 Fällen bewährt hat.<br />
Die Operation erfolgt als Simultaneingriff in einer Sitzung<br />
(Abb. 1).<br />
Um die drei wichtigsten Punkte zur Beurteilung<br />
des Gesamtprofils abzubilden und hinsichtlich ihrer<br />
gegenseitigen Lagebeziehung im Profil zu beurteilen,<br />
hat sich uns eine Modifikation des von Charles Baud<br />
(1982) angegebenen Gesichtskreises bewährt.<br />
_Der modifizierte Gesichtskreis nach Baud<br />
Bildquelle:<br />
Behrbohm H et al.:<br />
„Funktionell-ästhetische Chirurgie<br />
der Nase“ Endopress, Tuttlingen<br />
2002, 92 Seiten<br />
Literaturhinweise:<br />
Behrbohm H: „Ästhetische und<br />
rekonstruktive Gesichtschirurgie“<br />
Endopress, 2006<br />
Behrbohm H, Tardy M E:<br />
„Funktionell-ästhetische Chirurgie<br />
der Nase“, Thieme, Stuttgart, 2003<br />
Anstelle des äußeren Gehörgangs wird der kraniale<br />
Tragusrand (entspricht dem Porion) für den Radius<br />
zum Pronasale (= tip definig point) verwendet. Dieser<br />
Punkt entspricht dem Bezugspunkt für die deutsche<br />
(= Frankfurter) Horizontale im Krönlein-Schema.<br />
Mit dem Radius Porion – Pronasale wird ein Kreisbogen<br />
um das Gesicht geschlagen. Im Idealfall liegen<br />
Trichion und Pogonion auf der Peripherie des Kreises.<br />
Eine Überprojektion der Nase zeigt sich durch Zurückwandern<br />
des Kinn- (Weichteilpogonion) und des<br />
Stirn-Haarpunktes. Ebenso kann ein relativer Rückstand<br />
von Kinn und Stirn erkannt werden. Es ergeben<br />
sich somit konkrete Hinweise für die Harmonisierung<br />
des Profils (Abb. 2).<br />
_Angle-Klassifikation<br />
Das Profil wird neben der Nasenform und -größe<br />
entscheidend von der Stellung des Ober- und Unterkiefers<br />
und typischer Abweichungen bei gnatischen<br />
Anomalien bestimmt. Vereinfachend werden zur<br />
Unterscheidung eines geraden, konvexen und konkaven<br />
Profils zwei Geraden an das Gesicht gelegt:<br />
40 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 1a,c_ 21-jährige Patientin<br />
prä- und (b,d) ein Jahr nach<br />
Mento-Rhinoplastik mit autologem<br />
Ohrknorpel.<br />
Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1d<br />
_von der Stirn zur Oberkante Oberlippenrot<br />
_von der Oberkante Oberlippenrot zum Weichteilpogonion<br />
Die Klassische Unterteilung der sagittalen Okklusionsabweichungen<br />
wurde von Angle (1907) eingeführt.<br />
Ein konvexes Weichteilprofil deutet auf eine<br />
Angle-Klasse-II-Relation, ein konkaves Profil auf<br />
eine Angle-Klasse-III-Beziehung hin. Diese kieferorthopädischen<br />
Gesichtspunkte sind aus folgenden<br />
Gründen wichtig für den Rhinochirurgen:<br />
1. Für den Zeitpunkt der profilkorrigierenden Rhinoplastik<br />
im Jugendalter ist zu berücksichtigen, dass<br />
das Kieferwachstum bei Mädchen mit ca. 16 und<br />
bei Jungen mit 18 Jahren abgeschlossen ist.<br />
2. Eine kieferorthopädische Behandlung sollte<br />
möglichst abgeschlossen sein.<br />
3. Gnatische Anomalien führen zu typischen Profilveränderungen:<br />
_ Progenie: Ventrale Position des Pogonion<br />
_ Rückbiss: Zurückliegen des Pogonions<br />
_Prognathie: Vorverlagerung des Subnasale und<br />
der Oberlippe<br />
4. Die Position der Nasenspitze wird durch die Stellung<br />
der Kiefer und des Mittelgesichts beeinflusst.<br />
Eine Überprojektion kann z.B. durch ein schiefes<br />
Vorgesicht mitverursacht werden.<br />
5. Vor allen Augmentationen des Kinns ist die Indikation<br />
einer kieferorthopädischen bzw. kieferchirurgischen<br />
Korrektur von Stellungsanomalien des<br />
Unterkiefers zu prüfen.<br />
_Die Rhino-Mentoplastik<br />
Lässt sich eine Verbesserung des Profils bei überprojizierter<br />
oder relativ überprojizierter Nase in<br />
Kombination mit einem fliehenden Kinn nicht allein<br />
durch eine Deprojektion der Nase bzw. der Nasenspitze<br />
erreichen, kann in einer Sitzung die Augmentation<br />
des Kinns mit autologem Ohrknorpel erfolgen<br />
(Abb. 3). Die Korrektur der Stellungsanomalien des<br />
Unterkiefers hat vor der Augmentation Vorrang. Einige<br />
Patienten sind jedoch entweder mit dem Resultat<br />
einer kieferorthopädischen Behandlung nicht<br />
zufrieden bzw. lehnen Osteotomien ab.<br />
Der Nachteil der Mentoplastik mit autologem<br />
Ohrknorpel ist das Trauma der Knorpelentnahme<br />
selbst. Das Risiko sichtbarer Stellungsveränderungen<br />
der Ohrmuschel ist äußerst gering und kommt<br />
bei sorgfältiger Entnahmetechnik praktisch nicht<br />
vor. Der Satz von M.E. Tardy „The ear is a marvellous<br />
store-house of cartilage“ bestätigt sich bei dieser<br />
Technik. Der Vorteil besteht in der unproblematischen<br />
Entnahme und Bearbeitung, einer individuellen<br />
Anfertigung und Anpassung des Implantates<br />
Abb. 2_ Der modifizierte Gesichtskreis<br />
nach Baud.<br />
Abb. 3_ Prinzip der Mento-Rhinoplastik<br />
mit autologem Ohrknorpel.<br />
Abb. 2 Abb. 3<br />
I41
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />
Abb. 4a–d_ Technik bei der<br />
Gewinnung von Conchaknorpel.<br />
Abb. 5a, b_ Patientin vor und fünf<br />
Jahre nach der Mento-Rhinoplastik.<br />
Abb. 6a, c_18-jähriger Patient mit<br />
dem Wunsch der Profilkorrektur und<br />
(b, d) drei Jahre postoperativ.<br />
und der vollständigen dauerhaften Inkorporation<br />
des autologen Knorpels ohne spätere Senkungsoder<br />
Lockerungstendenzen.<br />
Abb. 5b<br />
Abb. 5a<br />
Entnahmetechnik<br />
Die Entnahme des Knorpels erfolgt beidseits aus<br />
dem Cavum conchae über einen Zugang an der dorsalen<br />
Fläche der Ohrmuschel. Mit feinen Kanülen sollten<br />
die Resektionsgrenzen vorher markiert und angemalt<br />
werden. Es ist darauf zu achten, dass eine<br />
harmonische Umschlagfalte von der Anthelix zum<br />
Cavum erhalten bleibt, um unnatürliche Brüche im<br />
Relief der Ohrmuschel zu vermeiden. Die Blutstillung<br />
muss penibel erfolgen, um postoperative Hämatome<br />
zu vermeiden. Nach dem Wundverschluss erfolgt eine<br />
Tamponierung des Conchareliefs mit salbenversetzter<br />
Watte (Abb. 4).<br />
Formen des Implantats<br />
Das Implantat besteht aus drei Teilen (siehe Abb.3).<br />
Der knorpelig-knöcherne Nasenhöcker dient der Befestigung<br />
beider Conchaknorpel mit ungefärbten<br />
Prolenefäden 5 x 0 . Bei einem größeren knöchernen<br />
Höckeranteil empfiehlt sich eine Kompression mit der<br />
Knochen/Knorpelzange. Der Conchaknorpel sollte<br />
nicht gepresst werden, weil er schnell ausfasert. Das<br />
ist auch nicht nötig, weil er in idealer Wölbung aus der<br />
Ohrmuschel entnommen wird.<br />
Implantation<br />
Die Implantation erfolgt über den Mundvorhof.<br />
Bei dem angeschrägten Schnitt über der Umschlagfalte<br />
ist darauf zu achten, dass der obere Schnittrand<br />
zur Gingiva einen guten Verschluss durch dünne<br />
Vicrylnähte zulässt. Das Implantat wird direkt über<br />
dem Knochen vorgeschoben und unter dem beidseits<br />
angehobenen Periost fixiert. Auf den N. mentalis ist<br />
dabei zu achten. Fibrinkleber dient der zusätzlichen<br />
Fixierung und dem „Versiegeln“ der Wunde.<br />
Die Operation erfolgt unter antibiotischer singleshoot<br />
Medikation von 6oo mg Clindamycin.<br />
Verband<br />
Die Nase wird getapet und mit einem Nasengips<br />
von 2 x 5 Tagen versorgt. Das Kinn-Implantat wird mit<br />
Tapes für zehn Tage gesichert._<br />
Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />
42 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Osteotomien im Gesicht –<br />
die Kunst und Technik der<br />
Knochenschnitte<br />
Teil 1: Rhinoplastik<br />
_Vorwort<br />
Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Kurt Vinzenz (Wien)<br />
und Prof. Dr. Hans Behrbohm (Berlin) beschäftigen<br />
sich seit Jahren mit speziellen Techniken der Osteo -<br />
tomie im Gesicht und haben neue Operationstechniken<br />
bzw. Instrumente entwickelt. Beide koope rieren<br />
seit Jahren, um besonders komplexe Miss bildungen<br />
und Verletzungen im Gesicht zu re konstruieren.<br />
Beispiele dieser erfolgreichen und wegweisenden<br />
Zusammenarbeit wurden zum Beispiel auf der „Conference<br />
of facial esthetics – Esthetics follows function“<br />
im Juni 2007 in Wien vorgestellt. Die Osteotomien<br />
verändern das knöcherne Gerüst des Gesichtsschädels.<br />
Darauf aufbauend folgen die Veränderungen<br />
an den Weichteilstruk turen. Zugleich sind die<br />
Knochenschnitte auch eine „Schnittstelle“ zwischen<br />
den Fachgebieten. „Je komplexer ein Fall ist, desto<br />
eher müssen Nasen- und Kieferspezialisten, plastische<br />
Chirurgen und Dermatologen sich in der Arbeit<br />
ergänzen“, so Prof. Vinzenz in Wien. In einer zweiteiligen<br />
Übersicht wird das State of the Art der Osteotomien<br />
im Gesicht dargestellt.<br />
_Die Rhinoplastik<br />
Der Begriff Osteotomie kommt aus dem Griechischen<br />
und bezeichnet eine in verschiedenen Gebieten<br />
der Chirurgie angewandte Operationstechnik,<br />
mit der ein oder mehrere Knochen gezielt durchtrennt<br />
und danach meist neu ausgerichtet werden.<br />
Zum Schneiden des Knochens dienen Osteotome,<br />
Meißel oder Sägen. Die Osteotomie-Technik mit ei-<br />
Abb. 1<br />
I43
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Abb. 2d Abb. 2e Abb. 2f<br />
Abb. 1_Tilman Riemenschneider.<br />
Ausschnitt des Marienaltars aus der<br />
Herrgottskirche zu Creglingen 1515.<br />
Abb. 2_Junge Patientin mit disloziertem<br />
Fragment nach unvollständiger<br />
lateraler Osteotomie links. a, c, e vor<br />
und b, d, f zwei Jahre nach Revisionsoperation<br />
mit Re-Osteotomie<br />
links.<br />
Abb. 3_Prinzip der Mini-Osteotomie:<br />
Der Knochenschnitt erfolgt möglichst<br />
innerhalb der Periostblätter. Der doppelte<br />
Hohlschliff des Mini-Osteotoms<br />
nach Behrbohm/Walter gibt dem Ins -<br />
trument viel Grip an der Knochenkante<br />
und ermöglicht einen sicheren<br />
Schnitt ohne abzurutschen (besonders<br />
bei dünnem und festem<br />
Knochen).<br />
Abb. 4a_In die Kufe des Schlittschuhs<br />
ist der Kurvenradius eingeschliffen.<br />
Beim Ankippen der Kufe<br />
gleitet der Schlittschuh auf einer vorbestimmten<br />
Bahn.<br />
Abb. 4b_Das Richtungsschliff-Osteotom<br />
kann durch seinen Anschliff<br />
(kurzer Anschliff auf der Innenseite,<br />
langer Anschliff auf der Außenseite)<br />
und seine leichte Schaftbiegung auf<br />
der vorgezeichneten Osteotomielinie<br />
bis zum lateralen Punkt der medialen<br />
Osteotomie vorangetrieben, ohne<br />
neu positioniert zu werden.<br />
Abb. 5a_Outfracture-Technik. Nach<br />
der lateral gebogenen Osteotomie<br />
werden die mobilisierten Fragmente<br />
nach außen lateralisiert.<br />
Abb. 5b_Infacture-Technik. Nach<br />
der lateral gebogenen Osteotomie<br />
werden die mobilisierten Fragmente<br />
nach innen medialisiert. Beide Techniken<br />
können kombiniert werden.<br />
1 push up Osteotomie, 2 let down<br />
Osteotomie.<br />
Abb. 5c_Doppelte Osteotomie mit<br />
Keilexzision mit dem Richtungsschliff-Osteotom.<br />
nem Osteotom ist vergleichbar mit den Schneiden<br />
und Spanabheben in der Holzbildhauerei (Abb. 1).<br />
Durch den gezielten Impuls eines Hammerschlages<br />
wird der Schnitt auf einer zuvor genau bestimmten<br />
Linie vorgetrieben.<br />
Fehler bei der Osteotomie, z.B. durch falsche<br />
Richtungen oder Splitterbrüche und Fragmentierungen,<br />
sind praktisch unkorrigierbar.<br />
_1. Rhinoplastik<br />
Abb. 3<br />
Abb. 4a<br />
Abb. 5a<br />
Der oft zitierte Satz: „Wer die Nasenspitze beherrscht,<br />
der beherrscht auch die ganze Nase“ gilt<br />
schon deshalb nicht, weil die meisten Indikationen<br />
zur Revisionsoperation durch Probleme der knöchernen<br />
Nasenpyramide und des Nasenrückens<br />
entstehen (Abb. 2).<br />
Die Osteotomien sind der traumatischste Operationsschritt<br />
bei der Rhinoplastik. Einerseits geht es<br />
darum, durch glatte und saubere Osteotomien die<br />
Voraussetzungen für eine gute Wundheilung und<br />
ein gutes Resultat zu schaffen. Andererseits kön -<br />
nen durch traumareduzierte Maßnahmen unerwünschte<br />
Begleiterscheinungen der Osteotomie,<br />
wie Ekchemosis, Lidödeme, Hämatome, deutlich gemindert<br />
werden. Dazu werden heute Mini-Osteotome<br />
verwendet. Sie sind deutlich dünner als die<br />
herkömmlichen Instrumente und durchtrennen nur<br />
den Knochen unter Schonung des Periosts und des<br />
SMAS (Superficial Musculo-Aponeurotic System)<br />
(Abb. 3).<br />
Mini-Osteotome gehören jedoch in die Hand des<br />
Geübten. Ihre Vorteile können nur dann ausgeschöpft<br />
werden, wenn sie präzise im Knochen vorgetrieben<br />
werden. Breitere Osteotome können dabei<br />
mit dem Finger über der Stelle, an welcher sich<br />
die Schneide des Osteotoms gerade befindet, gefühlt<br />
bzw. kontrolliert werden. Bei dünneren Osteotomen<br />
ist das kaum noch möglich.<br />
Die Osteotomien sollten möglichst der letzte<br />
Operationsschritt im Rahmen der Rhinoplastik sein.<br />
Durch Kompression mit Finger und Daumen kann<br />
direkt nach der Osteotomie die Gewebereaktion und<br />
-einblutung minimiert werden. Im gleichen Sinne<br />
wirkt die Schienung des Nasenrückens (zum Beispiel<br />
durch einen Gips) unmittelbar nach den Osteo -<br />
tomien.<br />
Meißel und Osteotome<br />
Prinzipiell werden Meißel und Osteotome unterschieden.<br />
Meißel besitzen einen schrägen Anschliff.<br />
Er sorgt für eine Bewegung des Meißels in der<br />
Abb. 5b<br />
Abb. 4b<br />
Abb. 5c<br />
44 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d Abb. 6e Abb. 6f<br />
Gegenrichtung. Osteotome besitzen zwei gleiche<br />
Anschliffe. Das Osteotom schneidet immer geradeaus.<br />
Das Richtungsschliff-Osteotom<br />
Die Anregung zu diesem neuen Typ eines Osteotoms<br />
kommt von der Kufe des Eisschnelllaufschlittschuhs.<br />
Die Kufe ist nie gerade, sondern der Kurvenradius<br />
ist praktisch in die Kufe eingeschliffen. Beim<br />
Übersetzen in der Kurve gleitet der Läufer auf der<br />
Innenkante der Kufe.<br />
Das „Kufenosteotom“ hat dazu einen kurzen und<br />
einen langen Anschliff. Der Schaft des Instruments<br />
ist leicht gekrümmt und ultrahart. Dadurch ist ein<br />
Vortrieb des Osteotoms auf einer definierten Linie<br />
ohne weitere Neupositionierung und -ausrichtung<br />
möglich. Durch die Härte des Schaftes wird ein Ausfedern<br />
und Energieverlust vermieden (Abb. 4).<br />
Das Doppel-Hohlschliff-Osteotom<br />
Wie bei einem Schlittschuh gibt der Schliff der<br />
Kufe Halt (Kante) und Gleitfähigkeit (Schneide). Der<br />
Operateur sollte immer geschliffene, d.h. optimal<br />
geschärfte Osteotome verwenden. Ein scharfes<br />
Osteotom greift sicher im Knochen und erreicht<br />
eine adäquate Schneidwirkung.<br />
Um die Griff- und Schneidwirkung zu verbessern,<br />
wurde ein Meißel nach Walter modifiziert. Es<br />
erfolgte ein zweiter Hohlschliff. Dadurch entstand<br />
aus dem Meißel ein Doppel-Hohlschliff-Osteotom<br />
mit optimalen Grip- und Schneideigenschaften.<br />
Der Anschliff<br />
Um den optimalen Anschliff der vorgestellten<br />
Osteotome zu finden, wurden diese lange getestet<br />
und erprobt. Die Instrumente dienen der ossären<br />
Dissektion. Sie sollten den Knochen möglichst glatt<br />
schneiden und dürfen nicht zum Splittern führen.<br />
Dabei sollten sie gut vordringen ohne festzukeilen.<br />
Aus diesen Eigenschaften beziehungsweise Gefahren<br />
ergibt sich der optimale Anschliff.<br />
Osteotom-Sortimente<br />
Das ubiquitäre Allround-Osteotom gibt es nicht.<br />
In Abhängigkeit von der jeweiligen Knochendicke,<br />
-festigkeit, dem Ziel und der Technik einer Osteo -<br />
tomie, muss das geeignete Osteotom (Stärke, Anschliff)<br />
ausgewählt werden. Osteotomien können<br />
transnasal, transkutan oder transoral erfolgen.<br />
Je nach der gewünschten Wirkung können<br />
Infractures, Outfractures, Keilexzisionen oder Kombinationen<br />
erfolgen (Abb. 5 und 6).<br />
Abb. 6a, c, e_Junger Patient mit<br />
hochgradiger Dystrophie des knorpeligen<br />
Nasengerüstes und der Maxilla<br />
nach Mittelgesichtstrauma mit<br />
Septumabszess in der Kindheit.<br />
Abb. 6b, d, f_Zustand nach Kürzen<br />
des Pseudohöckers, Infracture-<br />
Osteotomien und Aufbau von Maxilla<br />
und knorpeligem Nasengerüst mit<br />
Rippenknorpel (offene Technik)<br />
ein Jahr postoperativ.<br />
Abb. 7a_Junge Patientin mit C-förmig<br />
deviierter Nase und asymmetrischen<br />
aesthetic eyebrow lines bds.<br />
Abb. 7b_Drei Jahre nach Infracture-<br />
Osteotomie rechts …<br />
Abb. 7c–i_… und Augmentation<br />
der linken Nasenseite mit dünnem<br />
Knorpel vom Tragus.<br />
Abb. 7c–i_Phasen einer Mini-<br />
Osteotomie: 7c Anzeichnen der Osteotomie-Linien,<br />
7d Positionierung des<br />
3-mm-Osteotoms für die transnasale<br />
mediale Mini-Osteotomie, 7e Vortreiben<br />
des Osteotoms paramedian bis<br />
zur Markierung, 7h Einstellen des<br />
Osteotoms ca. 30° nach lateral, 7g<br />
Positionierung des Osteotoms über<br />
dem Kopf der unteren Nasenmuschel,<br />
direkte Perforation der<br />
Schleimhaut, 7h Vorschieben des<br />
Osteotoms in Richtung des medialen<br />
Lidwinkels, 7i Weiterführung entlang<br />
der Markierung.<br />
Abb. 7a<br />
Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d<br />
Abb. 7e<br />
Abb. 7f Abb. 7g Abb. 7h Abb. 7i<br />
I45
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 8a Abb. 8b Abb. 8c Abb. 8d Abb. 9a Abb. 9b<br />
Abb. 8a, c_Junge Patientin mit<br />
Binder-Syndrom: Hochgradige maxillonasale<br />
Dysplasie. Breit-Nase mit<br />
kürzen, dünnen ossa nasalia.<br />
8b, d_Aufbau des Spinakamms der<br />
Maxilla und der korpeligen Nase mit<br />
Rippenknorpel. Tiefe Intracture-<br />
Osteotomien.<br />
Abb. 9_Bei langen Nasenbeinen<br />
kann eine Verschmälerung der Nase<br />
maßgeblich durch Infracture-Osteo -<br />
tomie erreicht werden.<br />
9a_Patientin mit breiter knöcherner<br />
Nase, mittlerem Gewölbe und Spitze.<br />
9b_Drei Jahre nach Infracture-<br />
Osteo tomie und kephaler Reduktion<br />
der Flügelknorpel.<br />
Abb. 10_Abziehen des Osteotoms.<br />
Abb. 11_Formen der Schiefnase,<br />
a knorpelige Schiefnase,<br />
b knöcherne Schiefnase,<br />
c C- und S-förmige Deviationen,<br />
d Pseudoschiefnase.<br />
Die Technik der Osteotomie<br />
Für die Wirkung des Osteotoms ist neben dem<br />
Instrument die Osteotomietechnik entscheidend.<br />
Abb. 10<br />
Hierbei kommt es auf ein gutes Zusammenspiel<br />
zwischen dem Operateur, der das Osteotom positioniert,<br />
und dem Assistenten, der den Hammerschlag<br />
ausführt, an. In der üblichen Double Click-<br />
Technik erfolgt zunächst ein weniger starker<br />
Probeschlag. Er dient der Prüfung der richtigen<br />
Position des Instruments, beziehungsweise der<br />
Optimierung.<br />
Zugleich kann der Assistent an der Höhe des Tones<br />
die Konsistenz des Gewebes erkennen (je höher,<br />
desto härter). Die gleichen Informationen fühlt er<br />
bei der Führung des Hammers. Der Operateur gibt<br />
nach dem Probeschlag seine Zustimmung für den<br />
stärkeren Wirkschlag. Die Energie des Schlags<br />
kommt aus dem Handgelenk und nicht aus dem<br />
Ellenbogengelenk. Ein gewisses Feeling ist erfor -<br />
derlich (Abb. 7).<br />
Die Kunst der Osteotomie<br />
Der Operateur kann vor der Rhinoplastik bereits<br />
zahlreiche Informationen gewinnen, die Einfluss auf<br />
die Auswahl des Osteotoms oder Modifikationen<br />
der Technik haben:<br />
– Länge der Nasenbeine<br />
– Dicke des Knochens<br />
– Alte Dislokationen<br />
– Dicke und Typ der Haut über der Nasenpyramide.<br />
a b c d<br />
Abb. 11<br />
46 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 12 a, b_Patientin mit knöcherner<br />
Schief- und Großnase.<br />
Abb. 12c, d_Zwei Jahre nach Rhinoplastik<br />
mit Keilexzision der längeren<br />
Seite links, siehe Abb. 5c.<br />
Abb. 12a Abb. 12c Abb. 12b Abb. 12d<br />
Mit guten Osteotomien kann bei der Rhinoplastik<br />
viel erreicht, bzw. verdorben werden. Innerhalb der<br />
genannten Grundtypen der Osteotomie sind immer<br />
ausgehend vom konkreten Befund technische Variationen<br />
möglich. Die erste Frage ist die, ob überhaupt<br />
eine oder beide Seiten osteotomiert werden sollten.<br />
Es kann sinnvoll sein, eine dünne kephale ossäre<br />
Brücke zu belassen, diese infrakturieren, um die<br />
Fragmente gezielt einstellen zu können. Bei asymmetrischen<br />
Nasenpyramiden kann die Höhe und<br />
Länge der Schnitte seitenunterschiedlich erfolgen,<br />
insbesondere wenn eine konturierende Augmentation<br />
