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Ästhetische Medizin - Nasenkorrekturen - Park Klinik Weißensee

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Ästhetische <strong>Medizin</strong><br />

eBook<br />

PROF. DR. HANS BEHRBOHM<br />

<strong>Nasenkorrekturen</strong> –<br />

Mikrochirurgie zwischen Ästhetik<br />

und Funktion<br />

mit Beiträgen zur biostatischen Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />

online<br />

eBook<br />

www.zwp-online.info


I Autor _ Rhinochirurgie<br />

Prof. Dr. Hans Behrbohm<br />

_ Chefarzt der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Plastische Operationen an der <strong>Park</strong>-<strong>Klinik</strong> Weißensee, einem<br />

akademischen Lehrkrankenhaus der Charité (www.park-klinik.com)<br />

_ Zugleich Niederlassung am Kurfürstendamm 61 (www.ku61.de)<br />

_ Besondere Tätigkeitsschwerpunkte: plastische, rekonstruktive und ästhetische Gesichtschirurgie, funktionell-ästhetische<br />

Chirurgie der Nase, endoskopische Mikrochirurgie der Nasennebenhöhlen und der Schädelbasis, Entwicklung des Konzepts der<br />

Biostatischen Chirurgie der Nase (www.ku61.de/nase_sanft.pdf)<br />

_ Publikationen: 3 Lehrbücher im Thieme-Verlag, Stuttgart, New York, zahlreiche Monografien und über 100 wissenschaftliche<br />

Originalarbeiten (www.thieme.de)<br />

_ Gründungs- und Vorstandsmitglied des Privat-Instituts für <strong>Medizin</strong>ische Weiterbildung und Entwicklungen Berlin e.V.<br />

(www.imwe-berlin.de)<br />

_ Auszeichnungen: Humboldt-Preis der Humboldt-Universität zu Berlin, First Prize Award der British Medical Association, Medal<br />

of the All India Rhinologic<br />

_ Society-Gesellschaften: Norddeutsche Gesellschaft für Otorhinolaryngologie und zervikofaziale Chirurgie (Präsident<br />

2001/2002), European Academy of Facial Plastic Surgery, American Academy of Facial Plastic and Reconstructive Surgery,<br />

Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Internationale Gesellschaft für ästhetische<br />

<strong>Medizin</strong><br />

Verlag:<br />

Projektbetreuung:<br />

Satz/Layout:<br />

OEMUS MEDIA AG<br />

Holbeinstraße 29<br />

04229 Leipzig<br />

Claudia Schreiter<br />

Dipl.-Des. Jasmin Hilmer<br />

© Prof. Dr. Hans Behrbohm/OEMUS MEDIA AG<br />

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages und/oder des Autors.<br />

02 I


Inhalt _ Rhinochirurgie I<br />

I Fachbeiträge<br />

04 Dem Leben auf der Spur – Jacques Joseph<br />

Ein Wegbereiter der plastischen Gesichtsund<br />

Nasenchirurgie<br />

12 Die funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase<br />

18 Bezugskoordinaten der ästhetischen<br />

Gesichtschirurgie – zwischen Mathematik und<br />

Intuition. Teil 1: die Nase<br />

24 Bezugskoordinaten der ästhetischen<br />

Gesichtschirurgie – zwischen Mathematik und<br />

Intuition. Teil 2: die Regionen Stirn, Wangen und Kinn<br />

29 Approaches & Techniques –1. Rhinoplastik –<br />

Die Eversionstechnik<br />

(Non-delivery oder splitting approach)<br />

31 Approaches & Techniques – 2. Rhinoplastik –<br />

Die Luxationstechnik (Delivery approach)<br />

33 Approaches & Techniques – 3. Rhinoplastik –<br />

Die offene Technik (Open approach)<br />

40 Approaches & Techniques –<br />

4. Die Rhino-Mentoplastik mit autologem Ohrknorpel<br />

43 Osteotomien im Gesicht – die Kunst und Technik<br />

der Knochenschnitte. Teil 1: Rhinoplastik<br />

49 Osteotomien im Gesicht – die Kunst und Technik<br />

der Knochenschnitte. Teil 2<br />

54 ... Cyrano kommt, die Nase ist schon da ...<br />

Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei<br />

überprojizierten und funktionellen Spannungsnasen –<br />

Teil 1: Klinische Anatomie und Indikationen<br />

58 ... Cyrano kommt, die Nase ist schon da ...<br />

Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei<br />

überprojizierten und funktionellen Spannungsnasen –<br />

Teil 2: Prinzipien der Chirurgie bei überprojizierten<br />

und funktionellen Spannungsnasen<br />

63 Biostatische endoskopische Chirurgie des Siebbeins<br />

(BES) – von der Architektur des zentralen<br />

Gesichtsschädels<br />

70 „swinging double door“ – Eine neue Technik<br />

der biostatischen und endoskopischen Chirurgie der<br />

Nasenscheidewand<br />

77 Der schwierige Aufstieg zum K2 – Intracavitäre<br />

Minimalinvasive Chirurgie der Nasennebenhöhlen –<br />

ICMIC<br />

82 Perforierende Gesichtsverletzungen<br />

86 1x1 der Präparier- und Instrumentenkunde<br />

für die Plastische Gesichts- und Halschirurgie.<br />

Schneidende Instrumente, Teil 1: Skalpelle<br />

89 1x1 der Präparier- und Instrumentenkunde<br />

für die Plastische Gesichts- und Halschirurgie.<br />

Schneidende Instrumente, Teil 2: Scheren<br />

93 1x1 der Präparier- und Instrumentenkunde<br />

für die Plastische Gesichts- und Halschirurgie.<br />

Teil 3: Praktischer Exkurs<br />

I03


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Dem Leben auf der Spur –<br />

Jacques Joseph<br />

Ein Wegbereiter der plastischen Gesichts- und<br />

Nasenchirurgie<br />

Dem Leben auf der Spur, so heißt die aktuelle Dauerausstellung im <strong>Medizin</strong>historischen Museum der Berliner Charité. In<br />

einem historischen Krankensaal werden Schicksale einzelner Patienten und das Eingreifen der <strong>Medizin</strong> verschiedener<br />

Epochen in ihr Leben dargestellt.<br />

Abb. 1<br />

Abb. 2<br />

Abb. 1_Operationssituation bei<br />

einer Rhinoplastik, heute eine<br />

der häufigsten Operationen im<br />

Gesicht aus ästhetischer oder<br />

funktioneller Indikation.<br />

Abb. 2_Dem Leben auf der Spur.<br />

Dokumente über den „Fall“ Karl<br />

Hasbach. Originalinstrumente<br />

von Jacques Joseph.<br />

_Unter den gezeigten Patientengeschichten befindet<br />

sich auch die des Studienrats Karl Hasbach. Dieser<br />

wurde im November 1914 als Leutnant zum<br />

Kriegsdienst einberufen. Im Februar 1915 erlitt er an<br />

der französischen Front durch einen Granatsplitter<br />

eine Zertrümmerung von Oberkiefer und Nase.1915<br />

und 1916 wurde er 19-mal operiert – offensichtlich<br />

mit unbefriedigendem Ergebnis. Zwischenzeitlich<br />

erfolgte eine epithetische Versorgung der Nase und<br />

dann von 1916 bis 1918 die endgültige Rekonstruktion<br />

der entstellten Gesichtsteile durch Jacques<br />

Joseph in Berlin.<br />

Doch wer war Jacques Joseph? In der Hall of Fame<br />

der berühmten deutschen Chirurgen finden sich nur<br />

spärliche Hinweise auf einen Mann, dem heute bedeutende<br />

Verdienste für die plastische Gesichts- und<br />

besonders die Nasenchirurgie zugesprochen werden.<br />

Josephs Karriere begann im Wilhelminischen<br />

Deutschland und führte ihn zu höchster fachlicher<br />

Anerkennung und gesellschaftlicher Wertschätzung<br />

in der Weimarer Republik und endete im Nationalsozialismus<br />

unter Demütigung und quasi Berufsverbot<br />

zu Beginn der systematischen Juden -<br />

verfolgung. Joseph wirkte zeitlebens in Berlin und<br />

lehnte eine Emigration ab, die für seine Frau Leonore<br />

und Tochter Bella später die letzte Chance blieb.<br />

Der gezeigte Fall des Karl Hasbach stammt aus<br />

Josephs Zeit an der Berliner Charité. Der in freier<br />

Niederlassung tätige Arzt wurde am 2. Juni 1916<br />

durch das preußische Ministerium für geistliche und<br />

Unterrichtsangelegenheiten mit der Leitung ei -<br />

ner Abteilung für plastische Gesichtschirurgie an<br />

der Charité beauftragt. Seine Abteilung befand<br />

sich in der Ohren- und Nasenklinik und bestand von<br />

04 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

1916 bis 1922. Die Verwundeten wurden von den<br />

Schlachtfeldern in Sanitätswaggons mit der Eisenbahn<br />

direkt zum Bahnhof Friedrichstraße und von<br />

dort auf Josephs Acht-Betten-Station gebracht. Mithilfe<br />

von regionalen oder Stirn- und Oberarm-Lappenplastiken<br />

einerseits und freien Knorpel- und<br />

Knochentransplantaten andererseits gelangen ihm<br />

auch in Fällen ausgedehnter Verletzungen meisterhafte<br />

Rekonstruktionen des Gesichts wie die des<br />

genannten Karl Hasbach. Auch Elfenbein aus der<br />

Berliner Pianofabrik Bechstein wurde als Implantat<br />

verwendet.<br />

_Jacques Joseph – Biografisches<br />

Jakob Joseph, der sich später Jacques nannte,<br />

wurde am 6. September 1865 in Königsberg als drittes<br />

Kind des Rabbiners Israel Joseph und dessen Frau<br />

Sara geboren. Von 1885 bis 1889 studierte er an der<br />

Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin <strong>Medizin</strong>. Er<br />

schloss das Studium 1889 ab und promovierte 1890<br />

in Leipzig.<br />

_Karriereknick nach Otoplastik<br />

Nach seiner Approbation und <strong>Medizin</strong>alprakti -<br />

kantenzeit ließ sich Joseph 1892 als praktischer Arzt<br />

in Berlin-Mitte nieder. Bald schon strebte er trotz einer<br />

florierenden Praxis nach Spezialisierung und bewarb<br />

sich 1892 erfolgreich an der Universitätsklinik<br />

für orthopädische Chirurgie, die von Professor Julius<br />

Wolff (1836–1902), im Berliner Volksmund „Knochenwolff“,<br />

geleitet wurde.<br />

Josephs chirurgische Ausbildung fand ein jähes<br />

Ende, als er ohne Information und Erlaubnis Wolffs<br />

einem zehnjährigen Jungen zu große und abstehende<br />

Ohrmuscheln („Eselsohren“) korrigierte. Der<br />

Junge hatte bis dahin unter dem Spott seiner Umwelt<br />

gelitten. Obwohl dieser erste plastische Eingriff<br />

Josephs erfolgreich verlief, entließ ihn Wolff mit der<br />

Begründung, dieser habe eine an seiner <strong>Klinik</strong> unerprobte<br />

und noch dazu „kosmetische“ Operation<br />

ohne sein Einverständnis durchgeführt. Josephs<br />

vierjährige Tätigkeit und beginnende Hochschul -<br />

karriere an Wolffs renommierter <strong>Klinik</strong> waren damit<br />

1896 beendet. Er ging zurück in die private Niederlassung.<br />

unübersichtlich und stark infektionsgefährdet.<br />

Joseph wurde dafür von führenden deutschen Chi -<br />

rurgen, besonders von Erich Lexer, immer wieder<br />

angegriffen. Am Beginn des Ersten Weltkrieges<br />

hatte Jacques Joseph bei Fachkollegen wie bei medizinischen<br />

Laien den verdienten Ruf des prominentesten<br />

deutschen Gesichtschirurgen.<br />

_Erster Weltkrieg: Hoher Bedarf an<br />

rekonstruktiver Gesichtschirurgie<br />

Der Krieg brachte für Jacques Joseph, den Stabsarzt<br />

der Reserve, neue Herausforderungen.<br />

Es entstanden Verletzungen in einer Häufigkeit<br />

und Schwere, wie sie bis dahin unvorstellbar waren.<br />

Joseph steigerte Anzahl und Umfang seiner Operationen<br />

ins Extreme und war auch auf dem Gebiet<br />

der Wiederherstellungschirurgie außerordentlich<br />

erfolgreich. Wegen seiner spektakulären Ergebnisse<br />

wurde auch der „Oberste Kriegsherr“ Wilhelm II. auf<br />

ihn aufmerksam. 1915 bot der Kaiser persönlich dem<br />

nicht habilitierten Joseph eine Professur für plastische<br />

Chirurgie an der Charité an, die dieser ablehnte,<br />

weil sie an die Bedingung seines Übertritts zum<br />

Christentum geknüpft war.<br />

_Professor an der Charité – Leiter der<br />

Abteilung für plastische Gesichtschirurgie<br />

Durch die Fortdauer des Krieges überstieg die<br />

Häufigkeit schwerer Gesichtsverletzungen allein<br />

aus Berlin die Kapazität von Josephs Praxis. Am<br />

2. Juni 1916 wurde an der von Adolf Passow<br />

Abb. 3<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c<br />

Abb. 3_Jacques Joseph ca. 1920.<br />

Abb. 4a_Patientin mit „hängendem<br />

Septum mittleren Grades“.<br />

Abb. 4b_OP-Plan der Nasenverkleinerung<br />

nach Joseph. Resektionsschema<br />

und Zustand nach der<br />

Resektion (oben: Septumansicht,<br />

unten: Seitenwandansicht).<br />

Abb. 4c_Nach der doppelseitigen<br />

Segmentresektion (totaler Verkürzung<br />

mit Höckerabtragung).<br />

Abb. 5a_Junger Soldat mit totalem<br />

Nasendefekt.<br />

Abb. 5b_Schnittführung auf der Stirn<br />

bei der Nasenersatzplastik (frontale<br />

Methode nach Joseph).<br />

Abb. 5c_Nach der „chirurgischen<br />

Modellierung und Knocheneinführung“<br />

aus J. Joseph: Nasenplastik<br />

und sonstige Gesichtsplastik,<br />

C. Kabitzsch, Leipzig 1931.<br />

_Erste intranasale Septorhinoplastiken<br />

Joseph führte in eigener Praxis 1898 die erste Nasenverkleinerungsplastik<br />

damals noch über einen<br />

äußeren Zugang aus. 1904 berichtete er zum ersten<br />

Mal über die simultane intranasale Korrektur einer<br />

Höckernase mit Korrektur des vorderen Septums.<br />

Diesen Zugang baute Joseph in den folgenden Jahren<br />

systematisch für weitere Indikationen aus. In -<br />

tranasale Operationstechniken galten damals als<br />

Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c<br />

I05


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 6a_Prof. Jacques Joseph bei<br />

der Demonstration einer Rhinoplastik<br />

1921 im Kreise interessierter Ärzte<br />

(aus: P. Natvig: Jacques Joseph –<br />

Surgical Sculptor, W.B. Sauders,<br />

Philadelphia 1982).<br />

Abb. 6b_Aufnahme während eines<br />

rhinoplastischen Präparierkurses im<br />

anatomischen Institut der Charité<br />

1922. Von links nach rechts sitzend:<br />

Prof. Joseph, Prof. Kopsch, unbekannter<br />

spanischer Chirurg; stehend:<br />

Dr. Jacques Maliniac, Dr. Gustave<br />

Aufricht, Dr. Zoltán Nagel.<br />

Abb. 6c_Hörsaal des Instituts für<br />

Anatomie der Charité. Prof. M.E.<br />

Tardy enthüllt eine von C. Bahr geschaffene<br />

Büste von J. Joseph anlässlich<br />

des internationalen Kurses<br />

„THE NOSE & FACE“ 2005 in Berlin.<br />

Abb. 7a–b_Operationssituationen<br />

bei einer Rhinoplastik.<br />

Abb. 8_Patientin vor a) und nach b)<br />

ästhetischer Nasenkorrektur wegen<br />

„abnormer Schmalheit der knöchernen<br />

Nase“ durch intranasale<br />

„Abtragung des Höckers“.<br />

Abb. 6a<br />

(1859–1926) geführten Ohren- und Nasenklinik der<br />

Charité eine Abteilung für plastische Gesichtschirurgie<br />

eröffnet. Das preußische Ministerium für<br />

geistliche und Unterrichtsangelegenheiten beauftragte<br />

J. Joseph mit der Leitung. „Remuneration“<br />

hatte er dafür jedoch nicht zu erwarten! 1919 wurde<br />

er zum Professor ernannt – diesmal ohne für ihn<br />

unannehmbare Bedingungen.<br />

_Der Praktiker und akademische Lehrer<br />

Nachdem die Abteilung für Gesichtsplastik ab<br />

1922 von der Heeresleitung nicht mehr getragen<br />

wurde, ließ sich Joseph wieder in eigener Praxis am<br />

Kurfürstendamm 63 nieder und widmete sich zunehmend<br />

der korrektiven und ästhetischen Chirurgie.<br />

Schwerpunkte waren jetzt Nasen- und „Hängewangen“-Plastiken<br />

ebenso wie Mammaplastiken.<br />

Joseph hielt Operationskurse in seiner Belegklinik in<br />

der Bülowstraße und Präparierkurse im Anatomischen<br />

Institut der Charité gemeinsam mit Professor<br />

Friedrich Kopsch ab. Hospitanten in seiner Praxis<br />

waren in diesen Jahren u.a. Gustave Aufricht, der<br />

später nach New York ging und wesentlich zur Verbreitung<br />

der Josephschen Verfahren in den USA beitrug,<br />

und der US-Amerikaner Joseph Safian.<br />

Abb. 6b<br />

Letzterer berichtete, dass von einer Plattform am<br />

Fußende des Operationstisches bis zu sechs in- und<br />

ausländische Ärzte gegen ein angemessenes Salär<br />

den Eingriffen zuschauen durften. Erklärungen und<br />

Kommentare zum operativen Vorgehen wurden<br />

nicht gegeben; Fragen während der Operation hatte<br />

sich Joseph verbeten. Das Ganze soll eher entmu -<br />

tigend als anregend und lehrreich gewesen sein.<br />

Nur die Beharrlichsten hielten durch und wurden<br />

Josephs dankbare Schüler und auch seine persönlichen<br />

Freunde.<br />

_Charakter und Charisma<br />

Jacques Joseph hat – so schildern es J. Safian und<br />

der Joseph-Biograf Paul Natvig – auf Außenstehende<br />

einen mürrisch-abweisenden, wenig „kordi -<br />

alen“ Eindruck gemacht. Die, die ihm näher standen,<br />

schätzten seine Herzenswärme und seinen Humor.<br />

Hinter einer rauen Schale verbarg sich ein tief empfindender,<br />

von einem klassischen Schönheitsideal<br />

faszinierter Mensch, der als Arzt besonders seinen<br />

unglücklichen entstellten Patienten aufrichtig zugetan<br />

war. Kriegsverletzte aus dem Ersten Weltkrieg,<br />

die von Joseph operiert worden waren, blieben ihm<br />

zeitlebens verbunden, wofür es aus den Familien der<br />

Abb. 6c<br />

06 I


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Abb. 7a<br />

Abb. 7b<br />

Verletzten noch in den zurückliegenden Siebziger- und Achtzigerjahren anrührende<br />

Belege gibt. Die letzte, 1990 noch lebende OP-Schwester aus Josephs <strong>Klinik</strong> schilderte<br />

ihren äußerst resoluten Chef als einen anziehenden, ausgesprochen schönen Mann<br />

und hielt die Josephschen OP-Schwestern für die seinerzeit bestbezahlten in Berlin.<br />

_„Nasenjoseph“ oder „Noseph“<br />

Joseph war als „Nasenjoseph“ oder „Noseph“ bereits zu Lebzeiten eine Legende.<br />

Durch den „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch wissen wir etwas über den Josephschen<br />

Praxisalltag im Jahre 1922 aus der Wartezimmerperspektive: „… empfing Herr<br />

Professor Joseph in seinem Ordinationszimmer am Kurfürstendamm die an Eitelkeit<br />

kranken Menschen. Jeden fragte er, was er sei, ob er reich sei und aus welchem Valutabezirk<br />

er komme, und dann, erst dann, fragt er ihn nach seiner Wesensart … und er<br />

muss die Wesensart kennen, denn danach stellt er die Nase her. ‚Wünschen Sie eine<br />

kecke Nase oder eine intelligente, eine kokette oder eine energische?’ … Der Herr Professor<br />

reicht ihm ein Album mit Hunderten von Photographien ehemaliger Patienten,<br />

vor der Operation und danach. Sie blättern im Album und wählen ein Näschen, das sie<br />

haben möchten. ‚Gut’ sagt der Herr Professor und packt sie an der Nase. Er verdeckt<br />

sie mit der Hand und den Fingern und zeigt ihnen, wie sie später aussehen werden.<br />

‚Kommen Sie morgen früh um zehn in meine Privatklinik Bülowstraße 22’.“<br />

_Der Arzt und Künstler<br />

Joseph war ein begnadeter Operateur, der neben exzellentem chirurgischen Können<br />

über jenes künstlerische Formgefühl verfügte, das er auch in seinem Lehrbuch<br />

von jedem forderte, der ästhetische Operationen ausführen will. Nach übernomme-<br />

Abb. 8a<br />

Abb. 8b


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 9a_Sattelnase mit tiefer<br />

Hautfurchung.<br />

Abb. 9b–c_Nach intranasaler<br />

Elfenbein-Einfügung.<br />

Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c<br />

Abb. 10a–d_Prinzip des bukkonasalen<br />

Schleimhautersatzes und<br />

Ersatzplastik der äußeren Nase<br />

mit einem Stirnlappen.<br />

nen oder ideenreich selbst entwickelten und zielstrebig<br />

vervollkommneten Verfahren operierte er<br />

mit sicherer Hand in schonender Weise. Jeder Defekt<br />

oder Formfehler wurde präoperativ gründlich analysiert,<br />

jeder Operationsschritt sorgfältig geplant,<br />

nichts wollte er während der Operation dem Zufall<br />

überlassen. Er hat die schwierigste Form der Nasenplastik,<br />

die Nasenersatzplastik, in einer Weise beherrscht<br />

und gefördert, dass seine Methoden hinsichtlich<br />

der äußeren Form kaum übertroffen werden<br />

können, wie Hugo Ganzer – selbst hocherfahren<br />

– 1943 betonte.<br />

_Der Publizist<br />

In seinem Hauptwerk „Nasenplastik und sonstige<br />

Gesichtsplastik nebst Mammaplastik“ sowie in mehr<br />

als 30 Publikationen und Handbucheinträgen hat<br />

Joseph die korrektive, rekonstruktive und ästhetische<br />

Rhino- und Gesichtschirurgie systematisiert<br />

und in ihren Zielen und Techniken neu definiert. Er<br />

hat die intranasalen Techniken der Rhinoplastik<br />

etabliert, sah die duale Aufgabe der Rhinochirurgie<br />

in Funktions- und Formverbesserung und die ästhetische<br />

Chirurgie als ärztliche Aufgabe. Jacques Joseph<br />

ist der Begründer der modernen Rhinoplastik und<br />

einer der wichtigsten Pioniere der plastischen Gesichtschirurgie.<br />

Er legte viel Wert auf eine präzise Analyse jedes<br />

morphologischen Problems. Das Prinzip der Defektanalyse<br />

nach Joseph unterscheidet zwischen dem<br />

scheinbaren, dem tatsächlichen und dem Gesamtdefekt.<br />

Zur genauen Planung bei Nasendefekten beschrieb<br />

er die Drittelung nach Joseph. Die Prinzipien<br />

der Rhinomioplastik und Rhinometaplastik haben<br />

noch heute Bedeutung.<br />

Joseph entwickelte die bukkale Nasenplastik als<br />

eine „neue Grundmethode“ mit dem Impetus, durch<br />

eine Trennung von Entnahme- und Implantationsregion<br />

eine Verringerung von narbigen Schrumpfungen<br />

und Deformierungen zu erreichen. Das Prinzip<br />

der bukko-nasalen Schleimhaut- und Ersatz -<br />

plastik der Nase leitete eine neue Epoche in der Rhinoneoplastik<br />

ein, weil es das Ziel einer vollständigen<br />

Epithelisierung der Nasenhöhle durch eine Umklappplastik<br />

mit Ersatz der äußeren Anteile der Nase<br />

durch einen Stirn-, Wangen- oder Armlappen verband.<br />

Die Stabilität erhielt die Neonase durch freie<br />

Implantate von Tibiaknochen oder Elfenbein.<br />

Jeder Arzt, der heute vor der Aufgabe steht, ähnliche<br />

Defekte zu korrigieren, wird nahezu fassungslos<br />

die genialen Resultate in Josephs Publikationen<br />

bewundern, die er ohne moderne Techniken der rekonstruktiven<br />

Chirurgie, wie z.B. den freien Gewebetransfer<br />

mit Mikrogefäßanastomosen, und meist<br />

in Lokalanästhesie erzielte.<br />

Abb. 10a Abb. 10b Abb. 10c Abb. 10d<br />

08 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Zudem ist besonders sein Buch ein Meisterwerk<br />

in jeder Hinsicht. Das betrifft die ausdrucksstarken<br />

Schwarz-Weiß-Bilder der Patienten, deren Anordnung<br />

in einem perfekten Layout, die Ehrlichkeit der<br />

Darstellung von Schwierigkeiten und Grenzen der<br />

Therapie sowie die sprachliche Gestaltung des Textes<br />

(mehr dazu www.jacques-joseph.de).<br />

Im Kaden-Verlag erschien 2004 eine aufwendig<br />

gestaltete reprografische Neuauflage des längst<br />

vergriffenen Hauptwerkes von Jacques Joseph „Nasenplastik<br />

und sonstige Gesichtsplastik nebst einem<br />

Anhang über Mammaplastik und einige weitere<br />

Operationen aus dem Gebiete der äußeren Körperplastik“.<br />

_Der Konstrukteur<br />

Joseph entwickelte Zeit seines Lebens neue Ins -<br />

trumente oder modifizierte und verbesserte diese<br />

und herkömmliche für seine innovativen Operationstechniken.<br />

Weltbekannt ist der sog. „Joseph“,<br />

ein nach ihm benanntes Raspatorium, nach dem<br />

auch heute noch in den Operationssälen auf der<br />

ganzen Welt verlangt wird.<br />

Joseph ließ jedes der von ihm entwickelten Ins -<br />

trumente mit einer kleinen Gravur „PROF. JOSEPH“<br />

versehen. Während der NS-Zeit emigrierten viele von<br />

Josephs Schülern und engen Mitstreitern. Die Originalinstrumente<br />

wurden in alle Welt verstreut und von<br />

bekannten plastischen Chirurgen wie Reliquien gehütet.<br />

Im Jahre 1969 erhielt Professor Rudolf Stellmach<br />

(1924–2003) von Dr. Pabst, einem plastischen<br />

Chirurgen in Berlin-Grunewald, einige von Josephs<br />

Originalinstrumenten. Stellmach, selbst ein anerkannter<br />

plastischer Chirurg und Spezialist auf dem<br />

Gebiet der Missbildungschirurgie des Gesichts, trug<br />

diese Instrumente von Josephs bedeutenden Schülern<br />

wie Gustave Aufricht, Joseph Safian, Samuel Fomon,<br />

Jacques Maliniac oder führenden plastischen<br />

Chirurgen wie John Maurice Converse zusammen. Die<br />

Sammlung dieser Originalinstrumente befindet sich<br />

derzeit in der Dauerausstellung des <strong>Medizin</strong>historischen<br />

Museums der Charité und illustriert im historischen<br />

Krankensaal den Fall des Karl Hasbach.<br />

_Die NS-Zeit<br />

Als die Nationalsozialisten 1933 die politische<br />

Macht in Deutschland übernommen hatten, erkannten<br />

nur wenige, welche Katastrophe heraufzog. Für<br />

jüdische Deutsche und Andersdenkende begann<br />

diese sofort. Joseph hatte – wie viele andere auch – die<br />

herandrängende braune Gefahr nicht ernst genommen.<br />

Höchster Anerkennung und Wertschätzung war<br />

– fast über Nacht – tiefste offizielle Missachtung gefolgt.<br />

Die Stenotypistin, die er zur Fertigstellung seines<br />

Lehrbuches angestellt hatte und die in seinem Haus<br />

wohnte, bespitzelte und erpresste ihn im Auftrag der<br />

Gestapo. Joseph durfte nur noch wenige plastische<br />

Eingriffe nach entwürdigenden „Sondergenehmigungsverfahren“<br />

durchführen. Durch den zügellosen,<br />

gewalttätigen Antisemitismus wurde für Joseph die<br />

Ausübung der ärztlichen Praxis immer schwieriger.<br />

_Der Tod<br />

Die Emigration war wohl ins Auge gefasst, als<br />

Jacques Joseph am 12. Februar 1934 in Berlin-Wilmersdorf<br />

verstarb. Er erlitt auf dem Weg zur Arbeit<br />

noch im Flur seines Hauses einen tödlichen Myokardinfarkt.<br />

Die inzwischen „gleichgeschaltete“ deutsche<br />

medizinische Fachpresse nahm von Josephs Tod keine<br />

Notiz mehr. Nachrufe erschienen nur in ausländischen<br />

Fachblättern. Für einen gewaltsamen Tod, der mehrfach<br />

vermutet wurde, gibt es nach den überlieferten<br />

einschlägigen Dokumenten keinen Hinweis.<br />

_Geschichte seiner Grabstätte<br />

Jacques Joseph wurde auf dem Jüdischen Friedhof<br />

in Berlin-Weißensee beigesetzt. Seine Witwe Leonore<br />

verließ Deutschland 1938 zufällig in der Nacht des<br />

berüchtigten Novemberpogroms. Auf mehreren Umwegen<br />

gelang ihr die Flucht in die USA. Sie starb dort<br />

1968 hochbetagt und verarmt. Josephs Grab wurde<br />

wie sein Haus im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben<br />

zerstört und galt seitdem als nicht mehr identifizierbar.<br />

W. Briedigkeit gelang es nach beharrlichen<br />

Recherchen, den zum Teil verschütteten und über-<br />

Abb. 11_Der Fall des Mustafa Ipar,<br />

eines türkischen Feldwebels, der in<br />

den Dardanellen eine ausgedehnte<br />

Gesichtsverletzung mit Fehlen beider<br />

Wangen, der Nase, des Oberkiefers<br />

einschließlich des harten Gaumens,<br />

der Oberlippe, eines Auges und des<br />

Oberlids und eines Teils der Zunge<br />

durch ein englisches Schiffs -<br />

geschoss erlitt.<br />

a_Anlage des Brückenkopflappens<br />

und Unterfütterung der Mittelpartie<br />

durch freie Haut.<br />

b_Rotation des Brücken lappens im<br />

Intervall.<br />

c_Defektdeckung durch den<br />

Brückenkopfhautlappen. Freie Hauttransplantation<br />

der Entnahmestelle.<br />

d_Replantation der „Ernährungs-<br />

brücke“ auf die Schläfengegend.<br />

Abb. 11a Abb. 11b Abb. 11c Abb. 11d<br />

I09


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 12a–b_Der gleiche Patient<br />