oder Camouflage einer Seite vorgesehen ist<br />
(Abb. 8 und 9).<br />
Das Schleifen<br />
Nur mit einem scharfen Osteotom oder Meißel<br />
kann atraumatisch und sicher osteotomiert werden.<br />
Deshalb sollten die Osteotome regelmäßig maschinell<br />
geschliffen (Grundschliff) und vor jedem<br />
Einsatz geschärft werden (Abziehen).<br />
Dabei ist folgendes zu beachten:<br />
– Die Schneidkante des Osteotoms oder Meißels<br />
sollte so gegen das Licht gehalten werden, dass<br />
sich auf ihr ein Lichtreflex abzeichnet. Geachtet<br />
wird auf Verbiegungen, Grate, Einrisse oder Absplitterungen.<br />
– Der Abziehstein (Arkansas-Stein) auf dem Operationstisch<br />
dient dem vorsichtigen Abziehen von<br />
leichten Graten und Stauchungen der Schnittkante.<br />
Mit diesem Stein ist kein neuer Anschliff möglich.<br />
– Zum Schärfen wird der Anschliff des Osteotoms<br />
der abfallenden Seite des Abziehsteins aufgelegt,<br />
mit sterilem Wasser benetzt und mit sanften Bewegungen<br />
(ohne viel Druck und Kraft) zum Arzt<br />
hin bewegt. Durch den Metallabrieb entsteht ein<br />
grauer Film. Dieser wird abgewischt.<br />
– Wichtig ist, dass der Winkel des Anschliffs des<br />
Meißels bzw. Osteotoms beachtet wird, sonst<br />
entsteht ein kurzer Pseudoschliff, der letztlich die<br />
Schneidwirkung mindert (Abb. 10).<br />
Ein Nasengips oder eine Thermoplastschiene sind<br />
der letzte Schritt einer Rhinoplastik. Gips besitzt eine<br />
hohe Plastizität und lässt sich der individuellen Nasenform<br />
gut anmodellieren. Das verwendete Wasser<br />
für den Gips sollte kalt, das für die Thermoplastmaterialien<br />
ausreichend warm sein.<br />
_2. Die Schiefnase<br />
Über die Ästhetik verschiedener Nasenformen<br />
kann gestritten werden. In einem Punkt gibt es Übereinstimmung<br />
über alle ethnischen und kulturellen<br />
Unterschiede: das ästhetische Ideal einer geraden<br />
Nase.<br />
Prinzipiell können folgende Formen der Schiefnase<br />
unterschieden werden (Abb. 11):<br />
– knöcherne Schiefnase<br />
– knorpelige Schiefnase<br />
– knöchern-knorpelige Schiefnase<br />
– C- oder S-förmige Schiefnase<br />
– Pseudo-Schiefnase.<br />
Für das operative Konzept ist entscheidend, ob<br />
neben einer Achsenkorrektur gleichzeitig ein Höcker<br />
abgetragen werden soll. Unterschiedlich hohe Seiten<br />
der knöchernen Nasenpyramide können im Rahmen<br />
der Höckerabtragung bereits egalisiert werden.<br />
Obwohl die Korrektur von Schiefnasen allgemein als<br />
weniger komplizierte Aufgabe der Rhinoplastik eingestuft<br />
wird, zeigt die Erfahrung, dass die optimale<br />
Ausrichtung deviierter Nasen nicht einfach ist und<br />
eine genaue Analyse des anatomischen Problems erfordert.<br />
Die Rolle des Septums lässt sich durch das Zitat<br />
von Aufricht zusammenfassen: „Where the septum<br />
goes there goes the nose.“ Septumdeviationen müssen<br />
immer in das operative Konzept einbezogen werden.<br />
Knöcherne Schiefnasen<br />
Meist bestehen eine längere und eine kürzere<br />
Seite der knöchernen Nasenpyramide. Durch Inspektion<br />
und Palpation muss dieser Unterschied erkannt<br />
werden, um den Typ der Osteotomie zu bestimmen.<br />
Bei einer geraden Abweichung der Nasenachse<br />
zu einer Seite kommen asymmetrische Osteotomien,<br />
eine Keilexzision auf der längeren Seite oder<br />
Mehrfachosteotomien in Betracht (Abb. 12).<br />
I47
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 13a Abb. 13b Abb. 13c Abb. 13d Abb. 13e Abb. 13f<br />
Abb. 13a, c, e_Patientin mit knor -<br />
peliger Schiefnase nach rechts,<br />
Septumquerstand mit Subluxatio<br />
septi nach rechts.<br />
Abb. 13b, d, f_ Zustand nach Septorhinoplastik<br />
ein Jahr post-operativ,<br />
u.a. Out-fracture-Osteotomie, externe<br />
Septumplastik.<br />
Die DVD „Live Cadaver Dissection“<br />
von Gene Tardy zum Thema:<br />
„Essentials of Septorhinoplasty“<br />
können Interessenten kostenlos<br />
bei Prof. Dr. Behrbohm anfordern.<br />
Knorpelige Schiefnasen<br />
Die entscheidende Korrektur der Achse gelingt in<br />
der Regel durch die Septumkorrektur. Im Einzelfall<br />
muss entschieden werden, ob die Dreiecksknorpel<br />
symmetrisch sind, oder eventuell Seitenunterschiede<br />
zu Verspannungen oder Überlappungen mit<br />
den Flügelknorpeln führen. Je nachdem muss über<br />
das Ablösen der Dreiecksknorpel vom Septum, Kürzungen,<br />
Versteifungen (Spreader grafts), oder Positionsnähte<br />
entschieden werden. Erfahrungsgemäß<br />
sollten bei geringsten Restspannungen am knöchernen-knorpeligen<br />
Übergang eher doch osteotomiert<br />
werden. Grundsätzlich gilt das bisher erwähnte auch<br />
für die kombiniert knöchern-knorpeligen Schiefnasen<br />
(Abb. 13).<br />
C- und S-förmige Schiefnase<br />
Hierbei gilt es bereits präoperativ abzuschätzen,<br />
ob eine Achsenkorrektur überhaupt durch Begradigungen<br />
von Septum und knöcherner Nasenpyramide<br />
zu erreichen ist, oder ob Augmentationen auf<br />
der konkaven Seite am besten mit Septum- oder<br />
Conchaknorpel erforderlich werden (Abb. 7).<br />
Pseudoschiefnase<br />
Es handelt sich nicht um Fehlstellungen der<br />
Nasenachse oder S- oder C-förmige Deviationen,<br />
sondern darum, dass durch zwei unterschiedliche<br />
aesthetic eye brow lines der Eindruck einer Schiefnase<br />
entsteht. Hier ist eine Summe von operativen<br />
Einzelschritten notwendig, um unter ständiger<br />
Kontrolle des ausgelösten Effekts eines Manövers<br />
die nachfolgenden Schritte neu zu planen. Meist<br />
sind Argumentationen, ggf. mit einseitigen Osteotomien<br />
indiziert.<br />
Operationstechnik<br />
Prinzipiell sollte bei der Korrektur von Schief nasen<br />
immer möglichst atraumatisch vorgegangen<br />
werden, denn die postoperative Wundheilung und<br />
langfristige Kontraktur der Weichteile kann leicht zu<br />
Verziehungen führen, auch wenn intraoperativ alle<br />
Maßnahmen ergriffen wurden, um Spannungen und<br />
Seitenunterschiede aufzulösen bzw. auszugleichen.<br />
Postoperative Schwellungen können bereits seitendifferent<br />
auftreten und unsymmetrische Wundheilungsphänomene<br />
signalisieren. Asymmetrien<br />
können im Extremfall allein Folge eines zu aggressiven<br />
Zugangs sein._<br />
Literaturangabe:<br />
H. Behrbohm (2004), Aesthetic and reconstructive facial surgery<br />
– selected aspects and novel instruments.<br />
_Co-Autor<br />
face<br />
Prof. Dr. Kurt Vinzenz<br />
Wien<br />
48 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Osteotomien im Gesicht –<br />
die Kunst und Technik der<br />
Knochenschnitte<br />
Teil 2<br />
_Einleitung<br />
Der Sinn orthognather Chirurgie besteht in der<br />
gleichzeitigen Korrektur funktionell wirksamer<br />
und ästhetisch beeinträchtigender skelettaler Deformitäten.<br />
Diese Art der Chirurgie wird als Behandlung<br />
der Wahl bei schweren, durch konventionelle<br />
Kieferorthopädie nicht zu lösende Verzahnungsstörungen<br />
angesehen und wenn durch die<br />
alleinige Kieferorthopädie oder etwa camouflierende<br />
kosme tische Chirurgie keine zufriedenstellende<br />
Gesichts ästhetik zu erzielen ist. Im Gegensatz<br />
zur traditio nellen zahnärztlichen Sicht basiert<br />
die überwiegende Mehrzahl der heutigen Indikationsstellungen<br />
jedoch auf Verbesserungswünschen<br />
der fazialen (40 Prozent) und oralen (80 Prozent)<br />
Ästhetik.<br />
Die vor über 100 Jahren in den USA von Vilray<br />
Blair durchgeführte Korrektur einer mandibulären<br />
Prognathie war der Beginn der Dysgnathiechirurgie.<br />
Bereits 1907 beschrieb Blair drei verschiedene<br />
Operationstechniken zur Korrektur von Fehlstellungen<br />
des Unterkiefers. Zwischen den Weltkriegen<br />
verlief die Entwicklung sehr langsam, bis dann<br />
in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts eine rasante<br />
Entwicklung einsetzte: Kazanjian beschrieb<br />
1932 und 1936 einige Techniken der UK-Osteotomie<br />
– wiederum in den USA. In diesem Zeitraum<br />
war in Europa Berlin, ebenso wie in der von Jacques<br />
Joseph begründeten Nasen- und ästhetischen<br />
Gesichtschirurgie, das Zentrum orthognather<br />
Chirurgie: Die zweizeitige beziehungsweise einzeitige<br />
Korrektur der maxillären Protrusion geht auf<br />
I49
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 1_Bimaxilläre Osteotomie<br />
in der Le Fort I-Ebene und sagittale<br />
Ramusosteotomie im Unterkiefer mit<br />
zusätzlicher Kinnvorverlagerung.<br />
Abb. 1<br />
Cohn-Stock (1921) bzw. Martin Wassmund (1927)<br />
zurück. Georg Axhausen (1934) beschrieb die erste<br />
„Le Fort I downfracture“ zur Korrektur des offenen<br />
Bisses. Schuchard wendete dazu 1942 äußere<br />
Gewichtszüge als eine Vorstufe der Distraktions -<br />
osteogenese im Oberkiefer an. Modifikationen von<br />
Unterkieferosteotomien wurden fast in allen Fällen<br />
als extraorale Verfahren beschrieben (Perthes<br />
und Schlossmann 1922, Ernst 1937, Lindemann<br />
1938, Dingmann 1951, Converse 1952, Caldwell<br />
und Lettermann 1954, Trauner 1955). Sir Harold<br />
Gillies leitete 1950 mit der Beschreibung der ers–<br />
ten Le Fort III-Osteotomie die entscheidende Erweiterung<br />
der orthognathen Chirurgie in den kraniomaxillären<br />
Bereich ein.<br />
Hugo Obwegeser gilt als Vater der modernen<br />
orthognathen Gesichtschirurgie, indem er die Ära<br />
der Perfektionierung dieser chirurgischen Disziplin<br />
mit der ersten wirklichen sagittalen Spaltung des<br />
aufsteigenden Unterkieferastes 1953 begann.<br />
Zum Anlass dieser ersten Operation vor 50 Jahren<br />
veranstaltete die Universität Zürich 2003 ein internationales<br />
Symposium zu Ehren von Prof. Obwegeser<br />
und überreichte den Pionieren dieser Chir<br />
urgie eine Ehrenmedaille. Neben H. Obwegeser<br />
waren dies P. Tessier, J. McCarthy, F. Ortiz- Monasterio<br />
und D. Marchac.<br />
Diese Ära erreichte schließlich ihren Höhepunkt<br />
in der von Obwegeser 1970 publizierten simultanen<br />
totalen Ober- und Unterkieferosteotomie und<br />
der Begründung der kraniofazialen Chirurgie<br />
durch Paul Tessier mit der Vorverlagerung des<br />
gesamten Mittelgesichtes 1967. 1973 wurde der<br />
„Craniofacial Travel Club“ durch K. Saylier, L. Whitaker,<br />
I. Jackson, I. Munroe, D. Marchac und F. Ortiz-<br />
Monasterio gegründet, der über mehr als 20 Jahre<br />
das maßgebliche Forum für kraniofa ziale Chirurgie<br />
war. 1983 wurde die Int. Society of Craniomaxillofacial<br />
Surgery in Montreal gegründet und 1985<br />
P. Tessier als deren Ehrenpräsident gewählt. Parallel<br />
dazu wurde die 1954 erstmals vom Ortho päden<br />
Gavril Ilizarov durchgeführte und 1978 pu blizierte<br />
Distraktionsosteogenese, die sogenannte „Knochenbruchdehnung“<br />
beziehungsweise „Kallusdistraktion“<br />
entwickelt und in der Folge von J. McCarthy<br />
1989 die erste humane Unterkieferdistraktion<br />
durchgeführt . Diese wurde von ihm 1993/94 erstpubliziert.<br />
Als nunmehr neueste Methode moderner<br />
kraniomaxillofazialer Chirurgie entwickelt sie<br />
sich seither zur Alternative der bisherigen Verfahren<br />
mit verbesserten funktionell-ästhetischen Ergebnissen.<br />
Bis in die späten 1970er-Jahre waren<br />
Korrekturen dentoskelettaler Deformitäten nur<br />
mit dentalen oder vice versa fazialen Kompromissen<br />
erzielbar. Die Entfernung der Vormahlzähne<br />
zur „skelettalen Camouflage“ und Behebung des<br />
Platzmissverhältnisses von Zähnen und vorhandenen<br />
Knochen war zum Beispiel Routine und eine<br />
Abb. 2_OP-Situation: Oberkiefer-<br />
Umstellungsosteotomie mit<br />
kalibrierten Mikroplatten.<br />
Abb. 3_OP-Situation: enorale Tandemverschraubung<br />
der sagittalen<br />
Ramusosteotomie nach Unterkieferverlagerung<br />
mithilfe der enoralen<br />
Bohr- und Schraubhilfe nach Lindorf.<br />
Abb. 2 Abb. 3<br />
50 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 5a Abb. 5b<br />
Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />
allgemein akzeptierte Behandlungsmethode, die<br />
oftmals in einer ästhetisch beeinträchtigenden<br />
Verflachung des Profils, in einem „dished profile“<br />
mündete. Die „knocheninduktive Chirurgie“ der<br />
Distraktionsosteogenese erzielt den notwendigen<br />
Raumgewinn durch Produktion von Knochen und<br />
vermeidet dadurch jene ästhetisch-funktionellen<br />
Kompromisse. Gleichzeitig erlaubt diese Methode<br />
erstmals ein formendes Gestalten nicht nur des<br />
Profils, sondern der gesamten Gesichtskontur.<br />
Um dieser modernen Entwicklung der orthognathen<br />
Chirurgie Rechnung zu tragen, veranstalteten<br />
die GIGIP* daher 2002 und 2004 mit den<br />
Mitgliedern des „Craniofacial Travel Clubs“ unter<br />
der Patronanz der Internationalen Gesellschaft für<br />
Craniofacial-Surgery sowie der EURAPS** und<br />
EAMCFS*** zu diesem Thema zwei internationale<br />
Symposien „Art 1/2 of Reconstructive and Aesthe -<br />
tic Surgery of the Face and Skull“ jeweils in Wien.<br />
_Moderne orthognathe Chirurgie<br />
Für eine harmonische Gesichtsästhetik haben<br />
alle Komponenten des Gesichtes wie Augen, Nase,<br />
Lippen und auch Zähne und Zahnfleisch gleichwertige<br />
Bedeutung. Dem europäischen Schönheitsideal<br />
entspricht das gerade Vorgesicht („Anteface“).<br />
Die zentrale Rolle spielt dabei sowohl für die<br />
Gesichts- als auch orale Ästhetik die Form<br />
und Proportion des knöchernen Gesichtes, über<br />
welches die Gesichtsweichteile durch Haltebänder<br />
(„retaining ligaments“) ähnlich den Stützen eines<br />
Trampolins aufgespannt sind. Die moderne orthognathe<br />
Chirurgie ist ausgehend von der durch<br />
Obwegeser erstbeschriebenen sagittalen Unterkieferspaltung<br />
und der bimaxillären Osteo tomie<br />
(Abb. 1) nunmehr in der Lage, nahezu jede Raumkorrektur<br />
des Gesichtsschädels zur Behebung ästhetischer<br />
und funktioneller Probleme zu bewerkstelligen<br />
(Abb. 5a–b, 6a–d). Einen entscheidenden<br />
Beitrag stellt die erst in den späten 1970er-Jahren<br />
etablierte enge Zusammenarbeit von Kieferorthopäden<br />
und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen bei<br />
der Korrektur dentoskelettaler Deformitäten dar<br />
(Abb. 4), die über die weitere interdisziplinäre Kooperation<br />
mit Plastischen Chirurgen und HNO-<br />
Ärzten-/Kopf-Halschirurgen die Entwicklung zur<br />
Abb. 4a–b_17-jährige Patientin mit<br />
sagittaler UK-Osteotomie nach<br />
Obwegeser und interdisziplinärer<br />
kieferorthopädischer Behandlung<br />
(die 45° schräg-seitliche Aufnahme<br />
wurde mit Abbildung 1 korreliert).<br />
Abb. 5a–b_35-jährige Patientin:<br />
Ergebnis nach bimaxillärer Osteotomie<br />
mit Kinnplastik. Der Einfluss der<br />
dentoskelettalen Deformität auf die<br />
Gesichtsweichteile durch Fehlpositionierung<br />
der Haltebänder „retinaculae“<br />
ergibt unnatürlich geschwungene<br />
und verlängerte Nasolabialfalten<br />
mit „Auftreibung“ der Wange und<br />
tiefer Mentolabialfalte. Postoperativ<br />
ästhetische Korrektur des Gesichtsprofils<br />
mit ausgebreiteten und natürlich<br />
positionierten Gesichtsweich -<br />
teilen.<br />
Abb. 6a–b_Vor der Behandlung,<br />
c–d_Nach der Behandlung.<br />
Dynamisches Erscheinungsbild einer<br />
Progeniepatientin bei der Schreib -<br />
tischarbeit.<br />
Abb. 7a_Chirurgische Abdeckung<br />
mit CORE-Mikrosystem der<br />
Firma Stryker mit der elektronischen<br />
Bohr einheit Osseo-Set 100 TM<br />
der Firma Nobel Biocare.<br />
Abb. 7b_Osteotomie Mikrosäge im<br />
Größenvergleich mit Ein-Euro-Münze.<br />
* Gesellschaft für Implantologie und gewebeIntegrierte Prothetik<br />
** European Association of Plastic Surgeons<br />
*** European Association for Cranio-Maxillofacial Surgery<br />
Abb. 7a<br />
Abb. 7b<br />
I51
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
BUILDING A NEW FACE<br />
Craniofacial distraction<br />
osteogenesis<br />
Abb. 8a<br />
Abb. 8b<br />
Abb. 8a_Schematische Zeichnung der<br />
für die orofaziale Ästhetik wesent -<br />
lichen Osteotomiebereiche: Modifizierte<br />
Le Fort I-Osteotomie mit medi -<br />
aner Durchtrennung des Gaumens im<br />
Oberkiefer. Mediane und laterale Osteo -<br />
tomie zur sagittalen Verlängerung und<br />
Verbreiterung des UK. Durch Kombination<br />
dieser Osteotomien resultiert eine<br />
dreidimensionale Formgebung.<br />
Abb. 8b_Schematische Zeichnung der<br />
möglichen DO-Varianten im Gesicht:<br />
Die Gesichtsweichteile werden im<br />
Sinne eines „inverse facelifts“ (Originalzitat<br />
Fernando Ortiz Monasterio<br />
2004) über den volumenvergrößerten<br />
Gesichtsschädel unter einer erneuerten<br />
Gewebespannung zwischen den Haltebändern<br />
„retinaculae“ ausgebreitet.<br />
Abb. 9_Anleitung zur praktischen<br />
Durchführung der DO: – Kortikotomie –<br />
Anpassen der Distraktoren – Einstellen<br />
der Vektorrichtung – Endgültige Osteo -<br />
tomie – Monokortikale Fixierung kann<br />
mit Mikroschrauben der Dimensionierung<br />
4/5mm erfolgen – Nach sieben<br />
Tagen kann man den Start der Distraktion<br />
mit 1mm pro Tag beginnen.<br />
Abb. 10_Beispiel einer Osteotomie<br />
mit angepasstem Distraktor im UK<br />
(Firma Martin).<br />
Abb. 11_Der „Zürich Oberkiefer<br />
Distraktor“ der Firma KLS Martin für<br />
ein modfiziertes Vorgehen ähnlich der<br />
in Abb.1 gezeigten Oberkiefervorver -<br />
lagerung in der Le Fort I-Ebene mit<br />
Fixierung durch kalibrierte Mikroplatten.<br />
In dieser Variante werden nur die<br />
Verzahnungskorrektur in der sagittalen<br />
Ebene und eine Profilkorrektur<br />
vorgenommen.<br />
„Ästhetischen Orthognathen Chirurgie“ einleitete<br />
(Abb. 5a–b, 6a–d, 14a–e). Dies war ein Schwerpunktthema<br />
der erstmals stattfindenden internationalen<br />
Konferenz zur funktionsbasierten Ästhetik<br />
„Esthetics follows function“, die im Juni 2007<br />
ebenfalls in Wien stattfand. Neuerungen, vor allem<br />
technischer Art, konnten in den vergangenen 20<br />
Jahren besonders auf drei Gebieten festgestellt<br />
werden, wobei die Entwicklung noch nicht abgeschlossen<br />
ist und weitere Verbesserungen erwartet<br />
werden können. Diese betreffen die Planung mit<br />
computerassistierten Verfahren kombiniert mit<br />
der Video- oder Lasertechnik, die Materialien und<br />
neuartige Operationstechniken auf technischer<br />
Basis sowie die Etablierung neuer Operations -<br />
methoden wie der Distraktionsosteogenese. Bei<br />
den Materialien ist vor allem die Verbesserung der<br />
Osteo synthesematerialien hervorzuheben. Beispielgebend<br />
sind die kalibrierten Präzisions-<br />
Mikroplatten (nach Lindorf; Firma KLS Martin,<br />
Tuttlingen) (Abb. 1–2) und die Entwicklung resorbierbarer<br />
Platten und Schrauben.<br />
Abb. 9<br />
Abb. 10<br />
Abb. 11<br />
Die Verfeinerung der zunehmend minimalin -<br />
va siven OP-Techniken gelingt über Verbesserung<br />
und Miniaturisierung der chirurgischen Instrumente<br />
(Abb. 3 zeigt die enorale Bohr- und Schraubhilfe<br />
nach Lindorf).<br />
Neben der Planung mit computerassistierten<br />
Verfahren kombiniert mit der Video- oder Lasertechnik<br />
wird es notwendig sein, die Gesichtsdynamik<br />
beschreiben zu können. Ein neuartiges Verfahren<br />
aus diesem Bereich stellt die von M. Frey und<br />
P. Giovanoli entwickelte dreidimensionale Video -<br />
analyse der Gesichtsbewegungen bei der Fazialis -<br />
chirurgie dar.<br />
Eine wesentliche Verbesserung stellen die „servogesteuerten<br />
motorbetriebenen Instrumente dar.“ –<br />
CORE-Mikrosystem der Firma Stryker – welches mit<br />
einem Drehmoment-Feedback arbeitet und ein ext -<br />
rem wandlungsfähiges System für das Sägen kleiner<br />
Knochen ist (Abb. 7a–b). Neuerdings werden ultraschallbetriebene<br />
Osteotomiesysteme angeboten.<br />
Bei den neuartigen Operationstechniken wurde<br />
über erste Resultate mit dem Einsatz von Navigationssystemen<br />
wie auch über endoskopisch durchgeführte<br />
Osteotomien berichtet. In diesem Zuge ist<br />
ebenso mit der Verbesserung der CAD/CAS-Planungssoftware<br />
zu rechnen.<br />
_Die Distraktionsosteogenese<br />
Das erste Ilizarov-Prinzip postuliert, dass Traktion<br />
Regeneration und aktives Gewebewachstum<br />
stimuliert (Abb. 8–11). Nach einem Knochenbruch<br />
kommt es vorübergehend in der Heilungsphase im<br />
Knochenbruchspalt zur Ausbildung von Ersatzknochen,<br />
welcher Kallus genannt wird. Erst im<br />
weiteren Heilungsverlauf wird dieser Knochen<br />
verfestigt, bis er schließlich genauso fest ist wie<br />
der übrige Knochen. Wird dieser weiche und verformbare<br />
Kallus mittels einer Apparatur gestreckt,<br />
kann man den Knochen verlängern. Hierzu muss<br />
vor und hinter dem Bruchspalt eine Apparatur be-<br />
52 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 12<br />
Abb. 13<br />
festigt werden, die über eine Spindel auseinander<br />
bewegt wird (Abb. 9). Dieses Prinzip der Kallusstreckung<br />
nennt man Kallusdistraktion oder Distraktionsosteogenese,<br />
da sich beim Auseinan -<br />
derbewegen ständig neuer Knochen bildet. Die -<br />
ser Raumgewinn durch „induktive Chirurgie”<br />
(J. McCarthy, K.E. Salyer) betrifft sowohl Knochen<br />
als auch Weichteile, die als Distraktionshisto -<br />
genese der am knöchernen Schädel haftenden<br />
Gesichtsweichteile stattfindet. Der weiche und<br />
verformbare Kallus ermöglicht eine dreidimensional<br />
„formende“ Gestaltung des Gesichtes. Die<br />
Gesichts weichteile werden im Sinne eines „inverse<br />
facelifts“ (Originalzitat Fernando Ortiz Monasterio<br />
2004) über den volumenvergrößerten<br />
Gesichtsschädel unter einer erneuerten Gewebespannung<br />
zwischen den Haltebändern „retinaculae“<br />
ausgebreitet (Abb. 8a–b). Erst durch die Miniaturisierung<br />
und laufende Verbesserung der von<br />
außen unsichtbar im Mund befindlichen Distraktoren<br />
und ohne Verletzung des Gesichtes beziehungsweise<br />
der Gesichtshaut wurde es möglich,<br />
diese chirurgische Methode in die Ästhetische<br />
Chirurgie einzubringen (Abb. 10–13). Im Ge -<br />
gensatz zum traditionellen chirurgischen Vor -<br />
gehen können diese Eingriffe durch die eingangs<br />
erwähnten Verbesserungen auf tech nischer Ba -<br />
sis – hier die feine Schnittführung durch Mikro -<br />
sägen und die Verwendung von Mikroschrauben<br />
(Abb. 10–11) – bei zunehmend minimalinvasiven<br />
Zugang durch geführt werden, sodass weder äußere<br />
Narben noch nennenswerte postoperative<br />
Beschwerden wie Schwellungen oder Schmerzen<br />
auftreten. Im Mund kann dieser Raumgewinn<br />
durch Knochen für eine erleichterte und raschere<br />
Bewegung von Zähnen in diesen Raum genutzt<br />
werden („rapid orthodontic treatment“) und im<br />
Rahmen der „präimplantologischen Chirurgie“<br />
der verbesserten Implantatverankerung dienen.<br />
Die stürmische Entwicklung auf dem Gebiet der<br />
Distraktoren ist derzeit im Gange: Entscheidende<br />
Fortschritte werden intraorale multidirektionale<br />
Distraktoren und die endoskopische Chirurgie mit<br />
Mikrosägen im Mittelgesichtsbereich bringen._<br />
Literaturliste kann beim Autor angefordert werden.<br />
_Co-Autor<br />
Prof. Dr. Kurt Vinzenz<br />
Department für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie<br />
Evangelisches Krankenhaus Wien<br />
Abteilung für Plastische- und Wiederherstellende<br />
Chirurgie<br />
Interdisziplinäre Ambulanz für Maxillofaciale<br />
Chirurgie<br />
Wilhelminenspital der Stadt Wien<br />
E-Mail: kurt.vinzenz@aon.at<br />
face<br />
Abb. 12_Unterkieferdistraktion beidseits<br />
nach präoperativer Zahnregulierung<br />
mit transversaler DO zur<br />
Erweiterung des OK. Implantate der<br />
Firma Nobel Biocare zum Ersatz<br />
fehlender Zähne. Enorale Aufnahme<br />
Distraktor mit weichen und biegbaren<br />
enoralen Aktivatoren in situ, vor<br />
der Distraktion 1mm/d für insgesamt<br />
neun Tage.<br />
Abb. 13_Panoramaröntgen postoperativ<br />
nach bds. UK-Osteotomie in der<br />
Warteperiode von einer Woche bis<br />
zum Beginn der Aktivierung der<br />
Distraktoren. Implantate der Firma<br />
Nobel Biocare wurden zum Ersatz<br />
fehlender Zähne installiert.<br />
Abb. 14a–e_30-jähriger Patient pa<br />
und seitlich, vor und nach bimaxillärer<br />
DO und Kinnplastik mit zusätzlicher<br />
Verschmälerung der Nase.<br />
Abb. 14a Abb. 14b Abb. 14c Abb. 14d Abb. 14e<br />
I53
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
… Cyrano kommt, die<br />
Nase ist schon da …<br />
Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei überprojizierten und<br />
funktionellen Spannungsnasen –Teil 1. Klinische Anatomie und Indikationen<br />
Abb. 1a–c_ Jugendbild einer<br />
jungen Bühnenkünstlerin mit<br />
überprojizierter Nase. Damals war es<br />
durchaus üblich, Abformungen des<br />
Gesichtes anzufertigen, um daraus<br />
Gipsmodelle zur präoperativen<br />
Befunddokumentation und Operationsplanung<br />
zu erstellen.<br />
_In dem romantisch-komödiantischen Versdrama<br />
Cyrano de Bergerac von Edmond Rostand (1897) leidet<br />
der Titelheld unter einer riesigen Nase.<br />
Spötter darüber sterben in Duellen. Er ist in seine gut<br />
aussehende Cousine Roxane verliebt, wagt wegen seines<br />
Stigmas jedoch nicht, sich ihr zu offenbaren. Stattdessen<br />
unterstützt er Christian von Neuvillette, der die<br />
Zuneigung von Roxane genießt, indem er an seiner<br />
Stelle Gedichte verfasst, die die Begehrte betören …<br />
Die Gestalt des Cyrano zeigt exemplarisch den großen<br />
Leidensdruck, der von einer Großnase oder überprojizierten<br />
Nase ausgehen kann. Die Betroffenen empfinden<br />
sehr früh die Störung der Gesichtsästhetik und<br />
wünschen sich eine Reduktion des dominierenden<br />
und den Gesichtsausdruck prägenden Gesichtsmerkmals.<br />
Insofern gehört diese Formvariante auch heute<br />
zu den wichtigen Indikationen der ästhetischen Rhinoplastik.<br />
Häufig ist die überprojizierte Nase mit einem<br />
funktionellen Phänomen verbunden – der sog.<br />
funktionellen Spannungsnase. Überprojizierte und<br />
funktionelle Spannungsnasen werden durch Überschussbildungen<br />
der knorpeligen Nase charakterisiert.<br />
Das zentrale Problem ist ein überlanger Septumknorpel<br />
in baso-dorsaler Richtung in Verbindung<br />
mit hyperplastischen Dreiecksknorpeln. Beide Knorpel<br />
entwickeln sich gemeinsam aus einer Anlage. Typisch<br />
ist deshalb eine kombinierte Hyperplasie, die oft<br />
auch die Flügelknorpel betrifft. Dieses Wachstum<br />
führt zu einer Anhebung des gesamten Nasenrückens.<br />
Die Nasenpyramide ist schmal und erinnert an<br />
Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c<br />
54 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 1d Abb. 1e Abb. 1f Abb. 1g<br />
die Wölbung des hohen schmalen gotischen Spitzbogens.<br />
Durch die Überschussbildungen entsteht ein<br />
dysharmonisches Verhältnis zwischen Nase und<br />
Gesicht. Sie ist zu groß und zu hoch, überprojiziert.<br />
Unabhängig von der Größe der Nase kann nur die<br />
Nasenspitze überprojiziert sein (Abb. 3).<br />
_Messen der Überprojektion<br />
Joseph verwendete den Profilwinkel als Maß für<br />
die Projektion einer Nase. Den Profilwinkel bestimmte<br />
er durch den Schnittpunkt zweier Geraden. Die erste<br />
Gerade war die Tangente zwischen Glabella und<br />
Kinn, die zweite eine Tangente an den Nasenrücken.<br />
Den normalen Profilwinkel gab er zwischen 23 und<br />
37 Grad an (Abb. 2).<br />
Goode empfahl das Verhältnis von Nasenlänge,<br />
gemessen als Abstand zwischen Nasion und Pronasale,<br />
und Projektion gemessen zwischen dem Sulcus<br />
alaris und dem Pronasale zur Beurteilung von Unter-<br />
und Überprojektion der Nase bzw. der Nasenspitze.<br />
Als normal wurde dabei eine Verhältniszahl<br />
von 0,55–0,60 angegeben (Abb. 3).<br />
Baud gab eine Methode zur Beurteilung des Profils<br />
an. Er schlug einen Kreis mit dem Radius Meatus<br />
acusticus externus – Pronasale (Tip defining Point)<br />
um das Gesicht und prüfte die Lagebeziehung von<br />
drei wesentlichen Profilpunkten (Pronasale, Pogonium,<br />
Stirn-Haargrenze).<br />
Im Idealfall liegen die drei wichtigen Profilpunkte<br />
auf der Kreisbahn. Nach unseren Erfahungen ist das<br />
Porion am oberen Tragus bzw. Gehörgangsrand als<br />
Abb. 1 d, e_ Bild der Patientin im<br />
mittleren Lebensalter nach zwei<br />
<strong>Nasenkorrekturen</strong>. Durch Absenkung<br />
des Nasenrückens ohne Berücksichtung<br />
der Stellung der Nasenspitze<br />
entstand ein deutlicher Eindruck der<br />
Überprojektion der Nase, Pinocchio-<br />
Effekt.<br />
Abb. 1 f, g_ Situation zwei Jahre<br />
nach Revisionsoperation mit<br />
Deprojektion der Nasenspitze und<br />
Reduktion des Nasenrückens in<br />
Sliding-Technik.<br />
Abb. 2_ Profilometer nach<br />
Joseph zur direkten Bestimmung des<br />
Profilwinkels.<br />
Abb. 3_ Möglichkeiten zur<br />
Bestimmung der Projektion:<br />
a: Methode nach R. Goode, b: Modifizierte<br />
Methode nach C. Baud. Innerhalb<br />
des Gesichtskreises – Normalnase,<br />
außerhalb der Gesichtskreises<br />
– überprojizierte Nase.<br />
a und b: Schwarz – Normalnase, rot –<br />
funktionelle Spannungsnase ohne<br />
Überprojektion, blau – überprojizierte<br />
Spitze, grün – überprojizierte funktionelle<br />
Spannungsnase.<br />
Abb. 2<br />
Abb. 3<br />
I55
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />
Abb. 4 a, c_ Junge Patientin mit<br />
typischer überprojizierter Nase durch<br />
Hyperplasie mehrerer Strukturelemente.<br />
Der vordere Septumwinkel<br />
überragt den Tip defining Point.<br />
Die Spitze verliert an Definition. Der<br />
Double break geht verloren. Der<br />
Nasenrücken wird durch einen<br />
knorpelig-knöchernen Höcker charakterisiert.<br />
Der Nasolabialwinkel ist<br />
stumpf und verstrichen. Die Oberlippe<br />
erscheint verkürzt.<br />
Abb. 4 b, d_ Postoperatives Resultat<br />
drei Jahre durch Reduktionsplastik<br />
(offene Technik).<br />
Mittelpunkt des Gesichtskreises besser geeignet. In<br />
dieser modifizierten Form hat sich uns diese Methode<br />
im Alltag sehr bewährt, weil sie die Beurteilung der<br />
Nase im Verhältnis zum Kinn und zur Stirn schnell und<br />
zuverlässig ermöglicht (Abb.4a-d).<br />
Folgende Aussagen sind möglich:<br />
_ Besteht eine Überprojektion der Nase oder der<br />
Spitze?<br />
_ Besteht eine Progenie oder ein fliehendes Kinn?<br />
_ Welchen Einfluss hat die Stirn auf das Profil?<br />
_Die funktionelle Spannungsnase<br />
Der Begriff funktionelle Spannungsnase bezeichnet<br />
immer ein morphologisches und funktionelles<br />
Problem.<br />
a) Funktionelle Indikationen<br />
Meist bestehen schmale, typisch veränderte Nasenlöcher,<br />
die keine ovaläre, sondern eine schlitzförmige<br />
Form besitzen und in ein hohes „gotisches“<br />
Vestibulum nasi führen. Dahinter zeigen sich medialisierte<br />
laterale Schenkel der Flügel- und Dreiecksknorpel.<br />
Diese führen zu einer Einengung der Nasenklappe.<br />
Die Nasenklappe wird durch den freien<br />
Rand des Dreiecksknorpels und den Septumknorpel<br />
gebildet. Sie öffnet sich normalerweise mit einem<br />
Winkel von ca. 15 Grad. Bei funktionellen Spannungsnasen<br />
ist der Winkel geringer, was allein<br />
schon zu einer Behinderung der Nasenatmung<br />
führt. Bei forcierter Nasenatmung resultieren Ansaugphänomene,<br />
die zu einem Kollaps der Nasenklappe,<br />
verbunden mit hochgradiger nasaler Obstruktion,<br />
führen. Bereits geringgradige hohe Septumdeviationen<br />
wirken sich bei solch engen Verhältnissen<br />
aerodynamisch stark aus und verstärken<br />
die eingeschränkte Nasenatmung. Dem Begriff Nasenklappe<br />
steht heute der Begriff der Nasenklappenregion<br />
gegenüber. Dieser schließt die membranöse<br />
Verbindung zum Flügelknorpel mit dessen<br />
freien kranialen Rand und den funktionell wichtigen<br />
Kopf der unteren Nasenmuschel mit ein.<br />
Abb. 5 a – f_ Stadien der<br />
Spannungsnase.<br />
a_ Normalnase,<br />
b_ kompensierte Spannungsnase,<br />
c_ dekompensierte Spannungsnase<br />
mit Spitzenptose,<br />
d_ normale Stellung der<br />
Flügelknorpel,<br />
e_ Spannungsnase mit Steilstellung<br />
der Nasenlöcher und beginnender<br />
Obstruktion der Nasenklappe,<br />
f_ hochgradige Obstruktion der<br />
Nasenklappe mit Kollapsneigung der<br />
Nasenklappe und Spitzenptose.<br />
a) b) c)<br />
Abb. 5<br />
d) e) f)<br />
56 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />
Abb. 6f<br />
Abb. 6e<br />
Abb. 6f<br />
Abb. 6g<br />
Abb. 6h<br />
b) Ästhetische Indikationen<br />
Die funktionelle Spannungsnase wird durch eine<br />
Hyperplasie des Septumknorpels charakterisiert. Typischerweise<br />
ist dieser in dorso-basaler Richtung zu<br />
lang und führt zu einer Aufrichtung der Dreiecksknorpel<br />
und des knorpeligen Nasenrückens. Der knorpelige<br />
Nasenrücken ist typischerweise konvex oder<br />
kann in einen knorpeligen Höcker übergehen, der sich<br />
im Rhinion knöchern fortsetzt. Je nach Größe des Höckers<br />
wird der Nasofrontalwinkel verkleinert. Nicht<br />
selten sind die Hyperplasien der einzelnen Knorpel<br />
auch mit einem vergrößerten Längenwachstum verbunden,<br />
was zum Eindruck der Langnase führt.<br />
Je nach anatomischer Situation entstehen bei der<br />
funktionellen Spannungsnase typische Veränderungen<br />
der Supratip-Tipregion. Der Supratip point wandert<br />
auf das Niveau der Tip defining points. Die Spitze<br />
verliert an Definition. Im Bereich der Nasenspitze ziehen<br />
elastische Fasern von der Corium-Schicht der<br />
Haut bis zum Corium des Vestibulum nasi. Die Haut ist<br />
hier schwer verschiebbar. Wenn die Hyperplasie des<br />
kaudalen Septums von den elastischen und kollagenen<br />
Fasern der Haut über der Spitze und den Bindegewebsfasern<br />
zwischen Septum und Flügelknorpeln,<br />
Dreiecks- und Flügelknorpeln und dem membranösen<br />
Septum nicht mehr „gehalten“ bzw. kompensiert<br />
werden kann, kommt es zum Absinken des Tip definig<br />
points unter das Niveau des Supratip points in Höhe<br />
des vorderen Septumwinkels.<br />
Dieses Absinken der Spitze wird als Ptose bezeichnet.<br />
Wenn man den Tip defining point durch eine Gerade<br />
mit dem Supratip point verbindet, so kehren sich<br />
die Winkel der Nasenspitzentangente im Vergleich<br />
zur „Idealnase“ um. Obwohl dieser Höhenunterschied<br />
im Niveau der Tip- und Supratip-Region nur ein bis<br />
zwei Millimeter betragen kann, ist seine Auswirkung<br />
auf die Ästhetik der Nasenspitze und sogar das ganze<br />
Gesicht erheblich (Abb. 5a-f, Abb. 6a–h)._<br />
_Literaturnhinweis<br />
Hans Behrbohm, M. Eugene Tardy Jr.:<br />
Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase<br />
Thieme, 2003, 244 Seiten<br />
face<br />
Abb. 6 a – h_ Patientin mit<br />
funktioneller Spannungsnase und<br />
Nasenklappenstenose.<br />
a, b_ prä- und postoperative Ansicht<br />
von vorn,<br />
c_ präoperatives Profil,<br />
d_ postoperatives Profil, zwei Jahre<br />
nach Septorhinoplastik. Deprojektion<br />
der Nasenspitze, Absenken der<br />
Supratip-Region, dadurch Supratip<br />
break, Erhalten eines hohen,<br />
individuellen Nasenrückens,<br />
e_ präoperative Ansicht der<br />
Nasenbasis,<br />
f_ postoperative Ansicht der<br />
Nasenbasis mit Erweiterung des<br />
Naseneingangs und der Nasenklappe,<br />
g_ rechte Nasenklappe präoperativ<br />
bei Ruheatmung,<br />
h_ rechte Nasenklappe präoperativ<br />
bei forcierter Inspiration (O°-Optik,<br />
Karl Storz, Tuttlingen).<br />
I57
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
… Cyrano kommt, die<br />
Nase ist schon da …<br />
Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei überprojizierten<br />
und funktionellen Spannungsnasen –Teil 2: Prinzipien der Chirurgie<br />
bei überprojizierten und funktionellen Spannungsnasen<br />
_Bei den überprojizierten und Großnasen hat die<br />
präoperative Analyse der Nase und ihrer morphologischen<br />
Bausteine durch Inspektion und Palpation<br />
besondere Bedeutung und ist Voraussetzung für<br />
den Operationsplan. Es muss klar sein, an welchen<br />
Strukturbausteinen der Nase die entscheidenden<br />
Veränderungen und Umorientierungen erfolgen<br />
müssen. Danach richtet sich der Zugang, der so invasiv<br />
wie nötig und so minimal wie möglich sein<br />
sollte. Eine generelle Empfehlung für den zu bevorzugenden<br />
Zugang kann nicht gegeben werden, weil<br />
sie u.a. vom Ausgangsbefund und dem angestrebten<br />
Resultat abhängt. In der Serie Approaches &<br />
Techniques hatten wir in der „face“ bereits Hinweise<br />
zu den einzelnen Zugängen gegeben. Reduktionsplastiken<br />
der Nase können sich je nach Umfang der<br />
Verkleinerung stark typverändernd auf das Gesicht<br />
auswirken.<br />
Hier empfiehlt sich eine intensive präoperative Beratung<br />
mit Visualisierung durch Computeranimation.<br />
Zur Retropositionierung der Spitze und Verkleinerung<br />
der Nase bestehen folgende Basis-Techniken. Natürlich<br />
können diese z.B. durch Nahtechniken der Spitze<br />
ergänzt werden, wenn neben der Veränderung der<br />
Projektion der Spitze auch eine Verschmälerung erzielt<br />
werden soll.<br />
Vereinfacht kommen zwei Prinzipien zur Anwendung:<br />
_ Verkleinerung bzw. Resektion hyperplastischer<br />
Strukturelemente<br />
_ Elektive oder komplexe Schwächung der Tip-support-Mechanismen.<br />
Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1d<br />
Abb. 1a–d<br />
a,c_ 24-jährige Patientin mit Höckernase und mittelgradig überprojizierter Spitze präoperativ und<br />
b, d_ zwei Jahre postoperativ.<br />
58 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 2<br />
Abb. 2_ Das Schema zeigt das Vorgehen unter Nutzen der dynamics of<br />
Septorhinoplasty. Abtragen des knorpelig-knöchernen Höckers, Kürzen der<br />
Septumvorderkante zwischen mittlerem und vorderem Septumwinkel<br />
mit oder ohne Resektion des tip defining points.<br />
Abb. 3<br />
Abb. 3_ Wichtige und häufige<br />
Operationsschritte<br />
1 Absenken des Nasenrückens<br />
2 kraniale Volumenreduktion der<br />
Flügelknorpel<br />
3 Kürzen der Septumvorderkante<br />
4 Keilexzision aus den lateralen<br />
Flügelknorpeln, oder laterales overlapping,<br />
sliding<br />
5 Resektion der Fußplatten oder<br />
mediales overlapping, sliding<br />
6 Abtragen der Spina nasalis<br />
7 mediale und lateral gebogene<br />
Osteotomien.<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />
Abb. 4a–d<br />
a, c_19-jährige Patientin mit deutlich überprojizierter Nase und<br />
b, d_ ein Jahr nach Reduktionsplastik unter Anwendung der Operationschritte 1–7.<br />
Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c Abb. 5d<br />
Abb. 5a–d<br />
a, c_ 27-jährige Patientin mit Gesichtsasymmetrie, deutlich überprojizierter Höckernase, und<br />
b, d_ zwei Jahre postoperativ.<br />
I59
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 6a<br />
Abb. 6c<br />
Abb. 6d<br />
Abb. 6b<br />
Abb. 6 a–d<br />
Deprojektion der Spitze durch laterales overlapping, sliding. Prinzip der Operation und intraoperative<br />
Situation bei Patientin Abbildung 5a–d.<br />
Fotos: Behrbohm/Tardy (Thieme 2003)<br />
Abb. 7a<br />
Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d Abb. 7e Abb. 7f<br />
Abb. 7 a–f<br />
a, c, f_32-jährige Patientin mit paradox gebogenen Flügelknorpeln, Überprojektion der Nasenspitze mit Bifida tip.<br />
b, d, e_ Zwei Jahre nach Umklapp-Plastik in offener Technik.<br />
_Häufigste Ursachen der Überprojektion<br />
Hyperplasie der Spina nasalis interior<br />
Eine überprojizierte Spitze kann allein oder in Kombination mit anderen Überschussbildungen durch eine übergroße Spina nasalis anterior<br />
verursacht werden. Diese hebt das vordere Septum nach kranial. Der Nasolabialwinkel ist verstrichen und stumpf. Die Oberlippe ist verspannt und<br />
dadurch scheinbar verkürzt. Gleichzeitig besteht eine Kaudalrotation der Spitze. Durch sorgfältige äußere und innere Palpation kann zwischen<br />
Hyperplasien des kaudalen Septums und der Spina unterschieden werden (Abb. 9).<br />
Abb. 8<br />
Abb. 9<br />
Abb. 10a<br />
Abb. 10b<br />
Abb. 8_ Prinzip der Operation der Patientin Abbildung 7a–f.<br />
Abb. 9_ Überprojizierte Nasenspitze durch eine hyperplastische Spina nasalis anterior.<br />
Abb. 10_ Patientin (a) prä- und (b) zwei Jahre postoperativ nach endonasaler Septorhinoplastik. Eversionstechnik. Präoperativ besteht ein verstrichener Nasolabialwinkel durch<br />
eine hyperplastische Spina nasalis anterior, eine Spitzenptose und ein knöchern-knorpeliger Höcker.<br />
60 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
_Hyperplasie der Flügelknorpel<br />
Hyperplastische Flügelknorpel können die alleinige Ursache einer überprojizierten und meist ballonierten Spitze sein. Meist ist der Knorpel<br />
von hoher Elastizität und es besteht ein festes Bindegewebe. Der Nasolabialwinkel wird hierbei nicht beeinflusst (Abb. 11 und 12).<br />