prä- und postoperativ.<br />

Abb. 12a<br />

Abb. 12b<br />

wachsenen Grabstein Josephs im August 2003 wie -<br />

derzufinden. Der Stein aus schwarzem Granit wurde<br />

geborgen, identifiziert und die nur noch fragmen -<br />

tarisch erhaltene ehemalige Inschrift entschlüsselt.<br />

Am 17. Oktober 2004 fand die Steinweihe anlässlich<br />

der vollendeten Wiedererrichtung der Grabstätte<br />

statt. Die Enthüllung und Weihe des Steins<br />

nahm der bekannte Berliner Rabbiner Professor<br />

Andreas Nachama in Gegenwart zahlreicher in- und<br />

ausländischer Gäste vor. Großzügige Spenden aus<br />

dem In- und Ausland hatten die Wiedererrichtung<br />

der Grabstätte ermöglicht. Neben den vielen privaten<br />

Spendern gilt der Dank besonders folgenden<br />

Fachgesellschaften: American Academy of Facial<br />

Plastic and Reconstructive Surgeons, European<br />

Academy of Facial Plastic Surgery, Deutsche Gesellschaft<br />

für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und<br />

Halschirurgie, Norddeutsche Gesellschaft für Oto -<br />

r hinolaryngologie und zervikofaziale Chirurgie, Oto-<br />

Laryngologische Gesellschaft zu Berlin, Vereinigung<br />

der Westdeutschen Hals-Nasen-Ohrenärzte von<br />

1897. Die Initiative und Koordinierung erfolgten<br />

vom Privat-Institut für <strong>Medizin</strong>ische Weiterbildung<br />

und Entwicklung Berlin e.V. (www.imwe-berlin.de).<br />

Der rekonstruierte Stein spiegelt die wechselvolle<br />

Geschichte des Grabes wider: Die Vorderansicht<br />

trägt die neue Inschrift auf poliertem schwedischen<br />

Granit; die Rückseite zeigt den Stein unverändert so,<br />

wie er geborgen wurde – beschädigt und mit fragmentarischer<br />

Inschrift. So konnte Jacques Joseph<br />

auf diese Weise die Ehre erwiesen werden, die man<br />

ihm zu Zeiten seines Todes versagte. Die Anerkennung<br />

der Grabstätte als Ehrengrab der Stadt Berlin<br />

wurde 2004 beim Berliner Senat beantragt und ist<br />

bislang nicht positiv entschieden.<br />

_Jacques Joseph heute<br />

Nach der Publikation „Eine kleine Josephsgeschichte“<br />

(W. Briedigkeit) in einer international ver-<br />

Abb. 13a_Profilwinkelmesser<br />

nach Joseph.<br />

Abb. 13b_Rhinoskoliometer<br />

nach Joseph.<br />

Abb. 13c_Schiefnasenapparat<br />

nach Joseph.<br />

Abb. 13a Abb. 13b Abb. 13c<br />

10 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 14a_Der beschädigte Grabstein<br />

nach seiner Freilegung.<br />

Abb. 14b_Steinweihe der wieder -<br />

errichteten Grabstätte auf dem<br />

Jüdischen Friedhof in Berlin-<br />

Weißensee am 17. Oktober 2004.<br />

Abb. 14a<br />

Abb. 14b<br />

breiteten Zeitschrift erreichten den Autor zahlreiche<br />

Briefe von fernen Verwandten, ehemaligen Patienten<br />

und anderen Bekannten Josephs, die nach 1933<br />

vor den Nazis ins Ausland geflohen waren und sich<br />

noch an den Chirurgen erinnerten.<br />

Beispiel: … mit großem Interesse habe ich Ihren<br />

Artikel in „Aktuell“ diesen Monats gelesen. Es<br />

brachte mich ungefähr fünfundsiebzig Jahre in die<br />

Vergangenheit. „Nosephs“ Tochter Bella heiratete<br />

einen Vetter meines Vaters … In 1939 August war<br />

ich auf einem Kindertransport nach England, lebte<br />

aber nach dem Kriege in Johannesburg … Bis vor<br />

5 Jahren wohnte eine Verwandte mit einer Joseph-<br />

Nase dort …<br />

Glück verbunden sind. Der Körper ist aber auch zu<br />

einem Schauplatz für Identitätssuche und Selbst -<br />

inszenierung geworden. Insofern erscheint der Körper<br />

auch als ein möglicher Weg zum Glück._<br />

Abb. 15_„Theke der ästhetischen<br />

Chirurgie“ im Hygienemuseum<br />

Dresden während der Ausstellung<br />

Glück – welches Glück.<br />

Das Thema der Emigration und der Beseitigung<br />

charakteristischer Gesichtsmerkmale z.B. durch <strong>Nasenkorrekturen</strong><br />

zur Zeit des Nationalsozialismus beschreibt<br />

der Film „Don’t call it Heimweh“ von Thomas<br />

Halaszinsky.<br />

_Glück – welches Glück<br />

Dem weiten Feld des Begriffs Glück widmet sich<br />

die aktuelle Ausstellung des Hygienemuseums Dresden.<br />

Im Kanon der vielfältigen Gebiete, die das Glück<br />

ausmachen, wurde auch der ästhetischen Chirurgie<br />

ein Raum gewidmet. Wir wurden gebeten, eine<br />

„Theke der ästhetischen Chirurgie“ mitzugestalten.<br />

Dazu wurden einige Instrumente aus verschiedenen<br />

Epochen der Chirurgie ausgewählt, um dem Besucher<br />

die ganz praktische Seite der Schönheitschirurgie<br />

erlebbar zu machen. Wir haben besonders die von<br />

Joseph entwickelten Instrumente ausgewählt und<br />

deren Modifikationen in den letzten Jahrzehnten<br />

demonstriert. Joseph hat immer wieder auf die<br />

große psychologische Bedeutung der rekonstruktiven<br />

und auch der ästhetischen Chirurgie hingewiesen,<br />

die er erstmals als ärztliche Aufgabe – damals<br />

noch gegen den Mainstream der Fachgesellschaften<br />

– definierte. Gesundheit und Schönheit des Körpers<br />

sind heute Idealvorstellungen, die eng mit dem<br />

Abb. 15<br />

_Literaturliste<br />

Jacques Joseph – ein Pionier der plastischen<br />

Gesichtschirurgie. Walter Briedigkeit und<br />

Hans Behrbohm, Jüdische Miniaturen,<br />

Hentrich-Verlag, ISBN 3-938485-34-5, 61 Seiten.<br />

Weitere Literatur: www.jacques-joseph.de<br />

_Co-Autoren<br />

Prof. Dr. Walter Briedigkeit<br />

Berlin<br />

Dr. Gerhard Reintanz<br />

Ueckermünde<br />

face<br />

face<br />

I11


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Die funktionellästhetische<br />

Chirurgie<br />

der Nase<br />

Abb. 1_Die Delphische Sybille,<br />

Detail, Michelangelo Buonarroti<br />

(1475–1565); Rom, Vatikan,<br />

Sixtinische Kapelle.<br />

_Die Nase nimmt innerhalb der ästhetischen Einheiten<br />

des Gesichtes eine besondere Stellung ein.<br />

Aus ästhetischer Sicht kommt ihr die Aufgabe zu,<br />

als einzelne unpaare anatomische Einheit im Gesichtsmittelpunkt,<br />

die vertikalen Gesichtsdrittel<br />

und horizontalen -fünftel harmonisch zu verbinden.<br />

Das ist auch der Grund dafür, dass bereits geringfügige<br />

Formvarianten der Nase erheblichen<br />

Einfluss auf die Gesamtwirkung des Gesichtes haben<br />

können. Dabei besteht die Nase eigentlich nur<br />

aus wenigen morphologischen Bausteinen, und<br />

dennoch resultiert daraus eine unendliche Formenvielfalt.<br />

Keine Nase gleicht der anderen. Die<br />

Bausteine der Nase besitzen eine ästhetische und<br />

funktionelle Bedeutung (Abb. 2).<br />

_Ästhetische Grundsätze<br />

Es geht bei der Rhinoplastik aus ästhetischer<br />

Indikation eigentlich nicht nur um die Nase, sondern<br />

immer um den Kontext mit anderen individuellen<br />

Gesichtsmerkmalen. Es gibt eine gewisse<br />

Rangfolge der Gesichtsmerkmale. Die Ausstrahlung<br />

geht in erster Linie von den Augen aus. Die<br />

Nase hat sich den Augen „unterzuordnen“, d.h.<br />

durch eine möglichst elegant-harmonisch geschwungene<br />

Linie vom medialen Punkt der Augenbraue<br />

zum tip defining point (Pronasale) die<br />

Wirkung der Augen „freizugeben“, ohne durch<br />

dysharmonische Konturen, zum Beispiel Höcker,<br />

Knochengrate, Einsattelungen, Missverhältnisse<br />

von Breite und Länge, von ihr abzulenken.<br />

Die Nasenspitze wird von einem gleichseitigen<br />

Rhomboid definiert. Es wird durch die tip defining<br />

points sowie den supra- und infratip point gebildet.<br />

Die kaudale Kontur der Nasenflügel sollte eine<br />

geschwungene Linie bilden, die sog. gull in flight-<br />

Linie (Abb. 3a–d).<br />

Am Beispiel des Profils wird besonders deutlich,<br />

dass es bei der Rhinoplastik nicht nur um die Veränderung<br />

der Nase geht, sondern vielmehr um die<br />

Abstimmung mit den benachbarten ästhetischen<br />

Einheiten, vor allem dem Kinn und der Stirn zu einer<br />

harmonischen Profillinie. Zum Teil kann allein<br />

durch eine Veränderung der Nase bereits Einfluss<br />

auf zum Beispiel eine fliehende Stirn oder ein fliehendes<br />

Kinn genommen werden. Um die drei<br />

wichtigsten Punkte zur Beurteilung des Gesamtprofils<br />

und hinsichtlich ihrer Lagebeziehung im<br />

Profil zu beurteilen, hat sich uns eine eigene Modifikation<br />

des von Charles Baud (1982) angegebenen<br />

Gesichtskreises bewährt.<br />

Mit dem Radius Porion-Pronasale wird ein<br />

Kreisbogen um das Gesicht geschlagen. Im Idealfall<br />

liegen Trichion (Stirnhaargrenze) und Pogonion<br />

auf der Peripherie des Kreises. Eine Überprojektion<br />

der Nase zeigt sich durch Zurückwandern<br />

des Kinn- (Weichteilpogonions) und des Stirn-<br />

Haarpunktes. Ebenso kann ein relativer Rückstand<br />

von Kinn und Stirn erkannt werden. Es ergeben<br />

sich somit konkrete Hinweise für die Harmonisierung<br />

des Profils. Das Profil wird neben der Nasen-<br />

12 I


Die richtige Technik –<br />

Eine Sache der Erfahrung<br />

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I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 2_Die „Bausteine“ der Nase.<br />

Von kranial nach kaudal nimmt die<br />

Flexibilität der Nase zu. Während der<br />

knöcherne Teil (Baum) völlig rigide<br />

ist, beginnt im Rhinion der flexible<br />

knorpelige Teil, bestehend aus den<br />

Dreiecksknorpeln (Schmetterling)<br />

und den Flügelknorpeln (Vögel). Das<br />

Nasenseptum besitzt statische Bedeutung<br />

und trägt die Dreiecks- und<br />

medialen Flügelknorpel. Da, wo sich<br />

die Schwingen von Schmetterling<br />

und Vogel begegnen, befindet sich<br />

die Nasenklappe. Sie besitzt eine<br />

wichtige dynamische Funktion für die<br />

Nasenatmung.<br />

Abb. 3a_Patientin mit funktioneller<br />

Spannungsnase. Überlanges Infratipdreieck.<br />

Unpräzise aesthetic<br />

eyebrow line.<br />

Abb. 3b_Zurückverlagertes Kinn<br />

bei überprojizierter Spitze.<br />

Abb. 3c_Resultat nach Septorhinound<br />

Kinnplastik vor drei Jahren.<br />

Gleichseitiges Rhomboid der Spitze.<br />

Harmonische aesthetic eyebrow line,<br />

gull in flight-Linie.<br />

Abb. 3d_Profilkorrektur nach<br />

Septorhino- und Kinnplastik in einer<br />

Sitzung.<br />

Abb. 2<br />

form entscheidend von der Stellung des Ober- und<br />

Unterkiefers und typischen Abweichungen bei<br />

gnatischen Anomalien bestimmt. Vereinfachend<br />

werden zur Unterscheidung eines geraden, konvexen<br />

oder konkaven Profils zwei Geraden an das<br />

Gesicht gelegt, von der Stirn zur Oberlippenkante,<br />

von der Oberlippenkante zum Weichteilpogonion.<br />

Ein konvexes Weichteilprofil deutet auf eine<br />

Angle-Klasse-II-Relation, ein konkaves Profil auf<br />

eine Angle-Klasse-III-Beziehung hin.<br />

_Funktionelle Grundsätze<br />

Die Nase erfüllt eine Vielzahl unterschiedlicher,<br />

zum Teil lebenswichtiger Funktionen. Die Nase ist<br />

Atmungsorgan und klimatisiert die eingeatmete<br />

Luft unabhängig von deren Temperatur und Luftfeuchtigkeit<br />

durch Erwärmung auf konstant 34 °C<br />

und Wassendampfsättigung auf eine Luftfeuchtigeit<br />

von ca. 85% im Nasenrachen. Zugleich<br />

beherbergt sie das periphere Riechorgan, prägt<br />

das individuelle Timbre und die Tragfähigkeit der<br />

Stimme durch die sog „Nasalität“. Sie ist Reflexorgan<br />

und die „Frontlinie“ unseres Organismus, weil<br />

sie ununterbrochen auf Allergene und Antigene<br />

auf verschiedenen Ebenen, zum Beispiel zellulär,<br />

humoral oder immunologisch reagieren muss. Die<br />

physiologische Funktion der Nasennebenhöhlen<br />

und des Mittelohres hängen maßgeblich von der<br />

Nasenfunktion ab (Abb. 4).<br />

Das Septum nasi ist das wichtigste Verbindungselement<br />

zwischen der inneren Nase, Cavum<br />

nasi, und der äußeren Nase. Es dient der Aufhängung<br />

der Seitenknorpel und auch die Fußplatten<br />

der medialen Schenkel der Flügelknorpel sind an<br />

der vorderen Septumkante fixiert. Damit gehört<br />

das Septum zu den Tip support-Mechanismen<br />

der Nasenspitze, d.h. einer Summe von strukturellen<br />

Elementen, die die Stellung, Form und Protektion<br />

der Nasenspitze bestimmen.<br />

Die funktionell wichtigste Stelle der inneren<br />

Nase ist die Nasenklappe (Abb. 4). Sie besitzt eine<br />

dynamische, querschnittsregulierende Funktion,<br />

die den nasalen Atmungswiderstand in hohem<br />

Maße bestimmt. Die Nasenklappe befindet sich<br />

zwischen dem kranialen Septum und dem ventralen<br />

Dreiecksknorpel (Abb. 2).<br />

_Funktionell-ästhetische Chirurgie<br />

Die moderne Nasenchirurgie hat immer dualen<br />

Charakter. Nasenform und -funktion sind deshalb<br />

untrennbar, weil sie durch die gleichen morphologischen<br />

Strukturen gewährleistet werden. Das<br />

Septum nasi ist einerseits das wichtigste Element<br />

der funktionellen Chirurgie der Nase, weil es maßgeblich<br />

an Funktionsstörungen, zum Beispiel<br />

Septumdeviationen, Stenosen der Isthmus-Region<br />

und der Nasenklappe, Sattelbildungen, Achsenfehlstellungen<br />

des Septums und der Nase, beteiligt<br />

ist. Andererseits können durch gezielte<br />

Operationsschritte am Septum ästhetische Zielstellungen<br />

elegant erreicht werden, zum Beispiel<br />

Rotation der Spitze, Veränderung der Projektion,<br />

Abb. 3a Abb. 3b Abb. 3c Abb. 3d<br />

14 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 6<br />

Abb. 4_Die Nase als Strömungskörper.<br />

Isthmusbereich. a_Nasenvorhof.<br />

b_Muschelkopfregion.<br />

c_Hinteres Cavum nasi. d_Choane.<br />

e_Naseneingangsregion.<br />

i_Isthmusspalt, Nasenklappe.<br />

Abb. 6_Schematische Darstellung<br />

und Möglichkeit des splitting<br />

approach.<br />

Abb. 4<br />

Kürzen oder Verlängerung der Nase, Formen desinfratip-Winkels<br />

oder die Formung des Nasolabialwinkels.<br />

Ideal ist es, wenn funktionelle und ästhetische<br />

Gesichtspunkte und synergistische Ziele in einer<br />

Operation, Septorhinoplastik, durch gezielte Veränderungen<br />

an einzelnen Bausteinen umgesetzt<br />

werden können, die dann durch dynamische<br />

Interaktionen, dynamics of rhinoplasty, zu einem<br />

optimalen funktionellen und ästhetischen<br />

Resultat führen.<br />

_Planung und Analyse<br />

Auf der Grundlage einer genauen anatomischen<br />

Analyse einer Formvariante oder Fehlstellung<br />

werden der im Einzelfall günstigste Zugang<br />

und die effektivste Operationstechnik ausgewählt.<br />

Dabei sollte neben dem Haut- und Bindegewebstyp<br />

auch das Lebensalter des Patienten<br />

berücksichtigt werden.<br />

Aus der Analyse wird ein Operationsplan erstellt,<br />

der die Wahl des Zugangs, die Operationstechnik,<br />

die postoperative Heilung, das zu erwartende<br />

Operationstrauma und natürlich das Operationsziel<br />

einschließt.<br />

Mitteldicke Haut stellt eine günstige Voraussetzung<br />

für eine Rhinoplastik dar. Dicke Haut<br />

neigt zu stärkerer Narbenbildung und postoperativen<br />

Problemen, zum Beispiel der Bildung eines<br />

„polly beak“.<br />

Auf der anderen Seite bedeckt dickere Haut<br />

kleine Unebenheiten des Nasenrückens und gestattet<br />

alle Techniken der Chirurgie der Nasenspitze.<br />

Dünne Haut neigt weniger zu postoperativen<br />

Problemen, erfordert aber ein hohes Maß an<br />

Präzision, da alle Konturunterbrechungen und<br />

Unebenheiten sichtbar werden.<br />

_Psychologie<br />

Der Rhinoplastiker muss einen „psychologischen<br />

Sinn“ entwickeln und sollte sich möglichst<br />

immer zwei Fragen beantworten:<br />

_Kann ich das morphologische Problem der Patientin/des<br />

Patienten lösen?<br />

_Löst die Operation die Probleme der Patientin/des<br />

Patienten?<br />

Dysmorphophobe Patienten müssen unbedingt<br />

vor einer Operation erkannt und beraten,<br />

aber niemals operiert werden. Für die psychologischen<br />

Kontraindikationen sei hier vereinfacht<br />

die Formel SIMON angegeben: single, immature,<br />

male, overexpectant, narcisstic.<br />

Abb. 5a–f_Beispiel für den Einfluss<br />

einer Septorhinoplastik auf das<br />

Gesicht. a_Patientin mit überwiegend<br />

knöcherner Schiefnase, knöchernem<br />

Höcker und überprojizierte<br />

Spitze, überlanges Infratip-Dreieck.<br />

d_Resultat drei Jahre postoperativ<br />

nach Achsenkorrektur und Kürzung<br />

des Infratip-Dreiecks. c_Präoperatives<br />

Profil. Überprojektion, knöcherner<br />

Höcker, verstrichener Nasolabialwinkel,<br />

relative Zurückverlagerung<br />

des Kinns, vestibular skin show.<br />

f_Postoperatives Profil: Absenken<br />

des Nasenrückens, Supratip break,<br />

Spitzenrotation nach kranial, Verlängerung<br />

der Oberlippe und relative<br />

Vorverlagerung des Kinns.<br />

e_ Prä- und postoperatives Halbprofil.<br />

Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c Abb. 5d Abb. 5e Abb. 5f<br />

I15


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 7_Schematische Darstellung<br />

des delivery appraoch. Links: Inkomplette<br />

Knorpel-Inzisionen, rechts:<br />

kraniale Volumenreduktion.<br />

b–d_Intra- und interdomale Nähte.<br />

Abb. 8a_Patientin mit breiter<br />

asymmetrischer Spitze.<br />

Abb. 8b_Zustand vier Jahre<br />

nach delivery approach mit<br />

Verschmälerung der Spitze durch<br />

Interdomal-Nähte.<br />

Abb. 8a<br />

Abb. 7<br />

_Grundsätze der modernen<br />

Septorhinoplastik<br />

Das Ziel der Septorhinoplastik ist es, durch<br />

effiziente, möglichst atraumatische Operationsschritte<br />

an den einzelnen Strukturelementen der<br />

Nase eine gewünschte Form- und Funktionsverbesserung<br />

zu erreichen. Nebeneinander können<br />

verschiedene Techniken, zum Beispiel Schnitttechniken<br />

(Resektionen), Nahttechniken (Inter- oder<br />

Transdomalnähte), gaft-Techniken (tip-, shield-,<br />

rim-, alar-, spreader-graft, collumellar strut) angewendet<br />

werden. Anzustreben ist eine natürliche<br />

Form, die in ihrer Größe dem Gesicht und Habitus<br />

des Patienten entsprechen muss. Dieses Ziel erfordert<br />

immer, dass mehrere Strukturelemente in das<br />

Operationskonzept einbezogen werden.<br />

Abb. 8b<br />

_Zugänge<br />

Für die funktionell-ästhetischen Operationen<br />

stehen verschiedene Zugänge zur Exposition der<br />

Nasenspitze und des Nasenrückens zur Verfügung.<br />

Es ist immer besser, wenn der Operateur zu jedem<br />

Problem eine adäquate Operationstechnik und einen<br />

angemessenen Zugang anbieten kann. Eine<br />

universelle Technik gibt es nicht. Schon gar nicht<br />

kann der offene Zugang diesen Anspruch erfüllen.<br />

Es ist immer ratsam, möglichst viel Funktionalität<br />

und natürliche Elastizität zum Beispiel im Bereich<br />

der Spitze zu erhalten. Die unnötige Desintegration<br />

der Strukturen führt zu Funktionsstörungen, weil<br />

die Feinelastizität und Flexibilität, zum Beispiel im<br />

Bereich der Nasenklappe, durch narbige Fixierungen<br />

verloren geht. Die Vorstellung am Ende einer<br />

Rhinoplastik die Nase mit einer Vielzahl von grafts<br />

neu aufzubauen, führt auf den ersten Blick zwar zu<br />

akzeptablen Resultaten, aber auch zu rigiden und<br />

unnatürlichen Strukturen. Die wirkliche Kunst der<br />

Rhinoplastik besteht in der effektiven Umsetzung<br />

eines gewünschten Planes über den besten, wenig<br />

invasiven und oft „trickreichen“ Zugang. Grandiose<br />

Meister dieses Metiers wie M. Eugene Tardy<br />

Jr., Tony Bull, Norman Pastorek unter anderem<br />

haben bewiesen, dass exzellente Resultate über<br />

endonasale Zugänge zu erzielen sind.<br />

_Endonasale Zugänge<br />

Endonasale Zugänge bieten den Vorteil einer<br />

subtilen und wenig invasiven Operation. Durch die<br />

Präparation in der chirurgischen Schicht kann eine<br />

Verletzung des SMAS (superficial muscular aponeurotic<br />

system) vermieden werden. Das Decollement<br />

erfolgt nur über dem knorpeligen und knöchernen<br />

Nasenrücken und bietet den Vorteil, präzise<br />

Taschen für tiefe oder oberflächliche autologe<br />

Transplantate (zum Beispiel Ohrknorpel) anzulegen.<br />

Während der Operation bleibt die Spannung des<br />

Weichteilmantels der Nase erhalten und die Auswirkung<br />

eines jeweiligen Operationsschrittes auf<br />

die gesamte Form – dynamics of rhinoplasty –<br />

kann jederzeit überprüft werden, um den nächsten<br />

Schritt entsprechend gezielt zu setzen. Das Gewebetrauma<br />

bleibt gering, die Narbenbildung nur auf<br />

umschriebene Areale begrenzt. Dadurch erfolgt die<br />

postoperative Heilung rasch und unkompliziert.<br />

Äußere Narben und postoperative Dyssymmetrien<br />

durch narbige Schrumpfungen werden weitestgehend<br />

vermieden.<br />

_Eversionstechnik – splitting appaoch<br />

Die Eversionstechnik ist für die Volumenreduktion<br />

der kranialen Flügelknorpel bei bullöser Na-<br />

16 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

senspitze gut geeignet. Der Zugang ist für Asymmetrien<br />

der Spitze nur in Ausnahmen zu empfehlen.<br />

Es sollte also eine symmetrische Spitze, kein bifida<br />

tip und kein breiter stumpfer Dom(winkel) bestehen.<br />

Die Form der kaudalen Flügelknorpel lässt<br />

sich durch diesen Zugang nicht verändern. Gut<br />

erreichbar ist der kraniale Flügelknorpel. Der<br />

transkartilaginäre Schnitt verläuft typischerweise<br />

kranial des tip defining points, welcher zuvor<br />

markiert werden sollte. Erreicht wird eine Verschmälerung<br />

im Supratipbereich und eine kraniale<br />

Rotation der Spitze, die durch ein Anschrägen<br />

der vorderen kranialen Septumkante synergistisch<br />

unterstützt wird. Die Kranialrotation entsteht<br />

durch narbige Schrumpfung zwischen der<br />

kaudalen Kante des Dreieckknorpels und dem belassenen<br />

Flügelknorpelanteil. Sie hängt vom Umfang<br />

der Volumenreduktion des kranialen Flügelknorpels<br />

ab (Abb. 5a–f, 6).<br />

_Luxationstechnik – delivery approach<br />

Abb. 9<br />

Abb. 9_Schematische Darstellung<br />

des open approach und seiner<br />

Möglichkeiten im Detail. a_Intraoperative<br />

Übersicht. b_Knorpelresektion,<br />

-rotation, -inzision, Reorientierung.<br />

c_Augmentation, Konturierung<br />

(tip-, shield-, alar-grafts). d_suture<br />

techniques (intra- und interdomale<br />

Nähte). e_columella strut.<br />

f_spreader grafts.<br />

In der Hand des geübten Chirurgen stellt die<br />

Luxationstechnik eine elegante Technik mit einer<br />

Vielzahl von Korrekturmöglichkeiten der Spitze<br />

dar. Es wird praktisch ein chondrokutaner Lappen<br />

aus dem Flügelknorpel und der Haut des Nasenvorhofs<br />

gebildet. Nach der Luxation der Flügelknorpel<br />

können diese unter Sicht und im Seitenvergleich<br />

gut bearbeitet werden. Es können Knorpelresektionen,<br />

keil- oder streifenförmige Resektionen<br />

aus den lateralen Flügelknorpeln, Veränderungen<br />

der Knorpelspannung durch Ritzen –<br />

cross hatching – Augmentationen mit autologem<br />

Knorpel und intra- sowie interdomale Nähte – suture<br />

technique – gelegt werden. Die Technik ist bei<br />

Spitzenasymmetrie und bifida tip geeignet. Die<br />

Projektion der Spitze kann kontrolliert und verändert<br />

werden. Eine Spitzenrotation nach kranial ist<br />

möglich (Abb. 7 und 8a–b).<br />

_Offene Technik – open approach<br />

Funktion von oberflächlichen und konturierenden<br />

Transplantaten (Abb. 9 und 10a–b)._<br />

_Information<br />

Die Grafiken entstammen den Werken<br />

face<br />

H. Behrbohm, M. E. Tardy, Jr.:<br />

Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase.<br />

Thieme, Stuttgart, New York, 2003<br />

H. Behrbohm:<br />

Aesthetic and reconstructive facial surgery.<br />

Endo-Press, Stuttgart, 2004<br />

H. Behrbohm:<br />

Ästhetische und plastisch-rekonstruktive<br />

Gesichtschirurgie. Endo-Press, Stuttgart, 2006<br />

Abb. 10a–b_Patientin mit hochgradiger<br />

Distorsion des knorpeligen<br />

Nasenrückens, Spitzenasymmetrie,<br />

Z.n. Voroperation. Rekonstruktion<br />

des knorpeligen Nasengerüstes in<br />

offener Technik (9, 10a–b).<br />

Die offene Technik der Rhinoplastik gestattet<br />

eine maximale Exposition der Flügelknorpel mit<br />

den medialen und lateralen Schenkeln, der Dome<br />

und des Nasenrückens. Vorteile der offenen Technik<br />

sind die binoculäre, dreidimensionale Darstellung<br />

und Präparation der Strukturen bei kontrollierter<br />

Blutstillung unter Sicht und weitgehend<br />

bimanueller Präparation. Größere, möglichst<br />

autologe, Transplantate können sehr präzise platziert<br />

und befestigt werden. Die Transplantate werden<br />

aus dem Septum- oder Flügelknorpelanteilen<br />

(erste Wahl) oder Conchaknorpel (zweite Wahl) gefertigt.<br />

Unterschieden werden tiefe Transplantate zum<br />

Ersetzen von Substanzdefekten mit statischer<br />

Abb. 10a<br />

Abb. 10b<br />

I17


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Bezugskoordinaten<br />

der ästhetischen<br />

Gesichtschirurgie –<br />

zwischen Mathematik<br />

und Intuition<br />

Teil 1: die Nase<br />

Abb. 1_Die Nase als ein zentrales<br />

Bezugssystem im Gesicht.<br />

a_Frontalregion, b_Parietalregion,<br />

c_Temporalregion, d_Brauen,<br />

e_Oberlid, f_Unterlid, g_Jochbeinregion,<br />

h_Wange, i_Unterwange,<br />

j_Perioralregion mit Ober- und Unterlippe,<br />

k_Kinn: Vertikale Drittel<br />

(Leonardo da Vinci), Horizontale<br />

Fünftel (Humphries u. Powell),<br />

Mediale Pupillen-Mundwinkel-<br />

Vertikale, Mediale Lidwinkel-<br />

Nasenflügel-Vertikale.<br />

Abb. 1<br />

_Proportionalität und Ästhetik folgen<br />

geometrischen Gesetzen<br />

Gerade auf dem Gebiet der ästhetischen Gesichtschirurgie<br />

stellt sich dem Chirurgen die<br />

Frage, welche Linien, Winkel und Kurven er im<br />

konkreten Fall besonders berücksichtigen beziehungsweise<br />

verändern soll, um ein möglichst<br />

perfektes Resultat zu erzielen.<br />

Die ältesten Sätze der Geometrie stammen<br />

vermutlich von Pythagoras von Samos (circa 500<br />

v. Chr.), so auch sein überlieferter Ausspruch: „In<br />

der Natur und der Kunst sind Zahlen entscheidend“.<br />

Der Mönch Fra Paciolo di Borgio beschäftigte<br />

sich im Venedig der Renaissance intensiv<br />

mit Proportionen und Ästhetik. 1509 veröffentlichte<br />

er sein Buch, in dem er die Entdeckung des<br />

„Goldenen Schnittes“ mitteilte. Seinem Zeitgenossen<br />

Leonardo da Vinci (1452–1519) verdanken<br />

wir die horizontale Aufteilung des Gesichtes<br />

18 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 2a–b_Junge Patientin mit<br />