Abb. 11<br />
Abb. 12a<br />
Abb. 12b<br />
Abb.11_Überprojizierte Nasenspitze durch Hyperplasie der Flügelknorpel. (a) Rote Punkte: vorderer Septumwinkel und Tip defining point. Durch Einbeziehung des Tip defining<br />
points bei der kranialen Volumenreduktion kann die Nasenspitze bei hyperplastischen Flügelknorpeln retropositioniert werden. Rot schraffiert: mögliche Operationsschritte zur<br />
Retropositionierung der Spitze (b).<br />
Abb. 12_ Patientin mit überprojizierter Spitze durch Flügelknorpelhyperplasie (a) prä- und (b) vier Jahre postoperativ. Retropositionierung durch Interrupted-strip-Technik<br />
(Abb. 13a–d).<br />
Abb. 13a<br />
Abb. 13 a–d_Offener Zugang.<br />
Abb. 13b Abb. 13c Abb. 13d<br />
_Überlange mediale Schenkel (Columella-Hyperplasie)<br />
Überlange und zwischen der Spina nasalis und der Spitze gespannte mediale Schenkel der Flügelknorpel führen zu typischen Veränderungen<br />
der Alar-Columella-Region. Meist besteht auch eine Hyperplasie des vorderen Septumknorpels. Typisch ist ein verstärkter seitlicher Einblick in die<br />
Nasenlöcher mit Vestibular skin show. Ein harmonischer Double break geht verloren. Der Intermediärschenkel der Flügelknorpel ist verlängert. Das<br />
ist die Ursache für ein überlanges Infratip-Dreieck (Abb. 14).<br />
Abb. 14 Abb. 15<br />
Abb.14_ Überprojektion der Nase durch Columella-Hyperplasie bei überlangen medialen Schenkeln.<br />
Abb.15_ Überprojektion der Nase durch Hyperplasie des dorsalen oder basalen Septumknorpels in dorso-basaler Richtung. Ein stark entwickelter Vomer kann den gleichen<br />
Effekt auslösen.<br />
I61
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
_Hyperplasie des Septumknorpels in dorso-lateraler Richtung oder des Vomer, Polly beak<br />
Eine Hyperplasie des Septumknorpels in dorso-lateraler Richtung führt zu einer Aufrichtung des knorpeligen Nasenrückens. Ursache hierfür<br />
kann einerseits der Septumknorpel, aber auch ein stark entwickelter Vomer sein. Die Spitze verliert durch die Anhebung der Supratip-Region an<br />
Definition und wirkt amorph. Der vordere Septumwinkel steht über dem Tip defining point (Abb. 16a und b).<br />
Ursache eines postoperativen Polly beaks kann eine zu geringe Kürzung des dorsalen Septumknorpels sein. Postoperative Narbenbildung,<br />
besonders bei dicker Haut, kann auch zum Polly beak führen (Abb. 17a und b).<br />
Abb. 16a Abb. 16b Abb. 17a Abb. 17b<br />
Abb. 16_ Patientin (a) prä- und (b) zwei Jahre postoperativ. Deutliche Absenkung des Nasenrückens, Spitzenrotation nach kranial, Deprojektion durch Interrupted-strip-Technik,<br />
Columella strut in offener Technik.<br />
Abb. 17_ (a) Patientin mit Polly beak nach Voroperation vor sieben Jahren. (b) Resultat drei Jahre nach der Revisionsoperation. Absenkung des Nasenrückens, Verminderung der<br />
Projektion über einen endonasalen Zugang (Luxationstechnik). Verbesserung der Spitzendefinition, Supratip beak.<br />
_Hyperplasie des Septumknorpels in kranio-kaudaler Richtung<br />
Ein stark nach kaudal ziehender hyperplastischer Septumknorpel führt zu einem typischen Bild. Meist ist der Knorpel auch in dorso-basaler<br />
Richtung hyperplastisch. Die Spitze ist schlecht definiert. Der vordere Septumwinkel (Supratip point) steht über dem Niveau des Tip<br />
defining points. Die Spitze rotiert nach kaudal, Ptose der Spitze. Es besteht ein ähnlicher Aspekt wie bei der Columella-Hyperplasie durch<br />
überlange mediale Schenkel. Der Unterschied lässt sich durch Palpation des festen kaudalen Septumknorpels im Gegensatz zum membranösen<br />
Septum erkennen. Auch hier besteht eine deutliche Vestibular skin show und ein mangelhafter Double break.<br />
Abb. 19a<br />
Abb. 19b<br />
Abb. 18<br />
_Information<br />
face<br />
Abb. 18_ Überprojektion der Nase durch Hyperplasie des Septums in kranio-kaudaler Richtung.<br />
Abb. 19_ Patientin (a) prä- und (b) vier Jahre postoperativ. Kürzen des Septums, Absenken des Nasenrückens.<br />
Deprojektion und Kranialrotation der Spitze. Der Tip defining point wandert über das Niveau<br />
des Supratip points (vorderer Septumwinkel). Dadurch wird die Spitzendefinition verbessert, Luxationstechnik.<br />
Grafiken aus Behrbohm/Tardy<br />
Essentials of Septorhinoplasty, Thieme 2003<br />
62 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Biostatische endoskopische<br />
Chirurgie des Siebbeins (BES) –<br />
von der Architektur des zentralen Gesichtsschädels<br />
Abb. 2_Die Anatomie des Dr. Tulp,<br />
Rembrandt Harmez van Rijn, 1632.<br />
I63
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 1_Das Siebbein ist der zentrale<br />
anatomische Platzhalter im Mittel -<br />
gesicht.<br />
Abb. 1<br />
Abb. 2a_Emil Zuckerkandl<br />
(1848–1910).<br />
Abb. 2a<br />
_Back to the future<br />
Das Siebbein ist eine anatomische Leichtbaukonstruktion<br />
im zentralen Mittelgesicht. Mit einem<br />
stabilen vertikalen Pfeiler wird die Schädelbasis mit<br />
dem Hirnschädel gegen den Gesichtsschädel mit<br />
dem Vomer, der Prämaxilla und dem Oberkiefer ab -<br />
gestützt (Abb. 1).<br />
Die paarigen Siebbeinlabyrinthe bestehen aus<br />
einem sehr variablen System hauchdünner knöcherner<br />
Zellen, die von respiratorischer Schleimhaut<br />
ausgekleidet sind. Zugleich ist das Siebbein ein<br />
faszinierendes Wunderwerk der Statik. Ein Gerüst<br />
aus horizontalen Streben und Kuppeln hält die Sekret-<br />
und Belüftungsschleusen zwischen den Nasennebenhöhlen<br />
und der Nase offen. Jedes Siebbein<br />
hat einen individuellen Bauplan. Kein Siebbein<br />
gleicht dem anderen. Der Operateur sollte versuchen,<br />
das statische Prinzip dieser „eingehängten<br />
Konstruktion“ zu analysieren, bevor er eingreift und<br />
die Statik mit verschiedenen Zielstellungen verändert.<br />
Die Biostatische Chirurgie des Siebbeins BES basiert<br />
auf dem Konzept der funktionellen endoskopischen<br />
Chirurgie der Nasennebenhöhlen (FESS)<br />
und geht auf die Arbeiten von Walter Messerklinger<br />
aus dem Jahre 1987 zurück. Neu ist die Differenzierung<br />
zwischen den „tragenden Wänden des Siebbeins“<br />
und den nur kompartimentierenden Zellvarianten.<br />
Die BES bietet ideale Voraussetzungen für<br />
die Kombination mit der kathedergestützten Ballondilatation<br />
der Ostien der Stirn-, Kiefer- und<br />
Keilbeinhöhle.<br />
Der Dichter Arthur Schnitzler studierte in Wien<br />
<strong>Medizin</strong> und erinnert sich in seiner Autobiografie<br />
„Jugend in Wien“ lebhaft an Zuckerkandl: „… ein<br />
bleicher junger Mann mit dunklem Spitzbart und<br />
schwarzen Augen, der in seinem Talar völlig einem<br />
von jenen Anatomen glich, wie sie uns von den berühmten<br />
Bildern Rembrandts her vertraut sind und<br />
den bei aller zeitlichen und räumlichen Nähe fast<br />
legendenhaft die Mär von seiner flotten, trink- und<br />
fechtfreudigen durchlebten Burschenschaft umschwebte.“<br />
Zudem stand er in dem Ruf „… sich geraden<br />
Wegs aus irgendeinem Nachtlokal oder vielleicht<br />
gar aus schönen Frauenarmen an sein ernstes<br />
Tagewerk zu begeben, dass er dann lehrend und lernend<br />
mit ungeheurem Fleiß bis in die späten Abendstunden<br />
trieb“ (Abb. 2, 2a).<br />
Dieser intensive Drang nach wissenschaftlicher<br />
Erkenntnis war sicher eine Voraussetzung für sein<br />
Werk „Normale und pathologische Anatomie der<br />
Nase und ihrer pneumatischen Anhänge“ aus dem<br />
Jahre 1882 (Abb. 2b–e). Darin beschreibt er erst -<br />
mals die detaillierte Anatomie des Siebbeins und<br />
aller Nasennebenhöhlen und schuf damit zugleich<br />
64 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 2b_Schnitt durch ein vorderes<br />
linkes Siebbein (koronare Ebene).<br />
Abb. 2c_Schnitt durch das Siebbein-<br />
Zellsystem beidseits (axiale Ebene)<br />
s.f. – Sinus frontalis, c – cellulae<br />
ethmoidalis und horizontale Trabekel,<br />
o.s. – Ostium der Keilbeinhöhle,<br />
S.sph. – Sinus sphenoidalis.<br />
Abb. 2b<br />
Abb. 2c<br />
eine wissenschaftliche Grundlage für deren anatomisches<br />
Verständnis. Zugleich wies er auf Strukturen<br />
und Engstellen mit pathogenetischer Bedeutung<br />
für entzündliche Erkrankungen hin, die noch<br />
heute aktuell sind, z.B. das Infundibulum ethmoidale,<br />
sowie Pneumatisations- und Krümmungsvarianten<br />
der mittleren Muschel (Abb. 3).<br />
_Präoperative Analyse<br />
Jeder Patient mit einer akut-rezidivierenden<br />
Rhinosinusitis erhält eine Nasenendoskopie so -<br />
wie eine Funktionsdiagnostik, bestehend aus einer<br />
Computerrhinomanometrie und einer Olfakto -<br />
metrie. Die Computertomografie zeigt einerseits<br />
pathologische Schleimhautveränderungen, gleich -<br />
zeitig liefert sie eine anatomische Bestandsaufnahme.<br />
Sie zeigt den individuellen Bauplan des Siebbeins<br />
mit allen anatomischen Varianten der Pneumatisierung,<br />
dem speziellen Muster der zellulären und Pfeilersysteme<br />
und topografischen Besonderheiten,<br />
zum Beispiel im Verlauf des N. opticus und der A. carotis<br />
(Abb. 5a–d, 6a–c).<br />
Abb. 2d_Schnitt durch ein rechtes<br />
Siebbein. a – große Concha bullosa,<br />
b – Septumdeviation nach links.<br />
Abb. 2e_Schnitt durch die laterale<br />
Nasenwand. Of – Ostium frontale,<br />
p – Processus uncinatus, b – bulla<br />
ethmoidalis, m – Grundlamelle der<br />
mittleren Muschel.<br />
Abb. 2d<br />
Abb. 2e<br />
I65
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 3_Die Siebbein-Matchbox:<br />
Das Siebbein besitzt vereinfacht die<br />
Größe und Form einer Streichholzschachtel,<br />
die auf der schmalen Seite<br />
steht. Bei einem großen Variantenreichtum<br />
innerhalb des Siebbeins<br />
variiert dessen Breite erheblich. Die<br />
Platzhalterfunktion zur Gewährleistung<br />
von Ventilation und Drainage<br />
der Kiefer- und Stirnhöhle kann aber<br />
durch unterschiedliche Pneumatisationstypen<br />
stark variieren. Die wichtigsten<br />
Platzhalter des vorderen<br />
Siebbeins sind Bulla ethmoidalis (rot)<br />
und die mittlere Nasenmuschel mit<br />
ihrer Grundlamelle, die das Sieb bein<br />
in einen vorderen und hinteren Anteil<br />
unterteilt und dessen Weite stabi -<br />
lisiert. Weitere Zellen: braun – Agger<br />
nasi, grün – Proc. uncinatus, blau –<br />
retrobullöse Zelle, grau und gelb –<br />
hintere Siebbeinzellen, Schatten –<br />
Infundibulum ethmoidale und<br />
Recessus frontalis.<br />
Abb. 4_Topografische Anatomie des<br />
Siebbeins: a) koronare Schnittebene,<br />
b) axiale Schnittebene (Pernkopf aus:<br />
Eduard Pernkopf, Topografische<br />
Anatomie, 4. Band, Urban &<br />
Schwarzenberg, München, Berlin,<br />
Wien, 1957).<br />
Abb. 3<br />
Obwohl die anatomischen Erkenntnisse der einzelnen<br />
Zellformationen des Siebbeins zu pathogenetischen<br />
Überlegungen, einem endoskopischen<br />
Diagnosekonzept und darauf aufbauend zu einer<br />
endoskopischen Operationsstrategie, der FESS<br />
führten, blieben grundlegende Untersuchungen zu<br />
der statischen Funktion der wichtigsten Zellen des<br />
Siebbeins bisher aus. Diese fehlenden Kenntnisse<br />
über die biostastische Bedeutung einzelner wichtiger<br />
Zellformationen des Siebbeins, z.B. der Bulla<br />
ethmoidalis und der mittleren Nasenmuschel haben<br />
zu einem undifferenzierten Umgang mit diesen<br />
Strukturen geführt, die der individuellen Spezifik<br />
der anatomischen Probleme im Einzelfall oft nicht<br />
gerecht wird (Abb. 7). Das Schaffen einer besseren<br />
Ventilation und Drainage als Voraussetzungen einer<br />
Schleimhautreparation ist nur unter Berücksichtigung<br />
biostatischer Gesichtspunkte erreichbar, die<br />
das Siebbein auch postoperativ weit und offen halten.<br />
Ein z.B. operativ erweiterter Stirnhöhlenzugang<br />
bleibt ineffektiv, wenn eine starke Schrumpfungstendenz<br />
des Siebbeins, die mit Lateralisierung der<br />
mittleren Muschel, eventuell sogar Synechiebildung<br />
einhergeht, den Zugang hochgradig stenosiert.<br />
Abb. 4a<br />
Abb. 4b<br />
66 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c Abb. 5d<br />
Abb. 5a_Koronares CT. Koronarer Schnitt in Höhe des vorderen Siebbeins. Die Pneumatisierung erstreckt sich vor allem auf die Laby rinthe, große Bulla ethmoidalis, Schleimhautschwellung<br />
im vorderen Siebbein, im Infundibulum ethmoidale und der Kieferhöhle links. Gering pneumatisierte mittlere Muschel rechts, Concha bullosa. Abb. 5b_Koronares<br />
CT. Koronarer Schnitt in Höhe des vorderen Siebbeins. Die Stirnhöhlen sind bereits angeschnitten. Es zeigt sich eine feinzellige, „wabenförmige“ Pneumatisierung mit Haller’-<br />
schen Zellen im Infundibulum ethmoidale und einer Concha bullosa rechts. Abb.5c_Koronares CT. Schnitt in Höhe des vorderen Siebbeins. Die Pneumatisierung erfolgt im<br />
Wesentlichen durch zwei große Conchae bullosae. Abb. 5d_Axiales CT. Isolierte Schleimhauterkrankung einer retrobullösen Zelle links.<br />
_Indikationen<br />
Heute wird die akut rezidivierende Form der Rhinosinusitis<br />
von der chronischen Rhinosinusitis mit<br />
und ohne Polypen unterschieden. Die BES ist die<br />
Methode der Wahl bei der akut-rezidivierenden<br />
Rhinosinusitis. Bei der chronischen Rhinosinusitis<br />
mit Polypen spielen neben den biomechanischen<br />
Faktoren blockierter Sekretwege in der lateralen Nasenwand<br />
auch immunkompetente T-Lymphozyten<br />
und Mediatorzellen der entzündlichen Reaktion,<br />
z.B. eosinophile Granulozyten, eine große Rolle.<br />
Diese Zellen setzen entzündungsauslösende Zytokine,<br />
z.B. das Major Basic Protein, oder auch freie<br />
Radikale frei. Bei der häufigen Komorbidität von<br />
Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c<br />
Abb. 8<br />
Polyposis nasi, Asthma bronchiale und Analgetikaintoleranz<br />
kommt es zum vermehrten Anfall von<br />
Leukotrienen, einem der potentesten Entzündungsmediatoren<br />
der Schleimhaut. Die klinische Unterscheidung<br />
der einzelnen Formen der Rhinosinusitis<br />
erfordert auch spezielle Operationsstrategien.<br />
Das Entfernen der parietalen Schleimhaut aus<br />
den Nasennebenhöhlen führt zu gravierenden<br />
narbigen Obliterationen. Aus der Ära der Kieferhöhlenradikaloperation<br />
nach Caldwell-Luc sind nahe -<br />
zu vollständige Obliterationen des Cavum maxillae<br />
mit Deformierungen des Oberkiefers und Absenkungen<br />
des Orbitabodens bekannt. Ursache hierfür<br />
sind ty pische Wundheilungs- und Schrumpfungsphänomene<br />
nach Entfernung der Schleimhaut aus<br />
Abb. 7<br />
Abb. 9<br />
Abb. 6a_Die wichtigsten Pneumatisationstypen<br />
des Siebbeins: a) Inter -<br />
lamellärzelle, b) Concha bullosa,<br />
c) große Bulla ethmoidalis.<br />
Abb. 7_Hochgradige Stenose der<br />
vollständig ausgeräumten Siebbeinlabyrinthe<br />
rechts mit erneuter entzündlicher<br />
Exazerbation bei einer Patientin<br />
mit rezidivierender Sinusitis frontalis,<br />
zwei Jahre postoperativ.<br />
Abb. 8_Die Bulla sitzt wie eine Kuppelkonstruktion<br />
auf der medialen<br />
Orbitawand. Eine vollständige Ausräumung<br />
des vorderen Siebbeins führt zu<br />
einer Medialisierungstendenz der Lamina<br />
papyracea und einer Lateralisierung<br />
der mittleren Nasenmuschel.<br />
Eine erhaltene Grundlamelle der Bulla<br />
oder deren cephaler Kuppel wirken<br />
dieser Tendenz entgegen.<br />
Abb. 9_Wundheilungs- und<br />
Schrumpfungsphänomene nach<br />
Entfernung der Schleimhaut aus<br />
dem Siebbein und der Kieferhöhle.<br />
Es kommt zu hochgradigen Steno -<br />
sierungen, Lateralisationen von<br />
Nasenmuschel und<br />
Proc. uncinatus.<br />
Abb. 10a–b_a) CT einer Patientin mit<br />
rezidivierender Rhinosinusitis maxillaris<br />
bds., Septumdeviation und -sporn<br />
links. b) Z.n. Septumplastik, Infundibulotomie<br />
und supraturbinaler Kieferhöhlenfensterung<br />
bds. Die Bulla -<br />
lamelle bds. wurde erhalten (BES),<br />
zwei Jahre postoperativ.<br />
Abb. 10a<br />
Abb. 10b<br />
I67
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 11<br />
Abb. 12<br />
Abb. 13<br />
Abb. 14<br />
Abb. 11_Prinzip der Erweiterung des<br />
Recessus frontalis am Beispiel von<br />
Infundibular- bzw. Agger nasi-Zellen<br />
mit dem gebogenen Dissektor (nach<br />
Behrbohm). Die Grundlamelle (grün)<br />
der Bulla ethmoidalis wird erhalten.<br />
Circa 2mm hinter der Bullalamelle<br />
verläuft meist die A. ethmoidalis<br />
anterior.<br />
Abb. 12_Ethmoidale Infundibulo -<br />
tomie: 1 – mediale Infundibulumwand,<br />
2 – Sichelmesser, 3 – Bulla<br />
ethmoidalis, 4 – Hiatus semilunaris,<br />
5 – Canalis nasolacrimalis, 6 – Concha<br />
media, 7 – Septum nasi,<br />
8 – Agger nasi.<br />
Abb.13_Bullotomie 1 – Septum nasi,<br />
2 – Concha media, 3 – Stanze,<br />
4 – Bulla ethmoidalis, 5 – Recessus<br />
frontalis, 6 – Laterale Nasenwand.<br />
Abb.14_Blick auf die Schädelbasis<br />
nach der Bullotomie. 1 – Septum<br />
nasi, 2 – Concha media, 3 – Bulla<br />
ethmoidalis, 4 – A. ethmoidalis<br />
anterior, 5 – posteriore Bulla-<br />
Lamelle, 6 – Grundlamelle der mittleren<br />
Muschel, 7 – Recessus frontalis,<br />
8 – Recessus terminalis.<br />
dem Siebbein und der Kieferhöhle. Es kommt zu<br />
hochgradigen Stenosierungen, Lateralisationen<br />
von mittlerer Nasenmuschel und Proc. uncinatus<br />
(Abb. 9).<br />
_Schlussfolgerungen<br />
Die endoskopische Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />
hat heute eine breite Indikationspalette. Aus<br />
eigenen Erfahrungen sollte streng zwischen folgenden<br />
Indikationsgruppen unterschieden werden, um<br />
alle Potenzen einer differenzierten Mikrochirurgie<br />
auszuschöpfen und postoperative Stenosierungen<br />
zu vermeiden.<br />
– Die akut-rezidivierende Rhinosinusitis ist durch<br />
entzündliche Exazerbationen meist der Stirnund<br />
Kieferhöhle charakterisiert. Eine vollständige<br />
Ausräumung des vorderen Siebbeins sollte nicht<br />
routinemäßig erfolgen. Hier sollte die Grundlamelle<br />
der Concha media beziehungsweise die Bullalamelle,<br />
beziehungsweise die cephale Kuppel der<br />
Bulla erhalten werden, um eine Stenosierung des<br />
vorderen Siebbeins und des Recessus frontalis zu<br />
vermeiden. Die parietale Mukosa der Lamina papyracea,<br />
der vorderen Schädelbasis und der mittle -<br />
ren Muschel ist zu schonen. Die Erweiterung des<br />
Reces sus frontalis im Sinne eines Typ I – IIb (n. Draf)<br />
gelingt unter Sicht der 45°-Optik gut bei erhaltener<br />
Bullalamelle. Infundibular- und Agger nasi-<br />
Zellen, die den Recessus frontalis verlegen, kön -<br />
nen mit der uncapping the egg-Methode nach<br />
Stammberger in dorsoventraler Präparationsrichtung<br />
entfernt werden. Die Schleimhaut im<br />
Reces sus frontalis muss maximal geschont werden.<br />
Die Grundlamelle der mittleren Nasenmuschel<br />
sollte nur umschrieben trepaniert und nicht<br />
frakturiert werden (Abb. 10a–b, 11).<br />
_Das operative Konzept<br />
Ethmoidale Infundibulotomie<br />
Standarderöffnung des Siebbeins ist die ethmoidale<br />
Infundibulotomie (n. Stammberger) mit einer<br />
atraumatischen und vollständigen Abtragung des<br />
Proc. uncinatus. Dieser wird an den Polen mit dem<br />
Schaftscherchen scharf abgesetzt.<br />
Nach der Entfernung der lateralen Infundibu -<br />
lumwand wird der Blick auf den überwiegenden<br />
Anteil der Bulla-Vorderwand frei (Abb. 12).<br />
Die Bullotomie<br />
Die Vorderwand der Bulla ethmoidalis wird mit<br />
einem speziellen Instrument, dem Bullotom, oder<br />
dem stumpfen geraden Sauger oder z.B. der Keil -<br />
beinhöhlenstanze (klein) trepaniert. Anteile der<br />
Vorderwand beziehungsweise der Bulla werden in<br />
Abhängigkeit von der Schleimhautpathologie abgetragen<br />
(Abb. 13).<br />
Erweiterung des Recessus frontalis<br />
Entlang der Bullalamelle bzw. der cephalen<br />
Bulla-Kuppel wird der Recessus frontalis aufgesucht<br />
und zunächst mit dem gebogenen Löffel nach<br />
Kuhn-Bolger durch Abtragen von Infundibularbzw.<br />
Agger nasi-Zellen erweitert (Abb. 14, 15).<br />
Je nach beabsichtigtem Ziel der Operation kann<br />
die Stirnhöhle mit der Stirnhöhlenstanze durch Abtragen<br />
von Anteilen des Stirnhöhlenbodens auch<br />
breiter eröffnet werden (Abb. 16).<br />
Diese Probleme können aus eigenen Erfahrungen<br />
bei verschiedenen Indikationen bei der akut-rezidivierenden<br />
Rhinosinusitis umgangen werden.<br />
Mit der biostatischen Siebbeinchirurgie werden<br />
übersichtliche Drainage-Wege im Siebbein angelegt.<br />
Ballondilatation & Hybridoperation<br />