knöcherner Höckerschiefnase mit<br />

Verziehung des Philtrums.<br />

Abb. 2c–d_Drei Jahre nach Rhinoplastik<br />

mit Achsen- und Profilkorrektur.<br />

Man sieht nicht an der Nase, sondern<br />

an den Augen, ob eine Rhinoplastik<br />

gelungen ist. (N. Pastorek, N.Y.).<br />

Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Abb. 2d<br />

in drei gleiche Abschnitte. Albrecht Dürer (1471–<br />

1582) war der bedeutendste deutsche Maler,<br />

Grafiker und Zeichner seiner Zeit. Er beschäftigte<br />

sich intensiv mit der Proportionslehre und dem,<br />

was Schönheit ausmacht. Schönheit galt als Ziel<br />

von Kunst. Dürer hielt sie unter Verwendung von<br />

„Zirkel und Richtscheit“ für konstruierbar. Die<br />

vertikale Aufteilung des Gesichtes in fünf gleiche<br />

Abschnitte geht auf Powell und Humphries<br />

(1984) zurück.<br />

Die Nase besitzt als singuläre und zentrale<br />

Struktur eine besondere Bedeutung für das Gesicht.<br />

Sie verbindet das obere Gesichtsdrittel<br />

(Stirnregion) mit dem unteren Drittel (periorale<br />

ästhetischen Einheit). Abgeleitet vom kartesischen<br />

Koordinatensystem erfüllt die Nase die<br />

imaginäre Funktion einer Ordinate, an welcher<br />

Symmetrie und letztlich auch Harmonie in einem<br />

Gesicht empfunden bzw. unbewusst wahrgenommen<br />

werden. Die paarigen ästhetischen Regionen<br />

(Brauen, Ober- und Unterlider, Wangen,<br />

Jochbeinregion werden quasi an der „Nasenordinate“<br />

gespiegelt. Aus dieser interaktiven Wirkung<br />

zwischen der Nase und verschiedenen ästhetischen<br />

Einheiten des Gesichtes entsteht die<br />

Möglichkeit einer erheblichen Einflussnahme<br />

auf das Gesicht durch eine Rhinoplastik (Abb. 1<br />

und 2).<br />

Dabei unterliegen die Strukturen einer ästhetischen<br />

Hierarchie. Alles muss sich der Ausstrahlung<br />

der Augen unterordnen. Diese werden zum<br />

Beispiel durch Lidstrich beziehungsweise -schatten<br />

ganz besonders hervorgehoben. Auch die<br />

Lippen können in ihrer Form, zum Beispiel ein<br />

zart geschwungenen Amorbogen, Volumen und<br />

Größe in vielfältige Weise betont und damit zu<br />

dominierenden Attributen werden.<br />

Daran gemessen hat die Rhinoplastik zwei<br />

ganz bescheidene und andere Ziele: Es sollte eine<br />

formschöne und zugleich individuell geformte<br />

Nase entstehen, die ausgehend von vorbestehenden<br />

Voraussetzungen, zum Beispiel Stellung<br />

von Kiefer, Stirn, Haut- und Bindegewebstyp, in<br />

ein Gesicht passt und seine Ausstrahlung in dessen<br />

Gesamtkontext verbessert (Abb. 2).<br />

Deshalb kann ein übiquitär empfohlener Nasentyp<br />

diesem Konzept niemals gerecht werden.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, hat es sich bewährt,<br />

die Auswirkung einer Rhinoplastik auf das Gesicht<br />

gemeinsam mit der/dem Rhinoplastik-Kandidatin/-en<br />

in der Computergrafik zu simulieren.<br />

Wenn das verantwortlich durchgeführt wird und<br />

dazu dient, ein realistisches Operationsziel und<br />

eine gesunde Erwartungshaltung gemeinsam zu<br />

erarbeiten, ergeben sich daraus nur Vorteile. Die<br />

Nase tritt mit einem gewissen Understatement<br />

im Interesse einer Gesamtverbesserung des Gesichts<br />

zurück.<br />

Dieser Dualismus zwischen Nasenform und<br />

Ästhetik des Gesichtes wird von vielen Rhinoplastik-Kandidatinnen/-en<br />

empfunden und formuliert:<br />

„Ich möchte meine Nase operieren lassen.<br />

Ich finde, sie passt nicht zu meinem Gesicht.<br />

Sie ist zu lang, zu dick, zu dünn …“ Meist lässt<br />

Abb. 3<br />

Abb. 3_Gemessen an den Grundlinien<br />

kann eine Nase zu kurz, zu<br />

lang oder zu breit für ein Gesicht sein.<br />

I19


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 4_Perfekter Durchschnitt?<br />

Mit dem Computer können europäische,<br />

afrikanische und asiatische<br />

Frauengesichter gemischt werden.<br />

Es entsteht das rechte Gesicht ohne<br />

besondere Merkmale. Trotz des Verlustes<br />

an Individualität und Charakteristischem<br />

finden die meisten Menschen<br />

das „Mischgesicht“ am<br />

schönsten.<br />

Abb. 4<br />

Abb. 5a_Eine gerade Nase mit unterschiedlichen,<br />

asymmetrischen aesthetic<br />

eyebrow-lines. Es entsteht der<br />

Eindruck einer Schiefnase.<br />

Abb. 5b_Eine knöcherne Schiefnase<br />

mit Verziehung des Philtrums und<br />

echter Achsenabweichung nach<br />

rechts.<br />

Abb. 6_Nur ein Eindruck, nichts<br />

Messbares – eine zu breite Nase in<br />

einem schmalen Gesicht.<br />

sich diese Empfindung, dass die Nase durch<br />

Größe, Form, Schiefstand zu viel Aufmerksamkeit<br />

beansprucht, objektivieren (Abb. 3).<br />

_Harmonie des Gesichtes<br />

Ziel der ästhetischen Rhinoplastik ist es also<br />

einerseits Nasen zu formen, die das Gesicht nicht<br />

dominieren, sondern mit ihm harmonieren. Anderseits<br />

sollten Gesichter, die von Nasen dominiert<br />

werden, besonders bei Männern, nur nach<br />

sehr genauer Analyse, möglichst mithilfe der<br />

Computeranimation, verändert werden.<br />

Ganz grob kann bei den ästhetischen Indikationen<br />

zur Rhinoplastik zwischen den typerhaltenden<br />

und typverändernden Operationen<br />

unterschieden werden. Bei den typerhaltenden<br />

Rhinoplastiken, zum Beispiel Korrekturen von<br />

Höcker-, Sattel-, Breit-, oder Schiefnasen, wird<br />

die Verbesserung der Ausstrahlung eines Gesichtes<br />

durch eine konservative Korrektur einer<br />

Formvariante erzielt. Im Ergebnis einer typverändernden<br />

Rhinoplastik, zum Beispiel Reduktionsrhinoplastik<br />

mit deutlicher Umkehr der tipsupratip-Relation,<br />

Rhinoplastik in Kombination<br />

mit Mentoplastik, kann eine völlig neue physio-<br />

Abb. 5a Abb. 5b Abb. 6<br />

20 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 7a–b_Breitnase bei dickem<br />

Hauttyp. Die Gesichtszüge werden<br />

vergröbert.<br />

Abb. 7c–d_Fünf Jahre nach der<br />

Rhinoplastik mit Verschmälerung<br />

der Nase und der Spitze.<br />

Abb. 7a Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d<br />

gnomische Gesamtwirkung eines Gesichtes entstehen.<br />

Eine solche Veränderung muss vor der<br />

Operation von der/dem Patientin/-en ausdrücklich<br />

gewünscht werden und sollte in der präoperativen<br />

Computersimulation visualisiert werden,<br />

um späteren Identifikations- und Identitätsproblemen<br />

unbedingt vorzubeugen. Dieses Problem<br />

der typverändernden Rhinoplastik spitzt sich bei<br />

der Planung des Ziels einer Rhinoplastik bei Patienten<br />

verschiedener ethnischer Zugehörigkeiten<br />

zu, weil durch die Operation die speziellen<br />

ethnischen Charakteristika erhalten oder beseitigt<br />

werden können (Abb. 4).<br />

Generell sollte der plastische Gesichtschirurg<br />

immer den Impetus haben, das Besondere und<br />

Einzigartige eines Gesichtes zu erhalten, beziehungsweise<br />

durch „maßgeschneiderte Korrekturen“<br />

zu betonen. Die ideale Nase gibt es nicht,<br />

aber Merkmale, die über alle ethnischen und kulturellen<br />

Grenzen hinweg gelten, zum Beispiel<br />

eine harmonische aesthetic eyebrow line, eine<br />

gerade Nase und ein gerader Nasenrücken. Eine<br />

geringe Asymmetrie zum Beispiel im Verlauf der<br />

aesthetic eyebrow lines, eine zu breite Nasenspitze<br />

oder eine Asymmetrie im mittleren Gewölbe<br />

können sich erheblich auf das Gesicht<br />

insgesamt auswirken. Das häufige Anliegen von<br />

Rhinoplastik-Kandidaten/-innen „… meine Nase<br />

ist so schief, ich möchte sie korrigieren lassen<br />

….“, erfordert immer eine genaue Analyse, was<br />

ist wirklich schief im Sinne einer Achsenfehlstellung<br />

oder was erscheint nur schief oder asymmetrisch<br />

(Abb. 5a–b).<br />

Wichtig ist die Differenzierung zwischen asymmetrischen<br />

Kontur- beziehungsweise aesthetic eyebrow<br />

lines und einer echten Achsenfehlstellung<br />

zwischen den Bezugspunkten mittlere Glabella und<br />

Philtrum. Während die Achsenkorrektur mit den<br />

Mitteln der Septumkorrektur, mit oder ohne Lösen<br />

und Neufixierung der Dreiecksknorpel, Osteotomien,<br />

mit Kürzen der längeren Seite der Nasenpyramide<br />

auskommt, erfordern die Asymmetrien im-<br />

Abb. 8a_Junge Patientin mit dem<br />

Wunsch der Verschmälerung der<br />

Nasenspitze, bei Asymmetrie und<br />

büllöser Spitze.<br />

Abb. 8b_Vier Jahre nach Rhinoplastik.<br />

Deutliche Präzisierung der Konturlinien<br />

der Nase mit Rückwirkung<br />

auf das Gesicht.<br />

Abb. 8a<br />

Abb. 8b<br />

I21


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 9a, b_Knöcherne Schiefnase<br />

bei Gesichtsasymmetrie.<br />

Abb. 9c–d_Fünf Jahre nach „ballancierter“<br />

Achsenkorrektur.<br />

Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c Abb. 9d<br />

Abb. 10_Ein überlanges Infratip-<br />

Dreieck, oft bei Höckerlangnase,<br />

verkürzt die sichtbare Oberlippe.<br />

Abb. 11a–b_Ausgleich des Effektes<br />

der long sad lip nach Rhinoplastik<br />

durch Aufrichten des Lippenrots.<br />

Abb. 12_Häufige Gebiss- und Kieferfehlstellungen<br />

– Angle-Klasse II:<br />

Rücklage des ganzen Unterkiefers.<br />

Rücklage des Unterkiefer-Alveolarfortsatzes.<br />

Angle-Klasse III: Vorverlagerung<br />

des gesamten Unterkiefers.<br />

Vorverlagerung des Unterkiefer-<br />

Alveolarfortsatzes.<br />

Abb. 10<br />

mer die Mittel der Augmentation, des Graftings und<br />

der Camouflage.<br />

Für die Entscheidung was ist zu lang/zu breit<br />

kann sich der Gesichtschirurg auf die bewährten<br />

Formeln, Linien und Winkel verlassen. Dennoch<br />

gibt es Indikationen, die nicht messbar, sondern<br />

nur empfindbar sind. Wenn zum Beispiel ein<br />

Modell sehr nachdrücklich eine diskrete, genau<br />

definierte Verschmälerung der Nasenspitze fordert,<br />

wenn eine Kandidatin eine dezente Konturierung<br />

der Nase wünscht, um damit eine Streckung<br />

eines Rundgesichts zu erreichen, dann<br />

muss sich der Gesichtschirurg auf sein ästhetisches<br />

Empfinden verlassen, um zu entscheiden,<br />

ob die Umsetzung dieses Wunsches einer Patientin<br />

wirklich ästhetisch nutzt (Abb. 7, 8).<br />

Operiert werden darf nur dann, wenn auch<br />

der Arzt das Ziel der Operation für ästhetisch<br />

indiziert hält, denn sonst läuft er Gefahr, die<br />

Schnittstelle zwischen hohem ästhetischen Anspruch<br />

und Dysmorphophobie zu verkennen.<br />

Abb. 11a<br />

Abb. 11b<br />

Das wäre fatal, weil bereits bei diskreten Zeichen<br />

einer Dysmorphophobie (nicht nachvollziehbarer<br />

Leidensdruck bei ästhetisch marginalem<br />

Problem) nicht operiert werden darf.<br />

Jedes Gesicht besteht aus zwei mehr oder<br />

weniger asymmetrischen Hälften. Besonders<br />

schwierig wird es dann, wenn der Wunsch besteht,<br />

eine Schiefnase in einem asymmetrischen Gesicht<br />

zu begradigen (Abb. 9). Das ist möglich, auch bei fehlenden<br />

Koordinaten der Symmetrie, jedoch muss<br />

hier immer eine „ballancierte“ Symmetrie angestrebt<br />

werden. Eine lotrechte Nase in einem sehr<br />

asymmetrischen Gesicht schafft erst den Maßstab,<br />

mit dem diese sonst oft unauffällige Variante der<br />

Anatomie zum Stigma wird (Abb. 9).<br />

Das Verständnis dafür muss mit der Patientin<br />

beziehungsweise dem Patienten erarbeitet werden.<br />

Wegen der Spezifik dieser ästhetischen Fragestellungen<br />

sollte das immer im Rahmen einer<br />

spezialisierten Sprechstunde ohne Zeitdruck erfolgen.<br />

_„Ich möchte mir meinen Nasenhöcker<br />

entfernen lassen …“<br />

Ein Wunsch, dem der Arzt so fast nie entsprechen<br />

sollte, weil bei der Höckerlangnase oft ein<br />

sehr unschöner Pinocchio-Effekt entstünde,<br />

wenn nicht gleichzeitig die Spitze rotiert und die<br />

Nase verkürzt würde. Bei der Kürzung eines<br />

überlangen Infratip-Dreiecks (normalerweise<br />

Rhomboid der Nasenspitze) verlängert sich die<br />

sichtbare Distanz zwischen Subnasale und Lippenrot.<br />

Das kann dann eine schmale, volumenschwache<br />

Oberlippe erst recht betonen. Oft resultiert<br />

daraus der Wunsch der Berücksichtigung<br />

einer weiteren ästhetischen Einheit, zum<br />

Beispiel der Aufrichtung der Lippenkante (Abb. 10,<br />

11a,b).<br />

Grundlage für Profilkorrekturen ist immer die<br />

Beurteilung der Stellung von Ober- und Unterkiefer,<br />

beziehungsweise die Analyse von Kieferund<br />

Gebissstellung beziehungsweise -fehlstel-<br />

22 I


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Abb. 12<br />

lungen (ANGLE-Klassen). Nur so kann eine wirkliche von einer scheinbaren Dysprojektion<br />

der Nase unterschieden werden. Generell gilt, dass eine Rhinoplastik,<br />

insbesondere mit Veränderung der Projektion der Nasenspitze, immer erst<br />

dann erfolgen sollte, wenn eine kieferorthopädische Behandlung beendet ist<br />

und das Knochenwachstum als abgeschlossen gelten darf. Bei einem Vorgesicht,<br />

insbesondere mit prominentem Kinn, ist zum Beispiel immer vor einer<br />

deutlichen Absenkung des Nasenrückens zu warnen, weil das diese Fehlstellung<br />

unterstreicht (Abb. 12).<br />

_Fazit<br />

Mit einer gut geplanten Rhinoplastik kann erheblicher Einfluss auf das gesamte<br />

Gesicht genommen werden. Einerseits sollte der Operateur bewährte Koordinaten<br />

und Bezugssysteme der klinischen Geometrie verwenden, andererseits ist darüber<br />

hinaus ein gewisser Sinn für die Ästhetik und möglichst eine künstlerische Begabung<br />

hilfreich.<br />

Das alleinige chirurgische Handwerk im Sinne eines „Zurechtzimmern“ des morphologischen<br />

Gerüstes reicht für einen hohen Qualitätsanspruch heute nicht aus.<br />

Ziel ist immer eine individuell geformte Nase, die in ein konkretes Gesicht passt und<br />

dessen Attraktivität sichtbar verbessert._<br />

_Information<br />

face<br />

Grafiken aus den Werken<br />

Behrbohm, H/Tardy, M. E.:<br />

„Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase“. Thieme, Stuttgart, New York, 2003<br />

Behrbohm, H:<br />

„Revision Rhinoplasty – a case book“. Thieme, New York, in press<br />

Behrbohm, H:<br />

„Septorhinoplastik in verschiedenen Lebensabschnitten“. HNO-Aktuell, Kaden, Heidelberg,<br />