Entlang der erhaltenen statischen Lamellen,<br />
zum Beispiel der Bullalamelle, kann in gleicher Sitzung<br />
die Ballon dilatation erfolgen: Hierbei wird ein<br />
Führungskatheder durch das Siebbein unter en -<br />
doskopischer Kontrolle vor dem jeweiligen Ostium<br />
platziert. Unter radiolo gischer Kontrolle wird ein<br />
flexibler Führungsdraht in den Sinus vorgeschoben.<br />
Danach wird der Ballonkatheder über den<br />
Führungsdraht genau in der zu erweiternden Engstelle<br />
platziert. Durch eine kontrollierte Füllung des<br />
Ballons erfolgt die Dilatation der knöchernen Engstelle<br />
(Abb. 17, 18).<br />
68 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 15 Abb. 16<br />
_Indikationen<br />
– Akut rezidivierende Sinusitiden<br />
– Barosinusitiden<br />
– Empyeme<br />
– Hybridoperationen (BES & Ballondilatation)<br />
– Gerinnungsstörungen und Allgemeinerkrankungen,<br />
die die OP-Fähigkeit ausschließen<br />
– Re-Stenosierungen<br />
_Zusammenfassung<br />
Die endoskopische Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />
kann nur dann effizient eingesetzt werden,<br />
wenn ausgehend von der konkreten Anamnese und<br />
der Binnenanatomie des Siebbeins im CT ein opera -<br />
tiver Plan erstellt wird, der die statische Funktion<br />
der wichtigsten Siebbeinstrukturen einschließt.<br />
Eine nur auf Ausräumung orientierte Sanierungschirurgie<br />
wird den Problemen bei der akut-rezidivierenden<br />
Rhinosinusitis nicht gerecht und kann<br />
sogar die Engstellenprobleme verstärken.<br />
Biometrische Messerergebnisse liegen vor und<br />
werden gegenwärtig mathematisch bewertet und in<br />
Kürze publiziert._<br />
_Co-Autoren<br />
Sebastian Winter<br />
OA Dr. C. Dalchow<br />
OA Dr. H. Birke<br />
Berlin, www.imwe-berlin.de<br />
face<br />
Abb.15_Erweiterung des<br />
Recessus frontalis mit dem Löffel.<br />
Abb.16_Abtragen des<br />
Stirnhöhlenbodens mit der Stanze.<br />
Abb. 17_Ballondilatation der<br />
rechten Stirnhöhle.<br />
Abb. 18_Platzieren des<br />
Führungs katheders im Siebbein.<br />
Abb. 17<br />
Abb. 18<br />
I69
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
„swinging double door“<br />
Eine neue Technik der biostatischen und<br />
endoskopischen Chirurgie der Nasenscheidewand<br />
www.vincentmosch.de<br />
Die Septumplastik ist eine der häufigsten Operationen in der HNO. Sie erfolgt aus funktioneller Indikation, ist aber auch der<br />
Schlüssel zur funktionell-ästhetischen Chirurgie der Nase. Es wird eine neue Philosophie der Septumplastik vorgestellt, die<br />
von einem Gefüge abhängiger anatomischer Bausteine der medialen Nasenwand ausgeht. Das Septum nasi ist dabei nur<br />
die „Knautschzone“ biotektonischer Relativbewegungen und Spannungen. Eine adäquate befundorientierte Mikrochirurgie<br />
ist heute ohne den Einsatz von Endoskopen nicht mehr zeitgemäß!<br />
_Die Septumplastik ist eine der häufigsten Operationen<br />
in der HNO-Heilkunde.<br />
Eine Analyse der Ausgangsbefunde, der Operationstechnik<br />
und der operativen Zugänge von 1.016<br />
Operationen in einem Zeitraum von 24 Monaten<br />
(1.9.06 bis 1.9.08) führte zu folgenden Ergebnissen<br />
und der Formulierung einer neuen chi rurgischen<br />
Strategie.<br />
– In 58% der Patienten fanden sich Strömungshindernisse<br />
im hinteren knöchernen Anteil der Nasenscheidewand<br />
und nicht allein im Bereich des<br />
vorderen knorpeligen Septums.<br />
– In 36% fand sich eine Doppelstenose, die in 29%<br />
beide Seiten betraf.<br />
– 72% der Operationen erfolgten endoskopisch.<br />
– Die endoskopische Analyse zeigt die Pathogenese<br />
einzelner Deviationen und ist eine gute Voraussetzung<br />
einer gezielten operativen Korrektur.<br />
_1. Geschichtlicher Rückblick<br />
Die erste submuköse Resektion des Septum nasi<br />
wurde 1867 von Lienhardt für Korrekturen des vor -<br />
deren Septums beschrieben. Hartmann (Abb. 1) und<br />
Petersen erweiterten die Methode für Deviationen<br />
auch im hinteren Teil des Septums.<br />
Der Zugang erfolgte über eine horizontale und<br />
vertikale Inzision der Schleimhaut auf der deviierten<br />
70 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Seite. Hauptproblem auch bei Weiterentwicklungen<br />
der Methode, z.B. durch Trendelenburg, war die<br />
schlechte Übersicht wegen der starken Schleimhautblutung.<br />
Rethi (1890) verwendete deshalb Kokain lokal.<br />
Killian (Abb. 2) unterspritzte beide Schleimhautblätter<br />
mit einer Kokain-Adrenalin-Lösung und löste<br />
die Schleimhaut auf beiden Seiten vom Knorpel und<br />
entwickelte die Technik der submukösen Septumresektion.<br />
Das Prinzip war eine großflächige Resektion<br />
des Septumknorpels unter Belassung einer dorsalen<br />
und kaudalen Restspange. Vom knöchernen Septum,<br />
also von der Lamina perpendicularis des Os ethmoidale<br />
und vom Vomer, wurden die Anteile entfernt, denen<br />
eine Beeinträchitigung der Nasenatmung zuerkannt<br />
wurde.<br />
Das Prinzip der submukösen Resektion wurde<br />
aufgegeben, weil das zu großzügige Opfern von<br />
gesundem Knorpel aus dem vorderen Septum zu<br />
prinzipiellen Spätfolgen führte. Die Zerstörung der<br />
Stützfunktion des Septums zwischen Rhinion (key<br />
stone area) und Spina nasalis anterior führte oft zum<br />
Einsinken des knorpeligen Nasenrückens und der<br />
Columella mit den funktionellen und ästhetischen<br />
Problemen der Sattelnase und der „hidden colu–<br />
mella“. Generell neigt die Schleimhaut ohne knorpe–<br />
lige Stützfunktion des Septumknorpels zur Atrophie<br />
und Austrocknung. Obwohl die Septumblätter median<br />
stehen und die Nase weit erscheint, bleibt das<br />
sub jektive Gefühl der behinderten Nasenatmung<br />
durch die Rhinitis sicca. Dazu kommt das Problem des<br />
„Septumflatterns“ bei forcierter Atmung und Phonation<br />
und die Gefahr einer Perforation.<br />
Maurice Cottle (1948) schuf mit einer auf maximalen<br />
Knorpelerhalt orientierten Operation eine Alternative<br />
zur Septumoperation nach Killian, die der<br />
statischen Funktion des Septumknorpels besser entsprach.<br />
Nach Darstellen der Septumvorderkante wird<br />
das Mukoperchondrium in Form eines oberen Tunnels<br />
links und unterer Tunnel beidseits unterminiert.<br />
Die Schleimhaut wird auf der rechten Seite des Sep -<br />
tumknorpels nicht ausgelöst. Das ermöglicht eine<br />
gute Mobilisierung des Septums. Die klassische Operation<br />
nach Cottle wurde inzwischen ständig modifiziert.<br />
Im Sprachgebrach ist heute der Begriff Septumplastik<br />
nach Cottle jedoch mehr Synonym für eine<br />
knorpelerhaltende Septumchirurgie, denn die klas -<br />
sische Operation des „The Maxilla-Premaxilla. Approach<br />
to Extensive Nasal Septum Surgery“ wird<br />
heute weder damit gemeint noch ausgeführt.<br />
_2. Funktionelle Anatomie des<br />
Septum nasi und medialen Nasenwand<br />
Das Septum nasi ist nur ein flächenmäßig kleiner<br />
Teil einer komplexen anatomischen Struktur. Aus klinischer<br />
Sicht erscheint es besser, von der medialen<br />
Nasenwand (Abb. 3) zu sprechen. Genau wie die la -<br />
Abb. 1 Abb. 2<br />
terale Nasenwand besteht die mediale Nasenwand<br />
aus einem anatomischen Gefüge verschiedener knöcherner<br />
und knorpeliger Strukturen: der Lamina perpendicularis<br />
des Os ethmoidale, dem Vomer, der<br />
Spina nasalis posterior, der Sutura palatina transversa,<br />
der Maxilla mit der Spina nasalis anterior, dem<br />
Os incisivum, der kranialen Kante der Apertura piriformis<br />
nasalis anterior und dem Cartilago quadran -<br />
gularis. Innerhalb dieser Elemente kommt es zu Relativbewegungen<br />
und Verschiebungen. Das Septum<br />
nasi dient zudem der Aufhängung der Seitenknorpel<br />
und gewährleistet die feste Verbindung der knorpeligen<br />
Nase mit dem Gesichtsschädel.<br />
Die sogenannte Septumplastik ist eine anspruchsvolle,<br />
letztlich plastische Operation, die ein<br />
echtes Feeling für den Erhalt und die Umorientierung<br />
von Gewebe erfordert. Darüber hinaus ist eine erfolgreiche<br />
Korrektur von Achsenfehlstellungen der<br />
Nase ohne das Nutzen aller Möglichkeiten der Chi -<br />
rurgie der medialen Nasenwand unmöglich. „Where<br />
the septum goes there goes the nose“, fasste Gustave<br />
Aufricht sehr treffend zusammen. Sicher können mit<br />
der Septumoperation allein nicht alle Fehlstellungen<br />
Abb. 3<br />
Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />
Abb.1_Arthur Hartmann<br />
(1849–1931)<br />
Er galt als begnadeter Operateur und<br />
übernahm 1902 als „dirigierender<br />
Arzt“ die erste städtische HNO-Abteilung<br />
in Berlin, entwickelte z.B. das<br />
Hartmann-Zängelchen und das nach<br />
ihm benannte Reformbrot. Er stellte<br />
die Baumwollfabrik des Vaters nach<br />
seiner freiwilligen Teilnahme am<br />
deutsch-französischen Krieg<br />
1870/71 auf die Produktion von Verbandsstoffen<br />
um. Noch heute ist die<br />
Paul Hartmann AG ein wichtiger Produzent<br />
von Verbandsstoffen.<br />
Abb. 2_Gustav Killian (1860–1921)<br />
Sein Hauptarbeitsgebiet war die<br />
Endoskopie in der HNO. Er ist der<br />
Begründer der Bronchoskopie und<br />
Schwebelaryngoskopie. Dafür wurde<br />
er für den Nobelpreis vorgeschlagen,<br />
starb aber zuvor an den Folgen einer<br />
Bauchoperation.<br />
Maurice H. Cottle (1896–1981)<br />
Cottle wurde in England geboren und<br />
kam 1913 mit einem Auswandererschiff<br />
nach New York. Zunächst erteilte<br />
er dort Musik- und Mathematikunterrricht.<br />
Nach seinem <strong>Medizin</strong> -<br />
studium ging er nach Chicago und<br />
widmete sich mit Hingabe der Rhinologie,<br />
entwickelte die damals revolutionäre<br />
Technik der Nasenchirurgie<br />
und zahlreiche Instrumente.<br />
Abb. 3_Grafische Darstellung der<br />
knorpelig-knöchernen Struktur der<br />
medialen Nasenwand im Gesichtsschädel:<br />
blau/hellblau – C. quadrangularis,<br />
gelb – Vomer, violett – L. perpendicularis.<br />
Die Pfeile zeigen die<br />
Vektoren der häufigsten „tektonischen<br />
Verschiebungen“.<br />
I71
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 4_Die häufigsten Typen der Deviation<br />
des C. quadrangularis :<br />
Wenngleich eine Vielzahl von Fehlstellungen<br />
der Nasenscheidewand<br />
möglich sind, so begegnen uns vereinfacht<br />
drei Typen am häufigsten.<br />
a) Das Septum ist in dorso-basaler<br />
Richtung zu lang. Als Überschuss -<br />
bildung mit einer Hyperplasie des<br />
Dreiecks-, oft auch des Flügel -<br />
knorpels, findet sich diese Situation<br />
oft bei überprojizierten und funktionellen<br />
Spannungsnasen.<br />
b) Die Verbindung zwischen dem<br />
Vomer und dem basalen Septumknorpel<br />
ist phylogenetisch eine Zone<br />
„tektonischer Unruhe“. Ursprünglich<br />
war sie als Artikulation angelegt. Bereits<br />
geringes Wachstum bzw. Vorwärtsbewegungen<br />
des Vomer, meist<br />
in der Pubertät, führen wegen seiner<br />
Keilform unter dem Septumknorpel<br />
zur Anhebung des knorpeligen Nasenrückens<br />
oder zu den charakteristischen<br />
Vomerleisten, die von kaudalventral<br />
nach kranial-dorsal aufsteigen.<br />
Vor der Pubertät finden sich die<br />
typischen Devitionen nur sehr selten.<br />
c) Das Septum ist in kranio-kaudaler<br />
Richtung zu lang. Diese Situation findet<br />
sich oft bei Subluxationen oder<br />
Achsenfehlstellungen (z.B. bei knorpeligen<br />
Schiefnasen) und geht mit<br />
zwei obstruktiven Engstellen der<br />
Nasenatmung einher.<br />
Pfeile: Doppelstenose durch Ab -<br />
lenkung des Septums in beide<br />
Richtungen.<br />
Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c<br />
beherrscht werden, aber ohne sie geht gar nichts.<br />
Das gilt in gleicher Weise für die funktionelle Spannungsnase,<br />
die Rekonstruktion von Sattelnasen<br />
und die Korrektur knorpeliger Schiefnasen. Hier ist<br />
der gezielte Abbau von Spannungen oder der stabile<br />
Aufbau des Septums der Schlüssel zum Erfolg der<br />
Operation.<br />
_3. Prä- und intraoperative Analyse<br />
Wichtig ist eine funktionelle und morphologische<br />
Analyse, auf der ein individuelles chirurgisches Konzept<br />
aufgebaut wird. Da die Variationsbreite der<br />
Deviationen groß ist (Abb. 4 und 5) – müssen auch<br />
verschiedene Operationstechniken zur Anwendung<br />
kommen, nicht eine uniforme Septumplastik. Je weniger<br />
Trauma, desto weniger Probleme in der Wundheilung<br />
und Risiken eines Desasters. Deshalb ist der<br />
Umorientierung und dem „Trimmen“ deviierter Anteile<br />
immer der Vorzug vor einer Austausch- oder externen<br />
Septumplastik zu geben.<br />
Funktionsdiagnostik<br />
Hier hat sich die hochauflösende Computerrhinomanometrie<br />
mit Abschwelltest nach Vogt bewährt.<br />
Sie misst den narinochoanalen Flow (ccm/sec) und<br />
ermöglicht eine Differenzierung zwischen anatomischen<br />
Fehlstellungen und Schleimhautschwellungen.<br />
Endoskopie<br />
Die präoperative Nasenendoskopie vom Naseneingang<br />
bis zur Choane ist die beste Möglichkeit<br />
der Analyse anatomischer Probleme. Funktionelle<br />
Störungen, wie<br />
zum Beispiel Aspirationsphänomene<br />
der<br />
Flügelknorpel oder Stenosen<br />
der Nasenklappe,<br />
können bei der Atmung be ur -<br />
teilt werden können.<br />
Bob Brown, Chicago<br />
Palpation<br />
Die äußere und innere Palpation des Nasenseptums<br />
geben einige Informationen zur Spannung<br />
bzw. „Verspannung“ des Septums und zur Elastizität<br />
und Dicke des Knorpels. Dazu gehören z.B. die Prüfung<br />
der Protektion durch Fingerdruck auf die<br />
Nasenspitze, die Prüfung des Widerstandes im vor -<br />
deren Septumwinkel (Supratip-point), die Prüfung<br />
auf Luxation des Septums durch Kranialbewegung<br />
der Spitze.<br />
Intraoperative Endoskopie<br />
Nach Anlegen der Schleimhauttunnel sollten<br />
diese mit dem Endoskop abgefahren werden. Es zeigen<br />
sich die anatomischen „Druckstellen“ und „tektonischen<br />
Aufwerfungen“ und die konkreten Gren -<br />
zen zwischen den anatomischen Bausteinen (Abb. 6).<br />
Dynamics of Septoplasty<br />
Es hat sich gezeigt, dass in Analogie des Begriffs<br />
der dynamics of Rhinoplasty von M. E. Tardy dieses<br />
Prinzip auch für die Septumplastik sinnvoll ist. Tatsächlich<br />
bleibt trotz sorgfältiger präoperativer Analyse<br />
offen, welche Auswirkungen z.B. eine basale<br />
Septumkürzung um einen Streifen von 3mm hat. Die<br />
Tragfähigkeit des entspannten Knorpels kann nur<br />
Abb. 5_CT-Bild koronar und axial:<br />
Sichtbar ist die Zone der „tektonischen<br />
Aufrichtung“ eines Septum -<br />
sporns zwischen Os ethmoidale und<br />
C. quadrangularis.<br />
Abb. 6_Blick mit der 0°-Optik, 3mm<br />
KARL STORZ, Tuttlingen, in einen<br />
linken oberen Schleimhauttunnel mit<br />
dem „Scheitelpunkt“ der Deviation<br />
vor dem Übergang knorpelig/<br />
knöchernes „Septum“.<br />
Abb. 5 Abb. 6<br />
72 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 7a–b_Schematische Dar -<br />
stellung des Prinzips der swinging<br />
Abb. 7a<br />
Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />
Abb. 7b<br />
Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />
double door in zwei Ebenen: a) vordere<br />
Tür, b) hintere Tür. Der vertikale<br />
Schnitt durch den Septumknorpel<br />
belässt die Verbindung zur K-stone<br />
area. Ebenso bleibt die kraniale<br />
L. perpendicularis erhalten.<br />
intraoperativ beurteilt werden. Daher sollte die Auswirkung<br />
jedes Operationsschrittes auf die Nase geprüft<br />
und danach, davon abhängig, der nächste geplant<br />
werden.<br />
_4. Die swinging double door-Technik<br />
Pathogenese<br />
Für Deviationen des Septum nasi können zwei<br />
unterschiedliche Pathomechanismen angenommen<br />
werden (Abb. 7a–b).<br />
a) Extrinsische Faktoren<br />
Die Nasenscheidewand besteht aus einem ana -<br />
tomischen Gefüge von Knorpel und Knochen. Diese<br />
spannen für den Septumknorpel einen Rahmen. Verschiebungen<br />
und Verspannungen dieses knöchernen<br />
Rahmens verformen und verspannen auch den Sep -<br />
tumknorpel. Es ist auffällig, dass die Inzidenz typischer<br />
Sep tumdeviationen im Kleinkindesalter gering ist. In<br />
der Pubertät kommt es zu „tektonischen Umbrüchen“<br />
und Verschiebungen besonders der am Aufbau des<br />
Septums beteiligten Knochen zueinander und erst danach<br />
werden Deviationen des knorpeligen und knöchernen<br />
Septums zu einem häufigen Befund. Der<br />
pflugscharförmige Vomer wird in dieser Phase nach<br />
vorn gedrängt und führt zu verschiedenen typischen<br />
„Verwerfungen“.<br />
b) Intrinsische Faktoren<br />
Dabei liegt die Ursache einer meist knorpeligen Deviation<br />
in einer Verbiegung, Torquierung oder Verspannung<br />
des Septumknorpels. Im einfachsten Fall<br />
ist der Knorpel einfach in dorso-basaler oder kraniokaudaler<br />
Richtung zu lang.<br />
c) Operationstechnik<br />
Der Zugang erfolgt über einen Hemitransfixionsschnitt<br />
oder Intermediärschnitt. Bei vorderen Deviationen<br />
erfolgt das Kürzen des basalen Septumknorpels<br />
und ggf. das Abtragen knöcherner Leisten. Anschließend<br />
wird etwa 3mm vor der Vorderkante der L. perpendicularis<br />
der Septumknorpel stumpf in vertikaler<br />
Richtung durchtrennt. Die Endoskopie des hinteren<br />
Abb. 8<br />
Abb. 8_Veränderung der Knorpelspannung<br />
mit der Knorpelquetschzange.<br />
Abb. 9_Reimplantation extern<br />
begradigter Anteile der medialen<br />
Nasenwand.<br />
Abb. 10_Situation bei der endo s -<br />
kopischen Operation der medialen<br />
Nasenwand.<br />
Abb. 9 Abb. 10 www.vincentmosch.de<br />
I73
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 11<br />
Abb. 11_Zugänge, 1 – Hemitransfixionsschnitt,<br />
2 – Hinterer Hemitransfixionsschnitt,<br />
endoskopisch,<br />
3 – Horizontale Inzision bei Bodenleisten,<br />
4 – Intermediärschnitt.<br />
Tunnels entscheidet über das weitere Vorgehen. Die<br />
swinging door wird zur rechten Seite geschlagen und<br />
das „knöcherne Septum“ dargestellt. In der Regel wird<br />
der Vomer und die kaudale Hälfte der Lamina perpendicularis<br />
durch horizontale Einschnitte durchtrennt,<br />
mobilisiert, neuorientiert oder ganz oder teilweise<br />
entnommen, extern begradigt und reimplantiert. Das<br />
Vorgehen zielt auf die Trennung von extrinsischen und<br />
intrinsischen Ursachen einer Deviation, um beide separat<br />
adäquat zu behandeln.<br />
_5. Tipps und Tricks<br />
Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />
Obere Passage<br />
Bei Deviationen des basalen Septumknorpels empfiehlt<br />
sich eine sogenannte „obere Passage“. Dabei erfolgt<br />
die Ablösung des Mukoperichondriums oberhalb<br />
des basalen Septums, immer bevorzugt auf der konkaven<br />
Seite der Deviation.<br />
Hinterer Einstieg<br />
Von der oberen Passage aus kann das Mukoperichondrium<br />
von posterior nach anterior unterminiert<br />
werden, was wesentlich einfacher gelingt.<br />
Basale Streifenresektion<br />
Die Resektion eines schmalen Knorpelstreifens in<br />
horizontaler Richtung geschieht aus zwei Gründen:<br />
– Mobilisierung des Septumknorpels im Rahmen des<br />
Zugangs<br />
– Beurteilung der intrinsischen Biegungseigenschaften<br />
des Septumknorpels.<br />
Bei moderaten Deviationen lässt sich durch eine<br />
Lösung des anatomischen Gefüges aus Vomer, Lamina<br />
perpendicularis und Cartilago quadrangularis<br />
und Kürzungen z.B. des basalen Septums schon eine<br />
spannungsfreie Medianpositionierung des Septums<br />
erreichen.<br />
Achtung: Immer das „hintere Septum“ beurteilen,<br />
am besten endoskopisch. Es ist oft der Ort der nasalen<br />
Obstruktion. Grate und Sporne können einfach entfernt<br />
werden. Flachbogige Deviationen des Sep -<br />
tumknorpels sind weitaus schwieriger zu behandeln,<br />
denn sie erfordern eine Umorientierung der intrin -<br />
sischen Knorpelorientierung. Dazu dient das sogenannte<br />
Trimmen.<br />
Trimmen<br />
Darunter wird eine Umorientierung der Spannung<br />
des Septumknorpels durch gezielte Maßnahmen<br />
verstanden. Dazu kann der Knorpel gekürzt, geritzt,<br />
gequetscht, komplett inzidiert oder durch<br />
„cross hatching“ bearbeitet werden. Leider erfüllt<br />
sich die Vorstellung selten, dass ein deviierter Knor -<br />
pel durch inkomplette Inzisionen auf der konkaven<br />
Seite dauerhaft aufgerichtet werden kann. Narbige<br />
Kontrakturen lenken den Knorpel erneut auf die<br />
deviierte Seite aus. Mit durchgreifenden Trimmnähten<br />