2004<br />

Behrbohm, H:<br />

„Aesthetic and reconstructive facial surgery“. Endo-Press, Tuttlingen 2005


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Bezugskoordinaten<br />

der ästhetischen<br />

Gesichtschirurgie –<br />

zwischen Mathematik<br />

und Intuition<br />

Teil 2: Die Regionen Stirn,<br />

Wangen und Kinn<br />

Abb. 1_Proportionen und Symmetrie<br />

des Gesichts: a-Achse: Vertikale Drittelung<br />

des Gesichts nach Leonardo da<br />

Vinci. b-Achse: Horizontale Fünftel<br />

nach Powell & Humphreys. Rechte Gesichtshälfte:<br />

Merkmale der Symmetrie:<br />

Symmetrische in nere Konturlinien des<br />

Gesichts: zygomatico maxillary und<br />

aesthetic eyebrow line. Gesichtsme -<br />

diane, Romboid der Nasenspitze. Linke<br />

Gesichtshälfte: Häufige Ursachen von<br />

Asymmetrie: asymmetrische eyebrow<br />

tip line (Pseudoschiefnase), Oberkiefer-,<br />

Mittelgesichts- oder Unterkieferhypoplasie<br />

(meist mit Schiefstellung<br />

des Mundes), schiefe Nasenbasis<br />

(Lippen-Kiefer-Gaumenspalten),<br />

Asymmetrie einzelner Struktur -<br />

elemente (Dreiecks-Flügelknorpel).<br />

_Das Gesicht besteht aus einer Summe einzelner<br />

Strukturelemente, die einerseits in unterschiedlicher<br />

Weise zu einem Gesamtbild beitragen und anderseits<br />

gerade für den Gesichtschirurgen Module darstellen,<br />

die er mehr oder weniger in ein ästhetisches Konzept<br />

einbeziehen kann. Die Formel eines Concepts of<br />

Beauty ist sinnvoll, weil es immer darum geht, durch<br />

eine Operation aus ästhetischer Indikation die Gesamtausstrahlung<br />

eines Gesichts zu verbessern<br />

und nicht besondere Einzelmerkmale zu formen, die<br />

schlimmstenfalls nicht zusammenpassen.<br />

Für die Operationsplanung haben sich einige<br />

Winkel und Bezugslinien bewährt, die als Basis-Rüstzeug<br />

wichtig sind.<br />

Gesichtsproportionen sowohl der Weichteile als<br />

auch des Skeletts können heute durch 3-D-Modelle<br />

erfasst werden. Mit Gittermodellen können Oberflächen<br />

mathematisch erfasst und in verschiedenen<br />

Blickwinkeln dargestellt werden.<br />

24 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

_Messlinien der Gesichtsform und innere<br />

Konturlinien des Gesichts (en face)<br />

Jedes Gesicht hat zwei mehr oder weniger unterschiedliche<br />

Hälften und besitzt eine gewisse physiologische<br />

Asymmetrie. Das wird deutlich, wenn man<br />

zwei rechte oder linke Hälften durch Fotomontage<br />

zusammenfügt. Eine deutliche Gesichtsasymmetrie,<br />

-skoliose oder einseitige Hypoplasie kann einzelne<br />

oder mehrerer Anteile, z.B. das Mittelgesicht, oder den<br />

Ober- oder Unterkiefer betreffen. Asymmetrien des<br />

Mittelgesichts haben häufig Dysgnatien zur Folge<br />

und gehen mit einer Achsenabweichung der Nase<br />

einher. Korrekturen solcher Kombinationen wollen<br />

besonders durchdacht sein (Abb. 1).<br />

Mithilfe der bitemporalen, bizygomatikalen, bi -<br />

gonialen und bimentalen horizontalen Abstände<br />

kann ein Gesichtstyp bestimmt werden. Die mediale<br />

bimaxilläre Distanz bestimmt bei dünnen Gesichtsweichteilen<br />

eine innere ästhetische Konturlinie des<br />

Gesichts, die zygomatico maxillary line. Um diese Linie<br />

zu betonen und den daraus entstehenden Konturschatten<br />

zu verstärken, ließ sich z.B. Marlene Dietrich<br />

die Bichat‘schen Fettkörper entfernen (Abb. 2–3).<br />

_Der erste Eindruck<br />

Am Anfang der Analyse von Merkmalen des Gesichts<br />

eines Patienten steht etwas, was sich schwer in<br />

Worte fassen lässt – der erste Eindruck. Obwohl er nur<br />

einen Moment dauert, bietet er die Chance, eine Viel -<br />

zahl von Informationen über die/den Kandidatin/-en<br />

für eine ästhetische Gesichtsoperation zu erfahren.<br />

Er sollte nicht dadurch vertan werden, weil sich der<br />

Arzt schon gedanklich mit Details der Operation befasst.<br />

Während des ersten Eindrucks wird intuitiv erfasst<br />

und meist sofort bewertet. Hierzu gehören Ausstrahlung,<br />

Sympathie oder Antipathie, das Wesen,<br />

welches freundlich oder verschlossen sein kann.<br />

Auch Körperhaltung und -sprache, die Art des Händedruckes,<br />

die Stimme und Sprache gehen in diesen<br />

Eindruck mit ein.<br />

Abb. 2<br />

Sokrates soll zu einem seiner Schüler gesagt haben:<br />

„Sprich, damit ich dich sehe.“ Möglichst viele Informationen<br />

sollte der Arzt neben der Inspektion und<br />

klinischen Untersuchung von seinem Gegenüber gewinnen.<br />

Er sollte genau zuhören, um im Dialog die<br />

wirklichen Motive des Patienten zu einer Gesichtsoperation<br />

zu erfahren, und vor allem, welche Erwartungen<br />

er daran knüpft.<br />

Letztlich kann der Gesichtschirurg den Patienten<br />

nur dann wirklich beraten, wenn er sein Psycho-<br />

Abb. 3<br />

Abb. 2_Distanzen und Messpunkte<br />

zur Gesichtsanalyse en face und<br />

innere ästhetische Konturlinien:<br />

1. Äußere Messpunkte:<br />

a) vertikale Höhe, b) bitemporale,<br />

c) bizygomatikale, d) bigonale und<br />

e) bimentale Abstände<br />

2. Innere Meßpunkte:<br />

A) mediale bimaxilläre Distanz<br />

3. Innere ästhetische Konturlinien:<br />

I) aesthetic eyebrow line, II) zygomatico<br />

maxillary line, III) temporal line,<br />

B) Bichat’scher Fettkörper<br />

1–4 Verschiedene Gesichtstypen<br />

Abb. 3_Die Betonung der zygomatikomaxillären<br />

inneren Konturlinie des<br />

Gesichtes wurde durch Marlene Dietrich<br />

besonders inszeniert und durch<br />

Beleuchtung und Schminke zusätzlich<br />

verstärkt.<br />

Abb. 4 a und b_Junge Patientin mit<br />

posttraumatischem Verlust der Tabula<br />

externa beider Stirnhöhlen nach frontobasaler<br />

Trümmerfraktur. Posttraumatische<br />

Breitnase mit open roof.<br />

Abb. 4 c und d_Zustand nach Rekonstruktion<br />

des Stirnreliefs mit einem<br />

3-D-Biozement-Implantat und<br />

Septorhinoplastik.<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />

I25


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c<br />

Abb. 5a_Intraoperativer Befund<br />

eines intraossären Hämangioms<br />

des Stirnbeins.<br />

Abb. 5 b_Defekt nach Tumor -<br />

resektion.<br />

Abb. 5c_Rekonstruktion des Defektes<br />

mit Knochenzement.<br />

Abb. 6a_Ausgedehnte Abtragung<br />

des Stirnbeins bei einem<br />

Potts Poffy-Tumor.<br />

Abb. 6b_Rekonstruktion des Stirn -<br />

reliefs mit Kalottenknochen.<br />

Abb. 7a_Patientin mit Höcker -<br />

langnase und tiefsitzendem Nasofrontalwinkel.<br />

Abb. 7b_Die Patientin zwei Jahre<br />

nach Septorhinoplastik mit Augmentation<br />

des Nasofrontalwinkels.<br />

gramm einigermaßen verstanden hat. Wird diese Gelegenheit<br />

verpasst, besteht die Gefahr, dass der Patient<br />

mit einem möglicherweise gelungenen Resultat<br />

einer Operation unzufrieden ist, ja gelegentlich auf Revision<br />

drängt, weil er Identifikations- oder Identitätsprobleme<br />

verspürt. Hinweise auf eine Dysmorphophobie<br />

sind eine Kontraindikation für die Operation.<br />

_Proportionen und Symmetrie<br />

Polyklet (etwa 450–410 v.Chr.) war neben Phidias<br />

der bedeutendste griechische Bildhauer. Zahlreiche<br />

seiner als Marmorkopie erhaltenen Bronzestatuen<br />

sind Hauptwerke der wichtigsten Epoche der griechischen<br />

Kunst. Doryphorus ist seine wohl bekannteste<br />

Statue und verkörpert die Lehre der von ihm veröffentlichten<br />

Schrift Kanon über Proportionen des<br />

menschlichen Körpers. Der Kanon Polyklets besteht<br />

erstmals aus einem durchgängigen System von ide -<br />

alen Verhältnisgrößen der Körperglieder zueinander,<br />

die in der Antike als Symmetrie bezeichnet wurde. Das<br />

Gleichmaß des menschlichen Körpers wurde richtungsweisend<br />

für die Malerei, bildende Kunst und<br />

Architektur und zum Sinnbild der Ästhetik.<br />

Die antike Proportionalitätslehre erhielt vor allem<br />

in der Renaissance erneut Bedeutung. Der Mönch Fra<br />

Pacioli di Borgo beschäftigte sich im Venedig des<br />

Mittelalters intensiv mit Proportionen und Ästhetik.<br />

1509 veröffentlichte er ein Buch, in dem er die Entdeckung<br />

des goldenen Schnittes mitteilte: Will man eine<br />

Strecke asymmetrisch teilen, so gibt es unterschiedlich<br />

viele Möglichkeiten, aber nur ein Schnitt erscheint<br />

dem Auge besonders gefällig. Dieser Schnitt unterteilt<br />

die Strecke in zwei Teile, a und b. Dabei verhält sich der<br />

kürzere Abschnitt a zu b wie b zur Gesamtlänge: a/b =<br />

b/a+b. Dieses Prinzip findet sich ubiquitär in der Natur<br />

und zeigt, dass Proportionalität und Ästhetik geomet -<br />

rischen Gesetzen folgen. Die Teilung des Gesichts in<br />

drei gleiche vertikale Abschnitte stammt von Leonardo<br />

da Vinci (1452–1519). Eine Erweiterung und Modifizierung<br />

erfolgte von Powell und Humphreys (1984).<br />

Die Angabe idealer Proportionen für das menschliche<br />

Gesicht ist für den Gesichtschirurgen wichtig<br />

zur Orientierung und als Maßstab. Im konkreten Fall<br />

ist es jedoch viel häufiger notwendig, das Ziel einer<br />

ästhetischen Operation der Herstellung oder Erhaltung<br />

der Harmonie des Gesichts unter Würdigung<br />

persönlicher oder ethnischer Eigenheiten unterzuordnen.<br />

Das Gesicht sollte immer als Einheit betrachtet<br />

werden und erfordert ein ausgewogenes Zusammenspiel<br />

aller ästhetischen Einheiten.<br />

_Die Stirn<br />

Die einzelnen ästhetischen Einheiten entstehen<br />

durch eine Aufteilung des Gesichtes durch anatomische<br />

Merkmale. Die Stirn prägt als eine prominente<br />

Abb. 6a Abb. 6b Abb. 7a Abb. 7b<br />

26 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 8a<br />

Abb. 8b<br />

Abb. 8c<br />

Abb. 8d<br />

Region oberhalb der Brauen das Gesicht. Die Glabella<br />

ist der vorderste Punkt der Stirn am Übergang zur<br />

Nase. Tiefe und Höhe des nasofrontalen Winkels prägen<br />

das Profil. Stirn und Nase stehen in einer ästhetischen<br />

Wechselwirkung. Eine fliehende Stirn akzentuiert<br />

die Nase, eine prominente Stirn vermindert<br />

ihre Länge scheinbar. Durch eine Veränderung der<br />

Höhe und Tiefe des nasofrontalen Winkels kann die<br />

Stirn-Nasen-Relation deutlich verändert werden.<br />

Durch frontobasale Frakturen, Stirnhöhlenmukozelen,<br />

Radikaloperationen und Tumoren des Stirnbeins<br />

entstehen Defekte, die das Gesicht sehr entstellen.<br />

Nach sorgfältiger Sanierung der Stirnhöhlen und<br />

Entepithelisierung kann das Relief rekonstruiert<br />

werden. Dazu steht autologes Material, z.B. Kalottenknochen<br />

oder Biokeramik, zur Verfügung. Größere<br />

Implantate werden in CAD/CAM-Technik vorgefertigt<br />

(Abb. 4a–6b).<br />

_Die Jochbein-Wangenregion<br />

Ein prominentes Jochbein gibt dem Gesicht eine<br />

attraktive äußere und innere Konturlinie (Abb. 8c).<br />

Die Wangenweichteile verändern sich im Alter. Das<br />

Wangenfett kann verloren gehen, sodass die Wange<br />

einsinkt. Zugleich kommt es zum Absinken der verbleibenden<br />

Weichteile aus der Wange nach kaudal.<br />

Es entstehen die „Hängebacken“. Durch Bindegewebserkrankungen<br />

können die Wangenweichteile<br />

schrumpfen (Abb. 8a–d).<br />

_Das Kinn<br />

Innerhalb der ästhetischen Einheiten des Gesichts<br />

wird das Kinn oft am wenigsten beachtet.<br />

Eine falsche Beurteilung der Kinn-Nase-Relation ist<br />

ein weitverbreiteter Fehler bei der Analyse von Rhinoplastikkandidaten.<br />

Dabei kann durch eine Deprojektion<br />

der Nase durch alleinige Rhinoplastik oft<br />

schon eine relative Vorverlagerung eines fliehenden<br />

Kinns erreicht werden. Genauso oft ist allerdings<br />

eine wirkliche Verbesserung des Profils nur durch<br />

eine simultane Rhino- und Kinnplastik zu erreichen<br />

(Abb. 9a–f).<br />

_Analyse des Profils<br />

Für die Beurteilung des Profils gibt es eine Vielzahl<br />

geometrischer Punkte und Linien. Je nach dem Inte -<br />

ressenschwerpunkt eines Fachgebietes werden sie zur<br />

Beurteilung der Lagebeziehung bzw. -verschiebung<br />

einzelner Strukturen verwendet. So bestehen in der<br />

Abb. 8a und b_Patientin mit schmaler,<br />

überprojizierter Langnase und<br />

flachen Jochbein- und Gesichts -<br />

konturen.<br />

Abb. 8c und d_Zwei Jahre postoperativ<br />

zeigt sich eine sichtbare Konturierung<br />

der aesthetic eyebrow- und<br />

zygomaticomaxillären Linien.<br />

Abb. 9a–c_Patientin mit fliehendem<br />

Kinn und überprojizierter<br />

Nasenspitze.<br />

Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c<br />

I27


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 9d–f_Veränderte Pofillinie vier<br />

Jahre nach Rhino- und Mentoplastik.<br />

Abb. 9d<br />

Abb. 9e<br />

Abb. 9f<br />

Abb. 10_Geometrische Punkte<br />

und Linien des Profils: T – Trichion,<br />

N – Nasion, R – Rhinion, Po – Porion,<br />

P – Pronasale, S – Subnasale,<br />

Pog – Pogonium.<br />

Kieferorthopädie andere Bezugsebenen als in der<br />

Otorhinolaryngologie und Gesichtschirurgie. Da es<br />

immer um ein Profil geht, werden einige fachübergreifende<br />

Gesichtspunkte dargestellt.<br />

In der Kieferorthopädie werden nach Schwarz<br />

neun verschiedene Varianten des Profils unterschieden.<br />

Als Bezugslinien dienen: a) Augen-Ohr-Ebene<br />

(Frankfurter Horizontale), b) Perpendiculare nasale<br />

nach Dreyfuss, c) Perpendiculare orbitale nach Simon.<br />

Nach der Lage des Subnasale zur Perpendiculare nasale<br />

werden drei typische Variationen unterschieden:<br />

– Durchschnittsgesicht: Subnasale auf der Nasion -<br />

senkrechten<br />

– Vorgesicht: Subnasale vor der Nasionsenkrechten<br />

– Rückgesicht: Subnasale hinter der Nasionsenkrechten.<br />

Bei einem geraden Vor- oder Rückgesicht ist das<br />

Pogonium in gleichem Umfang verschoben wie das<br />

Subnasale. In Abhängigkeit der Verschiebung des<br />

Weichteilpogoniums zum Subnasale werden nach<br />

vorn bzw. hinten schiefe Gesichtstypen unterschieden.<br />

Zur Unterscheidung eines geraden, konvexen<br />

oder konkaven Profils werden zwei Geraden an das<br />

Gesicht gelegt: a) vor der Stirn zur Oberlippenkante,<br />

b) von der Oberlippenkante zum Weichteilpogonium:<br />

Beim geraden Profil bilden beide Bezugslinien<br />

eine Gerade. Beim konvexen Profil findet sich eine<br />

relative Retroposition des Kinnpunkts. Das konkave<br />

Profil wird durch relative Ventralposition des Kinnpunktes<br />

charakterisiert. Auf die klassische Unterteilung<br />

der sagittalen Okklusionsabweichungen nach<br />

Angle wurde bereits in Teil 1 eingegangen.<br />

Am Beispiel des Profils wird deutlich, dass es bei<br />

dessen Korrekturen immer um die Verbesserung<br />

der Abstimmung der ästhetischen Einheiten Stirn,<br />

Kinn und Nase zu einer harmonischen Profillinie<br />

geht. Um die drei wichtigsten Punkte zur Beurteilung<br />

des Gesamtprofils abzubilden und hinsichtlich<br />

ihrer gegenseitigen Lagebeziehung im Profil zu<br />

beurteilen, hat sich uns eine eigene Modifikation<br />

des von Charles Baud (1982) angegeben Gesichtskreises<br />

bewährt (Abb. 10). Kurioserweise haben<br />

viele Menschen ihr Profil noch nie wahrgenommen.<br />

Viel häufiger wird das Halbprofil bewertet.<br />

Daher ist die Beratung mithilfe von standardisierten<br />

Fotos bzw. der verantwortlich ausgeführten<br />

Animation des realistischerweise zu erzielenden<br />

Resultates sinnvoll._<br />

_Information<br />

face<br />

Abb. 10<br />

Weitere detaillierte Hinweise finden Sie bei:<br />

Funktionell ästhetische Chirurgie der Nase.<br />

Behrbohm, H., Tardy, M.E., Thieme 1993, 244 Seiten<br />

28 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Approaches & Techniques<br />

1. Rhinoplastik – Die Eversionstechnik<br />

(Non-delivery oder splitting approach)<br />

_„Some times I do and some times I do not …“ antwortete<br />

Tony Bull (London), als er während einer<br />

Round-Ta ble-Diskussion gefragt wurde, wann er<br />

diesen oder jenen Zugang in der Nasenchirurgie<br />

verwende. Eigentlich ist damit das Thema Zugänge<br />

erschöpfend behandelt, denn das Zitat drückt aus,<br />

dass von Fall zu Fall zwischen den Zugängen variiert<br />

werden sollte.<br />

Die Wahl des Zugangs bei der Rhinoplastik ergibt<br />

sich aus den Wünschen der Rhinoplastikkandidatin/-ten,<br />

dem Knorpel-, Haut- und Bindegewebstyp<br />

und hängt auch davon ab, ob es eine primäre oder<br />

sekundäre Rhinoplastik ist. Der Operateur muss<br />

entscheiden, mit welcher Technik, zum Beispiel<br />

Naht-, Graft- oder Schnitt-Technik, er ein speziel -<br />

les Problem zum Beispiel der Nasenspitze lösen<br />

möchte. Aus dem chirurgischen Plan zum Erreichen<br />

eines ästhetischen Zieles wählt der Operateur den<br />

Zugang, mit welchem er die Technik am besten umsetzen<br />

kann.<br />

Prinzipiell sollte ein Zugang immer so invasiv<br />

wie nötig und so minimal wie möglich sein. Der<br />

Operateur kann die postoperative Wundheilung,<br />

umso besser kontrollieren, je kleiner die Wundflächen<br />

sind. Offene Zugänge können allein durch das<br />

umfangreiche Decollement und durch asymmetrische<br />

Schwellungen oder Vernarbungen vermeidbare<br />

Probleme schaffen.<br />

Diese Serie, die die einzelnen Möglichkeiten und<br />

Grenzen der verschiedenen Zugänge der Rhino- und<br />

Septumplas tik darstellen wird, soll ein Plädoyer für<br />

ein breites Repertoire der Zugänge und Techniken<br />

sein, die sich der Rhinoplastiker aneignen sollte, und<br />

nicht für die eine oder andere Methode. Es ist<br />

ebenso sinnlos, einen indizierten offenen Zugang<br />

zu vermeiden, wie den Versuch zu unternehmen,<br />

alle Probleme über endonasale Zugänge lösen zu<br />

wollen. Wohl aber ist es nicht akzeptabel, dass die offene<br />

Technik als routinemäßiger Zugang der ersten<br />

Wahl gepriesen wird, weil die endonasalen Techniken<br />

nicht mehr beherrscht werden.<br />

Abb. 1a<br />

Abb. 1c<br />

Abb. 1e<br />

Abb. 1a, c, e_Junge Patientin mit<br />

leicht bullöser Spitze und Nasen -<br />

höcker präoperativ und 1b, d, f ein<br />

Jahr nach Rhinoplastik mit kranialer<br />

Volumenreduktion der lateralen<br />

Flügelknorpel in Eversionstechnik<br />

und endonasaler Abtragung des<br />

knorpelig-knöchernen Höckers.<br />

I29


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 2_Das Prinzip der Eversionstechnik<br />

(non-delivery approach).<br />

Zitat zur Abbildung 2: „Es sollte<br />

immer mehr drin bleiben als entfernt<br />

werden …“ Norman Pastorek<br />

(New York).<br />

Abb. 3a_Die Eversionstechnik:<br />

Dargestellter kranialer Anteil des<br />

lateralen Schenkels des Flügelknorpels<br />

nach Ablösen des vestibulären<br />

Hautlappens. Rote Linie: gewünschte<br />

Exzisionslinie zur kontrollierten<br />

kranialen Volumenreduktion.<br />

Abb. 3b_Abtragen des kranialen<br />

Anteils des Flügelknorpels.<br />

Abb. 4_Prinzip der endonasalen<br />

Höckerabtragung mit Eversions -<br />

technik.<br />

Abb. 2<br />

Abb. 3a Abb. 3b Abb. 4<br />

Die Eversionstechnik (non-delivery approach) ist<br />

für die Volumenreduktion der kranialen Flügelknorpel<br />

bei bullöser Nasenspitze gut geeignet. Bei Asymmetrien<br />

der Spitze kommt dieser Zugang nur in<br />

Abb. 1b<br />

Ausnahmen zur Anwendung. Es sollte möglichst<br />

eine symmetrische Spitze mit guter Projektion, kein<br />

Bifida Tip und kein breiter stumpfer Dom(winkel)<br />

bestehen. Die Tip defining points können durch<br />

diesen Zugang nicht genähert werden, wohl aber<br />

kann die aesthetic eyebrow-line, die durch eine bullöse<br />

Spitze gestört wird, durch die Verbesserung des<br />

Übergangs vom mittleren Gewölbe zur Supratipund<br />

Tip-Region deutlich harmonisiert werden. Die<br />

Form der kaudalen Flügelknorpel lässt sich durch<br />

diesen Zugang nicht verändern. Die Rhinoplastikkandidatin/-kandidat<br />

muss wissen, dass die Nasenspitze<br />

durch dieses Manöver weniger bullös erscheinen<br />

wird, ohne dass sie sich selbst verschmälert.<br />

Der transkartilaginäre Schnitt verläuft typischerweise<br />

kranial der Tip defining points, welche<br />

zuvor markiert werden sollten. Erreicht wird eine<br />

Verschmälerung im Supratip-Bereich und eine kraniale<br />

Rotation der Spitze, die je nach Umfang der<br />

Resektion kontrolliert werden kann und durch ein<br />

Anschrägen der vorderen kranialen Septumkante<br />

unterstützt wird.<br />

Die Kranialrotation folgt den Prinzipien der Dynamics<br />

of Rhinoplasty. Es kommt zu einer narbigen<br />

Schrumpfung zwischen der kaudalen Kante des<br />

Dreiecksknorpels und dem belassenen Flügelknorpel.<br />

Sie hängt vom Umfang der Volumenreduktion<br />

des kranialen Flügelknorpels ab. Die Spitzenprojektion<br />

wird bei Erhalt des Tip defining points nicht verändert,<br />

beziehungsweise kann durch eine Resektionslinie<br />

kaudal davon beeinflusst werden (Abb.2).<br />

Wegen der geringen Invasivität und Blutung<br />

ist dieser Zugang für die simultane Anwendung<br />

mit endonasalen Operationschritten gut geeignet<br />

(Abb. 1 und 4)._<br />

Abb. 1d<br />

Abb. 1f<br />

Weitere Informationen dazu:<br />

Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase, H. Behrbohm, M.E.<br />

Tardy, Thieme 2003, 244 S.<br />

30 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Approaches & Techniques<br />

2. Rhinoplastik –<br />

Die Luxationstechnik<br />

(Delivery approach)<br />

_Die Luxationstechnik stellt eine elegante endo -<br />

nasale Technik dar, die dem geübten Chirurgen eine<br />

Vielzahl von Korrekturmöglichkeiten der Spitze<br />

gestattet. Es wird praktisch ein chondrokutaner<br />

Lappen aus dem Flügelknorpel und der Haut des<br />

Na senvorhofs gebildet.<br />

Dazu sind zwei Schnitte erforderlich. Zunächst<br />

erfolgt die interkartilaginäre Inzision in der Falte<br />

zwischen Dreiecks- und Flügelknorpel. Danach<br />

wird die Haut entlang der kaudalen Flügelknorpelkante<br />

inzidiert. Von diesem Flügelknorpelabschnitt<br />

aus wird dann die Haut des Nasenflügels vorsich -<br />

tig streng auf der Kontur des Knorpels präparierend<br />

bis zum interkartilaginären Schnitt untertunnelt.<br />

Nach der Luxation der Flügelknorpel können<br />

diese unter Sicht und im Seitenvergleich gut bear -<br />

beitet werden. Es können Knorpelresektionen zur<br />

kranialen Volumenreduktion, keil- oder streifenförmige<br />

Resektionen aus den lateralen Flügelknorpeln,<br />

Veränderungen der Knorpelspannungen durch Ritzen,<br />

Cross hatching, Augmentationen mit autologem<br />

Knorpel und intra- sowie interdomale Nahttechniken<br />

ausgeführt werden.<br />

Die Technik ist bei Spitzenasymmetrie und Bifida<br />

tip geeignet. Die Projektion der Spitze kann kontrolliert<br />

und verändert werden. Eine Spitzenrotation<br />

nach kranial kann ausgelöst werden.<br />

Für die Dome-suture-Technik besonders geeignet<br />

sind Patienten mit breiter Spitze, sogenannte<br />

boxy tip, dünner Haut und wenig subkutanem<br />

Fett- und Bindegewebe. Die Flügelknorpel selbst<br />

sollten stabil und elastisch sein. Interdomale<br />

Nähte werden zur Verschmälerung der Dome ver-<br />

Abb. 1a<br />

Abb. 1b<br />

Abb. 1c<br />

Abb. 1a–c_Präoperativer Befund.<br />

I31


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Bob Brown, Chicago<br />

Abb. 2 Abb. 3<br />

Bob Brown, Chicago<br />

Abb. 2_Das Prinzip und die Möglichkeiten<br />

der Luxationstechnik.<br />

Abb. 3_Transdomale Nähte zur<br />

Verschmälerung breiter Dome bei<br />

großem interdomalen Abstand und<br />

großem domalen Winkel.<br />

Abb. 4a–c_Postoperativer Befund<br />

nach endonasaler Reduktion des<br />

Nasenrückens und Spitzenplastik in<br />

Luxationstechnik mit transdomaler<br />

Nahttechnik.<br />

wendet. Mit transdomalen Nähten können die Tip<br />

defining points meist nach Entfernung des interdomalen<br />

Fett- oder Bindegewebes wirksam genähert<br />

werden. Aus eigener Erfahrung kann sowohl<br />

PDS 5 x 0 als auch Prolene (ungefärbt) 5 x 0 für diese<br />

Nahttechniken der Spitze empfohlen werden.<br />

Nach der Resorption ist die Spitzenform durch<br />

Schrumpfung und submuköse Vernarbung dauerhaft<br />

stabil. Die Knoten sollten immer an den Innenseiten,<br />

nicht auf der Knorpeloberfläche unter der<br />

Haut liegen.<br />

Eine besonders trickreiche und effektive Methode<br />

zur Verschälerung einer breiten Nasenspitze<br />

ist die Nahttechnik mit nur einem Faden, der transdomal<br />

eingestochen, interdomal zur Gegenseite geführt<br />

und dort wieder transdomal geführt wird._<br />

Abb. 4a<br />

_Literaturhinweis<br />

face<br />

Abb. 4b<br />

Abb. 4c<br />

Behrbohm H., Tardy M.E., Funktionell-ästhetische<br />

Chirurgie der Nase, Thieme 2004<br />

32 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Approaches & Techniques<br />

3. Rhinoplastik – Die offene Technik<br />

(Open approach)<br />

_Der offene Zugang zur Nasenspitze und zum Nasenrücken<br />

erfreut sich in den letzten Jahren einer<br />

zunehmenden Beliebtheit bei den Nasenoperateuren,<br />

sollte aber dennoch streng indiziert sein. Wegen<br />

des auf Kongressen und Kursen immer brisant diskutierten<br />

Themas der „Zugänge“ und dem großen<br />

Interesse an der offenen Technik soll diesem Zugang,<br />

seinen Möglichkeiten, Vor- und Nachteilen ein ausführlicher<br />

Beitrag gewidmet werden.<br />

Die wichtigsten Indikationen sind Asymmetrien<br />

und Deformierungen der Nasenspitze, deutliche<br />

Über- oder Unterprojektionen oder eine mangelhafte<br />

anatomische Definition, die häufig Gegenstand<br />

einer Revisionsoperation sind. Die Columellanarbe<br />

verheilt bei akkurater Nahttechnik in der Regel<br />

so unauffällig, dass sie für die Wahl des Zugangs<br />

keine Rolle spielt. Die anatomische Übersicht durch<br />

den offenen Zugang ist sehr gut und liefert dem<br />

Chirurgen diagnostische Informationen, die er<br />

durch die traditionellen geschlossenen intranasalen<br />

Zugänge nicht gewinnen würde. Diese technischen<br />

Vorteile müssen gegen die potenziellen Nachteile<br />

eines größeren Wundbettes, einer längeren Wundheilung,<br />

länger anhaltender Ödeme, z.B. der Nasenspitze,<br />

und durch ein insgesamt größeres Trauma der<br />

Operation abgewogen werden.<br />

Die häufigsten Indikationen sind:<br />

– Ausgeprägte Asymmetrien der Nasenspitze<br />

– deutliche Über- und Unterprojektionen der Nasenspitze<br />

– transplantationsbedürftige Deformierungen des<br />

Nasenrückens<br />

– Revisionen (meist nach mehrfachen Voroperationen)<br />

– Septumperforationen größer 8 mm<br />

– schwere Achsenfehlstellungen<br />

– Missbildungen, z.B. Spaltnasen, Binder-Syndrom<br />

(maxillonasale Dysplasie)<br />

– ausgeprägte Sattelnasen<br />

– Nasentumoren (in Abhängigkeit von der Lokali -<br />

sation).<br />

Abbildungen 1a–1h, 3g–3w:<br />

www.vincentmosch.de<br />

Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1d<br />

Abb. 1e Abb. 1f Abb. 1g Abb. 1h<br />

I33


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 2a Abb. 2c Abb. 2e<br />

Abb. 2b Abb. 2d Abb. 2f<br />

Abb. 2g<br />

Bob Brown, Chicago<br />

Der offene Zugang ist jedoch nicht indiziert,<br />

wenn das anatomische Problem und das Geschick<br />

des Operateurs eine subtile und konservative geschlossene<br />

Operation gestatten.<br />

Die offene Technik der Rhinoplastik gestattet<br />

eine maximale Exposition der Flügelknorpel mit den<br />

medialen und lateralen Schenkeln der Dome und<br />

des Nasenrückens. Der Hautschnitt erfolgt als Stufe<br />

oder gezackt in Höhe der Mitte der Columella. Die Inzision<br />

wird um die Kontur der medialen Schenkel<br />

Abb. 3a Abb. 3c Abb. 3e<br />

Abb. 3b Abb. 3d Abb. 3f<br />

herumgezogen und verläuft circa 2 mm dorsal der<br />

Columellavorderseite an der lateralen Columella und<br />

mündet in Flügelknorpelrandschnitte. Danach wird<br />

die Haut der mittleren Columella mit dem scharfen<br />

kleinen Scherchen oberhalb der medialen Schenkel der<br />

Flügelknorpel untertunnelt. Nun gelingt die schrittweise<br />

Präparation des Columellalappens. Sind die<br />

medialen Flügelknorpelschenkel dargestellt, so sollten<br />

ihre me dialen Seiten als Schiene für die Präparation<br />

nach kranial dienen. So gelangt man auf die<br />

Oberseite der Dome und nach Durchtrennen des<br />

interdomalen Bindegewebes auf die lateralen Schenkel.<br />

Abb. 1a–h<br />

Der externe Zugang: a) Lagerung der Patientin und<br />

Anzeichnen der Hautinzision in Form eines umgekehrten<br />

V in Höhe der Mitte der Columella, b) Präzisionsschnitt<br />

mit der 11er-Klinge, c) Anlegen subkutaner<br />

Taschen mit der spitz-spitzen und gebogenen<br />

kleinen Präparierschere, d und e) Präparieren entlang<br />

der medialen Schenkel der Flügelknorpel, f) Ab -<br />

lösen der Weichteile der Spitze in der supraperichondralen<br />

Schicht, g) Exposition der Flügelknorpel, h)<br />

Umformen von Größe, Form und Stellung der Flügelknorpel,<br />

hier durch interdomale Nähte.<br />

Später können die Dreiecksknorpel und die Nasenklappe<br />

dargestellt werden. Sie lassen sich bis zum<br />

Rhinion (Key stone area) verfolgen. Auch die Ossa<br />

nasalia und der Proc. frontomaxillaris können direkt<br />

dargestellt werden. Während die Präparation zunächst<br />

superperichondrial erfolgt, sollte sie in Höhe<br />

des Rhinions subperiostal fortgesetzt werden.<br />

Dazu wird das Periost vorsichtig lateral inzidiert<br />

und mit einem scharfen Elevatorium nach Freer oder<br />

Joseph von der Mittellinie nach lateral unter Verursachung<br />

eines kratzenden Geräusches abgeschoben.<br />

Vorteile der offenen Technik sind die binokulare,<br />

dreidimensionale Darstellung und Präparation der<br />

Strukturen bei kontrollierter Blutstillung unter Sicht<br />

und eine weitgehend bimanueller Präparation. Größere<br />

Transplantate können sehr präzise platziert und<br />

durch Nähte definitiv befestigt werden.<br />

Abb 2a–g<br />

Rekonstruktion des vorderen Septum nasi und<br />

der Columella mit autologem Knorpel aus der Ohrmuschel.<br />

a) 62-jährige Patientin mit Z. n. zweifacher<br />

Septorhinoplastik. b) nach Rekonstruktion von Septum<br />

und Columella (Profilplastik), c) fehlende Definition<br />

der Spitze und Ptose, d) zwei Jahre postoperativ<br />

zeigt sich eine deutliche Verbesserung der Spitzenprojektion<br />

und -definition, e) die Nasenbasis präund<br />

f) postoperativ. Als Zugang wurde die alte sehr<br />

tiefe Narbe nach Columellainzision gewählt (praktisch<br />

nicht sichtbar), g) schematische Darstellung<br />

des operativen Vorgehens.<br />

34 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

_Wichtigste Transplantat-Typen<br />

Verwendet werden sollten immer möglichst<br />

autologe Transplantate. Die Transplantate werden<br />

aus Septum- oder Flügelknorpelanteilen (erste<br />

Wahl) oder Knorpel aus dem Cavum conchae oder<br />

Tragus der Ohrmuschel (zweite Wahl) gefertigt.<br />

Unterschieden werden tiefe Transplantate zum Ersetzen<br />

von Substanzdefekten und Aufbau von Statik,<br />

von oberflächlichen zur Konturierung der Nase. Die<br />

Transplantate können immer ein- oder beidseits eingebracht<br />

werden.<br />

Für die Entnahme und präzise Dimensionierung<br />

steht ein Operationszirkel zur Verfügung. Das Zuschneiden<br />

erfolgt auf einem Schneidebänkchen<br />

(Karl Storz) auf dem OP-Tisch. Hier wird das Transplantat<br />

„geschnitzt“ und die Kanten gebrochen.<br />

Abb. 3a–w<br />

Rekonstruktiver Aufbau einer Nase bei Lippen-<br />

Kiefer-Gaumenspalte. a) 17-jährige Patientin mit<br />

breiter wenig projizierter Nase, b) ein Jahr nach offener<br />

Rhinoplastik, c) präoperativ besteht ein flaches Profil,<br />

d) postoperativ zeigt sich eine deutliche Ver änderung<br />

des Profils durch Anheben des Nasenrückens, dezente<br />

Kranialrotation der Spitze, Korrektur des Nasolabialwinkels<br />

und der Columella-Nasenflügel-Relation,<br />

e) prä- und f) postoperativer Befund.<br />

g–w Schritte der Operation:<br />

g) Hautschnitt für die Entnahme von Rippenknorpel,<br />

h) Ablösen des Perichondriums der Rippe,<br />

i) Entnahme des Rippenknorpels aus dem Perichon -<br />

driumfach, j) „Schnitzen“ der Transplantate, k) nur<br />

ein „ballancierter“ Span aus den zentralen Anteilen<br />

des Rippenknorpels wird dauerhaft formstabil bleiben,<br />

l) genaue Dimensionierung mit dem chirurgischen<br />

Zirkel nach Behrbohm (Karl Storz), m) supraperichondrale<br />

Präparation der Nasenspitze und des Rückens,<br />

n) Anlegen einer Columellatasche für den statischen<br />

Columella strut, o) Einpassen und Fixieren<br />

des Columella struts, p) Einnähen des columella<br />

struts, q) Einpassen des Nasenrückenspans, r und<br />

s) Verbindung von Columella strut und dorsal graft<br />

wie „Nut und Feder“, t) Einbringen und Fixierung<br />

eines tip graft, u) Hautnähte, v) Verlagerung des<br />

rechten Nasenflügels, w) Hautexzision und Formen<br />

der Wölbung des Nasenloches links.<br />

Abb. 3g Abb. 3h Abb. 3i<br />

Abb. 3j Abb. 3k Abb. 3l<br />

Abb. 3m Abb. 3n Abb. 3o<br />

Abb. 3p Abb. 3q Abb. 3r<br />

Abb. 3s Abb. 3t Abb. 3u<br />

_Columella strut<br />

Das Transplantat wird in eine Tasche zwischen<br />

den basalen medialen Schenkeln der Flügelknorpel<br />

über der Spina nasalis anterior aufgestellt und zwischen<br />

den medialen Schenkeln mit durchgreifenden<br />

Nähten befestigt. Es dient der Kontrolle der Projektion,<br />

Verbesserung der Protektion (Tip support). Eine<br />

unterschiedliche Höhe der Dome kann ausgeglichen<br />

Abb. 3v<br />

Abb. 3w<br />

I35


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />

Abb. 4e Abb. 4f Abb. 4g Abb. 4h<br />

Abb. 5a Abb. 5b Abb. 6a Abb. 6b<br />

werden. Von basal aus kann die Symmetrie der Spitze<br />

aufgebaut werden.<br />

Abb. 4a–f<br />

Deformierungen der Nasenspitze a–f) Asymme -<br />

trie der Flügelknorpel mit Spitzendeformierung bei<br />

einer Patientin und einem Patienten mit dünnem<br />

Hauttyp prä- (a, c, e) und zwei Jahre postoperativ<br />

(b, d, f), g) durch den offenen Zugang zeigt sich die<br />

anatomische Ursache der Deformierung bei dem Patienten,<br />

h) die Symmetrie der Nasenspitze wird von<br />

unten nach oben entlang eines Columella struts<br />

aufgebaut.<br />

_Tip grafts<br />

Sie können auf den Domen als trapezförmige<br />

Transplantate zur Konturierung der Spitze oder Verbesserung<br />

der Projektion aufgebracht werden. Die<br />

Fixierung erfolgt mit Nylon oder PDS 5-0 (Abb. 5a–c).<br />

Abb. 5a–c<br />

a) Patientin mit hochgradiger Deformierung<br />

der knorpeligen Nase, b) drei Jahre postoperativ, c)<br />

Schema des konkreten chirurgischen Vorgehens<br />

mit Implantation eines Tip grafts, Shield grafts,<br />

zweier Alar button grafts aus autologem Con-<br />

36 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Abb. 5c<br />

4<br />

1 tip graft<br />

2 alow graft<br />

3 shield graft<br />

4 Camouflage<br />

Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />

Abb. 6c<br />

Shield graft<br />

Bob Brown, Chicago<br />

chaknorpel und Camouflage mit Tragusperichondrium.<br />

_Shield grafts<br />

Shield grafts können zur Verlängerung der Nase, zur<br />

Formung des double breaks oder eines harmonischen<br />

Columella-Lobus-Tip-Übergangs platziert werden. In<br />

Kombination mit einem Columella strut unterstützen<br />

sie den Tip support und die Domkonturen (Abb. 6a–c).<br />

Abb. 6a–c<br />

22-jährige Patientin mit Z. n. Septorhinoplastik<br />

mit Resthöcker und bifida tip. a) Präoperativ, b) zwei<br />

Jahre postoperativ, c) schematische Darstellung des<br />

chirurgischen Vorgehens unter Verwendung eines<br />

Shield grafts aus dem cavum conchae.<br />

_Onlay grafts<br />

Onlay grafts werden sowohl im Bereich des Nasenrückens<br />

oder der lateralen Flügelknorpel als Alar<br />

onlay grafts zum Ausgleich von Substanzdefekten<br />

oder zur Konturierung verwendet.<br />

_Camouflage<br />

Spitze Dome können durch das Auflegen von<br />

autologem Gewebe abgedeckt werden. Dadurch<br />

entstehen weichere Konturen der Spitze und ein<br />

harmonischer Übergang zu den Facets. Hier hat sich<br />

Tragusperichondrium und Temporalisfaszie bewährt<br />

(Abb. 5c).<br />

_Spreader grafts<br />

Sie werden zwischen der dorsalen Septumkante<br />

und dem Dreiecksknorpel extramukös platziert. Sie<br />

dienen gleichermaßen funktionellen als auch ästhetischen<br />

Zielstellungen.<br />

Eine Indikation besteht bei der Abtragung von<br />

größeren Höckern, Absenken des Nasenrückens bei<br />

funktionellen Spannungs- oder Großnasen bei kurzen<br />

Nasenbeinen.<br />

Ebenso können sie für die Korrektur von Schiefnasen<br />

verwendet werden. Spreader grafts verhindern<br />

das Entstehen einer Klappenstenose und ermöglichen<br />

eine harmonische Augenbrauen-Tip-<br />

Linie (Abb. 7a–c).<br />

Abb. 7a Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d Abb. 7e<br />

I37


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 8a<br />

Abb. 8b<br />

Abb. 8c<br />

Abb. 8d<br />

Abb. 8e<br />

Abb. 8f<br />

Abb. 8g<br />

Abb. 8h<br />

Abb. 8i<br />

Abb. 7a–e<br />

a, d) 30-jährige Patientin mit Z.n. Septorhinoplas -<br />

tik mit inverted v-Phänomen und Resthöcker durch<br />

unvollständige Kürzung der Septumoberkante vor<br />

der Revisionsoperation, b) Rekonstruktion des Übergangs<br />

von knöcherner und knorpeliger Nase und des<br />

mittleren Gewölbes durch Spreader grafts. c, e) Die<br />

Patientin zwei Jahre postoperativ.<br />

_Reduktionsplastik<br />

bei Überprojektion der Nase<br />

Bei deutlicher Überprojektion der Nasenspitze<br />

oder bei Großnasen werden die Effekte der Dynamics<br />

of rhinoplasty nicht genügen, um eine ausreichende<br />

Verkleinerung der Nase zu erzielen. Hier empfiehlt<br />

sich ein offener Zugang mit der Möglichkeit der Reduktion<br />

der einzelnen Bausteine.<br />

Abb. 8a–i<br />

a und c) Junge Frau mit überprojizierter Spitze und<br />

Großnase bei deutlicher Hyperplasie der Flügelknorpel<br />

und dünner Haut, b und d) drei Jahre nach Reduktionsplastik,<br />

e) Anzeichen der Resektionslinien, f) Resektate<br />

der knorpeligen und knöchernen Bausteine, g und h)<br />

Sliding hier der medialen Schenkel der Flügelknorpel,<br />

i) Befund am Ende der Operation.<br />

_Flip flop- (Umklapp-)Plastik der<br />

Flügelknorpel<br />

Bei paradox gebogenen Flügelknorpeln besteht<br />

die Möglichkeit der Abtrennung der lateralen Flügelknorpel<br />

unterhalb der Dome, deren Rotation und<br />

seitengleiche Neupositionierung. Dabei können die<br />

Knorpel auch seitlich ausgetauscht werden.<br />

Abb. 9a–g<br />

a, c, e) Patientin mit paradox gebogenen Flügelknorpeln,<br />

Überprojektion der Spitze und Bifida tip,<br />

b, d, f) zwei Jahre nach Umklapp-Plastik in offener<br />

Technik, g) schematisches Vorgehen bei der Operation.<br />

Für das Verständnis der Anatomie der Nase ist die<br />

offene Technik eine Offenbarung. Oft zeigen sich<br />

feine Kurvaturen und Dyssymmetrien z. B. der Flügelknorpel,<br />

die präoperativ nicht zu erkennen sind.<br />

Für das Verständnis der „Dynamics of rhinoplasty“<br />

ist die offene Technik keine Innovation.<br />

38 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 10a–d<br />

Vollständige Umformung einer breiten plumpen<br />

Nasenspitze (boxy tip) durch offene Spitzenplastik.<br />

a) Abnehmen von Messpunkten am Beginn der<br />

Operation, b) Analyse der Anatomie nach Darstellung<br />

der Flügelknorpel, c und d) Verlagerung und<br />

Neupositionierung der Nasenflügel.<br />

Die offene Technik ist eine ideale Technik für die o. g.<br />

Indikationen. Dennoch stellt sich die Frage, ob so viel<br />

Übersicht im Einzelfall immer nötig ist. Die Kunst bei<br />

der Rhinoplastik besteht auch darin, einen Zugang so<br />

invasiv wie nötig und so wenig traumatisch wie möglich<br />

zu wählen. Insofern verlässt die offene Technik<br />

dieses Prinzip des Konservatismus in Richtung einer<br />

höheren Aggressivität. Große submuköse Wundareale<br />

führen zu flächigen Vernarbungen. Die Folge sind eine<br />

längere Wundheilung, Ödeme und mögliche Sensibilitätsstörungen<br />

im Bereich der Spitze. Der Rhinoplastiker<br />

sollte alle Zugänge im Repertoire haben, um<br />

sich im konkreten Fall für den besten zu entscheiden.<br />

Das wird oft, aber bestimmt nicht immer, der offene<br />

Zugang sein._<br />

Abb. 9a Abb. 9c Abb. 9e<br />

Abb. 9b Abb. 9d Abb. 9f<br />

_Literaturhinweis face<br />

Abb. 9g<br />

Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />

Behrbohm H., Tardy M. E.:<br />

„Funktionell-ästhetische<br />

Chirurgie der Nase“<br />

Thieme, Stuttgart, New York, 2005<br />

Behrbohm H., Kaschke O., Nawka T. Swift A.<br />

„Ear, Nose, and Throat Disease & Head and Neck<br />

Surgery“<br />

Thieme, Stuttgart, New York, 2009<br />

Abb. 10a<br />

Abb. 10b<br />

Abb. 10c<br />

Abb. 10d<br />

I39


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Approaches & Techniques<br />

4. Die Rhino-Mentoplastik<br />

mit autologem Ohrknorpel<br />

_Am Beispiel des Profils wird besonders deutlich,<br />

dass es bei der Septorhinoplastik nicht nur um die<br />

Veränderung der Nase geht, sondern vielmehr um die<br />

Abstimmung mit den benachbarten ästhetischen<br />

Einheiten und vor allem mit dem Kinn und der Stirn zu<br />

einer harmonischen Profillinie.<br />

Zum Teil kann allein durch eine Veränderung der<br />

Nase, insbesondere der Stellung der Nasenspitze zur<br />

Gesichtsebene (Projektion), bereits Einfluss auf eine<br />

fliehende Stirn oder ein fliehendes Kinn genommen<br />

werden. Manchmal kann durch eine gezielte Veränderung<br />

des Nasofrontal- oder Nasolabialwinkels eine<br />

Nase z.B. deprojiziert und ein Profil harmonisiert werden,<br />

ohne dass die eigentliche Position der Nasenspitze<br />

verändert wird. Ein dominantes Kinn in Kombination<br />

mit einer Sattelnase mit typischer Unterprojektion<br />

und Kranialrotation der Spitze kann meist bereits<br />

mit dem Aufbau des Nasenrückens scheinbar zurückversetzt<br />

werden. Bei einem deutlich fliehenden<br />

Kinn in Verbindung mit einer überprojizierten Nase<br />

besteht die Indikation zu einer Mento-Rhinoplastik.<br />

Dazu wird in diesem Beitrag eine eigene Technik angegeben,<br />

die sich in mehr als 50 Fällen bewährt hat.<br />

Die Operation erfolgt als Simultaneingriff in einer Sitzung<br />

(Abb. 1).<br />

Um die drei wichtigsten Punkte zur Beurteilung<br />

des Gesamtprofils abzubilden und hinsichtlich ihrer<br />

gegenseitigen Lagebeziehung im Profil zu beurteilen,<br />

hat sich uns eine Modifikation des von Charles Baud<br />

(1982) angegebenen Gesichtskreises bewährt.<br />

_Der modifizierte Gesichtskreis nach Baud<br />

Bildquelle:<br />

Behrbohm H et al.:<br />

„Funktionell-ästhetische Chirurgie<br />

der Nase“ Endopress, Tuttlingen<br />

2002, 92 Seiten<br />

Literaturhinweise:<br />

Behrbohm H: „Ästhetische und<br />

rekonstruktive Gesichtschirurgie“<br />

Endopress, 2006<br />

Behrbohm H, Tardy M E:<br />

„Funktionell-ästhetische Chirurgie<br />

der Nase“, Thieme, Stuttgart, 2003<br />

Anstelle des äußeren Gehörgangs wird der kraniale<br />

Tragusrand (entspricht dem Porion) für den Radius<br />

zum Pronasale (= tip definig point) verwendet. Dieser<br />

Punkt entspricht dem Bezugspunkt für die deutsche<br />

(= Frankfurter) Horizontale im Krönlein-Schema.<br />

Mit dem Radius Porion – Pronasale wird ein Kreisbogen<br />

um das Gesicht geschlagen. Im Idealfall liegen<br />

Trichion und Pogonion auf der Peripherie des Kreises.<br />

Eine Überprojektion der Nase zeigt sich durch Zurückwandern<br />

des Kinn- (Weichteilpogonion) und des<br />

Stirn-Haarpunktes. Ebenso kann ein relativer Rückstand<br />

von Kinn und Stirn erkannt werden. Es ergeben<br />

sich somit konkrete Hinweise für die Harmonisierung<br />

des Profils (Abb. 2).<br />

_Angle-Klassifikation<br />

Das Profil wird neben der Nasenform und -größe<br />

entscheidend von der Stellung des Ober- und Unterkiefers<br />

und typischer Abweichungen bei gnatischen<br />

Anomalien bestimmt. Vereinfachend werden zur<br />

Unterscheidung eines geraden, konvexen und konkaven<br />

Profils zwei Geraden an das Gesicht gelegt:<br />

40 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 1a,c_ 21-jährige Patientin<br />

prä- und (b,d) ein Jahr nach<br />

Mento-Rhinoplastik mit autologem<br />

Ohrknorpel.<br />

Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1d<br />

_von der Stirn zur Oberkante Oberlippenrot<br />

_von der Oberkante Oberlippenrot zum Weichteilpogonion<br />

Die Klassische Unterteilung der sagittalen Okklusionsabweichungen<br />

wurde von Angle (1907) eingeführt.<br />

Ein konvexes Weichteilprofil deutet auf eine<br />

Angle-Klasse-II-Relation, ein konkaves Profil auf<br />

eine Angle-Klasse-III-Beziehung hin. Diese kieferorthopädischen<br />

Gesichtspunkte sind aus folgenden<br />

Gründen wichtig für den Rhinochirurgen:<br />

1. Für den Zeitpunkt der profilkorrigierenden Rhinoplastik<br />

im Jugendalter ist zu berücksichtigen, dass<br />

das Kieferwachstum bei Mädchen mit ca. 16 und<br />

bei Jungen mit 18 Jahren abgeschlossen ist.<br />

2. Eine kieferorthopädische Behandlung sollte<br />

möglichst abgeschlossen sein.<br />

3. Gnatische Anomalien führen zu typischen Profilveränderungen:<br />

_ Progenie: Ventrale Position des Pogonion<br />

_ Rückbiss: Zurückliegen des Pogonions<br />

_Prognathie: Vorverlagerung des Subnasale und<br />

der Oberlippe<br />

4. Die Position der Nasenspitze wird durch die Stellung<br />

der Kiefer und des Mittelgesichts beeinflusst.<br />

Eine Überprojektion kann z.B. durch ein schiefes<br />

Vorgesicht mitverursacht werden.<br />

5. Vor allen Augmentationen des Kinns ist die Indikation<br />

einer kieferorthopädischen bzw. kieferchirurgischen<br />

Korrektur von Stellungsanomalien des<br />

Unterkiefers zu prüfen.<br />

_Die Rhino-Mentoplastik<br />

Lässt sich eine Verbesserung des Profils bei überprojizierter<br />

oder relativ überprojizierter Nase in<br />

Kombination mit einem fliehenden Kinn nicht allein<br />

durch eine Deprojektion der Nase bzw. der Nasenspitze<br />

erreichen, kann in einer Sitzung die Augmentation<br />

des Kinns mit autologem Ohrknorpel erfolgen<br />

(Abb. 3). Die Korrektur der Stellungsanomalien des<br />

Unterkiefers hat vor der Augmentation Vorrang. Einige<br />

Patienten sind jedoch entweder mit dem Resultat<br />

einer kieferorthopädischen Behandlung nicht<br />

zufrieden bzw. lehnen Osteotomien ab.<br />

Der Nachteil der Mentoplastik mit autologem<br />

Ohrknorpel ist das Trauma der Knorpelentnahme<br />

selbst. Das Risiko sichtbarer Stellungsveränderungen<br />

der Ohrmuschel ist äußerst gering und kommt<br />

bei sorgfältiger Entnahmetechnik praktisch nicht<br />

vor. Der Satz von M.E. Tardy „The ear is a marvellous<br />

store-house of cartilage“ bestätigt sich bei dieser<br />

Technik. Der Vorteil besteht in der unproblematischen<br />

Entnahme und Bearbeitung, einer individuellen<br />

Anfertigung und Anpassung des Implantates<br />

Abb. 2_ Der modifizierte Gesichtskreis<br />

nach Baud.<br />

Abb. 3_ Prinzip der Mento-Rhinoplastik<br />

mit autologem Ohrknorpel.<br />

Abb. 2 Abb. 3<br />

I41


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />

Abb. 4a–d_ Technik bei der<br />

Gewinnung von Conchaknorpel.<br />

Abb. 5a, b_ Patientin vor und fünf<br />

Jahre nach der Mento-Rhinoplastik.<br />

Abb. 6a, c_18-jähriger Patient mit<br />

dem Wunsch der Profilkorrektur und<br />

(b, d) drei Jahre postoperativ.<br />

und der vollständigen dauerhaften Inkorporation<br />

des autologen Knorpels ohne spätere Senkungsoder<br />

Lockerungstendenzen.<br />

Abb. 5b<br />

Abb. 5a<br />

Entnahmetechnik<br />

Die Entnahme des Knorpels erfolgt beidseits aus<br />

dem Cavum conchae über einen Zugang an der dorsalen<br />

Fläche der Ohrmuschel. Mit feinen Kanülen sollten<br />

die Resektionsgrenzen vorher markiert und angemalt<br />

werden. Es ist darauf zu achten, dass eine<br />

harmonische Umschlagfalte von der Anthelix zum<br />

Cavum erhalten bleibt, um unnatürliche Brüche im<br />

Relief der Ohrmuschel zu vermeiden. Die Blutstillung<br />

muss penibel erfolgen, um postoperative Hämatome<br />

zu vermeiden. Nach dem Wundverschluss erfolgt eine<br />

Tamponierung des Conchareliefs mit salbenversetzter<br />

Watte (Abb. 4).<br />

Formen des Implantats<br />

Das Implantat besteht aus drei Teilen (siehe Abb.3).<br />

Der knorpelig-knöcherne Nasenhöcker dient der Befestigung<br />

beider Conchaknorpel mit ungefärbten<br />

Prolenefäden 5 x 0 . Bei einem größeren knöchernen<br />

Höckeranteil empfiehlt sich eine Kompression mit der<br />

Knochen/Knorpelzange. Der Conchaknorpel sollte<br />

nicht gepresst werden, weil er schnell ausfasert. Das<br />

ist auch nicht nötig, weil er in idealer Wölbung aus der<br />

Ohrmuschel entnommen wird.<br />

Implantation<br />

Die Implantation erfolgt über den Mundvorhof.<br />

Bei dem angeschrägten Schnitt über der Umschlagfalte<br />

ist darauf zu achten, dass der obere Schnittrand<br />

zur Gingiva einen guten Verschluss durch dünne<br />

Vicrylnähte zulässt. Das Implantat wird direkt über<br />

dem Knochen vorgeschoben und unter dem beidseits<br />

angehobenen Periost fixiert. Auf den N. mentalis ist<br />

dabei zu achten. Fibrinkleber dient der zusätzlichen<br />

Fixierung und dem „Versiegeln“ der Wunde.<br />

Die Operation erfolgt unter antibiotischer singleshoot<br />

Medikation von 6oo mg Clindamycin.<br />

Verband<br />

Die Nase wird getapet und mit einem Nasengips<br />

von 2 x 5 Tagen versorgt. Das Kinn-Implantat wird mit<br />

Tapes für zehn Tage gesichert._<br />

Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />

42 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Osteotomien im Gesicht –<br />

die Kunst und Technik der<br />

Knochenschnitte<br />

Teil 1: Rhinoplastik<br />

_Vorwort<br />

Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Kurt Vinzenz (Wien)<br />

und Prof. Dr. Hans Behrbohm (Berlin) beschäftigen<br />

sich seit Jahren mit speziellen Techniken der Osteo -<br />

tomie im Gesicht und haben neue Operationstechniken<br />

bzw. Instrumente entwickelt. Beide koope rieren<br />

seit Jahren, um besonders komplexe Miss bildungen<br />

und Verletzungen im Gesicht zu re konstruieren.<br />

Beispiele dieser erfolgreichen und wegweisenden<br />

Zusammenarbeit wurden zum Beispiel auf der „Conference<br />

of facial esthetics – Esthetics follows function“<br />

im Juni 2007 in Wien vorgestellt. Die Osteotomien<br />

verändern das knöcherne Gerüst des Gesichtsschädels.<br />

Darauf aufbauend folgen die Veränderungen<br />

an den Weichteilstruk turen. Zugleich sind die<br />

Knochenschnitte auch eine „Schnittstelle“ zwischen<br />

den Fachgebieten. „Je komplexer ein Fall ist, desto<br />

eher müssen Nasen- und Kieferspezialisten, plastische<br />

Chirurgen und Dermatologen sich in der Arbeit<br />

ergänzen“, so Prof. Vinzenz in Wien. In einer zweiteiligen<br />

Übersicht wird das State of the Art der Osteotomien<br />

im Gesicht dargestellt.<br />

_Die Rhinoplastik<br />

Der Begriff Osteotomie kommt aus dem Griechischen<br />

und bezeichnet eine in verschiedenen Gebieten<br />

der Chirurgie angewandte Operationstechnik,<br />

mit der ein oder mehrere Knochen gezielt durchtrennt<br />

und danach meist neu ausgerichtet werden.<br />

Zum Schneiden des Knochens dienen Osteotome,<br />

Meißel oder Sägen. Die Osteotomie-Technik mit ei-<br />

Abb. 1<br />

I43


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Abb. 2d Abb. 2e Abb. 2f<br />

Abb. 1_Tilman Riemenschneider.<br />

Ausschnitt des Marienaltars aus der<br />

Herrgottskirche zu Creglingen 1515.<br />

Abb. 2_Junge Patientin mit disloziertem<br />

Fragment nach unvollständiger<br />

lateraler Osteotomie links. a, c, e vor<br />

und b, d, f zwei Jahre nach Revisionsoperation<br />

mit Re-Osteotomie<br />

links.<br />

Abb. 3_Prinzip der Mini-Osteotomie:<br />

Der Knochenschnitt erfolgt möglichst<br />

innerhalb der Periostblätter. Der doppelte<br />

Hohlschliff des Mini-Osteotoms<br />

nach Behrbohm/Walter gibt dem Ins -<br />

trument viel Grip an der Knochenkante<br />

und ermöglicht einen sicheren<br />

Schnitt ohne abzurutschen (besonders<br />

bei dünnem und festem<br />

Knochen).<br />

Abb. 4a_In die Kufe des Schlittschuhs<br />

ist der Kurvenradius eingeschliffen.<br />

Beim Ankippen der Kufe<br />

gleitet der Schlittschuh auf einer vorbestimmten<br />

Bahn.<br />

Abb. 4b_Das Richtungsschliff-Osteotom<br />

kann durch seinen Anschliff<br />

(kurzer Anschliff auf der Innenseite,<br />

langer Anschliff auf der Außenseite)<br />

und seine leichte Schaftbiegung auf<br />

der vorgezeichneten Osteotomielinie<br />

bis zum lateralen Punkt der medialen<br />

Osteotomie vorangetrieben, ohne<br />

neu positioniert zu werden.<br />

Abb. 5a_Outfracture-Technik. Nach<br />

der lateral gebogenen Osteotomie<br />

werden die mobilisierten Fragmente<br />

nach außen lateralisiert.<br />

Abb. 5b_Infacture-Technik. Nach<br />

der lateral gebogenen Osteotomie<br />

werden die mobilisierten Fragmente<br />

nach innen medialisiert. Beide Techniken<br />

können kombiniert werden.<br />

1 push up Osteotomie, 2 let down<br />

Osteotomie.<br />

Abb. 5c_Doppelte Osteotomie mit<br />

Keilexzision mit dem Richtungsschliff-Osteotom.<br />

nem Osteotom ist vergleichbar mit den Schneiden<br />

und Spanabheben in der Holzbildhauerei (Abb. 1).<br />

Durch den gezielten Impuls eines Hammerschlages<br />

wird der Schnitt auf einer zuvor genau bestimmten<br />

Linie vorgetrieben.<br />

Fehler bei der Osteotomie, z.B. durch falsche<br />

Richtungen oder Splitterbrüche und Fragmentierungen,<br />

sind praktisch unkorrigierbar.<br />

_1. Rhinoplastik<br />

Abb. 3<br />

Abb. 4a<br />

Abb. 5a<br />

Der oft zitierte Satz: „Wer die Nasenspitze beherrscht,<br />

der beherrscht auch die ganze Nase“ gilt<br />

schon deshalb nicht, weil die meisten Indikationen<br />

zur Revisionsoperation durch Probleme der knöchernen<br />

Nasenpyramide und des Nasenrückens<br />

entstehen (Abb. 2).<br />

Die Osteotomien sind der traumatischste Operationsschritt<br />

bei der Rhinoplastik. Einerseits geht es<br />

darum, durch glatte und saubere Osteotomien die<br />

Voraussetzungen für eine gute Wundheilung und<br />

ein gutes Resultat zu schaffen. Andererseits kön -<br />

nen durch traumareduzierte Maßnahmen unerwünschte<br />

Begleiterscheinungen der Osteotomie,<br />

wie Ekchemosis, Lidödeme, Hämatome, deutlich gemindert<br />

werden. Dazu werden heute Mini-Osteotome<br />

verwendet. Sie sind deutlich dünner als die<br />

herkömmlichen Instrumente und durchtrennen nur<br />

den Knochen unter Schonung des Periosts und des<br />

SMAS (Superficial Musculo-Aponeurotic System)<br />

(Abb. 3).<br />

Mini-Osteotome gehören jedoch in die Hand des<br />

Geübten. Ihre Vorteile können nur dann ausgeschöpft<br />

werden, wenn sie präzise im Knochen vorgetrieben<br />

werden. Breitere Osteotome können dabei<br />

mit dem Finger über der Stelle, an welcher sich<br />

die Schneide des Osteotoms gerade befindet, gefühlt<br />

bzw. kontrolliert werden. Bei dünneren Osteotomen<br />

ist das kaum noch möglich.<br />

Die Osteotomien sollten möglichst der letzte<br />

Operationsschritt im Rahmen der Rhinoplastik sein.<br />

Durch Kompression mit Finger und Daumen kann<br />

direkt nach der Osteotomie die Gewebereaktion und<br />

-einblutung minimiert werden. Im gleichen Sinne<br />

wirkt die Schienung des Nasenrückens (zum Beispiel<br />

durch einen Gips) unmittelbar nach den Osteo -<br />

tomien.<br />

Meißel und Osteotome<br />

Prinzipiell werden Meißel und Osteotome unterschieden.<br />

Meißel besitzen einen schrägen Anschliff.<br />

Er sorgt für eine Bewegung des Meißels in der<br />

Abb. 5b<br />

Abb. 4b<br />

Abb. 5c<br />

44 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d Abb. 6e Abb. 6f<br />

Gegenrichtung. Osteotome besitzen zwei gleiche<br />

Anschliffe. Das Osteotom schneidet immer geradeaus.<br />

Das Richtungsschliff-Osteotom<br />

Die Anregung zu diesem neuen Typ eines Osteotoms<br />

kommt von der Kufe des Eisschnelllaufschlittschuhs.<br />

Die Kufe ist nie gerade, sondern der Kurvenradius<br />

ist praktisch in die Kufe eingeschliffen. Beim<br />

Übersetzen in der Kurve gleitet der Läufer auf der<br />

Innenkante der Kufe.<br />

Das „Kufenosteotom“ hat dazu einen kurzen und<br />

einen langen Anschliff. Der Schaft des Instruments<br />

ist leicht gekrümmt und ultrahart. Dadurch ist ein<br />

Vortrieb des Osteotoms auf einer definierten Linie<br />

ohne weitere Neupositionierung und -ausrichtung<br />

möglich. Durch die Härte des Schaftes wird ein Ausfedern<br />

und Energieverlust vermieden (Abb. 4).<br />

Das Doppel-Hohlschliff-Osteotom<br />

Wie bei einem Schlittschuh gibt der Schliff der<br />

Kufe Halt (Kante) und Gleitfähigkeit (Schneide). Der<br />

Operateur sollte immer geschliffene, d.h. optimal<br />

geschärfte Osteotome verwenden. Ein scharfes<br />

Osteotom greift sicher im Knochen und erreicht<br />

eine adäquate Schneidwirkung.<br />

Um die Griff- und Schneidwirkung zu verbessern,<br />

wurde ein Meißel nach Walter modifiziert. Es<br />

erfolgte ein zweiter Hohlschliff. Dadurch entstand<br />

aus dem Meißel ein Doppel-Hohlschliff-Osteotom<br />

mit optimalen Grip- und Schneideigenschaften.<br />

Der Anschliff<br />

Um den optimalen Anschliff der vorgestellten<br />

Osteotome zu finden, wurden diese lange getestet<br />

und erprobt. Die Instrumente dienen der ossären<br />

Dissektion. Sie sollten den Knochen möglichst glatt<br />

schneiden und dürfen nicht zum Splittern führen.<br />

Dabei sollten sie gut vordringen ohne festzukeilen.<br />

Aus diesen Eigenschaften beziehungsweise Gefahren<br />

ergibt sich der optimale Anschliff.<br />

Osteotom-Sortimente<br />

Das ubiquitäre Allround-Osteotom gibt es nicht.<br />

In Abhängigkeit von der jeweiligen Knochendicke,<br />

-festigkeit, dem Ziel und der Technik einer Osteo -<br />

tomie, muss das geeignete Osteotom (Stärke, Anschliff)<br />

ausgewählt werden. Osteotomien können<br />

transnasal, transkutan oder transoral erfolgen.<br />

Je nach der gewünschten Wirkung können<br />

Infractures, Outfractures, Keilexzisionen oder Kombinationen<br />

erfolgen (Abb. 5 und 6).<br />

Abb. 6a, c, e_Junger Patient mit<br />

hochgradiger Dystrophie des knorpeligen<br />

Nasengerüstes und der Maxilla<br />

nach Mittelgesichtstrauma mit<br />

Septumabszess in der Kindheit.<br />

Abb. 6b, d, f_Zustand nach Kürzen<br />

des Pseudohöckers, Infracture-<br />

Osteotomien und Aufbau von Maxilla<br />

und knorpeligem Nasengerüst mit<br />

Rippenknorpel (offene Technik)<br />

ein Jahr postoperativ.<br />

Abb. 7a_Junge Patientin mit C-förmig<br />

deviierter Nase und asymmetrischen<br />

aesthetic eyebrow lines bds.<br />

Abb. 7b_Drei Jahre nach Infracture-<br />

Osteotomie rechts …<br />

Abb. 7c–i_… und Augmentation<br />

der linken Nasenseite mit dünnem<br />

Knorpel vom Tragus.<br />

Abb. 7c–i_Phasen einer Mini-<br />

Osteotomie: 7c Anzeichnen der Osteotomie-Linien,<br />

7d Positionierung des<br />

3-mm-Osteotoms für die transnasale<br />

mediale Mini-Osteotomie, 7e Vortreiben<br />

des Osteotoms paramedian bis<br />

zur Markierung, 7h Einstellen des<br />

Osteotoms ca. 30° nach lateral, 7g<br />

Positionierung des Osteotoms über<br />

dem Kopf der unteren Nasenmuschel,<br />

direkte Perforation der<br />

Schleimhaut, 7h Vorschieben des<br />

Osteotoms in Richtung des medialen<br />

Lidwinkels, 7i Weiterführung entlang<br />

der Markierung.<br />

Abb. 7a<br />

Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d<br />

Abb. 7e<br />

Abb. 7f Abb. 7g Abb. 7h Abb. 7i<br />

I45


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 8a Abb. 8b Abb. 8c Abb. 8d Abb. 9a Abb. 9b<br />