kann in der postoperativen Heilungsphase die -<br />
ser Tendenz entgegengewirkt werden. Die Ritzungen<br />
führen zudem zu einer Schwächung der Statik<br />
des Knorpels. Vereinfacht gesagt, ist operativ bear -<br />
beiteter Knorpel durch Ritzungen weniger tragfähig.<br />
Effektiv und mit langfristigem Effekt sind vertikale<br />
Durchtrennungen des deviierten Knorpels an den<br />
„Scheitelpunkten“ der Deviation. Die fragmentierten<br />
Knorpelplatten können dann spannungsfrei neue<br />
median ausgerichtet werden.<br />
Boomerang<br />
Bei hochgradigen Deviationen, insbesondere<br />
mit Vernarbungen nach Voroperationen, Traumata,<br />
Knorpelfrakturen, Hämatomen oder Brüchen oder bei<br />
Knorpel-Defekten des Septumknorpels mit erhaltener<br />
Septumvorderkante sollte eine möglichst breite boomerangförmige<br />
Knorpelspange erhalten werden.<br />
Knorpeltransplantate<br />
Unterschiede bestehen in den statischen und elastischen<br />
Eigenschaften. Ohrknorpel fasert viel schneller<br />
aus. Septumknorpel sollte nie gecrasht werden,<br />
weil dadurch ein Brei mit unkalkulierbaren Eigenschaften<br />
in der Wundheilungsphase entsteht, der zudem<br />
meist völlig oder teilweise resorbiert wird. Die dosierte<br />
Kompression des Knorpels mit der Knorpelquetschzange<br />
KARL STORZ erlaubt eine differenzierte,<br />
dosierte Veränderung der Knorpelausrichtung. Sep -<br />
tumknorpel ist hierfür besonders geeignet (Abb. 8). Es<br />
werden Knorpeltransplantate erster bis dritter Wahl<br />
unterschieden: (1. Wahl – Septumknorpel, 2. Wahl –<br />
Conchaknorpel, 3. Wahl – Rippenknorpel).<br />
Austauschplastik<br />
Die Indikation zur Austauschplastik besteht bei<br />
schweren Deformierungen des vorderen Septums,<br />
Knorpeldefekten, einer fehlenden Protektion der Na-<br />
74 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
senspitze, Einsattelungen der Supratip-Region meist<br />
nach Trauma, Voroperationen, Rhinitis sicca. Der Zugang<br />
erfolgt über den Hemitransfixionsschnitt. Es erfolgt<br />
die vollständige Ablösung des Mukoperichondriums<br />
durch Bilden zweier oberer und unterer Tunnel.<br />
Dabei wird der Septumknorpel und der knöcherne Vomer<br />
und die Lamina perpendicularis dargestellt. Im<br />
Prinzip wird der vordere Knorpel durch Anteile des<br />
hinteren Septumknorpels aus getauscht. Ist nicht genügend<br />
hinterer Septumknorpel vorhanden, so wird<br />
Knorpel aus den Cavum conchae oder dem Tragus oder,<br />
was seltener notwendig, aus der Rippe entnommen.<br />
Extrakorporale Septumkorrektur<br />
Dieses Verfahren nach Gubisch ist bei „schwierigen<br />
Septen“, z.B. bei Voroperationen mit ausgedehnten<br />
Knorpeldefekten und Verbiegungen des Restseptums<br />
oft in Kombination mit äußeren Fehlstellungen indiziert.<br />
Knorpelige und knöcherne Anteile der medialen<br />
Nasenwand werden entnommen und extern begradigt<br />
und z.B. unter Verwendung von Speadergrafts<br />
zu einem Neoseptum aufgebaut, an welchem auch<br />
die Dreiecksknorpel befestigt werden (Abb. 9).<br />
Foliengeschiente Septumrekonstruktion<br />
Ein mosaikförmiger Aufbau des Septums ist durch<br />
Aufnähen einzelner Fragmente auf einem PDS-Gitter<br />
sinnvoll, die Methode hat sich bewährt und wurde<br />
von Boenisch beschrieben. Eine Verkleinerung der<br />
Menge des zu resorbierben Materials ist sinnvoll.<br />
_6. Die endoskopische Operation der<br />
medialen Nasenwand<br />
Die endoskopische Septumplastik erfolgte anfänglich<br />
nur als flankierende Maßnahme im Rahmen<br />
einer endoskopischen Operation des Siebbeins bzw.<br />
der Nasennebenhöhlen. Die Vorteile bei der intraoperativen<br />
Analyse, Befunddarstellung und Präparation<br />
haben sie zu einer Technik auf dem Vormarsch gemacht<br />
(Abb. 10). Insbesondere bei Nutzung einer Vi -<br />
deokette entstehen völlig neue Welten einer befundorientierten<br />
Mikrochirurgie.<br />
Dabei können die in Abbildung 11 gezeigten Zugänge<br />
genutzt oder eine Kombination mit dem gewohnten<br />
Hemitransfixionsschnitt verwendet werden.<br />
Es kann heute zwischen der endoskopischen Septumplastik<br />
über einen Hemitransfixionsschnitt und der<br />
flankierenden Septumplastik über spezielle Zugänge<br />
unterschieden werden.<br />
Schleimhautinzisionen<br />
a) Posteriorer endoskopischer Hemitransfixionsschnitt<br />
– Die Technik der posterioren Hemitransfixion ist<br />
die einfachste und meist verwendete Technik<br />
(siehe Abb. 11).<br />
Umschriebene Leisten- oder Spornbildungen<br />
können mit einer minimalinvasiven endoskopischen<br />
Operationstechnik abgetragen werden. Die selektive<br />
Abtragung von Leisten- oder Spornbildungen im<br />
Bereich des Septumknorpels oder der Lamina per -<br />
pendicularis erfolgt über verschiedene Inzisionen der<br />
Mukosa auf der deviierten Seite. Mit für die endosko -<br />
pische Chi rurgie der medialen Nasenwand geschaffenen<br />
speziellen Dissektoren nach Behrbohm wird das<br />
Mukoperichondrium auf beiden Seiten des Knorpels<br />
bzw. der Lamina perpendicularis und des Vomer gelöst<br />
und abgeschoben.<br />
Achtung: Schleimhautverletzungen, auch kleine<br />
korrespondierende Inzisionen sind an dieser Stelle<br />
Abb. 12a_Anlegen des oberen<br />
Tunnels rechts nach Hemitrans -<br />
fixionsschnitt.<br />
Abb. 12b_Einstieg für die endoskopische<br />
Operation über den Hemitransfixionschnitt.<br />
Abb. 13a–b_Endoskopische Dar -<br />
stellung und Abtragung einer horizontalen<br />
Bodenleiste.<br />
Abb. 12a<br />
Abb. 13a<br />
Abb. 12b<br />
Abb. 13b<br />
I75
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
c) Intermediärschnitt<br />
– Diese Inzision ermöglicht eine intermediäre<br />
Vereinigung beider oben genannter Schnittführungen<br />
und die simultane Entfernung z.B.<br />
eines hinteren Septumsporns und einer basalen<br />
Leiste.<br />
Abb. 14<br />
Abb. 14_Schematische Darstellung<br />
der flankierenden endoskopischen<br />
„Septum-Operation“.<br />
Abb. 15_Anatomische Interaktion<br />
von Nasenscheidewand und Flügel-<br />
Dreiecksknorpel in einer schematischen<br />
Ansicht der Nasenbasis.<br />
Abb. 15<br />
Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />
Bob Brown, Chicago<br />
kaum reparabel. Das erfordert eine sehr genaue und<br />
atraumatische Präparation in der richtigen Schicht.<br />
Die deviierten Anteile werden dann mit der Septumschere<br />
basal und dorsal umschnitten und entnommen.<br />
Das entnommene Fragment wird entgratet und<br />
mit der Knorpelquetschzange begradigt und reimplantiert.<br />
Die Schleimhaut wird möglichst genau<br />
adaptiert.<br />
b) Horizontale Inzision parallel zum Nasenboden<br />
– Diese Inzision ist bei basalen Leisten, meist verursacht<br />
durch einen überlangen basal nach lateral<br />
ausweichenden vorderen Septumknorpel<br />
bzw. den Vomer oder eine promonente Prämaxilla<br />
indiziert. Mit der 15er-Klinge erfolgt die<br />
Inzision des Mukoperichondrium cephal der<br />
Leiste. Der Schleimhautlappen wird von dorsal<br />
nach basal abgelöst und bleibt unbedingt basal<br />
bestielt. Bei geschickter Führung des Hohlmeißels<br />
kann die Abtragung der Leiste mit Hammer<br />
und Meißel erfolgen, ohne eine Perforation der<br />
Schleimhaut der Gegenseite zu riskieren.<br />
d) Hemitransfixionsschnitt und endoskopische Präparation<br />
Nach eigenen Erfahrungen erleichtert das Anlegen<br />
zweier oberer und unterer Tunnel die kombinierte<br />
Operationstechnik mit dem Zugang über einen Hemitransfixionsschnitt<br />
mit anschließender endoskopischer<br />
Analyse und Präparation. Am Ende der Opera -<br />
tion erfolgt die Fixierung der Schleimhautblätter mit<br />
durchgreifenden Matratzennähten, um kein erhöhtes<br />
Risiko von Septumhämatomen in Kauf nehmen zu<br />
müssen (Abb. 12–13).<br />
Die endoskopische Septumoperation bietet mehrere<br />
Vorteile:<br />
– exakte Analyse von Pathogenese und Morphologie<br />
der Deviation<br />
– optisch gestützte Präparation in jeder Phase der<br />
Operation<br />
– bessere Übersicht in den hinteren Schleimhaut -<br />
tunneln<br />
– Minimierung des Operationstraumas<br />
– Vergrößerungseffekt bei konstanter Tiefenschärfe<br />
– endoskopische Präparation.<br />
_7. Zusammenfassung<br />
Für die chirurgische Begradigung der medialen<br />
Nasenwand ist ein Konzept sinnvoll, welches der<br />
Dynamik extrinsischer und intrinsischer Faktoren des<br />
antomischen Gefüges entspricht und über einen vorderen<br />
und hinteren Einstieg eine Korrektur in alle Anteile<br />
gewährleistet. Feinheiten in der Pathogenese<br />
lassen sich am besten endokopisch analysieren. Aus<br />
eigenen Erfahrungen stellt die endoskopische biostatische<br />
Chirurgie der medialen Nasenwand eine geeignete<br />
Alternative zu den bisherigen Ver fahren dar._<br />
_Literaturliste<br />
face<br />
Behrbohm H, Tardy, M E:<br />
Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase,<br />
Thieme 2003, 244 Seiten<br />
Behrbohm H, Hildebrand T, Kaschke O:<br />
Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase,<br />
Endopress Tuttlingen, 2000, 94 Seiten<br />
Hildebrandt T, Behrbohm H:<br />
Functional esthetic surgery of the nose.<br />
The influence of the Septum on the aesthetics of<br />
the nasal tip. Mediaservice, Karl Storz, 2000,<br />
multimediale DVD<br />
76 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Der schwierige<br />
Aufstieg zum K2<br />
Intracavitäre Minimalinvasive Chirurgie der Nasennebenhöhlen – ICMIC<br />
Die ICMIC ist eine Variante der Biostatischen Chirurgie. Es wird über neue Möglichkeiten der endoskopischen Chirurgie der<br />
Stirn- und Kieferhöhle sowie in der Traumatologie des Mittelgesichtes berichtet.<br />
_Nachdem die Frage der Lokalisation und Dimensionierung<br />
optimaler Zugänge zu den einzelnen Sinus<br />
als geklärt gelten kann, besteht ein weiteres Ziel darin,<br />
möglichst viele Probleme innerhalb der Kavitäten<br />
auch über diese Wege zu lösen. Eine besondere Herausforderung<br />
sind dabei z.B. weit in die Stirnhöhle ragende<br />
K2-K4-Zellen und Bullae frontalis. Aber auch in<br />
der Traumatologie von Mittelgesichtsfrakturen ergeben<br />
sich neue Optionen.<br />
Die intrakavitäre minimal-invasive Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />
(ICMIS – intracavital minimal invasive<br />
sinus surgery) basiert auf der Philosophie der biostatischen<br />
Siebbeinchirurgie. Einerseits sollen durch<br />
Bewahrung des individuellen Architekturprinzips des<br />
Siebbeins Schrumpfungsphänomene des Siebbeins<br />
vermieden, anderseits aber möglichst alle pathogenetischen<br />
Zellvarianten bei der Erweiterung der Ventilations-<br />
und Drainagewege erfasst werden.<br />
_Sinus frontalis<br />
Die endonasalen Operationen der Stirnhöhle sind für<br />
jeden Rhinochirurgen immer wieder eine Herausforderung,<br />
weil der Zugang zur Stirnhöhle durch eine<br />
sehr variantenreiche Anatomie führt.<br />
Während Lang (1988) noch einen Ductus frontalis<br />
(länger als 3mm) von einem Ostium frontale unterscheidet,<br />
ist dieser Begriff in der verbindlichen anatomischen<br />
Terminologie und Nomenklatur für die Nasennebenhöhlen<br />
(Stammberger et al. 1988) fallen gelassen<br />
worden. Es handelt sich dabei nicht um einen<br />
eigentlichen Gang mit knöchernen Wänden, sondern<br />
vielmehr um einen recht variablen Spaltraum zwischen<br />
den zellulären Strukturen des vorderen Siebbeins.<br />
Abb. 1_ Die K2-K4-Zellen sind der „Gipfel des Agger nasi“. Ihn zu<br />
erobern ist unverzichtbar, um eine definitive Drainage der Stirnhöhle<br />
zu gewinnen.<br />
I77
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 2_ Pathogenetische<br />
Zellformationen bei entzündlichen<br />
Erkrankungen der Stirnhöhle:<br />
grün – K3-Zelle<br />
blau – K4-Zelle<br />
gelb – Septum interfrontale-Zelle<br />
violett – Bulla frontalis.<br />
1. Cellulae frontoethmoidalis (Aggerzellen)<br />
Die Zellen des Agger nasi wurden von Bent et al.<br />
(1994) und Wormold (2003) unterteilt. Heute hat<br />
sich eine Klassifikation nach Kuhn (1996) klinisch<br />
bewährt. Dabei werden vier Typen, K1–K4, unterschieden<br />
(Abb. 2):<br />
_ Typ 1-Zelle: eine Zelle im Recessus frontalis oberhalb<br />
des Agger nasi<br />
_ Typ 2-Zelle: zwei oder mehrere Zellen im Recessus<br />
frontalis oberhalb des Agger nasi<br />
_ Typ 3-Zelle: eine stark pneumatisierte Zelle oberhalb<br />
des Agger nasi, die in den Boden der Stirnhöhle<br />
reicht<br />
_ Typ 4-Zelle: eine isolierte Zelle im Sinus frontalis<br />
2. Bulla oder Cellulae frontalis<br />
Diese Zellen gehen von der Hinterwand des Sinus<br />
frontalis aus und engen von hier entweder den Recessus<br />
oder auch das Infundibulum frontale ein.<br />
Abb. 3a_ K1-Zelle (links) und<br />
K2-Zellen (rechts).<br />
Abb. 3b_ K3-Zelle (links) und<br />
K4-Zelle (rechts).<br />
Abb. 3c_ Supraorbitale Zelle und<br />
Bulla frontalis.<br />
_Begriffsbestimmung<br />
Der Recessus frontalis verläuft in sagittaler Richtung<br />
in einem Winkel von circa 110° zur Horizontalen<br />
und mündet meist nicht direkt in das Infundibulum<br />
ethmoidale. Die dorsale Begrenzung des Recessus<br />
frontalis bildet dann die Vorderwand der Bulla<br />
ethmoidalis, wenn diese gut pneumatisiert ist und<br />
mit der Bullalamelle bis zur Schädelbasis reicht. Die<br />
mediale Begrenzung verkörpert die laterale Lamella<br />
der mittleren Nasenmuschel, die laterale Wand wird<br />
von der Lamina papyracea geformt, und die Begrenzung<br />
nach anterior bildet der Agger nasi.<br />
Der Recessus kann durch eine Vielzahl anatomischer<br />
zellulärer Varianten eingeengt werden:<br />
3. Infundibularzellen<br />
Suprabullöse Zellen des vorderen Siebbeins können<br />
das Infundibulum von dorsal her einengen.<br />
Seltener sind supraorbitale Zellen und Zellen des<br />
Septum interfrontale.<br />
Die genannten zellulären Strukturen können weit<br />
nach kranial reichen und entweder eine zweite oder<br />
die eigentliche Engstelle im Drainagesystem der<br />
Stirnhöhle darstellen. Unter unseren Patienten mit<br />
akuten, chronisch-rezidivierenden oder chronischen<br />
frontalen Rhinosinusitiden fanden sich bei<br />
über 60 % eine oder mehrere der oben genannten<br />
Zellformationen. May et al. (1998) fanden bei 63 %<br />
aller Patienten mit einer chronisch-rezidivierenden<br />
frontalen Rhinosinusitis eine Bulla frontalis. Die klinische<br />
Bedeutung der K-Zellen, der Bulla frontalis<br />
und anderer intrakavitären Zellen des Sinus frontalis<br />
wird besonders bei den Patienten mit entzündlichen<br />
Exazerbationen nach endonasalen Stirnhöhlenoperationen<br />
deutlich, wo sie in hoher Frequenz<br />
bei der Voroperation entweder unvollständig oder<br />
Abb. 3a Abb. 3b Abb. 3c<br />
78 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 4_ K4-Zelle in der rechten<br />
Stirnhöhe bei akuter entzündlicher<br />
Exazerbation mit Empyem.<br />
Abb. 5_ Abtragung einer K-4-Zelle<br />
mit einem Giraffenhals-Dissektor.<br />
Abb. 4<br />
Abb. 5<br />
gar nicht entfernt wurden und eine entzündliche<br />
Erkrankung aufrechterhalten (Abb. 4).<br />
Daraus ergab sich der Wunsch, geeignete Instrumente<br />
zu entwickeln, um frontale Zellen intrakavitär<br />
abzutragen (Abb. 5). Folgende Anforderungen<br />
sollten erfüllt werden: Die Instrumente mussten<br />
einen langen Hals besitzen und über einen speziellen<br />
Biegungswinkel mit einem geeigneten „Drehpunkt“<br />
weit in die Stirn- und auch die Kieferhöhle<br />
eindringen können. Zugleich sollten sie sehr filigran<br />
sein, um beispielsweise bei einem Zugang<br />
Draf 2a–2b eine intrakavitäre Präparation unter<br />
Sicht einer 45°-Optik zu ermöglichen. Die Arbeitsenden<br />
sollten eine Abtragung von dünnem Knochen<br />
durch ein scharfes Rundmesser, ein Elevatorium<br />
und Raspatorium ermöglichen. In intensiver<br />
Zusammenarbeit mit der Firma Karl Storz, Tuttlingen,<br />
wurden Prototypen entwickelt und klinisch<br />
erprobt. Sie werden in Kürze zur Verfügung stehen.<br />
Die postoperative Tendenz der Restenosierung des<br />
Zugangs zur Stirnhöhle ist ein bekanntes Problem.<br />
Die Ballondilatation bot hier eine nicht invasive<br />
Alternative zur Revisionsoperation (Abb. 5 und 6).<br />
Gegenwärtig werden Dilatations-Sonden klinisch<br />
erprobt, von denen ebenfalls eine effiziente Öffnung<br />
obstruierter Stirnhöhlenöffnungen erwartet<br />
wird. Die bisherigen Ergebnisse sind ermutigend.<br />
Die Dilatations-Sonden werden in vier Größen<br />
angeboten und mit zunehmendem Kaliber unter<br />
endoskopischer Kontrolle in die Stenose vorgeschoben.<br />
Das Verfahren wenden wir auch als „Dilatations-Infundibulotomie“<br />
an, um zum Beispiel die<br />
Kieferhöhle über das Ostium naturale zu endoskopieren<br />
(Abb. 10a bis 10c).<br />
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I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 6a<br />
Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />
Abb. 6a–c_ Abtragung einer<br />
K2- und K4-Zelle mit den Giraffenhals-Dissektoren.<br />
Abb. 6d_ Mit dem Giraffenhals-<br />
Dissektor sind gezielte intrakavitäre<br />
Manipulationen in bisher endonasal<br />
nicht erreichbaren Regionen möglich.<br />
(Alle endoskopischen Bilder wurden<br />
mit einer 45°-Optik [4 mm], Karl Storz,<br />
Tuttlingen, aufgenommen.)<br />
Abb. 7_ „Neue Horizonte“ der endoskopischen<br />
intrakavitären Chirurgie:<br />
1 = Infundibulum frontale,<br />
2 = Stirnhöhlenhinterwand,<br />
3 = dorsale Kieferhöhlenwand,<br />
4 = laterale Kieferhöhlenwand,<br />
5 = Orbitaboden,<br />
6 = Recessus alveolaris.<br />
_ über ein supraturbinales Fenster,<br />
_ über ein infraturbinales Fenster und<br />
_ über die Fossa canina.<br />
Wegen der zunehmenden Frequenz von Zahnimplantaten<br />
wurden mit dem Sinuslift weitere Wege in<br />
das knöcherne Cavum maxillae entwickelt, die das<br />
Ziel haben, ein alloplastisches oder autologes Material<br />
zum Aufbau des Oberkieferknochens in den Recessus<br />
alveolaris der Kieferhöhle einzubringen,<br />
ohne die Schleimhaut, die in der Zahnmedizin als<br />
Schneider’sche Membran bezeichnet wird, zu verletzen<br />
(Abb. 8). Septierungen („Underwood’sche<br />
Septen“) sind hier von besonderem Interesse, weil<br />
sie die möglichst atraumatische Anhebung der Kieferhöhlenschleimhaut<br />
erschweren und ein erhöhtes<br />
Risiko einer Schleimhautverletzung bergen.<br />
Auch bei Nutzung aller optischen Hilfsmittel hat der<br />
Sinus maxillaris optisch tote Winkel (Abb. 9). Nur unter<br />
Verwendung aller Zugänge und verschiedener<br />
Winkeloptiken kann diesem Problem begegnet werden.<br />
Abb. 7<br />
_Sinus maxillaris<br />
Für die Chirurgie des Sinus maxillaris stehen drei<br />
Zugänge zur Verfügung:<br />
_Zysten und Polypen<br />
Zysten und Polypen im Recessus alveolaris sind<br />
nicht immer einfach unter optischer Kontrolle zu<br />
entfernen und der häufigste Grund einer konsilarischen<br />
Vorstellung durch den Zahnarzt beim HNO-<br />
Arzt (Abb. 12).<br />
Abb. 8_ Raumforderungen im Recessus<br />
alveolaris: a = Schneider’sche<br />
Membran, b und c = Zugänge zum<br />
Sinuslift, d = Knochenersatzmaterial,<br />
e = Zyste, f = Infundibulum<br />
ethmoidale.<br />
Abb. 9_ Endoskopie des Cavum<br />
maxillae mit verschiedenen Winkeloptiken<br />
unter Berücksichtigung der<br />
optisch toten Winkel.<br />
Abb. 8<br />
Abb. 9<br />
80 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 10a Abb. 10b Abb. 10c<br />
Kieferhöhle<br />
Die Kieferhöhle ist bei Mittelgesichtsfrakturen<br />
häufig beteiligt. Mit der Entwicklung der neuen<br />
Giraffenhals-Dissektoren ergeben sich auch hier<br />
neue Möglichkeiten (Abb. 10). So können dislozierte<br />
Frakturen folgender Lokalisationen sicher<br />
endoskopisch, also optisch kontrolliert, reponiert<br />
werden:<br />
Abb. 10a–c_ Dilatation eines<br />
hochgradig obstruierten Stirnhöhlenostiums<br />
mit einer Dilatationssonde<br />
von einer Weite von 1 auf 6mm.<br />
Abb. 11a_ Schwerpunkte<br />
der endoskopischen Versorgung<br />
von Mittelgesichtsfrakturen mit<br />
Beteiligung der Kieferhöhle.<br />
Abb. 11b_ Blow-out –<br />
Fraktur der Kieferhöhle.<br />
_ Blow-out-Frakturen (Abb. 11)<br />
_ laterale Kieferhöhlenwand<br />
_ dorsale Kieferhöhlenwand.<br />
Die Reposition gelingt meist über ein supraturbinales<br />
Fenster. Die Fragmente werden mit einem<br />
Antralballon geschient.<br />