Abb. 8a, c_Junge Patientin mit<br />

Binder-Syndrom: Hochgradige maxillonasale<br />

Dysplasie. Breit-Nase mit<br />

kürzen, dünnen ossa nasalia.<br />

8b, d_Aufbau des Spinakamms der<br />

Maxilla und der korpeligen Nase mit<br />

Rippenknorpel. Tiefe Intracture-<br />

Osteotomien.<br />

Abb. 9_Bei langen Nasenbeinen<br />

kann eine Verschmälerung der Nase<br />

maßgeblich durch Infracture-Osteo -<br />

tomie erreicht werden.<br />

9a_Patientin mit breiter knöcherner<br />

Nase, mittlerem Gewölbe und Spitze.<br />

9b_Drei Jahre nach Infracture-<br />

Osteo tomie und kephaler Reduktion<br />

der Flügelknorpel.<br />

Abb. 10_Abziehen des Osteotoms.<br />

Abb. 11_Formen der Schiefnase,<br />

a knorpelige Schiefnase,<br />

b knöcherne Schiefnase,<br />

c C- und S-förmige Deviationen,<br />

d Pseudoschiefnase.<br />

Die Technik der Osteotomie<br />

Für die Wirkung des Osteotoms ist neben dem<br />

Instrument die Osteotomietechnik entscheidend.<br />

Abb. 10<br />

Hierbei kommt es auf ein gutes Zusammenspiel<br />

zwischen dem Operateur, der das Osteotom positioniert,<br />

und dem Assistenten, der den Hammerschlag<br />

ausführt, an. In der üblichen Double Click-<br />

Technik erfolgt zunächst ein weniger starker<br />

Probeschlag. Er dient der Prüfung der richtigen<br />

Position des Instruments, beziehungsweise der<br />

Optimierung.<br />

Zugleich kann der Assistent an der Höhe des Tones<br />

die Konsistenz des Gewebes erkennen (je höher,<br />

desto härter). Die gleichen Informationen fühlt er<br />

bei der Führung des Hammers. Der Operateur gibt<br />

nach dem Probeschlag seine Zustimmung für den<br />

stärkeren Wirkschlag. Die Energie des Schlags<br />

kommt aus dem Handgelenk und nicht aus dem<br />

Ellenbogengelenk. Ein gewisses Feeling ist erfor -<br />

derlich (Abb. 7).<br />

Die Kunst der Osteotomie<br />

Der Operateur kann vor der Rhinoplastik bereits<br />

zahlreiche Informationen gewinnen, die Einfluss auf<br />

die Auswahl des Osteotoms oder Modifikationen<br />

der Technik haben:<br />

– Länge der Nasenbeine<br />

– Dicke des Knochens<br />

– Alte Dislokationen<br />

– Dicke und Typ der Haut über der Nasenpyramide.<br />

a b c d<br />

Abb. 11<br />

46 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 12 a, b_Patientin mit knöcherner<br />

Schief- und Großnase.<br />

Abb. 12c, d_Zwei Jahre nach Rhinoplastik<br />

mit Keilexzision der längeren<br />

Seite links, siehe Abb. 5c.<br />

Abb. 12a Abb. 12c Abb. 12b Abb. 12d<br />

Mit guten Osteotomien kann bei der Rhinoplastik<br />

viel erreicht, bzw. verdorben werden. Innerhalb der<br />

genannten Grundtypen der Osteotomie sind immer<br />

ausgehend vom konkreten Befund technische Variationen<br />

möglich. Die erste Frage ist die, ob überhaupt<br />

eine oder beide Seiten osteotomiert werden sollten.<br />

Es kann sinnvoll sein, eine dünne kephale ossäre<br />

Brücke zu belassen, diese infrakturieren, um die<br />

Fragmente gezielt einstellen zu können. Bei asymmetrischen<br />

Nasenpyramiden kann die Höhe und<br />

Länge der Schnitte seitenunterschiedlich erfolgen,<br />

insbesondere wenn eine konturierende Augmentation<br />

oder Camouflage einer Seite vorgesehen ist<br />

(Abb. 8 und 9).<br />

Das Schleifen<br />

Nur mit einem scharfen Osteotom oder Meißel<br />

kann atraumatisch und sicher osteotomiert werden.<br />

Deshalb sollten die Osteotome regelmäßig maschinell<br />

geschliffen (Grundschliff) und vor jedem<br />

Einsatz geschärft werden (Abziehen).<br />

Dabei ist folgendes zu beachten:<br />

– Die Schneidkante des Osteotoms oder Meißels<br />

sollte so gegen das Licht gehalten werden, dass<br />

sich auf ihr ein Lichtreflex abzeichnet. Geachtet<br />

wird auf Verbiegungen, Grate, Einrisse oder Absplitterungen.<br />

– Der Abziehstein (Arkansas-Stein) auf dem Operationstisch<br />

dient dem vorsichtigen Abziehen von<br />

leichten Graten und Stauchungen der Schnittkante.<br />

Mit diesem Stein ist kein neuer Anschliff möglich.<br />

– Zum Schärfen wird der Anschliff des Osteotoms<br />

der abfallenden Seite des Abziehsteins aufgelegt,<br />

mit sterilem Wasser benetzt und mit sanften Bewegungen<br />

(ohne viel Druck und Kraft) zum Arzt<br />

hin bewegt. Durch den Metallabrieb entsteht ein<br />

grauer Film. Dieser wird abgewischt.<br />

– Wichtig ist, dass der Winkel des Anschliffs des<br />

Meißels bzw. Osteotoms beachtet wird, sonst<br />

entsteht ein kurzer Pseudoschliff, der letztlich die<br />

Schneidwirkung mindert (Abb. 10).<br />

Ein Nasengips oder eine Thermoplastschiene sind<br />

der letzte Schritt einer Rhinoplastik. Gips besitzt eine<br />

hohe Plastizität und lässt sich der individuellen Nasenform<br />

gut anmodellieren. Das verwendete Wasser<br />

für den Gips sollte kalt, das für die Thermoplastmaterialien<br />

ausreichend warm sein.<br />

_2. Die Schiefnase<br />

Über die Ästhetik verschiedener Nasenformen<br />

kann gestritten werden. In einem Punkt gibt es Übereinstimmung<br />

über alle ethnischen und kulturellen<br />

Unterschiede: das ästhetische Ideal einer geraden<br />

Nase.<br />

Prinzipiell können folgende Formen der Schiefnase<br />

unterschieden werden (Abb. 11):<br />

– knöcherne Schiefnase<br />

– knorpelige Schiefnase<br />

– knöchern-knorpelige Schiefnase<br />

– C- oder S-förmige Schiefnase<br />

– Pseudo-Schiefnase.<br />

Für das operative Konzept ist entscheidend, ob<br />

neben einer Achsenkorrektur gleichzeitig ein Höcker<br />

abgetragen werden soll. Unterschiedlich hohe Seiten<br />

der knöchernen Nasenpyramide können im Rahmen<br />

der Höckerabtragung bereits egalisiert werden.<br />

Obwohl die Korrektur von Schiefnasen allgemein als<br />

weniger komplizierte Aufgabe der Rhinoplastik eingestuft<br />

wird, zeigt die Erfahrung, dass die optimale<br />

Ausrichtung deviierter Nasen nicht einfach ist und<br />

eine genaue Analyse des anatomischen Problems erfordert.<br />

Die Rolle des Septums lässt sich durch das Zitat<br />

von Aufricht zusammenfassen: „Where the septum<br />

goes there goes the nose.“ Septumdeviationen müssen<br />

immer in das operative Konzept einbezogen werden.<br />

Knöcherne Schiefnasen<br />

Meist bestehen eine längere und eine kürzere<br />

Seite der knöchernen Nasenpyramide. Durch Inspektion<br />

und Palpation muss dieser Unterschied erkannt<br />

werden, um den Typ der Osteotomie zu bestimmen.<br />

Bei einer geraden Abweichung der Nasenachse<br />

zu einer Seite kommen asymmetrische Osteotomien,<br />

eine Keilexzision auf der längeren Seite oder<br />

Mehrfachosteotomien in Betracht (Abb. 12).<br />

I47


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 13a Abb. 13b Abb. 13c Abb. 13d Abb. 13e Abb. 13f<br />

Abb. 13a, c, e_Patientin mit knor -<br />

peliger Schiefnase nach rechts,<br />

Septumquerstand mit Subluxatio<br />

septi nach rechts.<br />

Abb. 13b, d, f_ Zustand nach Septorhinoplastik<br />

ein Jahr post-operativ,<br />

u.a. Out-fracture-Osteotomie, externe<br />

Septumplastik.<br />

Die DVD „Live Cadaver Dissection“<br />

von Gene Tardy zum Thema:<br />

„Essentials of Septorhinoplasty“<br />

können Interessenten kostenlos<br />

bei Prof. Dr. Behrbohm anfordern.<br />

Knorpelige Schiefnasen<br />

Die entscheidende Korrektur der Achse gelingt in<br />

der Regel durch die Septumkorrektur. Im Einzelfall<br />

muss entschieden werden, ob die Dreiecksknorpel<br />

symmetrisch sind, oder eventuell Seitenunterschiede<br />

zu Verspannungen oder Überlappungen mit<br />

den Flügelknorpeln führen. Je nachdem muss über<br />

das Ablösen der Dreiecksknorpel vom Septum, Kürzungen,<br />

Versteifungen (Spreader grafts), oder Positionsnähte<br />

entschieden werden. Erfahrungsgemäß<br />

sollten bei geringsten Restspannungen am knöchernen-knorpeligen<br />

Übergang eher doch osteotomiert<br />

werden. Grundsätzlich gilt das bisher erwähnte auch<br />

für die kombiniert knöchern-knorpeligen Schiefnasen<br />

(Abb. 13).<br />

C- und S-förmige Schiefnase<br />

Hierbei gilt es bereits präoperativ abzuschätzen,<br />

ob eine Achsenkorrektur überhaupt durch Begradigungen<br />

von Septum und knöcherner Nasenpyramide<br />

zu erreichen ist, oder ob Augmentationen auf<br />

der konkaven Seite am besten mit Septum- oder<br />

Conchaknorpel erforderlich werden (Abb. 7).<br />

Pseudoschiefnase<br />

Es handelt sich nicht um Fehlstellungen der<br />

Nasenachse oder S- oder C-förmige Deviationen,<br />

sondern darum, dass durch zwei unterschiedliche<br />

aesthetic eye brow lines der Eindruck einer Schiefnase<br />

entsteht. Hier ist eine Summe von operativen<br />

Einzelschritten notwendig, um unter ständiger<br />

Kontrolle des ausgelösten Effekts eines Manövers<br />

die nachfolgenden Schritte neu zu planen. Meist<br />

sind Argumentationen, ggf. mit einseitigen Osteotomien<br />

indiziert.<br />

Operationstechnik<br />

Prinzipiell sollte bei der Korrektur von Schief nasen<br />

immer möglichst atraumatisch vorgegangen<br />

werden, denn die postoperative Wundheilung und<br />

langfristige Kontraktur der Weichteile kann leicht zu<br />

Verziehungen führen, auch wenn intraoperativ alle<br />

Maßnahmen ergriffen wurden, um Spannungen und<br />

Seitenunterschiede aufzulösen bzw. auszugleichen.<br />

Postoperative Schwellungen können bereits seitendifferent<br />

auftreten und unsymmetrische Wundheilungsphänomene<br />

signalisieren. Asymmetrien<br />

können im Extremfall allein Folge eines zu aggressiven<br />

Zugangs sein._<br />

Literaturangabe:<br />

H. Behrbohm (2004), Aesthetic and reconstructive facial surgery<br />

– selected aspects and novel instruments.<br />

_Co-Autor<br />

face<br />

Prof. Dr. Kurt Vinzenz<br />

Wien<br />

48 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Osteotomien im Gesicht –<br />

die Kunst und Technik der<br />

Knochenschnitte<br />

Teil 2<br />

_Einleitung<br />

Der Sinn orthognather Chirurgie besteht in der<br />

gleichzeitigen Korrektur funktionell wirksamer<br />

und ästhetisch beeinträchtigender skelettaler Deformitäten.<br />

Diese Art der Chirurgie wird als Behandlung<br />

der Wahl bei schweren, durch konventionelle<br />

Kieferorthopädie nicht zu lösende Verzahnungsstörungen<br />

angesehen und wenn durch die<br />

alleinige Kieferorthopädie oder etwa camouflierende<br />

kosme tische Chirurgie keine zufriedenstellende<br />

Gesichts ästhetik zu erzielen ist. Im Gegensatz<br />

zur traditio nellen zahnärztlichen Sicht basiert<br />

die überwiegende Mehrzahl der heutigen Indikationsstellungen<br />

jedoch auf Verbesserungswünschen<br />

der fazialen (40 Prozent) und oralen (80 Prozent)<br />

Ästhetik.<br />

Die vor über 100 Jahren in den USA von Vilray<br />

Blair durchgeführte Korrektur einer mandibulären<br />

Prognathie war der Beginn der Dysgnathiechirurgie.<br />

Bereits 1907 beschrieb Blair drei verschiedene<br />

Operationstechniken zur Korrektur von Fehlstellungen<br />

des Unterkiefers. Zwischen den Weltkriegen<br />

verlief die Entwicklung sehr langsam, bis dann<br />

in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts eine rasante<br />

Entwicklung einsetzte: Kazanjian beschrieb<br />

1932 und 1936 einige Techniken der UK-Osteotomie<br />

– wiederum in den USA. In diesem Zeitraum<br />

war in Europa Berlin, ebenso wie in der von Jacques<br />

Joseph begründeten Nasen- und ästhetischen<br />

Gesichtschirurgie, das Zentrum orthognather<br />

Chirurgie: Die zweizeitige beziehungsweise einzeitige<br />

Korrektur der maxillären Protrusion geht auf<br />

I49


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 1_Bimaxilläre Osteotomie<br />