Abb. 11a<br />
Abb. 11b<br />
Hinteres Siebbein und Keilbeinhöhle<br />
Um das Trauma der Operation für den Nerven möglichst<br />
gering zu halten, bedarf es graziler Instrumente,<br />
welche die letzte Knochenlamelle schnell<br />
und effektiv vom N. opticus bzw. der Periorbita abheben<br />
können. Das gelingt mit den geraden Giraffen-Dissektoren,<br />
mit den Arbeitsenden-Rundmesser,<br />
Raspatorium und Elevatorium gut. Auch kann<br />
die essenzielle Durchtrennung der Bindegewebsfasern<br />
zur Orbita damit gut erfolgen._<br />
Literatur beim Verfasser.<br />
Besonders wenn ein Sinuslift im Vorfeld von Zahnimplantaten<br />
vorgesehen ist, erwartet der Zahnarzt<br />
einen klaren Therapiehinweis. Die Giraffenhals-<br />
Dissektoren können hierbei eine gute Hilfe sein.<br />
_Traumatologie<br />
Abb. 12_ Perforierender Fremdkörper,<br />
der die Schädelbasis genau<br />
zwischen dem Kanal der A. carotis<br />
und des N. opticus perforierte. Er<br />
konnte 55 Jahre nach der Verletzung<br />
entfernt werden.<br />
Abb. 13a_ Verletzung des Canalis<br />
opticus durch das Projektil eines<br />
Gewehrgeschosses links.<br />
Abb. 12<br />
Abb. 13a<br />
Abb. 13b<br />
Abb. 13b_ Situs nach Entfernung<br />
des Geschosses aus Abb.13a.<br />
I81
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Perforierende<br />
Gesichtsverletzungen<br />
_Perforierende Gesichtsverletzungenbegegnen dem<br />
Arzt immer wieder und stellen ihn vor recht spezielle<br />
diagnostische, therapeutische und nicht zuletzt forensische<br />
Probleme.<br />
Perforierende Verletzungen des Gesichts entstehen<br />
vor allem durch Fremdkörper, Druckwellen oder<br />
brennende Gase.<br />
_Explosion, Detonation und<br />
Verpuffung<br />
Die Gasexplosion ist ein Spezialfall einer Explosion,<br />
bei der sich ein explosives Gasgemisch entzündet und<br />
in kurzer Zeit abbrennt. Je nach der Temperatur, der<br />
Menge und des Druckes des Gases kommt es zur Explosion,<br />
Detonation oder Verpuffung. Wenn ein explosives<br />
Gasgemisch vorhanden ist, genügt bereits<br />
ein Funke, z.B. das Betätigen eines Lichtschalters, um<br />
es zu entzünden. Aus diesem Grunde wird das Erdgas<br />
heute in den Gaswerken mit einem Duftstoff angereichert,<br />
um es wahrnehmbar zu machen (Abb. 1a und b).<br />
Eine Detonation entsteht durch ein Sprengmittel,<br />
welches sich mit einer typischen Detonationswelle,<br />
mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit auf das umgebende<br />
Medium ausbreitet. Trifft eine Detonationsfront<br />
auf einen Körper, so wirkt das wie ein extrem<br />
starker Schlag, der eine starke Beschleunigung auslöst.<br />
Die Struktur des Gewebes wird dabei regelrecht<br />
zerrissen (Abb. 2 und 3).<br />
Bei der Verpuffung kommt es zu einer selbstständigen<br />
Flammenfortpfanzung in einer explosionsfähigen<br />
Atmosphäre oder in einem Explosivstoff mit einer Geschwindigkeit<br />
unterhalb der Schallgeschwindigkeit.<br />
_Schussverletzungen<br />
Schusswunden entstehen durch abgeschossene<br />
Projektile. Diese können die Wunde durchdringen<br />
oder darin stecken bleiben. Meist kommt es zu kombinierten<br />
Weichteil-Knochen-Verletzungen. Die Wirkung,<br />
welche ein Schuss im Gewebe hinterlässt, hängt<br />
von dem Gewebe selbst, zum Beispiel Weichteile oder<br />
Knochen, der Art des Projektils (Entfernung, Kaliber,<br />
Geschossart, Auftreffwinkel auf den Körper) ab.<br />
Schusswunden verursachen einen Einschuss und<br />
einen Ausschuss. Die Ausschusswunde ist größer als<br />
der Einschuss. Es kommt einerseits zu einem Gewebeverlust<br />
im Schusskanal selbst und darüber hinaus<br />
durch die Abgabe hoher kinetischer Energie um den<br />
Schusskanal zu weiterer Gewebezerstörung. Dabei<br />
führt das Geschoss zu sofortigen Folgen wie Blutungen,<br />
Bewusstseinsverlust zum Beispiel beim Kopfschuss<br />
sowie verzögerten Reaktionen, zum Beispiel<br />
Nekrosen und Infektionen.<br />
Abb. 1 a und b_30-jährige Patientin,<br />
die beim Reinigen ihres Gasherdes<br />
ein Trauma durch Gasexplosion erlitt.<br />
Weichteilverletzung mit Fraktur der<br />
Tabula externa der Stirnhöhle.<br />
Abb. 1a<br />
Abb. 1b<br />
82 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 2<br />
Abb. 3<br />
Typische Befunde bei Schussverletzungen<br />
– Einschuss: zentraler Gewebedefekt mit angrenzendem<br />
Schürfsaum<br />
– Ausschuss: meist schlitzförmige adaptierbare<br />
Hautdurchtrennung<br />
– Aufgesetzter Schuss: sternförmige Platzwunde<br />
der Haut, Schmauchhöhle, Stanzmarke<br />
– Relativer Nahschuss: Schmauchniederschläge<br />
und Einsprengungen von Pulverkörnchen um<br />
den Einschuss<br />
– Fernschuss: keine Nahschusszeichen<br />
Die Auswirkungen einer Schussverletzung im Gesicht<br />
hängen stark von der Art des Geschosses ab. Alte<br />
Flintenkugeln wurden oft vom Knochen abgelenkt.<br />
Kleinkalibrige Stahlmantelgeschosse haben eine<br />
starke Durchschlagkraft und behalten ihre Form. Alle<br />
Bleigeschosse können sich abplatten und ihre diaboloförmige<br />
Form verändern. So dringen Luftgewehrschüsse<br />
durch relativ kleine Einschusswunden im Gesicht<br />
ein (Abb. 6). Sie durchschlagen oft die knöcherne<br />
Schädelbasis nicht, sondern bleiben im Siebbein, zum<br />
Beispiel an festeren Lamellen, wie der Grundlamelle<br />
der mittleren Muschel oder in der knöchernen Schädelbasis,<br />
die vom Os frontale gebildet wird, stecken<br />
(Abb. 8).<br />
Diagnostik<br />
Die Diagnostik bei Schussverletzungen erfordert<br />
neben der üblichen Anamnese Fragen zum Tathergang.<br />
Eine gesetzliche Meldepflicht für Schussverletzungen<br />
gibt es in Deutschland nicht. Ob der Arzt die<br />
Kripo informiert oder nicht, ergibt sich aus den Hinweisen<br />
zum Tathergang und dem Befund. Das Gleiche<br />
gilt bei Verdacht auf Selbstverletzung oder -tötung<br />
für das Hinzuziehen eines Psychiaters. Die Diagnostik<br />
muss sorgfältig von außen nach innen erfolgen. Eine<br />
Fotodokumention der Schusswunde ist wichtig, um<br />
spätere Ermittlungen zu ermöglichen.<br />
Schmauchspuren<br />
Es handelt sich um Rückstände des Mündungsfeuers<br />
einer Schusswaffe. Sie werden durch Verbrennungsprodukte<br />
des Zündsatzes und der Treibladung<br />
der Patrone hervorgerufen. In der Forensik wird von<br />
der Schmauchspur gesprochen. Sie erlaubt Hinweise<br />
auf die Schussentfernung und letztlich auf den Hergang<br />
einer aufzuklärenden Tat.<br />
Ein bildgebende Diagnostik durch Computertomografie<br />
des Gesichtschädels, mit Darstellung der<br />
Schädelbasis und Beurteilung der zerebralen Strukturen<br />
auf direkte oder indirekte Verletzungsfolgen, ist<br />
obligatorisch.<br />
Therapie<br />
Die Therapie erfolgt von innen nach außen. Priorität<br />
hat die Versorgung perforierender Verletzungen<br />
der Schädelbasis mit Hirnverletzungen. Die Indikation<br />
zur Sofortoperation bei Hirnverletzung mit intrakranieller<br />
Blutung und Drucksteigerung erfolgt interdisziplinär<br />
mit dem Neurochirurgen und Neurologen.<br />
Schussverletzungen der vorderen Schädelbasis<br />
und des pneumatisierten Gesichtsschädels können<br />
sehr gut endoskopisch versorgt werden. Lässt sich das<br />
Geschoss aus dem Knochen der Schädelbasis entfernen,<br />
erfolgt im Falle einer Durafistel mit Liquorrhoe<br />
der Verschluss der Fistel in underlay-, overlay oder<br />
Abb. 2_Impressionsfraktur der<br />
Tabula externa der Stirnhöhle nach<br />
Explosionstrauma.<br />
Abb. 3_Offene Hirnverletzung nach<br />
Detonation.<br />
Abb. 4a_Hirnpolaps und Liquorrhoe<br />
(Markierung mit Fluorescin-Natrium<br />
= gelb).<br />
Abb. 4b_Deckung des Defektes mit<br />
Fascia lata.<br />
Abb. 5_Wege zur Schädelbasis in<br />
der Traumatologie.<br />
1 Dura<br />
2 Nasenhöhle<br />
a endonasal endoskopisch<br />
b frontoorbital extrakraniell<br />
c transfrontal extradural<br />
d transfrontal intradural<br />
Abb. 4a<br />
Abb. 4b<br />
Abb.5<br />
I83
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 6_Einschusswunde eines Luftgewehr-Diabolos.<br />
Abb. 7a_Der entfernte Diabolo.<br />
Abb. 7b_Glassplitter nach fronto -<br />
basaler Fraktur.<br />
Abb. 7a<br />
Abb. 8a–e_Zwei typische Schussverletzungen<br />
durch Bleigeschosse.<br />
Obere Reihe: Das Diabolo ist vor der<br />
Grundlamelle der mittleren Muschel<br />
stecken geblieben.<br />
8a und b_Darstellung des Geschoss<br />
im Röntgenbild anterior-posterior<br />
und seitlich.<br />
8c_Das Diabolo ist vor der Grund -<br />
lamelle der mittleren Muschel<br />
liegen geblieben.<br />
Untere Reihe: Schussverletzung des<br />
Gesichtes.<br />
Abb. 8d und e_Das Projektil hat den<br />
Gesichtsschädel durchschlagen und<br />
ist im Canalis opticus stecken ge -<br />
blieben.<br />
Abb. 9_Perforierende Verletzung<br />
der Gesichtsweichteile. Der Griffel<br />
zieht durch die rechte Kieferhöhle,<br />
das rechte Siebbein zur Schädel -<br />
basis. Er kreuzt in der Keilbeinhöhle<br />
die Seite und perforiert die Schädelbasis<br />
zwischen dem Canalis opticus<br />
und der Arteria carotis. In der Schädelbasis<br />
ist der Fremdkörper gebrochen.<br />
Ein kleineres Fragment befindet<br />
sich am Boden der mittleren<br />
Schädelgrube. Ein kleines Fragment<br />
steckt in der lateralen Nasenwand.<br />
Abb. 10_Dekomprimierter N. opticus<br />
in der linken Keilbeinhöhle.<br />
Abb. 6<br />
sandwich-Technik. Als Transplantat zur Deckung des<br />
Duradefektes hat sich autologe Fascia lata (siehe Abb.<br />
4b) bewährt.<br />
Bei Verletzungen des Nervus opticus erfolgt die<br />
endoskopische Entfernung des Projektils und Dekompression<br />
des N. opticus in gleicher Sitzung (Abb. 10).<br />
Entfernung von Projektilen<br />
Unbehandelte Schussverletzungen können zu<br />
Entzündungen oder Sepsis führen oder einen gewebetoxischen<br />
Effekt auslösen. Regelmäßig geformte,<br />
metallische Projektile können jedoch auch einheilen<br />
und jahrelang reizlos „liegen bleiben“. Versprengte<br />
avitale Knochensplitter oder mit dem Geschoss eingesprengte<br />
Fremdkörper können durch Infektionen<br />
zum Problem werden.<br />
_Perforierende Fremdkörper<br />
Perforierende Fremdkörper gelangen in ganz<br />
unterschiedlicher Weise in die Weichteile des Ge -<br />
sichtes beziehungsweise in die Nasennebenhöhlen.<br />
Pfählungsverletzungen durch Stöcke, Lutscher oder<br />
Stangen treten bei Kindern und Jugendlichen beim<br />
Spielen auf und führen die Betroffenen wegen sichtbarer<br />
Wunden zum Arzt.<br />
Abb. 7b<br />
Im Rahmen von Verkehrsunfällen mit Mehrfachverletzungen<br />
können zum Beispiel perforierende<br />
Glassplitterverletzungen der Windschutzscheibe unbemerkt<br />
bleiben. Die Eintrittswunde schließt sich<br />
rasch und der Fremdkörper bleibt, oft über Jahre zum<br />
Beispiel, in der Kieferhöhle liegen. Die Entdeckung ist<br />
dann oft ein Zufallsbefund.<br />
_Der besondere Fall<br />
ca. 35 mm<br />
Dargestellt wird der Fall einer Verletzung des Gesichtes<br />
mit Perforation der Schädelbasis einer heute<br />
61-jährigen Patientin mit einem Schiefergriffel, der<br />
55 Jahre nach der Verletzung endoskopisch entfernt<br />
wurde. Schiefergriffel wurden vor Jahrzehnten zum<br />
Schreiben und Malen verwendet. Sie wurden angespitzt<br />
und waren 8 bis 10 cm lang.<br />
Anamnese<br />
– Im Alter von fünf Jahren stürzt die Patientin mit<br />
dem gerade von ihrem Vater angespitzten Schiefergriffel<br />
in der Hand beim Heraufeilen einer<br />
Treppe. Es ist lediglich eine kleine Hautwunde<br />
sichtbar. Der Griffel ist weg. Das Kind verspürt heftigen<br />
Schmerz, besonders hinter dem rechten Auge<br />
(Abb. 11a–d).<br />
Abb. 8a Abb. 8b Abb. 8c<br />
Abb. 8d Abb. 8e Abb. 10<br />
84 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 11a Abb. 11b Abb. 11c Abb. 11d<br />
Abb. 11e Abb. 11f Abb. 12 Abb. 13<br />
– Mit 18 Jahren erleidet die Patientin ein Schädelhirntrauma<br />
durch eine Steinwurfverletzung. Bei<br />
der Röntgenuntersuchung des Schädels wird der<br />
Schieferstift überraschend erkannt.<br />
– In den folgenden Jahren verursacht der Stift Nasenbluten,<br />
Kopfschmerzen. Die Nasenatmung ist<br />
blockiert, das Riechen und Schmecken hochgradig<br />
eingeschränkt (Abb. 11e).<br />
– Bei einem Autounfall erleidet die Patientin mit 20<br />
Jahren ein weiteres Schädelhirntrauma und eine<br />
große Platzwunde. Die Röntgenaufnahme des<br />
Schädels zeigt, dass der Stift in drei Stücke zerbrochen<br />
ist (Abb.11f).<br />
– Drei Jahre später verunfallt die Patientin erneut bei<br />
einen S-Bahn-Zusammenstoß in Berlin. Sie erleidet<br />
ein erneutes Schädelhirntrauma.<br />
– In den letzten zehn Jahren litt die Patientin unter<br />
den Symptomen einer chronischen purulenten<br />
Rhinosinusitis mit foetiden Sekretion aus der Nase,<br />
starken Schmerzen in der rechten Gesichtshälfte<br />
und einer wechselnd starken blutigen Sekretion<br />
aus der Nase bis hin zur Epistaxis.<br />
Therapie<br />
Nach ausführlichem interdisziplinären Konzil<br />
(HNO/Neurochirurgie/Radiologie) und dreidimen -<br />
sionalen Darstellung der topografischen Lagebeziehung<br />
der Stiftfragmente zur Schädelbasis, insbesondere<br />
zum N. opticus und zur A. carotis, erfolgte im<br />
August 2007 die endoskopische Entfernung des<br />
peripheren Stiftanteils (Abb.13).<br />
Indikation<br />
Der periphere Anteil verursachte eine heftige granulierende<br />
Entzündung der Nasennebenhöhlen und<br />
der knöchernen Schädelbasis. Der zentrale Anteil lag<br />
reizlos am Boden der mittleren Schädelgrube. Für<br />
seine Entfernung bestand keine akute Indikation.<br />
Endoskopische Schädelbasisrevision<br />
Das Granulationsgewebe mit dem entzündlichen<br />
Pseudotumor wurde mit dem Karl Storz-Mini-Shaver<br />
abgetragen (Abb. 12). Entlang dem freigelegten<br />
Fremdkörper wurde sein zentrales Ende zwischen der<br />
A. carotis und dem N. opticus aufgesucht und der<br />
Fremdkörper vorsichtig zwischen beiden Strukturen<br />
unter endoskopischer Sicht entfernt (Abb. 13). Narbengewebe<br />
hatte den Stichkanal verschlossen. Die<br />
Eintrittpforte wurde entepithelisiert und mit Fascie<br />
abgedichtet._<br />
_Information<br />
face<br />
Die Bilder der Abbildung 11a bis 13 entstammen<br />
einer Dokumentation dieses Falles vom japanischen<br />
Fernsehen.<br />
Weitere Informationen dazu finden Sie unter<br />
www.ku61.de,<br />
Pressespiegel, BBC, Reuters.<br />
Abb. 12_Prinzip der Neuronavigation<br />
im Bereich der Schädelbasis.<br />
I85
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
1x1 der Präparierund<br />
Instrumentenkunde<br />
für die Plastische Gesichtsund<br />
Halschirurgie<br />
Schneidende Instrumente,<br />
Teil 1: Skalpelle<br />
Abb. 1_ Setzen des eröffnenden<br />
Hautschnittes zur Entnahme von<br />
Rippenknorpel.<br />
Abb. 2_ Die Sammlung der Originalinstrumente<br />
von Jacques Joseph.<br />
_Grundlagen der Instrumentenkunde sind ein unverzichtbares<br />
Rüstzeug für jeden Operateur. Leider<br />
werden Kenntnisse zur Instrumentenkunde heute<br />
nicht mehr systematisch vermittelt – weder während<br />
des Studiums noch in der Ausbildung zum Facharzt.<br />
Warum werden in den Katalogen über 100 Scheren<br />
angeboten, wenn niemand mehr die Unterschiede<br />
in den Anwendungs- und technischen Eigenschaften<br />
kennt? Wie funktioniert eine Präparierschere<br />
und welche Blattform bietet welche Vorteile? Wie<br />
halte ich ein Skalpell richtig und kontrolliere gleichzeitig<br />
die Schneidwirkung bei der scharfen Präparation?<br />
Wie kontrolliere ich Schärfe und wie unterscheide<br />
ich Qualitätsinstrumente von Plagiaten<br />
und beuge einem unsachgemäßen Umgang vor?<br />
Das Anliegen der vorliegenden Publikation, die Auszüge<br />
einer Monografie des Autors enthält, gibt einige<br />
Antworten. Zumindest soll das Verständnis dafür<br />
geweckt werden, dass die Auswahl des geeigneten<br />
Instrumentariums nicht beliebig ist.<br />
Die Geschichte chirurgischer Instrumente ist Tausende<br />
Jahre alt und zeigt das stetige Streben nach der<br />
Entwicklung immer besserer Instrumente. Instrumentensammlungen<br />
sind Zeitdokumente der <strong>Medizin</strong>geschichte<br />
und deshalb von kulturhistorischer Bedeutung<br />
schlechthin, weil sie im wahrsten Sinnes des<br />
Wortes zeigen, in welcher Weise die Chirurgie in das<br />
Leben der Menschen eingriff, welches Trauma, welche<br />
Risiken oder stationären Verweildauern mit den Operationen<br />
einer Epoche verbunden sein mussten.<br />
Eine besondere Rolle spielen dabei Instrumentensammlungen<br />
bedeutender Chirurgen. Der Begründer<br />
Abb. 1 Abb. 2<br />
86 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
der modernen Nasenchirurgie und Wegbereiter der<br />
Plastischen Gesichtschirurgie, Prof. Jacques Joseph,<br />
entwickelte Zeit seines Lebens neue Instrumente<br />
oder modifizierte und verbesserte Instrumente für<br />
seine komplizierten rekonstruktiven und ästhetischen<br />
Operationen des Gesichtes. Weltbekannt ist der<br />
Joseph, ein Raspatorium, welches für den Gesichtschirurgen<br />
auch heute noch unverzichtbar ist. Joseph<br />
ließ jedes von ihm entwickelte oder modifizierte Instrument<br />
mit einer kleinen Gravur Prof. Joseph versehen.<br />
Die Sammlung historischer Originalinstrumente<br />
von Joseph wird gegenwärtig in der Ausstellung „Dem<br />
Leben auf der Spur“ des <strong>Medizin</strong>historischen Museums<br />
der Charité in Berlin gezeigt, und kann dem<br />
Leser nur empfohlen werden (Abb. 2).<br />
Es gehörte schon immer zur Philosophie des Hauses<br />
Karl Storz, die Ideen innovativer Operateure aufzugreifen,<br />
und daraus immer bessere Instrumente für<br />
immer speziellere Anwendungen zu konstruieren.<br />
Ohne diesen Dialog zwischen Operateur und Instrumentenbauer<br />
ist Fortschritt in der Chirurgie unmöglich.<br />
Im Folgenden soll exemplarisch, beginnend mit<br />
den Skalpellen und Scheren, quasi eine kleine Einführung<br />
in die Instrumentenkunde gegeben werden.<br />
Bauchige, verschieden gekrümmte Skalpelle haben<br />
gute und fast ubiquitäre Einsatzmöglichkeiten für<br />
den Hautschnitt und die scharfe Präparation. Je nach<br />
Länge des Schnittes und Dicke der Haut und des<br />
Unterhaut- und Fettgewebes sollte die Größe der<br />
Klinge gewählt werden.<br />
Die spitze Klinge (Nr. 11) ist für kleine und winkelige<br />
Feininzisionen geeignet, die zweischneidigen<br />
Skalpelle nach Joseph dienen der scharfen Präparation<br />
und Ablösung größerer Areale unter Kontrolle<br />
des Fingers (Abb. 3).<br />
_1. Führung des Skalpells<br />
Eine sichere Führung des Skalpells ist möglich,<br />
wenn es wie ein Federhalter gehalten wird. Die Hand<br />
Abb. 3<br />
oder die Finger 3 bis 5 werden dabei aufgelegt bzw. abgestützt<br />
(Abb. 4 und 5).<br />
Der Hautschnitt beginnt mit dem dosierten, aber<br />
entschlossenen fast senkrechten Einstich der Klinge<br />
durch die Haut (je nach Dicke). Danach wird das Skalpell<br />
in einem Winkel von 45° angekippt und der<br />
Schnitt bis zum Ende durchgezogen. Am Ende wird die<br />
Klinge wieder schräg gestellt, um eine homogene<br />
Schnitttiefe zu gewährleisten. Wird das Skalpell flacher<br />
als 45° geneigt, so verliert die Schneide an Kraft<br />
und die Klinge kann auch mit etwas Gefühl z.B. über<br />
eine Vene gleiten, ohne diese zu durchtrennen. Das<br />
kann man z.B. bei den langen Hautinzisionen ausnutzen,<br />
um über oberflächliche Venen zu gleiten. Das Beispiel<br />
macht deutlich, dass die Schneidwirkung der gebauchten<br />
Klinge stark von der Anstellung bei der Präparation<br />
abhängt. Das kann der Operateur bei der<br />
scharfen Präparation von großen Hautlappen ausnutzen.<br />
Damit ist der Wechsel von maximaler<br />
Abb. 3_ Verschiedene geschweifte,<br />
bauchige Skalpelle und das<br />
gebogene zweischneidige Joseph-<br />
Messer.<br />
Abb. 4 und 5_ Führung des Skalpells<br />
beim Einstich und Schneiden.<br />
Abb. 4 Abb. 5<br />
I87
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 6_ Die Illustration zeigt das<br />
„Aufblättern“ der oberflächlichen<br />
Schichten des Halses.<br />
Schneidwirkung und halbscharfer Trennung der<br />
Schichten möglich. Generell erfordert die scharfe<br />
Präparation mit dem Skalpell mehr Geschick, Gefühl<br />
und Erfahrung als diejenige mit der Schere. Es ist eine<br />
sehr effiziente Technik.<br />
Cave: Nur eine scharfe Klinge kann optimal<br />