in der Le Fort I-Ebene und sagittale<br />

Ramusosteotomie im Unterkiefer mit<br />

zusätzlicher Kinnvorverlagerung.<br />

Abb. 1<br />

Cohn-Stock (1921) bzw. Martin Wassmund (1927)<br />

zurück. Georg Axhausen (1934) beschrieb die erste<br />

„Le Fort I downfracture“ zur Korrektur des offenen<br />

Bisses. Schuchard wendete dazu 1942 äußere<br />

Gewichtszüge als eine Vorstufe der Distraktions -<br />

osteogenese im Oberkiefer an. Modifikationen von<br />

Unterkieferosteotomien wurden fast in allen Fällen<br />

als extraorale Verfahren beschrieben (Perthes<br />

und Schlossmann 1922, Ernst 1937, Lindemann<br />

1938, Dingmann 1951, Converse 1952, Caldwell<br />

und Lettermann 1954, Trauner 1955). Sir Harold<br />

Gillies leitete 1950 mit der Beschreibung der ers–<br />

ten Le Fort III-Osteotomie die entscheidende Erweiterung<br />

der orthognathen Chirurgie in den kraniomaxillären<br />

Bereich ein.<br />

Hugo Obwegeser gilt als Vater der modernen<br />

orthognathen Gesichtschirurgie, indem er die Ära<br />

der Perfektionierung dieser chirurgischen Disziplin<br />

mit der ersten wirklichen sagittalen Spaltung des<br />

aufsteigenden Unterkieferastes 1953 begann.<br />

Zum Anlass dieser ersten Operation vor 50 Jahren<br />

veranstaltete die Universität Zürich 2003 ein internationales<br />

Symposium zu Ehren von Prof. Obwegeser<br />

und überreichte den Pionieren dieser Chir<br />

urgie eine Ehrenmedaille. Neben H. Obwegeser<br />

waren dies P. Tessier, J. McCarthy, F. Ortiz- Monasterio<br />

und D. Marchac.<br />

Diese Ära erreichte schließlich ihren Höhepunkt<br />

in der von Obwegeser 1970 publizierten simultanen<br />

totalen Ober- und Unterkieferosteotomie und<br />

der Begründung der kraniofazialen Chirurgie<br />

durch Paul Tessier mit der Vorverlagerung des<br />

gesamten Mittelgesichtes 1967. 1973 wurde der<br />

„Craniofacial Travel Club“ durch K. Saylier, L. Whitaker,<br />

I. Jackson, I. Munroe, D. Marchac und F. Ortiz-<br />

Monasterio gegründet, der über mehr als 20 Jahre<br />

das maßgebliche Forum für kraniofa ziale Chirurgie<br />

war. 1983 wurde die Int. Society of Craniomaxillofacial<br />

Surgery in Montreal gegründet und 1985<br />

P. Tessier als deren Ehrenpräsident gewählt. Parallel<br />

dazu wurde die 1954 erstmals vom Ortho päden<br />

Gavril Ilizarov durchgeführte und 1978 pu blizierte<br />

Distraktionsosteogenese, die sogenannte „Knochenbruchdehnung“<br />

beziehungsweise „Kallusdistraktion“<br />

entwickelt und in der Folge von J. McCarthy<br />

1989 die erste humane Unterkieferdistraktion<br />

durchgeführt . Diese wurde von ihm 1993/94 erstpubliziert.<br />

Als nunmehr neueste Methode moderner<br />

kraniomaxillofazialer Chirurgie entwickelt sie<br />

sich seither zur Alternative der bisherigen Verfahren<br />

mit verbesserten funktionell-ästhetischen Ergebnissen.<br />

Bis in die späten 1970er-Jahre waren<br />

Korrekturen dentoskelettaler Deformitäten nur<br />

mit dentalen oder vice versa fazialen Kompromissen<br />

erzielbar. Die Entfernung der Vormahlzähne<br />

zur „skelettalen Camouflage“ und Behebung des<br />

Platzmissverhältnisses von Zähnen und vorhandenen<br />

Knochen war zum Beispiel Routine und eine<br />

Abb. 2_OP-Situation: Oberkiefer-<br />

Umstellungsosteotomie mit<br />

kalibrierten Mikroplatten.<br />

Abb. 3_OP-Situation: enorale Tandemverschraubung<br />

der sagittalen<br />

Ramusosteotomie nach Unterkieferverlagerung<br />

mithilfe der enoralen<br />

Bohr- und Schraubhilfe nach Lindorf.<br />

Abb. 2 Abb. 3<br />

50 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 5a Abb. 5b<br />

Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />

allgemein akzeptierte Behandlungsmethode, die<br />

oftmals in einer ästhetisch beeinträchtigenden<br />

Verflachung des Profils, in einem „dished profile“<br />

mündete. Die „knocheninduktive Chirurgie“ der<br />

Distraktionsosteogenese erzielt den notwendigen<br />

Raumgewinn durch Produktion von Knochen und<br />

vermeidet dadurch jene ästhetisch-funktionellen<br />

Kompromisse. Gleichzeitig erlaubt diese Methode<br />

erstmals ein formendes Gestalten nicht nur des<br />

Profils, sondern der gesamten Gesichtskontur.<br />

Um dieser modernen Entwicklung der orthognathen<br />

Chirurgie Rechnung zu tragen, veranstalteten<br />

die GIGIP* daher 2002 und 2004 mit den<br />

Mitgliedern des „Craniofacial Travel Clubs“ unter<br />

der Patronanz der Internationalen Gesellschaft für<br />

Craniofacial-Surgery sowie der EURAPS** und<br />

EAMCFS*** zu diesem Thema zwei internationale<br />

Symposien „Art 1/2 of Reconstructive and Aesthe -<br />

tic Surgery of the Face and Skull“ jeweils in Wien.<br />

_Moderne orthognathe Chirurgie<br />

Für eine harmonische Gesichtsästhetik haben<br />

alle Komponenten des Gesichtes wie Augen, Nase,<br />

Lippen und auch Zähne und Zahnfleisch gleichwertige<br />

Bedeutung. Dem europäischen Schönheitsideal<br />

entspricht das gerade Vorgesicht („Anteface“).<br />

Die zentrale Rolle spielt dabei sowohl für die<br />

Gesichts- als auch orale Ästhetik die Form<br />

und Proportion des knöchernen Gesichtes, über<br />

welches die Gesichtsweichteile durch Haltebänder<br />

(„retaining ligaments“) ähnlich den Stützen eines<br />

Trampolins aufgespannt sind. Die moderne orthognathe<br />

Chirurgie ist ausgehend von der durch<br />

Obwegeser erstbeschriebenen sagittalen Unterkieferspaltung<br />

und der bimaxillären Osteo tomie<br />

(Abb. 1) nunmehr in der Lage, nahezu jede Raumkorrektur<br />

des Gesichtsschädels zur Behebung ästhetischer<br />

und funktioneller Probleme zu bewerkstelligen<br />

(Abb. 5a–b, 6a–d). Einen entscheidenden<br />

Beitrag stellt die erst in den späten 1970er-Jahren<br />

etablierte enge Zusammenarbeit von Kieferorthopäden<br />

und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen bei<br />

der Korrektur dentoskelettaler Deformitäten dar<br />

(Abb. 4), die über die weitere interdisziplinäre Kooperation<br />

mit Plastischen Chirurgen und HNO-<br />

Ärzten-/Kopf-Halschirurgen die Entwicklung zur<br />

Abb. 4a–b_17-jährige Patientin mit<br />

sagittaler UK-Osteotomie nach<br />

Obwegeser und interdisziplinärer<br />

kieferorthopädischer Behandlung<br />

(die 45° schräg-seitliche Aufnahme<br />

wurde mit Abbildung 1 korreliert).<br />

Abb. 5a–b_35-jährige Patientin:<br />

Ergebnis nach bimaxillärer Osteotomie<br />

mit Kinnplastik. Der Einfluss der<br />

dentoskelettalen Deformität auf die<br />

Gesichtsweichteile durch Fehlpositionierung<br />

der Haltebänder „retinaculae“<br />

ergibt unnatürlich geschwungene<br />

und verlängerte Nasolabialfalten<br />

mit „Auftreibung“ der Wange und<br />

tiefer Mentolabialfalte. Postoperativ<br />

ästhetische Korrektur des Gesichtsprofils<br />

mit ausgebreiteten und natürlich<br />

positionierten Gesichtsweich -<br />

teilen.<br />

Abb. 6a–b_Vor der Behandlung,<br />

c–d_Nach der Behandlung.<br />

Dynamisches Erscheinungsbild einer<br />

Progeniepatientin bei der Schreib -<br />

tischarbeit.<br />

Abb. 7a_Chirurgische Abdeckung<br />

mit CORE-Mikrosystem der<br />

Firma Stryker mit der elektronischen<br />

Bohr einheit Osseo-Set 100 TM<br />

der Firma Nobel Biocare.<br />

Abb. 7b_Osteotomie Mikrosäge im<br />

Größenvergleich mit Ein-Euro-Münze.<br />

* Gesellschaft für Implantologie und gewebeIntegrierte Prothetik<br />

** European Association of Plastic Surgeons<br />

*** European Association for Cranio-Maxillofacial Surgery<br />

Abb. 7a<br />

Abb. 7b<br />

I51


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

BUILDING A NEW FACE<br />

Craniofacial distraction<br />

osteogenesis<br />

Abb. 8a<br />

Abb. 8b<br />

Abb. 8a_Schematische Zeichnung der<br />

für die orofaziale Ästhetik wesent -<br />

lichen Osteotomiebereiche: Modifizierte<br />

Le Fort I-Osteotomie mit medi -<br />

aner Durchtrennung des Gaumens im<br />

Oberkiefer. Mediane und laterale Osteo -<br />

tomie zur sagittalen Verlängerung und<br />

Verbreiterung des UK. Durch Kombination<br />

dieser Osteotomien resultiert eine<br />

dreidimensionale Formgebung.<br />

Abb. 8b_Schematische Zeichnung der<br />

möglichen DO-Varianten im Gesicht:<br />

Die Gesichtsweichteile werden im<br />

Sinne eines „inverse facelifts“ (Originalzitat<br />

Fernando Ortiz Monasterio<br />

2004) über den volumenvergrößerten<br />

Gesichtsschädel unter einer erneuerten<br />

Gewebespannung zwischen den Haltebändern<br />

„retinaculae“ ausgebreitet.<br />

Abb. 9_Anleitung zur praktischen<br />

Durchführung der DO: – Kortikotomie –<br />

Anpassen der Distraktoren – Einstellen<br />

der Vektorrichtung – Endgültige Osteo -<br />

tomie – Monokortikale Fixierung kann<br />

mit Mikroschrauben der Dimensionierung<br />

4/5mm erfolgen – Nach sieben<br />

Tagen kann man den Start der Distraktion<br />

mit 1mm pro Tag beginnen.<br />

Abb. 10_Beispiel einer Osteotomie<br />

mit angepasstem Distraktor im UK<br />

(Firma Martin).<br />

Abb. 11_Der „Zürich Oberkiefer<br />

Distraktor“ der Firma KLS Martin für<br />

ein modfiziertes Vorgehen ähnlich der<br />

in Abb.1 gezeigten Oberkiefervorver -<br />

lagerung in der Le Fort I-Ebene mit<br />

Fixierung durch kalibrierte Mikroplatten.<br />

In dieser Variante werden nur die<br />

Verzahnungskorrektur in der sagittalen<br />

Ebene und eine Profilkorrektur<br />

vorgenommen.<br />

„Ästhetischen Orthognathen Chirurgie“ einleitete<br />

(Abb. 5a–b, 6a–d, 14a–e). Dies war ein Schwerpunktthema<br />

der erstmals stattfindenden internationalen<br />

Konferenz zur funktionsbasierten Ästhetik<br />

„Esthetics follows function“, die im Juni 2007<br />

ebenfalls in Wien stattfand. Neuerungen, vor allem<br />

technischer Art, konnten in den vergangenen 20<br />

Jahren besonders auf drei Gebieten festgestellt<br />

werden, wobei die Entwicklung noch nicht abgeschlossen<br />

ist und weitere Verbesserungen erwartet<br />

werden können. Diese betreffen die Planung mit<br />

computerassistierten Verfahren kombiniert mit<br />

der Video- oder Lasertechnik, die Materialien und<br />

neuartige Operationstechniken auf technischer<br />

Basis sowie die Etablierung neuer Operations -<br />

methoden wie der Distraktionsosteogenese. Bei<br />

den Materialien ist vor allem die Verbesserung der<br />

Osteo synthesematerialien hervorzuheben. Beispielgebend<br />

sind die kalibrierten Präzisions-<br />

Mikroplatten (nach Lindorf; Firma KLS Martin,<br />

Tuttlingen) (Abb. 1–2) und die Entwicklung resorbierbarer<br />

Platten und Schrauben.<br />

Abb. 9<br />

Abb. 10<br />

Abb. 11<br />

Die Verfeinerung der zunehmend minimalin -<br />

va siven OP-Techniken gelingt über Verbesserung<br />

und Miniaturisierung der chirurgischen Instrumente<br />

(Abb. 3 zeigt die enorale Bohr- und Schraubhilfe<br />

nach Lindorf).<br />

Neben der Planung mit computerassistierten<br />

Verfahren kombiniert mit der Video- oder Lasertechnik<br />

wird es notwendig sein, die Gesichtsdynamik<br />

beschreiben zu können. Ein neuartiges Verfahren<br />

aus diesem Bereich stellt die von M. Frey und<br />

P. Giovanoli entwickelte dreidimensionale Video -<br />

analyse der Gesichtsbewegungen bei der Fazialis -<br />

chirurgie dar.<br />

Eine wesentliche Verbesserung stellen die „servogesteuerten<br />

motorbetriebenen Instrumente dar.“ –<br />

CORE-Mikrosystem der Firma Stryker – welches mit<br />

einem Drehmoment-Feedback arbeitet und ein ext -<br />

rem wandlungsfähiges System für das Sägen kleiner<br />

Knochen ist (Abb. 7a–b). Neuerdings werden ultraschallbetriebene<br />

Osteotomiesysteme angeboten.<br />

Bei den neuartigen Operationstechniken wurde<br />

über erste Resultate mit dem Einsatz von Navigationssystemen<br />

wie auch über endoskopisch durchgeführte<br />

Osteotomien berichtet. In diesem Zuge ist<br />

ebenso mit der Verbesserung der CAD/CAS-Planungssoftware<br />

zu rechnen.<br />

_Die Distraktionsosteogenese<br />

Das erste Ilizarov-Prinzip postuliert, dass Traktion<br />

Regeneration und aktives Gewebewachstum<br />

stimuliert (Abb. 8–11). Nach einem Knochenbruch<br />

kommt es vorübergehend in der Heilungsphase im<br />

Knochenbruchspalt zur Ausbildung von Ersatzknochen,<br />

welcher Kallus genannt wird. Erst im<br />

weiteren Heilungsverlauf wird dieser Knochen<br />

verfestigt, bis er schließlich genauso fest ist wie<br />

der übrige Knochen. Wird dieser weiche und verformbare<br />

Kallus mittels einer Apparatur gestreckt,<br />

kann man den Knochen verlängern. Hierzu muss<br />

vor und hinter dem Bruchspalt eine Apparatur be-<br />

52 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 12<br />

Abb. 13<br />

festigt werden, die über eine Spindel auseinander<br />

bewegt wird (Abb. 9). Dieses Prinzip der Kallusstreckung<br />

nennt man Kallusdistraktion oder Distraktionsosteogenese,<br />

da sich beim Auseinan -<br />

derbewegen ständig neuer Knochen bildet. Die -<br />

ser Raumgewinn durch „induktive Chirurgie”<br />

(J. McCarthy, K.E. Salyer) betrifft sowohl Knochen<br />

als auch Weichteile, die als Distraktionshisto -<br />

genese der am knöchernen Schädel haftenden<br />

Gesichtsweichteile stattfindet. Der weiche und<br />

verformbare Kallus ermöglicht eine dreidimensional<br />

„formende“ Gestaltung des Gesichtes. Die<br />

Gesichts weichteile werden im Sinne eines „inverse<br />

facelifts“ (Originalzitat Fernando Ortiz Monasterio<br />

2004) über den volumenvergrößerten<br />

Gesichtsschädel unter einer erneuerten Gewebespannung<br />

zwischen den Haltebändern „retinaculae“<br />

ausgebreitet (Abb. 8a–b). Erst durch die Miniaturisierung<br />

und laufende Verbesserung der von<br />

außen unsichtbar im Mund befindlichen Distraktoren<br />

und ohne Verletzung des Gesichtes beziehungsweise<br />

der Gesichtshaut wurde es möglich,<br />

diese chirurgische Methode in die Ästhetische<br />

Chirurgie einzubringen (Abb. 10–13). Im Ge -<br />

gensatz zum traditionellen chirurgischen Vor -<br />

gehen können diese Eingriffe durch die eingangs<br />

erwähnten Verbesserungen auf tech nischer Ba -<br />

sis – hier die feine Schnittführung durch Mikro -<br />

sägen und die Verwendung von Mikroschrauben<br />

(Abb. 10–11) – bei zunehmend minimalinvasiven<br />

Zugang durch geführt werden, sodass weder äußere<br />

Narben noch nennenswerte postoperative<br />

Beschwerden wie Schwellungen oder Schmerzen<br />

auftreten. Im Mund kann dieser Raumgewinn<br />

durch Knochen für eine erleichterte und raschere<br />

Bewegung von Zähnen in diesen Raum genutzt<br />

werden („rapid orthodontic treatment“) und im<br />

Rahmen der „präimplantologischen Chirurgie“<br />

der verbesserten Implantatverankerung dienen.<br />

Die stürmische Entwicklung auf dem Gebiet der<br />

Distraktoren ist derzeit im Gange: Entscheidende<br />

Fortschritte werden intraorale multidirektionale<br />

Distraktoren und die endoskopische Chirurgie mit<br />

Mikrosägen im Mittelgesichtsbereich bringen._<br />

Literaturliste kann beim Autor angefordert werden.<br />

_Co-Autor<br />

Prof. Dr. Kurt Vinzenz<br />

Department für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie<br />

Evangelisches Krankenhaus Wien<br />

Abteilung für Plastische- und Wiederherstellende<br />

Chirurgie<br />

Interdisziplinäre Ambulanz für Maxillofaciale<br />

Chirurgie<br />

Wilhelminenspital der Stadt Wien<br />

E-Mail: kurt.vinzenz@aon.at<br />

face<br />

Abb. 12_Unterkieferdistraktion beidseits<br />

nach präoperativer Zahnregulierung<br />

mit transversaler DO zur<br />

Erweiterung des OK. Implantate der<br />

Firma Nobel Biocare zum Ersatz<br />

fehlender Zähne. Enorale Aufnahme<br />

Distraktor mit weichen und biegbaren<br />

enoralen Aktivatoren in situ, vor<br />

der Distraktion 1mm/d für insgesamt<br />

neun Tage.<br />

Abb. 13_Panoramaröntgen postoperativ<br />

nach bds. UK-Osteotomie in der<br />

Warteperiode von einer Woche bis<br />

zum Beginn der Aktivierung der<br />

Distraktoren. Implantate der Firma<br />

Nobel Biocare wurden zum Ersatz<br />

fehlender Zähne installiert.<br />

Abb. 14a–e_30-jähriger Patient pa<br />

und seitlich, vor und nach bimaxillärer<br />

DO und Kinnplastik mit zusätzlicher<br />

Verschmälerung der Nase.<br />

Abb. 14a Abb. 14b Abb. 14c Abb. 14d Abb. 14e<br />

I53


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

… Cyrano kommt, die<br />

Nase ist schon da …<br />

Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei überprojizierten und<br />

funktionellen Spannungsnasen –Teil 1. Klinische Anatomie und Indikationen<br />

Abb. 1a–c_ Jugendbild einer<br />

jungen Bühnenkünstlerin mit<br />

überprojizierter Nase. Damals war es<br />

durchaus üblich, Abformungen des<br />

Gesichtes anzufertigen, um daraus<br />

Gipsmodelle zur präoperativen<br />

Befunddokumentation und Operationsplanung<br />

zu erstellen.<br />

_In dem romantisch-komödiantischen Versdrama<br />

Cyrano de Bergerac von Edmond Rostand (1897) leidet<br />

der Titelheld unter einer riesigen Nase.<br />

Spötter darüber sterben in Duellen. Er ist in seine gut<br />

aussehende Cousine Roxane verliebt, wagt wegen seines<br />

Stigmas jedoch nicht, sich ihr zu offenbaren. Stattdessen<br />

unterstützt er Christian von Neuvillette, der die<br />

Zuneigung von Roxane genießt, indem er an seiner<br />

Stelle Gedichte verfasst, die die Begehrte betören …<br />

Die Gestalt des Cyrano zeigt exemplarisch den großen<br />

Leidensdruck, der von einer Großnase oder überprojizierten<br />

Nase ausgehen kann. Die Betroffenen empfinden<br />

sehr früh die Störung der Gesichtsästhetik und<br />

wünschen sich eine Reduktion des dominierenden<br />

und den Gesichtsausdruck prägenden Gesichtsmerkmals.<br />

Insofern gehört diese Formvariante auch heute<br />

zu den wichtigen Indikationen der ästhetischen Rhinoplastik.<br />

Häufig ist die überprojizierte Nase mit einem<br />

funktionellen Phänomen verbunden – der sog.<br />

funktionellen Spannungsnase. Überprojizierte und<br />

funktionelle Spannungsnasen werden durch Überschussbildungen<br />

der knorpeligen Nase charakterisiert.<br />

Das zentrale Problem ist ein überlanger Septumknorpel<br />

in baso-dorsaler Richtung in Verbindung<br />

mit hyperplastischen Dreiecksknorpeln. Beide Knorpel<br />

entwickeln sich gemeinsam aus einer Anlage. Typisch<br />

ist deshalb eine kombinierte Hyperplasie, die oft<br />

auch die Flügelknorpel betrifft. Dieses Wachstum<br />

führt zu einer Anhebung des gesamten Nasenrückens.<br />

Die Nasenpyramide ist schmal und erinnert an<br />

Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c<br />

54 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 1d Abb. 1e Abb. 1f Abb. 1g<br />

die Wölbung des hohen schmalen gotischen Spitzbogens.<br />

Durch die Überschussbildungen entsteht ein<br />

dysharmonisches Verhältnis zwischen Nase und<br />

Gesicht. Sie ist zu groß und zu hoch, überprojiziert.<br />

Unabhängig von der Größe der Nase kann nur die<br />

Nasenspitze überprojiziert sein (Abb. 3).<br />

_Messen der Überprojektion<br />

Joseph verwendete den Profilwinkel als Maß für<br />

die Projektion einer Nase. Den Profilwinkel bestimmte<br />

er durch den Schnittpunkt zweier Geraden. Die erste<br />

Gerade war die Tangente zwischen Glabella und<br />

Kinn, die zweite eine Tangente an den Nasenrücken.<br />

Den normalen Profilwinkel gab er zwischen 23 und<br />

37 Grad an (Abb. 2).<br />

Goode empfahl das Verhältnis von Nasenlänge,<br />

gemessen als Abstand zwischen Nasion und Pronasale,<br />

und Projektion gemessen zwischen dem Sulcus<br />

alaris und dem Pronasale zur Beurteilung von Unter-<br />

und Überprojektion der Nase bzw. der Nasenspitze.<br />

Als normal wurde dabei eine Verhältniszahl<br />

von 0,55–0,60 angegeben (Abb. 3).<br />

Baud gab eine Methode zur Beurteilung des Profils<br />

an. Er schlug einen Kreis mit dem Radius Meatus<br />

acusticus externus – Pronasale (Tip defining Point)<br />

um das Gesicht und prüfte die Lagebeziehung von<br />

drei wesentlichen Profilpunkten (Pronasale, Pogonium,<br />

Stirn-Haargrenze).<br />

Im Idealfall liegen die drei wichtigen Profilpunkte<br />

auf der Kreisbahn. Nach unseren Erfahungen ist das<br />

Porion am oberen Tragus bzw. Gehörgangsrand als<br />

Abb. 1 d, e_ Bild der Patientin im<br />

mittleren Lebensalter nach zwei<br />

<strong>Nasenkorrekturen</strong>. Durch Absenkung<br />

des Nasenrückens ohne Berücksichtung<br />

der Stellung der Nasenspitze<br />

entstand ein deutlicher Eindruck der<br />

Überprojektion der Nase, Pinocchio-<br />

Effekt.<br />

Abb. 1 f, g_ Situation zwei Jahre<br />

nach Revisionsoperation mit<br />

Deprojektion der Nasenspitze und<br />

Reduktion des Nasenrückens in<br />

Sliding-Technik.<br />

Abb. 2_ Profilometer nach<br />

Joseph zur direkten Bestimmung des<br />

Profilwinkels.<br />

Abb. 3_ Möglichkeiten zur<br />

Bestimmung der Projektion:<br />

a: Methode nach R. Goode, b: Modifizierte<br />

Methode nach C. Baud. Innerhalb<br />

des Gesichtskreises – Normalnase,<br />

außerhalb der Gesichtskreises<br />

– überprojizierte Nase.<br />

a und b: Schwarz – Normalnase, rot –<br />

funktionelle Spannungsnase ohne<br />

Überprojektion, blau – überprojizierte<br />

Spitze, grün – überprojizierte funktionelle<br />

Spannungsnase.<br />

Abb. 2<br />

Abb. 3<br />

I55


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />

Abb. 4 a, c_ Junge Patientin mit<br />

typischer überprojizierter Nase durch<br />

Hyperplasie mehrerer Strukturelemente.<br />

Der vordere Septumwinkel<br />

überragt den Tip defining Point.<br />

Die Spitze verliert an Definition. Der<br />

Double break geht verloren. Der<br />

Nasenrücken wird durch einen<br />

knorpelig-knöchernen Höcker charakterisiert.<br />

Der Nasolabialwinkel ist<br />

stumpf und verstrichen. Die Oberlippe<br />

erscheint verkürzt.<br />

Abb. 4 b, d_ Postoperatives Resultat<br />

drei Jahre durch Reduktionsplastik<br />

(offene Technik).<br />

Mittelpunkt des Gesichtskreises besser geeignet. In<br />

dieser modifizierten Form hat sich uns diese Methode<br />

im Alltag sehr bewährt, weil sie die Beurteilung der<br />

Nase im Verhältnis zum Kinn und zur Stirn schnell und<br />

zuverlässig ermöglicht (Abb.4a-d).<br />

Folgende Aussagen sind möglich:<br />

_ Besteht eine Überprojektion der Nase oder der<br />

Spitze?<br />

_ Besteht eine Progenie oder ein fliehendes Kinn?<br />

_ Welchen Einfluss hat die Stirn auf das Profil?<br />

_Die funktionelle Spannungsnase<br />

Der Begriff funktionelle Spannungsnase bezeichnet<br />

immer ein morphologisches und funktionelles<br />

Problem.<br />

a) Funktionelle Indikationen<br />

Meist bestehen schmale, typisch veränderte Nasenlöcher,<br />

die keine ovaläre, sondern eine schlitzförmige<br />

Form besitzen und in ein hohes „gotisches“<br />

Vestibulum nasi führen. Dahinter zeigen sich medialisierte<br />

laterale Schenkel der Flügel- und Dreiecksknorpel.<br />

Diese führen zu einer Einengung der Nasenklappe.<br />

Die Nasenklappe wird durch den freien<br />

Rand des Dreiecksknorpels und den Septumknorpel<br />

gebildet. Sie öffnet sich normalerweise mit einem<br />

Winkel von ca. 15 Grad. Bei funktionellen Spannungsnasen<br />

ist der Winkel geringer, was allein<br />

schon zu einer Behinderung der Nasenatmung<br />

führt. Bei forcierter Nasenatmung resultieren Ansaugphänomene,<br />

die zu einem Kollaps der Nasenklappe,<br />

verbunden mit hochgradiger nasaler Obstruktion,<br />

führen. Bereits geringgradige hohe Septumdeviationen<br />

wirken sich bei solch engen Verhältnissen<br />

aerodynamisch stark aus und verstärken<br />

die eingeschränkte Nasenatmung. Dem Begriff Nasenklappe<br />

steht heute der Begriff der Nasenklappenregion<br />

gegenüber. Dieser schließt die membranöse<br />

Verbindung zum Flügelknorpel mit dessen<br />

freien kranialen Rand und den funktionell wichtigen<br />

Kopf der unteren Nasenmuschel mit ein.<br />

Abb. 5 a – f_ Stadien der<br />

Spannungsnase.<br />

a_ Normalnase,<br />

b_ kompensierte Spannungsnase,<br />

c_ dekompensierte Spannungsnase<br />

mit Spitzenptose,<br />

d_ normale Stellung der<br />

Flügelknorpel,<br />

e_ Spannungsnase mit Steilstellung<br />

der Nasenlöcher und beginnender<br />

Obstruktion der Nasenklappe,<br />

f_ hochgradige Obstruktion der<br />

Nasenklappe mit Kollapsneigung der<br />

Nasenklappe und Spitzenptose.<br />

a) b) c)<br />

Abb. 5<br />

d) e) f)<br />

56 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />

Abb. 6f<br />

Abb. 6e<br />

Abb. 6f<br />

Abb. 6g<br />

Abb. 6h<br />

b) Ästhetische Indikationen<br />

Die funktionelle Spannungsnase wird durch eine<br />

Hyperplasie des Septumknorpels charakterisiert. Typischerweise<br />

ist dieser in dorso-basaler Richtung zu<br />

lang und führt zu einer Aufrichtung der Dreiecksknorpel<br />

und des knorpeligen Nasenrückens. Der knorpelige<br />

Nasenrücken ist typischerweise konvex oder<br />

kann in einen knorpeligen Höcker übergehen, der sich<br />

im Rhinion knöchern fortsetzt. Je nach Größe des Höckers<br />

wird der Nasofrontalwinkel verkleinert. Nicht<br />

selten sind die Hyperplasien der einzelnen Knorpel<br />

auch mit einem vergrößerten Längenwachstum verbunden,<br />

was zum Eindruck der Langnase führt.<br />

Je nach anatomischer Situation entstehen bei der<br />

funktionellen Spannungsnase typische Veränderungen<br />

der Supratip-Tipregion. Der Supratip point wandert<br />

auf das Niveau der Tip defining points. Die Spitze<br />

verliert an Definition. Im Bereich der Nasenspitze ziehen<br />

elastische Fasern von der Corium-Schicht der<br />

Haut bis zum Corium des Vestibulum nasi. Die Haut ist<br />

hier schwer verschiebbar. Wenn die Hyperplasie des<br />

kaudalen Septums von den elastischen und kollagenen<br />

Fasern der Haut über der Spitze und den Bindegewebsfasern<br />

zwischen Septum und Flügelknorpeln,<br />

Dreiecks- und Flügelknorpeln und dem membranösen<br />

Septum nicht mehr „gehalten“ bzw. kompensiert<br />

werden kann, kommt es zum Absinken des Tip definig<br />

points unter das Niveau des Supratip points in Höhe<br />

des vorderen Septumwinkels.<br />

Dieses Absinken der Spitze wird als Ptose bezeichnet.<br />

Wenn man den Tip defining point durch eine Gerade<br />

mit dem Supratip point verbindet, so kehren sich<br />

die Winkel der Nasenspitzentangente im Vergleich<br />

zur „Idealnase“ um. Obwohl dieser Höhenunterschied<br />

im Niveau der Tip- und Supratip-Region nur ein bis<br />

zwei Millimeter betragen kann, ist seine Auswirkung<br />

auf die Ästhetik der Nasenspitze und sogar das ganze<br />

Gesicht erheblich (Abb. 5a-f, Abb. 6a–h)._<br />

_Literaturnhinweis<br />

Hans Behrbohm, M. Eugene Tardy Jr.:<br />

Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase<br />

Thieme, 2003, 244 Seiten<br />

face<br />

Abb. 6 a – h_ Patientin mit<br />

funktioneller Spannungsnase und<br />

Nasenklappenstenose.<br />

a, b_ prä- und postoperative Ansicht<br />

von vorn,<br />

c_ präoperatives Profil,<br />

d_ postoperatives Profil, zwei Jahre<br />

nach Septorhinoplastik. Deprojektion<br />

der Nasenspitze, Absenken der<br />

Supratip-Region, dadurch Supratip<br />

break, Erhalten eines hohen,<br />

individuellen Nasenrückens,<br />

e_ präoperative Ansicht der<br />

Nasenbasis,<br />

f_ postoperative Ansicht der<br />

Nasenbasis mit Erweiterung des<br />

Naseneingangs und der Nasenklappe,<br />

g_ rechte Nasenklappe präoperativ<br />

bei Ruheatmung,<br />

h_ rechte Nasenklappe präoperativ<br />

bei forcierter Inspiration (O°-Optik,<br />

Karl Storz, Tuttlingen).<br />

I57


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

… Cyrano kommt, die<br />

Nase ist schon da …<br />

Die ästhetisch-funktionelle Reduktionsplastik bei überprojizierten<br />

und funktionellen Spannungsnasen –Teil 2: Prinzipien der Chirurgie<br />

bei überprojizierten und funktionellen Spannungsnasen<br />

_Bei den überprojizierten und Großnasen hat die<br />

präoperative Analyse der Nase und ihrer morphologischen<br />

Bausteine durch Inspektion und Palpation<br />

besondere Bedeutung und ist Voraussetzung für<br />

den Operationsplan. Es muss klar sein, an welchen<br />

Strukturbausteinen der Nase die entscheidenden<br />

Veränderungen und Umorientierungen erfolgen<br />

müssen. Danach richtet sich der Zugang, der so invasiv<br />

wie nötig und so minimal wie möglich sein<br />

sollte. Eine generelle Empfehlung für den zu bevorzugenden<br />

Zugang kann nicht gegeben werden, weil<br />

sie u.a. vom Ausgangsbefund und dem angestrebten<br />

Resultat abhängt. In der Serie Approaches &<br />

Techniques hatten wir in der „face“ bereits Hinweise<br />

zu den einzelnen Zugängen gegeben. Reduktionsplastiken<br />

der Nase können sich je nach Umfang der<br />

Verkleinerung stark typverändernd auf das Gesicht<br />

auswirken.<br />

Hier empfiehlt sich eine intensive präoperative Beratung<br />

mit Visualisierung durch Computeranimation.<br />

Zur Retropositionierung der Spitze und Verkleinerung<br />

der Nase bestehen folgende Basis-Techniken. Natürlich<br />

können diese z.B. durch Nahtechniken der Spitze<br />

ergänzt werden, wenn neben der Veränderung der<br />

Projektion der Spitze auch eine Verschmälerung erzielt<br />

werden soll.<br />

Vereinfacht kommen zwei Prinzipien zur Anwendung:<br />

_ Verkleinerung bzw. Resektion hyperplastischer<br />

Strukturelemente<br />

_ Elektive oder komplexe Schwächung der Tip-support-Mechanismen.<br />

Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1d<br />

Abb. 1a–d<br />

a,c_ 24-jährige Patientin mit Höckernase und mittelgradig überprojizierter Spitze präoperativ und<br />

b, d_ zwei Jahre postoperativ.<br />

58 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 2<br />

Abb. 2_ Das Schema zeigt das Vorgehen unter Nutzen der dynamics of<br />

Septorhinoplasty. Abtragen des knorpelig-knöchernen Höckers, Kürzen der<br />

Septumvorderkante zwischen mittlerem und vorderem Septumwinkel<br />

mit oder ohne Resektion des tip defining points.<br />

Abb. 3<br />

Abb. 3_ Wichtige und häufige<br />

Operationsschritte<br />

1 Absenken des Nasenrückens<br />

2 kraniale Volumenreduktion der<br />

Flügelknorpel<br />

3 Kürzen der Septumvorderkante<br />

4 Keilexzision aus den lateralen<br />

Flügelknorpeln, oder laterales overlapping,<br />

sliding<br />

5 Resektion der Fußplatten oder<br />

mediales overlapping, sliding<br />

6 Abtragen der Spina nasalis<br />

7 mediale und lateral gebogene<br />

Osteotomien.<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d<br />

Abb. 4a–d<br />

a, c_19-jährige Patientin mit deutlich überprojizierter Nase und<br />

b, d_ ein Jahr nach Reduktionsplastik unter Anwendung der Operationschritte 1–7.<br />

Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c Abb. 5d<br />

Abb. 5a–d<br />

a, c_ 27-jährige Patientin mit Gesichtsasymmetrie, deutlich überprojizierter Höckernase, und<br />

b, d_ zwei Jahre postoperativ.<br />

I59


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 6a<br />

Abb. 6c<br />

Abb. 6d<br />

Abb. 6b<br />

Abb. 6 a–d<br />

Deprojektion der Spitze durch laterales overlapping, sliding. Prinzip der Operation und intraoperative<br />

Situation bei Patientin Abbildung 5a–d.<br />

Fotos: Behrbohm/Tardy (Thieme 2003)<br />

Abb. 7a<br />

Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d Abb. 7e Abb. 7f<br />

Abb. 7 a–f<br />

a, c, f_32-jährige Patientin mit paradox gebogenen Flügelknorpeln, Überprojektion der Nasenspitze mit Bifida tip.<br />

b, d, e_ Zwei Jahre nach Umklapp-Plastik in offener Technik.<br />

_Häufigste Ursachen der Überprojektion<br />

Hyperplasie der Spina nasalis interior<br />

Eine überprojizierte Spitze kann allein oder in Kombination mit anderen Überschussbildungen durch eine übergroße Spina nasalis anterior<br />

verursacht werden. Diese hebt das vordere Septum nach kranial. Der Nasolabialwinkel ist verstrichen und stumpf. Die Oberlippe ist verspannt und<br />

dadurch scheinbar verkürzt. Gleichzeitig besteht eine Kaudalrotation der Spitze. Durch sorgfältige äußere und innere Palpation kann zwischen<br />

Hyperplasien des kaudalen Septums und der Spina unterschieden werden (Abb. 9).<br />

Abb. 8<br />

Abb. 9<br />

Abb. 10a<br />

Abb. 10b<br />

Abb. 8_ Prinzip der Operation der Patientin Abbildung 7a–f.<br />

Abb. 9_ Überprojizierte Nasenspitze durch eine hyperplastische Spina nasalis anterior.<br />

Abb. 10_ Patientin (a) prä- und (b) zwei Jahre postoperativ nach endonasaler Septorhinoplastik. Eversionstechnik. Präoperativ besteht ein verstrichener Nasolabialwinkel durch<br />

eine hyperplastische Spina nasalis anterior, eine Spitzenptose und ein knöchern-knorpeliger Höcker.<br />

60 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

_Hyperplasie der Flügelknorpel<br />

Hyperplastische Flügelknorpel können die alleinige Ursache einer überprojizierten und meist ballonierten Spitze sein. Meist ist der Knorpel<br />

von hoher Elastizität und es besteht ein festes Bindegewebe. Der Nasolabialwinkel wird hierbei nicht beeinflusst (Abb. 11 und 12).<br />

Abb. 11<br />

Abb. 12a<br />

Abb. 12b<br />

Abb.11_Überprojizierte Nasenspitze durch Hyperplasie der Flügelknorpel. (a) Rote Punkte: vorderer Septumwinkel und Tip defining point. Durch Einbeziehung des Tip defining<br />

points bei der kranialen Volumenreduktion kann die Nasenspitze bei hyperplastischen Flügelknorpeln retropositioniert werden. Rot schraffiert: mögliche Operationsschritte zur<br />

Retropositionierung der Spitze (b).<br />

Abb. 12_ Patientin mit überprojizierter Spitze durch Flügelknorpelhyperplasie (a) prä- und (b) vier Jahre postoperativ. Retropositionierung durch Interrupted-strip-Technik<br />

(Abb. 13a–d).<br />

Abb. 13a<br />

Abb. 13 a–d_Offener Zugang.<br />

Abb. 13b Abb. 13c Abb. 13d<br />

_Überlange mediale Schenkel (Columella-Hyperplasie)<br />

Überlange und zwischen der Spina nasalis und der Spitze gespannte mediale Schenkel der Flügelknorpel führen zu typischen Veränderungen<br />

der Alar-Columella-Region. Meist besteht auch eine Hyperplasie des vorderen Septumknorpels. Typisch ist ein verstärkter seitlicher Einblick in die<br />

Nasenlöcher mit Vestibular skin show. Ein harmonischer Double break geht verloren. Der Intermediärschenkel der Flügelknorpel ist verlängert. Das<br />

ist die Ursache für ein überlanges Infratip-Dreieck (Abb. 14).<br />

Abb. 14 Abb. 15<br />

Abb.14_ Überprojektion der Nase durch Columella-Hyperplasie bei überlangen medialen Schenkeln.<br />

Abb.15_ Überprojektion der Nase durch Hyperplasie des dorsalen oder basalen Septumknorpels in dorso-basaler Richtung. Ein stark entwickelter Vomer kann den gleichen<br />

Effekt auslösen.<br />

I61


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

_Hyperplasie des Septumknorpels in dorso-lateraler Richtung oder des Vomer, Polly beak<br />

Eine Hyperplasie des Septumknorpels in dorso-lateraler Richtung führt zu einer Aufrichtung des knorpeligen Nasenrückens. Ursache hierfür<br />

kann einerseits der Septumknorpel, aber auch ein stark entwickelter Vomer sein. Die Spitze verliert durch die Anhebung der Supratip-Region an<br />

Definition und wirkt amorph. Der vordere Septumwinkel steht über dem Tip defining point (Abb. 16a und b).<br />

Ursache eines postoperativen Polly beaks kann eine zu geringe Kürzung des dorsalen Septumknorpels sein. Postoperative Narbenbildung,<br />

besonders bei dicker Haut, kann auch zum Polly beak führen (Abb. 17a und b).<br />

Abb. 16a Abb. 16b Abb. 17a Abb. 17b<br />

Abb. 16_ Patientin (a) prä- und (b) zwei Jahre postoperativ. Deutliche Absenkung des Nasenrückens, Spitzenrotation nach kranial, Deprojektion durch Interrupted-strip-Technik,<br />

Columella strut in offener Technik.<br />

Abb. 17_ (a) Patientin mit Polly beak nach Voroperation vor sieben Jahren. (b) Resultat drei Jahre nach der Revisionsoperation. Absenkung des Nasenrückens, Verminderung der<br />

Projektion über einen endonasalen Zugang (Luxationstechnik). Verbesserung der Spitzendefinition, Supratip beak.<br />

_Hyperplasie des Septumknorpels in kranio-kaudaler Richtung<br />

Ein stark nach kaudal ziehender hyperplastischer Septumknorpel führt zu einem typischen Bild. Meist ist der Knorpel auch in dorso-basaler<br />

Richtung hyperplastisch. Die Spitze ist schlecht definiert. Der vordere Septumwinkel (Supratip point) steht über dem Niveau des Tip<br />

defining points. Die Spitze rotiert nach kaudal, Ptose der Spitze. Es besteht ein ähnlicher Aspekt wie bei der Columella-Hyperplasie durch<br />