schneiden.<br />
Scharfe und glatte Schnitte sind die Voraussetzung<br />
für eine komplikationslose Wundheilung und<br />
gute Narben. Wird das Skalpell für die Exzision eines<br />
Haut areals verwendet, so sollte gegenüber der Vertikalen<br />
eine etwas schräge Schnittrichtung (ca. 95°) gewählt<br />
werden, um eine schräg zum Korium und dem<br />
Fettgewebe entstehende Wundlippe zu formen. Das<br />
ermöglicht eine größere Wundrandadaptation und<br />
verbessert die Wundheilung.<br />
Das Skalpell sollte der Operateur immer auf sich zu<br />
führen. Der Schnitt beginnt also am entferntesten<br />
Punkt. Schneiden erfolgt durch Ziehen und nicht<br />
durch Schieben oder Sägen.<br />
_2. Sichelmesser und andere Messer<br />
Sichelmesser haben unterschiedliche Krümmungen.<br />
Bereits in der Antike wurden Sichelmesser für die<br />
Tonsillektomie verwendet. Heute dienen sie verschiedenen<br />
Schleimhautschnitten, z.B. bei der Tonsillektomie<br />
und der Infundibulotomie. Ihre größte<br />
Schneidwirkung entwickeln Sichelmesser im Bereich<br />
der mittleren Schneide. Daher sollten sie so geführt<br />
werden, dass die Schneidwirkung optimal zur<br />
Wirkung kommt.<br />
Cave: Alle Skalpelle, besonders Sichelmesser auf<br />
OP-Sets, müssen regelmäßig kontrolliert werden.<br />
Gewebeverletzungen durch Einrisse der Schleimhaut<br />
infolge stumpfer Klingen sind die Ursache<br />
von Nachblutungen und Wundheilungsstörungen.<br />
Weitere Spezialmesser sind z.B.: Rundmesser (nach<br />
Plester), Septummesser (nach Freer), Plastikmesser<br />
(nach Joseph), Septummesser (nach Cottle), Tonsillenmesser<br />
(nach Vetter) u.a.<br />
_3. Weichteilpräparation<br />
mit der gebauchten Klinge<br />
Das Skalpell mit der gebauchten Klinge in verschiedenen<br />
Größen ist ein geeignetes Instrument<br />
für die scharfe Dissektion von oberflächlichen<br />
Weichteilstrukturen. Voraussetzung für die scharfe<br />
Präparation mit der Klinge sind präzise anatomische<br />
Kenntnisse, welche die Schnitte öffnen sollen und<br />
ein gewisses Gefühl für die Schneidwirkung des jeweiligen<br />
Skalpells. Die scharfe Präparation ist einerseits<br />
elegant, zeitsparend und atraumatisch, andererseits<br />
bei noch fehlender Übung nicht ungefährlich.<br />
Die Illustration (Abb. 6) zeigt das „Aufblättern“<br />
der oberflächlichen Schichten des Halses entlang<br />
einer Inzision an der Vorderkante des M. sternocleido-mastoideus,<br />
wie sie z. B. bei der Neck dissection,<br />
Exstirpation einer lateralen Halszyste oder eines<br />
Lymphknotens in unterschiedlichen Dimensionen<br />
üblich ist. Nacheinander wird die Kutis/Subkutis<br />
als eine Schicht von Platysma und Muskulatur<br />
getrennt. Danach beginnt die stumpfe Präparation<br />
mit der stumpf-stumpfen Präparierschere zum<br />
Aufsuchen der Strukturen der Hals-Gefäß-Scheide<br />
(A. carotis communis, N. vagus, V. jugularis). Durch<br />
Veränderung von Neigungs- und Anstellwinkel der<br />
gebauchten Klinge kann der Operateur Einfluss auf<br />
die Schneidwirkung der Klinge nehmen und – variierend<br />
zwischen scharf, halbscharf und stumpf – je<br />
nach Präferenz entsprechend kontrollieren._<br />
_Literaturliste<br />
face<br />
scharf<br />
stumpf<br />
Berbohm, Grundlagen der Instrumentenkunde für<br />
den HNO-Arzt und plastischen Gesichtschirurgen.<br />
Endo-press, Tuttlingen 2007<br />
Abb. 6<br />
scharf<br />
stumpf<br />
88 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
1 x 1 der Präparier-<br />
& Instrumentenkunde<br />
für die Plastische Gesichtsund<br />
Halschirurgie<br />
Schneidende Instrumente,<br />
Teil 2: Scheren<br />
_Präparierschere<br />
Präparierscheren sind die verlängerte Hand des<br />
Ope-rateurs. Mit ihnen berührt er die Tiefe des<br />
Gewebes. Sie sind nicht nur Dissektoren, sondern<br />
auch Sensoren für den Zustand des operierten<br />
Gewebes. Die Sensibilität für dieses Instrument muss<br />
jeder Operateur erlernen, denn sie ist die Voraussetzung<br />
für das Gewebegefühl des Operateurs.<br />
_ Unterschieden werden gerade und gebogene Präparierscheren.<br />
_ Weitere Unterschiede bestehen in der Länge der<br />
Branchen und Schenkel,<br />
_ Formen und Länge der Scherenblätter.<br />
_1. Die gebogene Präparierschere<br />
Die gebogene stumpfe Präparierschere ist eines<br />
der wichtigsten Instrumente für den Operateur. Die<br />
Schere dient der Präparation, d. h. dem möglichst<br />
atraumatischen Trennen von Gewebe in bindegewebig<br />
verbundenen Schichten. Der Operateur schiebt die<br />
Schere parallel zur Haut oder Ebene der zu trennenden<br />
Schichten vor, öffnet sie und zieht sie geöffnet<br />
zurück. Die Gewebeschichten werden durch spreizende<br />
Bewegungen der Branchen getrennt und die<br />
gewünschte Schicht geöffnet. Sollen konvexe Strukturen,<br />
wie Lymphknoten oder Drüsen dargestellt und<br />
aus der Umgebung gelöst werden, so wird die Schere<br />
Abb. 1_ Präparation mit<br />
Präparierschere.<br />
Abb. 1<br />
I89
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 2_ Vergleichende Darstellung<br />
von Präparier- und Haushaltsschere.<br />
Präparierschere<br />
Abb. 2<br />
Blatt<br />
Schnittkante<br />
(Bicon)<br />
Schraubenschluß<br />
Branche<br />
Ring<br />
Oberbecken Unterbecken<br />
Wate<br />
Blatt<br />
im Hohlen<br />
Rücken<br />
Gewerbe<br />
Halm<br />
Auge<br />
Haushaltsschere<br />
tum bestimmt. Der Anlaufwiderstand entsteht durch<br />
die Auflage der Scherenteile, durch die Dreipunktlagerung,<br />
d.h. am Schnitt, an der Schlussfläche innen<br />
(Spiegel) und am Schraubenkopf.<br />
Die Präparierschere dient, sozusagen erst in zweiter<br />
Instanz, dem Schneiden. Das Schneiden geschieht mit<br />
den vorderen zwei Drittel der Blattlänge. Entscheidend<br />
für die Schneidwirkung einer Präparierschere ist der<br />
Anschliff des Bicon. Dieser beträgt normalerweise ca.<br />
6°. Bei weichem Gewebe sollte er größer als 6°, bei<br />
hartem kleiner sein. Die Form der Scherenblätter und<br />
Blattspitzen einer Präparierschere bestimmen ihren<br />
Einsatz. Prinzipiell werden gerade und gebogene Präparierscheren<br />
unterschieden.<br />
Die Blattspitzen können spitz/spitz, spitz/stumpf<br />
oder stumpf/stumpf sein.<br />
Abb. 3a und b_ Voraussetzung ist<br />
die richtige Haltung der Schere<br />
mit dem Daumen und vierten Finger.<br />
Der dritte Finger stützt die rechte<br />
Branche (beim Rechtshänder), der<br />
Zeigefinger führt die Schere.<br />
der Form der zu präparierenden Struktur angelegt,<br />
d.h. die gebogene Präparierschere bleibt mit ihrer<br />
konkaven Seite z.B. dicht an einem Lymphknoten oder<br />
einer Drüse.<br />
Hauptindikationen für die stumpfe Präparation<br />
mit der gebogenen Präparierschere ist die Unterminierung<br />
und Anhebung der Haut, aber auch die Präparation<br />
tieferer Strukturen. Bei der Hautpräparation<br />
wird diese in einem Winkel von ca. 45° auf den Operateur<br />
zu gehoben. Dadurch wird die Präparierschicht<br />
geöffnet und nicht verzogen, was bei größeren<br />
Winkeln droht.<br />
Prinzipiell wird die Spitze beim Präparieren den<br />
weniger empfindlichen Strukturen zugewandt.<br />
Dieses Präparieren ist möglich durch den Aufbau<br />
der Präparierschere. Die Scherenblätter besitzen<br />
einen speziellen Schränkungswinkel und einen<br />
Hohlschliff nahe des Schraubenkopfes. Dadurch wird<br />
die Reibung reduziert und ein Einklemmen des<br />
Gewebes vermieden. Wenn man eine geschlossene<br />
Präparierschere gegen das Licht hält, kann man durch<br />
die Scherenblätter hindurchblicken. Da wo dieser<br />
Durchblick am vorderen Ende der Schere aufhört, da<br />
läuft die Schere an. Das Anlaufen geschieht mit einem<br />
ganz bestimmten Widerstand, der bei jeder Präparierschere<br />
anders ist. Das Gefühl für diesen Anlaufpunkt<br />
und -widerstand ist wichtig für das Gewebegefühl<br />
des Operateurs, denn zu dem Anlaufwiderstand addiert<br />
sich bei der Präparation der Gewebewiderstand.<br />
Dieser wird von der Textur des Gewebes, Vernarbungen,<br />
Entzündungen, Indurationen oder Tumorwachs-<br />
_2. Die gerade Präparierschere<br />
Die spitze gerade Präparierschere dient der scharfen<br />
Präparation. Die scharfe Präparation erfolgt z.B.<br />
bei dünnem oder fixiertem subkutanen Bindegewebe,<br />
bei straffen Bindegewebssepten, die mit der Haut<br />
oder anderen Strukturen fest verwachsen sind. Auch<br />
das Öffnen enger chirurgischer Schichten erfolgt<br />
durch scharfe Präparation. Vereinfacht gesagt, vereinigt<br />
die Präparation mit der geraden Präparierschere<br />
die Technik des Schneidens wie mit dem Skalpell<br />
und der stumpfen Präparation mit der gebogenen<br />
Schere. Entscheidend ist die richtige und sichere Führung<br />
der Schere mit dem Zeigefinger.<br />
_3. Die häufigsten Blattarten<br />
3.1. Spitz-stumpf<br />
Der Begriff beschreibt ein spitzes und ein stumpfes<br />
Blattende einer Schere. Dieser verbreitete Standardtyp<br />
dient dem Schneiden von Gewebe, Wundrändern<br />
oder auch von Nahtmaterial.<br />
3.2. Spitz-spitz<br />
Die Kombination von zwei spitzen Blattenden<br />
dient der scharfen, d.h. schneidenden Präparation,<br />
z.B. um fest verbundene, narbig fixierte Gewebeschichten<br />
zu trennen, oder um den scharfen „Einstieg“<br />
in eine chirurgische Schicht, z.B. zwischen<br />
SMAS und Perichondrium des Nasenrückens, zu erreichen.<br />
Abb. 3a<br />
Abb. 3b<br />
90 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Abb. 4a und b Abb. 5<br />
3.3. Stumpf-stumpf<br />
a) halbstumpf – halbstumpf<br />
Beide Blattenden besitzen zwar eine spitze Blattform,<br />
sind aber vorn stumpf. Dieser Blatttyp ist für das<br />
Präparieren im „Präzisionsbereich“, d.h. z.B. von Gefäßen<br />
und feinen Strukturen geeignet.<br />
b) stumpf-stumpf (breit)<br />
Häufige Blattform für die Standard- und Präparierschere<br />
zur chirurgischen Präparation und Darstellung<br />
verschiedener Gewebeschichten und Strukturen<br />
(z.B. Gefäße, Nerven, Sehnen). Die plumpen Spitzen<br />
ermöglichen das atraumatische Trennen von Strukturen.<br />
Cave: Große stumpfe Scheren sind oft atraumatischer<br />
als kleine spitze.<br />
Natürlich spielt die Gewebesituation für die<br />
Auswahl eine große Rolle.<br />
c) stumpf-stumpf (schlank)<br />
Prototyp der chirurgischen Präparierschere z.B.<br />
nach Metzenbaum oder Lexer.<br />
d) stumpf-stumpf<br />
Beide schlanken Blattenden besitzen kleine<br />
kugelförmige Aufsätze. Die schlanke Schere ermöglicht<br />
bei leicht gebogenem Blatt eine präzise<br />
Mikropräparation. Die „Knöpfungen“ verhindern das<br />
Einschneiden beim Vorwärtsschieben der Blätter<br />
und die Verletzung empfindlicher Strukturen. Die<br />
sog. Parotisschere weist diese Spezifika auf. Mit<br />
dieser Schere können z.B. die einzelnen Fazialisäste<br />
dargestellt werden. Die Nervenpräparation erfolgt<br />
mit dieser Schere praktisch direkt auf dem Perineurium<br />
des Nerven (z.B. N. facialis, N. accessorius).<br />
_4. Schneidqualität<br />
Genau wie bei einem Skalpell hängt die Schneidqualität<br />
von der Schärfe der Klinge, d.h. bei der Schere<br />
des Blattes, ihrer Form, dem Anschliff und dem Material<br />
ab, aus welcher das Scherenblatt besteht. Besonders<br />
gute Schneideigenschaften besitzen Hartmetalle<br />
wie Chrom-Wolfram-Legierungen. Die<br />
Schneiden werden in diese Scheren eingesetzt und erhalten<br />
einen Präzisionsschliff, der einen gleichmäßig<br />
weichen und scharfen Schnitt garantiert.<br />
Diese Instrumente sind durch vergoldete Ringe<br />
oder Brachenenden gekennzeichnet. Die Standzeit<br />
von Hartmetall-Scheren ist wesentlich höher als bei<br />
Scheren ohne Hartmetall. Aber auch Hartmetall-<br />
Scheren müssen und können nachgeschliffen werden.<br />
_5. Schleifen<br />
Das Schleifen von Scheren ist Vertrauenssache,<br />
denn es entscheidet über die Funktionsfähigkeit und<br />
Lebensdauer eines Instruments. Die Schere muss<br />
beim Schleifen zerlegt werden. Durch den einzelnen<br />
Anschliff der Branchen entsteht ein kleiner Materi-<br />
Abb. 4a und b_ Aufbau einer<br />
Präparierschere. Die Auflage der<br />
Scherenteile, Schränkung,<br />
Hohlschliff und Bicon bestimmen die<br />
Eigenschaften der Schere.<br />
Abb. 5_ Der Operateur sollte<br />
ein Gefühl für den Anlaufpunkt von<br />
Präparierscheren entwickeln.<br />
spitz-stumpf spitz-spitz halbstumpfhalbstumpf<br />
stumpf-stumpf<br />
(breit)<br />
stumpf-stumpf<br />
(schlank)<br />
stumpf-stumpf<br />
geknöpft<br />
Abb. 6_ Die häufigsten Blattarten.<br />
Abb. 6<br />
I91
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9<br />
Abb. 7_ Präparation eines großen<br />
Hautlappens.<br />
Abb. 8_ Darstellung und Skelettierung<br />
eines peripheren Nerven.<br />
Abb. 9_ Unterminierung größerer<br />
Hautareale.<br />
alverlust. Durch das Zusammenschrauben kann die<br />
Schere (entsprechend ihrer Dreipunktlagerung, s.o.)<br />
wieder so eingestellt werden, dass sie optimal „anläuft“.<br />
Billigfirmen zerlegen die Schere nicht und gleichen<br />
den Substanzverlust durch Hammerschläge auf<br />
die Schraube aus. Durch diese „Vernietung“ ist die<br />
Schere praktisch nicht wieder schleifbar und verliert<br />
über kurz oder lang die präzise Führung der Branchen.<br />
_6. Spezialschere<br />
Neben den verschiedenen Typen der Präparierschere<br />
gibt es einige Spezialscheren. Für das Schneiden<br />
feinster Strukturen (Chirurgie peripherer Nerven)<br />
eignen sich Feder- oder Mikroscheren. Schaftscheren<br />
besitzen einen langen Schaft, an dessen<br />
Ende sich die Branchen öffnen. Sie ermöglichen die<br />
Präparation in Kavitäten (Mittelohr, Siebbein) über<br />
kleine z.B. endomeatale oder endonasale Zugänge.<br />
Weitere Spezialscheren sind z.B. Winkelscheren n.<br />
Fomon und Cottle.<br />
_7. Präparation eines großen<br />
Hautlappens<br />
Präparation eines großen Hautlappens (z.B.<br />
Facelift, laterale Parotidektomie) mit Darstellung<br />
der Äste des N. facialis mit einer stumpf-stumpfen<br />
Präparierschere nach Metzenbaum. Durch abwechselndes<br />
Schneiden und Spreizen erfolgt die Ablösung<br />
des Hautlappens, der mit dem Haken angehoben<br />
wird, sodass die Sicht auf die Tiefe der Dissektion<br />
möglich wird. Große Präparierscheren sind<br />
für solche Zwecke oft atraumatischer als kleine.<br />
_8. Darstellung und Skelettierung<br />
eines peripheren Nerven<br />
Das Gewebe oberhalb der N. accessorius wird<br />
mobilisiert und mit dem scharfen Haken angehoben.<br />
Die Suche nach dem Nerven erfolgt mit<br />
spreizenden Bewegungen der schlanken, stumpfstumpfen<br />
(geknöpften) Präparierschere parallel<br />
zum erwarteten Verlauf des Nerven.<br />
Ist dieser gefunden, wird das Gewebe oberhalb<br />
des Nerven mit ein oder zwei feinen chirurgischen<br />
Pinzetten gefasst und gespannt.<br />
Die feine Präparierschere wird in diesem Raum<br />
oberhalb und direkt auf dem Nerven vorsichtig<br />
spreizend vorgeschoben. Danach wird das auf diese<br />
Weise mobilisierte Gewebe oberhalb des Nerven<br />
und in dessen Richtung scharf durchtrennt und die<br />
Präparation wie beschrieben fortgesetzt.<br />
_9. Unterminierung größerer Hautareale<br />
Die Unterminierung größerer Hautareale erfolgt<br />
mit der stumpf-stumpfen Präparierschere, nachdem<br />
die Inzision mit dem gebauchten Skalpell durch Haut,<br />
Subkutis und Platysma geführt wurde (siehe oben).<br />
Die Spitzen der Scherenblätter weisen nach außen<br />
und sind durch die Haut sicht- oder palbierbar. Mit<br />
dieser Vorgehensweise können Verletzungen von<br />
Gefäßen und Nerven ausgeschlossen werden, wenn<br />
die chirurgische Schicht nicht verlassen wird und so<br />
Traumatisierungen der tieferen Schichten, insbesondere<br />
der Muskulatur, vermieden werden._<br />
_Literaturliste<br />
face<br />
Berbohm, Grundlagen der Instrumentenkunde für<br />
den HNO-Arzt und plastischen Gesichtschirurgen.<br />
Endo-press, Tuttlingen 2007<br />
92 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
1 x 1 der Präparier-<br />
& Instrumentenkunde<br />
für die Plastische Gesichtsund<br />
Halschirurgie<br />
Teil 3:<br />
Praktischer Exkurs<br />
_Im dritten Teil dieses Beitrags wird exemplarisch<br />
der Einsatz schneidender Instrumente bei halschirurgischen<br />
Eingriffen in konkreten und häufigen<br />
Situationen gezeigt. Hier gewinnt die Wahl eines<br />
geeigneten Instruments besondere Bedeutung und<br />
es wird deutlich, dass bereits geringfügige Unterschiede<br />
im Aufbau einer chirurgischen Schere zu<br />
ganz verschiedenen Vor- oder Nachteilen in der<br />
Anwendung führen.<br />
_1. Präparation der Halsgefäßscheide<br />
Stumpfe Präparation der Halsgefäßscheide mit<br />
der gebogenen Präparierschere (stumpf-stumpf).<br />
Das Bindegewebe oberhalb der V. jugularis wird mit<br />
einer zarten Pinzette gefasst und angehoben. Die<br />
Scherenblätter eröffnen das in dieser Weise gebildete<br />
„Zelt“ und werden vorsichtig spreizend vorgeschoben.<br />
Je effektiver die Spreizwirkung der Blätter, desto<br />
Abb. 1<br />
Abb. 2<br />
I93
I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />
besser die erreichte Sicht und desto sicherer die Präparation.<br />
Eine kleine chirurgische Pinzette gestattet einen<br />
besseren Grip beim Fassen des Bindegewebes, eine<br />
anatomische Pinzette bewahrt vor Verletzungen der<br />
dünnen Venenwand.<br />
Präparation der A. carotis durch Lösen der Tunica<br />
adventitia.<br />
Die Präparation erfolgt mit einer kleinen spitzstumpfen,<br />
später mit einer stumpf-stumpfen Präparierschere.<br />
Dieser Operationsschritt ist z. B. im Rahmen einer<br />
Neck dissection bei Halsmetastasen von besonderer<br />
Bedeutung, um einerseits alle Lymphknoten aus der<br />
Halsgefäßscheide zu entfernen und andererseits das<br />
Gefäß von suspektem Gewebe vollständig zu befreien.<br />
Abb. 4<br />
_3. Exstirpation eines<br />
Hals-Lymphknotens<br />
Durch das „Aufblättern“ aller Bindegewebssepten<br />
und -schichten um den Lymphknoten herum, kann<br />
dieser mobilisiert werden.<br />
Auch hier schmiegt sich die Konkavität des Scherenblattes<br />
eng an die konvexe Oberfläche des<br />
Lymphknotens an, um auf diese Weise eine Verletzung<br />
der dünnen Jugularvene an der Unterseite des<br />
Lymphknotens möglichst zu vermeiden. Es empfiehlt<br />
sich eine stumpf-stumpfe oder stumpf-spitze Präparierschere,<br />
die nicht zu klein gewählt werden sollte.<br />
Es sollte immer an der Stelle präpariert werden, wo<br />
sich die einzelnen Schichten am besten lösen lassen.<br />
Abb. 3<br />
_2. Exstirpation einer lateralen Halszyste<br />
Die stumpf-stumpfe Präparierschere kann durch<br />
den auf dem „Scharnier“ aufgelegten Zeigefinger sicher<br />
geführt werden. Es kommt bei der Präparation<br />
darauf an, die Zyste aus einer Vielzahl bindegewebiger<br />
Septen herauszulösen. Hierzu schmiegen sich die<br />
Scherenblätter mit ihrer konkaven Seite eng an die<br />
Konvexität der Zyste an.<br />
Es gilt der Satz „... immer, wenn du denkst, die letzte<br />
Bindegewebsschicht sei erreicht, kommt noch eine.“<br />
Das heißt, wenn die letzte, zystennahe Bindegewebsschicht<br />
wirklich gelöst wird, geht die Präparation sehr<br />
leicht.<br />
Akut entzündete, infizierte Halszysten sollten zunächst<br />
antibiotisch behandelt, evtl. vorübergehend<br />
durch Punktion entlastet und später im entzündungsfreien<br />
Intervall operiert werden.<br />
Abb. 5<br />
_4. Abtrennen überstehender<br />
Fadenenden<br />
Nach erfolgter Naht werden überstehende Fadenenden<br />
mit einer geeigneten Schere abgetrennt.<br />
94 I
Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />
Dabei wird die Schere in Länge und Stärke der jeweils<br />
vorliegenden Operationsfeldgröße angepasst.<br />
In der Regel werden eher schlankere Modelle<br />
verwendet, wobei die Scherenblätter je nach<br />
Situation gerade oder gebogen sein können. Abgestumpfte<br />
Enden verhindern ein „Verhaken“ oder<br />
ungewollte Gewebetraumatisierungen während<br />
des Abschneidens.<br />
Die eigentliche „Fadenschere“ kommt noch aus<br />
der Ära, als derbes Nahtmaterial, z. B. Catgut, sich<br />
zwischen den Branchen der Scheren einklemmen<br />
und diese unbrauchbar machen konnte. Da diese<br />
Zeiten vorbei sind, gibt es die Fadenschere per se<br />
nicht mehr. Meist ist es die Cooper-Schere._<br />
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