überlange mediale Schenkel. Der Unterschied lässt sich durch Palpation des festen kaudalen Septumknorpels im Gegensatz zum membranösen<br />

Septum erkennen. Auch hier besteht eine deutliche Vestibular skin show und ein mangelhafter Double break.<br />

Abb. 19a<br />

Abb. 19b<br />

Abb. 18<br />

_Information<br />

face<br />

Abb. 18_ Überprojektion der Nase durch Hyperplasie des Septums in kranio-kaudaler Richtung.<br />

Abb. 19_ Patientin (a) prä- und (b) vier Jahre postoperativ. Kürzen des Septums, Absenken des Nasenrückens.<br />

Deprojektion und Kranialrotation der Spitze. Der Tip defining point wandert über das Niveau<br />

des Supratip points (vorderer Septumwinkel). Dadurch wird die Spitzendefinition verbessert, Luxationstechnik.<br />

Grafiken aus Behrbohm/Tardy<br />

Essentials of Septorhinoplasty, Thieme 2003<br />

62 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Biostatische endoskopische<br />

Chirurgie des Siebbeins (BES) –<br />

von der Architektur des zentralen Gesichtsschädels<br />

Abb. 2_Die Anatomie des Dr. Tulp,<br />

Rembrandt Harmez van Rijn, 1632.<br />

I63


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 1_Das Siebbein ist der zentrale<br />

anatomische Platzhalter im Mittel -<br />

gesicht.<br />

Abb. 1<br />

Abb. 2a_Emil Zuckerkandl<br />

(1848–1910).<br />

Abb. 2a<br />

_Back to the future<br />

Das Siebbein ist eine anatomische Leichtbaukonstruktion<br />

im zentralen Mittelgesicht. Mit einem<br />

stabilen vertikalen Pfeiler wird die Schädelbasis mit<br />

dem Hirnschädel gegen den Gesichtsschädel mit<br />

dem Vomer, der Prämaxilla und dem Oberkiefer ab -<br />

gestützt (Abb. 1).<br />

Die paarigen Siebbeinlabyrinthe bestehen aus<br />

einem sehr variablen System hauchdünner knöcherner<br />

Zellen, die von respiratorischer Schleimhaut<br />

ausgekleidet sind. Zugleich ist das Siebbein ein<br />

faszinierendes Wunderwerk der Statik. Ein Gerüst<br />

aus horizontalen Streben und Kuppeln hält die Sekret-<br />

und Belüftungsschleusen zwischen den Nasennebenhöhlen<br />

und der Nase offen. Jedes Siebbein<br />

hat einen individuellen Bauplan. Kein Siebbein<br />

gleicht dem anderen. Der Operateur sollte versuchen,<br />

das statische Prinzip dieser „eingehängten<br />

Konstruktion“ zu analysieren, bevor er eingreift und<br />

die Statik mit verschiedenen Zielstellungen verändert.<br />

Die Biostatische Chirurgie des Siebbeins BES basiert<br />

auf dem Konzept der funktionellen endoskopischen<br />

Chirurgie der Nasennebenhöhlen (FESS)<br />

und geht auf die Arbeiten von Walter Messerklinger<br />

aus dem Jahre 1987 zurück. Neu ist die Differenzierung<br />

zwischen den „tragenden Wänden des Siebbeins“<br />

und den nur kompartimentierenden Zellvarianten.<br />

Die BES bietet ideale Voraussetzungen für<br />

die Kombination mit der kathedergestützten Ballondilatation<br />

der Ostien der Stirn-, Kiefer- und<br />

Keilbeinhöhle.<br />

Der Dichter Arthur Schnitzler studierte in Wien<br />

<strong>Medizin</strong> und erinnert sich in seiner Autobiografie<br />

„Jugend in Wien“ lebhaft an Zuckerkandl: „… ein<br />

bleicher junger Mann mit dunklem Spitzbart und<br />

schwarzen Augen, der in seinem Talar völlig einem<br />

von jenen Anatomen glich, wie sie uns von den berühmten<br />

Bildern Rembrandts her vertraut sind und<br />

den bei aller zeitlichen und räumlichen Nähe fast<br />

legendenhaft die Mär von seiner flotten, trink- und<br />

fechtfreudigen durchlebten Burschenschaft umschwebte.“<br />

Zudem stand er in dem Ruf „… sich geraden<br />

Wegs aus irgendeinem Nachtlokal oder vielleicht<br />

gar aus schönen Frauenarmen an sein ernstes<br />

Tagewerk zu begeben, dass er dann lehrend und lernend<br />

mit ungeheurem Fleiß bis in die späten Abendstunden<br />

trieb“ (Abb. 2, 2a).<br />

Dieser intensive Drang nach wissenschaftlicher<br />

Erkenntnis war sicher eine Voraussetzung für sein<br />

Werk „Normale und pathologische Anatomie der<br />

Nase und ihrer pneumatischen Anhänge“ aus dem<br />

Jahre 1882 (Abb. 2b–e). Darin beschreibt er erst -<br />

mals die detaillierte Anatomie des Siebbeins und<br />

aller Nasennebenhöhlen und schuf damit zugleich<br />

64 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 2b_Schnitt durch ein vorderes<br />

linkes Siebbein (koronare Ebene).<br />

Abb. 2c_Schnitt durch das Siebbein-<br />

Zellsystem beidseits (axiale Ebene)<br />

s.f. – Sinus frontalis, c – cellulae<br />

ethmoidalis und horizontale Trabekel,<br />

o.s. – Ostium der Keilbeinhöhle,<br />

S.sph. – Sinus sphenoidalis.<br />

Abb. 2b<br />

Abb. 2c<br />

eine wissenschaftliche Grundlage für deren anatomisches<br />

Verständnis. Zugleich wies er auf Strukturen<br />

und Engstellen mit pathogenetischer Bedeutung<br />

für entzündliche Erkrankungen hin, die noch<br />

heute aktuell sind, z.B. das Infundibulum ethmoidale,<br />

sowie Pneumatisations- und Krümmungsvarianten<br />

der mittleren Muschel (Abb. 3).<br />

_Präoperative Analyse<br />

Jeder Patient mit einer akut-rezidivierenden<br />

Rhinosinusitis erhält eine Nasenendoskopie so -<br />

wie eine Funktionsdiagnostik, bestehend aus einer<br />

Computerrhinomanometrie und einer Olfakto -<br />

metrie. Die Computertomografie zeigt einerseits<br />

pathologische Schleimhautveränderungen, gleich -<br />

zeitig liefert sie eine anatomische Bestandsaufnahme.<br />

Sie zeigt den individuellen Bauplan des Siebbeins<br />

mit allen anatomischen Varianten der Pneumatisierung,<br />

dem speziellen Muster der zellulären und Pfeilersysteme<br />

und topografischen Besonderheiten,<br />

zum Beispiel im Verlauf des N. opticus und der A. carotis<br />

(Abb. 5a–d, 6a–c).<br />

Abb. 2d_Schnitt durch ein rechtes<br />

Siebbein. a – große Concha bullosa,<br />

b – Septumdeviation nach links.<br />

Abb. 2e_Schnitt durch die laterale<br />

Nasenwand. Of – Ostium frontale,<br />

p – Processus uncinatus, b – bulla<br />

ethmoidalis, m – Grundlamelle der<br />

mittleren Muschel.<br />

Abb. 2d<br />

Abb. 2e<br />

I65


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 3_Die Siebbein-Matchbox:<br />

Das Siebbein besitzt vereinfacht die<br />

Größe und Form einer Streichholzschachtel,<br />

die auf der schmalen Seite<br />

steht. Bei einem großen Variantenreichtum<br />

innerhalb des Siebbeins<br />

variiert dessen Breite erheblich. Die<br />

Platzhalterfunktion zur Gewährleistung<br />

von Ventilation und Drainage<br />

der Kiefer- und Stirnhöhle kann aber<br />

durch unterschiedliche Pneumatisationstypen<br />

stark variieren. Die wichtigsten<br />

Platzhalter des vorderen<br />

Siebbeins sind Bulla ethmoidalis (rot)<br />

und die mittlere Nasenmuschel mit<br />

ihrer Grundlamelle, die das Sieb bein<br />

in einen vorderen und hinteren Anteil<br />

unterteilt und dessen Weite stabi -<br />

lisiert. Weitere Zellen: braun – Agger<br />

nasi, grün – Proc. uncinatus, blau –<br />

retrobullöse Zelle, grau und gelb –<br />

hintere Siebbeinzellen, Schatten –<br />

Infundibulum ethmoidale und<br />

Recessus frontalis.<br />

Abb. 4_Topografische Anatomie des<br />

Siebbeins: a) koronare Schnittebene,<br />

b) axiale Schnittebene (Pernkopf aus:<br />

Eduard Pernkopf, Topografische<br />

Anatomie, 4. Band, Urban &<br />

Schwarzenberg, München, Berlin,<br />

Wien, 1957).<br />

Abb. 3<br />

Obwohl die anatomischen Erkenntnisse der einzelnen<br />

Zellformationen des Siebbeins zu pathogenetischen<br />

Überlegungen, einem endoskopischen<br />

Diagnosekonzept und darauf aufbauend zu einer<br />

endoskopischen Operationsstrategie, der FESS<br />

führten, blieben grundlegende Untersuchungen zu<br />

der statischen Funktion der wichtigsten Zellen des<br />

Siebbeins bisher aus. Diese fehlenden Kenntnisse<br />

über die biostastische Bedeutung einzelner wichtiger<br />

Zellformationen des Siebbeins, z.B. der Bulla<br />

ethmoidalis und der mittleren Nasenmuschel haben<br />

zu einem undifferenzierten Umgang mit diesen<br />

Strukturen geführt, die der individuellen Spezifik<br />

der anatomischen Probleme im Einzelfall oft nicht<br />

gerecht wird (Abb. 7). Das Schaffen einer besseren<br />

Ventilation und Drainage als Voraussetzungen einer<br />

Schleimhautreparation ist nur unter Berücksichtigung<br />

biostatischer Gesichtspunkte erreichbar, die<br />

das Siebbein auch postoperativ weit und offen halten.<br />

Ein z.B. operativ erweiterter Stirnhöhlenzugang<br />

bleibt ineffektiv, wenn eine starke Schrumpfungstendenz<br />

des Siebbeins, die mit Lateralisierung der<br />

mittleren Muschel, eventuell sogar Synechiebildung<br />

einhergeht, den Zugang hochgradig stenosiert.<br />

Abb. 4a<br />

Abb. 4b<br />

66 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c Abb. 5d<br />

Abb. 5a_Koronares CT. Koronarer Schnitt in Höhe des vorderen Siebbeins. Die Pneumatisierung erstreckt sich vor allem auf die Laby rinthe, große Bulla ethmoidalis, Schleimhautschwellung<br />

im vorderen Siebbein, im Infundibulum ethmoidale und der Kieferhöhle links. Gering pneumatisierte mittlere Muschel rechts, Concha bullosa. Abb. 5b_Koronares<br />

CT. Koronarer Schnitt in Höhe des vorderen Siebbeins. Die Stirnhöhlen sind bereits angeschnitten. Es zeigt sich eine feinzellige, „wabenförmige“ Pneumatisierung mit Haller’-<br />

schen Zellen im Infundibulum ethmoidale und einer Concha bullosa rechts. Abb.5c_Koronares CT. Schnitt in Höhe des vorderen Siebbeins. Die Pneumatisierung erfolgt im<br />

Wesentlichen durch zwei große Conchae bullosae. Abb. 5d_Axiales CT. Isolierte Schleimhauterkrankung einer retrobullösen Zelle links.<br />

_Indikationen<br />

Heute wird die akut rezidivierende Form der Rhinosinusitis<br />

von der chronischen Rhinosinusitis mit<br />

und ohne Polypen unterschieden. Die BES ist die<br />

Methode der Wahl bei der akut-rezidivierenden<br />

Rhinosinusitis. Bei der chronischen Rhinosinusitis<br />

mit Polypen spielen neben den biomechanischen<br />

Faktoren blockierter Sekretwege in der lateralen Nasenwand<br />

auch immunkompetente T-Lymphozyten<br />

und Mediatorzellen der entzündlichen Reaktion,<br />

z.B. eosinophile Granulozyten, eine große Rolle.<br />

Diese Zellen setzen entzündungsauslösende Zytokine,<br />

z.B. das Major Basic Protein, oder auch freie<br />

Radikale frei. Bei der häufigen Komorbidität von<br />

Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c<br />

Abb. 8<br />

Polyposis nasi, Asthma bronchiale und Analgetikaintoleranz<br />

kommt es zum vermehrten Anfall von<br />

Leukotrienen, einem der potentesten Entzündungsmediatoren<br />

der Schleimhaut. Die klinische Unterscheidung<br />

der einzelnen Formen der Rhinosinusitis<br />

erfordert auch spezielle Operationsstrategien.<br />

Das Entfernen der parietalen Schleimhaut aus<br />

den Nasennebenhöhlen führt zu gravierenden<br />

narbigen Obliterationen. Aus der Ära der Kieferhöhlenradikaloperation<br />

nach Caldwell-Luc sind nahe -<br />

zu vollständige Obliterationen des Cavum maxillae<br />

mit Deformierungen des Oberkiefers und Absenkungen<br />

des Orbitabodens bekannt. Ursache hierfür<br />

sind ty pische Wundheilungs- und Schrumpfungsphänomene<br />

nach Entfernung der Schleimhaut aus<br />

Abb. 7<br />

Abb. 9<br />

Abb. 6a_Die wichtigsten Pneumatisationstypen<br />

des Siebbeins: a) Inter -<br />

lamellärzelle, b) Concha bullosa,<br />

c) große Bulla ethmoidalis.<br />

Abb. 7_Hochgradige Stenose der<br />

vollständig ausgeräumten Siebbeinlabyrinthe<br />

rechts mit erneuter entzündlicher<br />

Exazerbation bei einer Patientin<br />

mit rezidivierender Sinusitis frontalis,<br />

zwei Jahre postoperativ.<br />

Abb. 8_Die Bulla sitzt wie eine Kuppelkonstruktion<br />

auf der medialen<br />

Orbitawand. Eine vollständige Ausräumung<br />

des vorderen Siebbeins führt zu<br />

einer Medialisierungstendenz der Lamina<br />

papyracea und einer Lateralisierung<br />

der mittleren Nasenmuschel.<br />

Eine erhaltene Grundlamelle der Bulla<br />

oder deren cephaler Kuppel wirken<br />

dieser Tendenz entgegen.<br />

Abb. 9_Wundheilungs- und<br />

Schrumpfungsphänomene nach<br />

Entfernung der Schleimhaut aus<br />

dem Siebbein und der Kieferhöhle.<br />

Es kommt zu hochgradigen Steno -<br />

sierungen, Lateralisationen von<br />

Nasenmuschel und<br />

Proc. uncinatus.<br />

Abb. 10a–b_a) CT einer Patientin mit<br />

rezidivierender Rhinosinusitis maxillaris<br />

bds., Septumdeviation und -sporn<br />

links. b) Z.n. Septumplastik, Infundibulotomie<br />

und supraturbinaler Kieferhöhlenfensterung<br />

bds. Die Bulla -<br />

lamelle bds. wurde erhalten (BES),<br />

zwei Jahre postoperativ.<br />

Abb. 10a<br />

Abb. 10b<br />

I67


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 11<br />

Abb. 12<br />

Abb. 13<br />

Abb. 14<br />

Abb. 11_Prinzip der Erweiterung des<br />

Recessus frontalis am Beispiel von<br />

Infundibular- bzw. Agger nasi-Zellen<br />

mit dem gebogenen Dissektor (nach<br />

Behrbohm). Die Grundlamelle (grün)<br />

der Bulla ethmoidalis wird erhalten.<br />

Circa 2mm hinter der Bullalamelle<br />

verläuft meist die A. ethmoidalis<br />

anterior.<br />

Abb. 12_Ethmoidale Infundibulo -<br />

tomie: 1 – mediale Infundibulumwand,<br />

2 – Sichelmesser, 3 – Bulla<br />

ethmoidalis, 4 – Hiatus semilunaris,<br />

5 – Canalis nasolacrimalis, 6 – Concha<br />

media, 7 – Septum nasi,<br />

8 – Agger nasi.<br />

Abb.13_Bullotomie 1 – Septum nasi,<br />

2 – Concha media, 3 – Stanze,<br />

4 – Bulla ethmoidalis, 5 – Recessus<br />

frontalis, 6 – Laterale Nasenwand.<br />

Abb.14_Blick auf die Schädelbasis<br />

nach der Bullotomie. 1 – Septum<br />

nasi, 2 – Concha media, 3 – Bulla<br />

ethmoidalis, 4 – A. ethmoidalis<br />

anterior, 5 – posteriore Bulla-<br />

Lamelle, 6 – Grundlamelle der mittleren<br />

Muschel, 7 – Recessus frontalis,<br />

8 – Recessus terminalis.<br />

dem Siebbein und der Kieferhöhle. Es kommt zu<br />

hochgradigen Stenosierungen, Lateralisationen<br />

von mittlerer Nasenmuschel und Proc. uncinatus<br />

(Abb. 9).<br />

_Schlussfolgerungen<br />

Die endoskopische Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />

hat heute eine breite Indikationspalette. Aus<br />

eigenen Erfahrungen sollte streng zwischen folgenden<br />

Indikationsgruppen unterschieden werden, um<br />

alle Potenzen einer differenzierten Mikrochirurgie<br />

auszuschöpfen und postoperative Stenosierungen<br />

zu vermeiden.<br />

– Die akut-rezidivierende Rhinosinusitis ist durch<br />

entzündliche Exazerbationen meist der Stirnund<br />

Kieferhöhle charakterisiert. Eine vollständige<br />

Ausräumung des vorderen Siebbeins sollte nicht<br />

routinemäßig erfolgen. Hier sollte die Grundlamelle<br />

der Concha media beziehungsweise die Bullalamelle,<br />

beziehungsweise die cephale Kuppel der<br />

Bulla erhalten werden, um eine Stenosierung des<br />

vorderen Siebbeins und des Recessus frontalis zu<br />

vermeiden. Die parietale Mukosa der Lamina papyracea,<br />

der vorderen Schädelbasis und der mittle -<br />

ren Muschel ist zu schonen. Die Erweiterung des<br />

Reces sus frontalis im Sinne eines Typ I – IIb (n. Draf)<br />

gelingt unter Sicht der 45°-Optik gut bei erhaltener<br />

Bullalamelle. Infundibular- und Agger nasi-<br />

Zellen, die den Recessus frontalis verlegen, kön -<br />

nen mit der uncapping the egg-Methode nach<br />

Stammberger in dorsoventraler Präparationsrichtung<br />

entfernt werden. Die Schleimhaut im<br />

Reces sus frontalis muss maximal geschont werden.<br />

Die Grundlamelle der mittleren Nasenmuschel<br />

sollte nur umschrieben trepaniert und nicht<br />

frakturiert werden (Abb. 10a–b, 11).<br />

_Das operative Konzept<br />

Ethmoidale Infundibulotomie<br />

Standarderöffnung des Siebbeins ist die ethmoidale<br />

Infundibulotomie (n. Stammberger) mit einer<br />

atraumatischen und vollständigen Abtragung des<br />

Proc. uncinatus. Dieser wird an den Polen mit dem<br />

Schaftscherchen scharf abgesetzt.<br />

Nach der Entfernung der lateralen Infundibu -<br />

lumwand wird der Blick auf den überwiegenden<br />

Anteil der Bulla-Vorderwand frei (Abb. 12).<br />

Die Bullotomie<br />

Die Vorderwand der Bulla ethmoidalis wird mit<br />

einem speziellen Instrument, dem Bullotom, oder<br />

dem stumpfen geraden Sauger oder z.B. der Keil -<br />

beinhöhlenstanze (klein) trepaniert. Anteile der<br />

Vorderwand beziehungsweise der Bulla werden in<br />

Abhängigkeit von der Schleimhautpathologie abgetragen<br />

(Abb. 13).<br />

Erweiterung des Recessus frontalis<br />

Entlang der Bullalamelle bzw. der cephalen<br />

Bulla-Kuppel wird der Recessus frontalis aufgesucht<br />

und zunächst mit dem gebogenen Löffel nach<br />

Kuhn-Bolger durch Abtragen von Infundibularbzw.<br />

Agger nasi-Zellen erweitert (Abb. 14, 15).<br />

Je nach beabsichtigtem Ziel der Operation kann<br />

die Stirnhöhle mit der Stirnhöhlenstanze durch Abtragen<br />

von Anteilen des Stirnhöhlenbodens auch<br />

breiter eröffnet werden (Abb. 16).<br />

Diese Probleme können aus eigenen Erfahrungen<br />

bei verschiedenen Indikationen bei der akut-rezidivierenden<br />

Rhinosinusitis umgangen werden.<br />

Mit der biostatischen Siebbeinchirurgie werden<br />

übersichtliche Drainage-Wege im Siebbein angelegt.<br />

Ballondilatation & Hybridoperation<br />

Entlang der erhaltenen statischen Lamellen,<br />

zum Beispiel der Bullalamelle, kann in gleicher Sitzung<br />

die Ballon dilatation erfolgen: Hierbei wird ein<br />

Führungskatheder durch das Siebbein unter en -<br />

doskopischer Kontrolle vor dem jeweiligen Ostium<br />

platziert. Unter radiolo gischer Kontrolle wird ein<br />

flexibler Führungsdraht in den Sinus vorgeschoben.<br />

Danach wird der Ballonkatheder über den<br />

Führungsdraht genau in der zu erweiternden Engstelle<br />

platziert. Durch eine kontrollierte Füllung des<br />

Ballons erfolgt die Dilatation der knöchernen Engstelle<br />

(Abb. 17, 18).<br />

68 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 15 Abb. 16<br />

_Indikationen<br />

– Akut rezidivierende Sinusitiden<br />

– Barosinusitiden<br />

– Empyeme<br />

– Hybridoperationen (BES & Ballondilatation)<br />

– Gerinnungsstörungen und Allgemeinerkrankungen,<br />

die die OP-Fähigkeit ausschließen<br />

– Re-Stenosierungen<br />

_Zusammenfassung<br />

Die endoskopische Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />

kann nur dann effizient eingesetzt werden,<br />

wenn ausgehend von der konkreten Anamnese und<br />

der Binnenanatomie des Siebbeins im CT ein opera -<br />

tiver Plan erstellt wird, der die statische Funktion<br />

der wichtigsten Siebbeinstrukturen einschließt.<br />

Eine nur auf Ausräumung orientierte Sanierungschirurgie<br />

wird den Problemen bei der akut-rezidivierenden<br />

Rhinosinusitis nicht gerecht und kann<br />

sogar die Engstellenprobleme verstärken.<br />

Biometrische Messerergebnisse liegen vor und<br />

werden gegenwärtig mathematisch bewertet und in<br />

Kürze publiziert._<br />

_Co-Autoren<br />

Sebastian Winter<br />

OA Dr. C. Dalchow<br />

OA Dr. H. Birke<br />

Berlin, www.imwe-berlin.de<br />

face<br />

Abb.15_Erweiterung des<br />

Recessus frontalis mit dem Löffel.<br />

Abb.16_Abtragen des<br />

Stirnhöhlenbodens mit der Stanze.<br />

Abb. 17_Ballondilatation der<br />

rechten Stirnhöhle.<br />

Abb. 18_Platzieren des<br />

Führungs katheders im Siebbein.<br />

Abb. 17<br />

Abb. 18<br />

I69


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

„swinging double door“<br />

Eine neue Technik der biostatischen und<br />

endoskopischen Chirurgie der Nasenscheidewand<br />

www.vincentmosch.de<br />

Die Septumplastik ist eine der häufigsten Operationen in der HNO. Sie erfolgt aus funktioneller Indikation, ist aber auch der<br />

Schlüssel zur funktionell-ästhetischen Chirurgie der Nase. Es wird eine neue Philosophie der Septumplastik vorgestellt, die<br />

von einem Gefüge abhängiger anatomischer Bausteine der medialen Nasenwand ausgeht. Das Septum nasi ist dabei nur<br />

die „Knautschzone“ biotektonischer Relativbewegungen und Spannungen. Eine adäquate befundorientierte Mikrochirurgie<br />

ist heute ohne den Einsatz von Endoskopen nicht mehr zeitgemäß!<br />

_Die Septumplastik ist eine der häufigsten Operationen<br />

in der HNO-Heilkunde.<br />

Eine Analyse der Ausgangsbefunde, der Operationstechnik<br />

und der operativen Zugänge von 1.016<br />

Operationen in einem Zeitraum von 24 Monaten<br />

(1.9.06 bis 1.9.08) führte zu folgenden Ergebnissen<br />

und der Formulierung einer neuen chi rurgischen<br />

Strategie.<br />

– In 58% der Patienten fanden sich Strömungshindernisse<br />

im hinteren knöchernen Anteil der Nasenscheidewand<br />

und nicht allein im Bereich des<br />

vorderen knorpeligen Septums.<br />

– In 36% fand sich eine Doppelstenose, die in 29%<br />

beide Seiten betraf.<br />

– 72% der Operationen erfolgten endoskopisch.<br />

– Die endoskopische Analyse zeigt die Pathogenese<br />

einzelner Deviationen und ist eine gute Voraussetzung<br />

einer gezielten operativen Korrektur.<br />

_1. Geschichtlicher Rückblick<br />

Die erste submuköse Resektion des Septum nasi<br />

wurde 1867 von Lienhardt für Korrekturen des vor -<br />

deren Septums beschrieben. Hartmann (Abb. 1) und<br />

Petersen erweiterten die Methode für Deviationen<br />

auch im hinteren Teil des Septums.<br />

Der Zugang erfolgte über eine horizontale und<br />

vertikale Inzision der Schleimhaut auf der deviierten<br />

70 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Seite. Hauptproblem auch bei Weiterentwicklungen<br />

der Methode, z.B. durch Trendelenburg, war die<br />

schlechte Übersicht wegen der starken Schleimhautblutung.<br />

Rethi (1890) verwendete deshalb Kokain lokal.<br />

Killian (Abb. 2) unterspritzte beide Schleimhautblätter<br />

mit einer Kokain-Adrenalin-Lösung und löste<br />

die Schleimhaut auf beiden Seiten vom Knorpel und<br />

entwickelte die Technik der submukösen Septumresektion.<br />

Das Prinzip war eine großflächige Resektion<br />

des Septumknorpels unter Belassung einer dorsalen<br />

und kaudalen Restspange. Vom knöchernen Septum,<br />

also von der Lamina perpendicularis des Os ethmoidale<br />

und vom Vomer, wurden die Anteile entfernt, denen<br />

eine Beeinträchitigung der Nasenatmung zuerkannt<br />

wurde.<br />

Das Prinzip der submukösen Resektion wurde<br />

aufgegeben, weil das zu großzügige Opfern von<br />

gesundem Knorpel aus dem vorderen Septum zu<br />

prinzipiellen Spätfolgen führte. Die Zerstörung der<br />

Stützfunktion des Septums zwischen Rhinion (key<br />

stone area) und Spina nasalis anterior führte oft zum<br />

Einsinken des knorpeligen Nasenrückens und der<br />

Columella mit den funktionellen und ästhetischen<br />

Problemen der Sattelnase und der „hidden colu–<br />

mella“. Generell neigt die Schleimhaut ohne knorpe–<br />

lige Stützfunktion des Septumknorpels zur Atrophie<br />

und Austrocknung. Obwohl die Septumblätter median<br />

stehen und die Nase weit erscheint, bleibt das<br />

sub jektive Gefühl der behinderten Nasenatmung<br />

durch die Rhinitis sicca. Dazu kommt das Problem des<br />

„Septumflatterns“ bei forcierter Atmung und Phonation<br />

und die Gefahr einer Perforation.<br />

Maurice Cottle (1948) schuf mit einer auf maximalen<br />

Knorpelerhalt orientierten Operation eine Alternative<br />

zur Septumoperation nach Killian, die der<br />

statischen Funktion des Septumknorpels besser entsprach.<br />

Nach Darstellen der Septumvorderkante wird<br />

das Mukoperchondrium in Form eines oberen Tunnels<br />

links und unterer Tunnel beidseits unterminiert.<br />

Die Schleimhaut wird auf der rechten Seite des Sep -<br />

tumknorpels nicht ausgelöst. Das ermöglicht eine<br />

gute Mobilisierung des Septums. Die klassische Operation<br />

nach Cottle wurde inzwischen ständig modifiziert.<br />

Im Sprachgebrach ist heute der Begriff Septumplastik<br />

nach Cottle jedoch mehr Synonym für eine<br />

knorpelerhaltende Septumchirurgie, denn die klas -<br />

sische Operation des „The Maxilla-Premaxilla. Approach<br />

to Extensive Nasal Septum Surgery“ wird<br />

heute weder damit gemeint noch ausgeführt.<br />

_2. Funktionelle Anatomie des<br />

Septum nasi und medialen Nasenwand<br />

Das Septum nasi ist nur ein flächenmäßig kleiner<br />

Teil einer komplexen anatomischen Struktur. Aus klinischer<br />

Sicht erscheint es besser, von der medialen<br />

Nasenwand (Abb. 3) zu sprechen. Genau wie die la -<br />

Abb. 1 Abb. 2<br />

terale Nasenwand besteht die mediale Nasenwand<br />

aus einem anatomischen Gefüge verschiedener knöcherner<br />

und knorpeliger Strukturen: der Lamina perpendicularis<br />

des Os ethmoidale, dem Vomer, der<br />

Spina nasalis posterior, der Sutura palatina transversa,<br />

der Maxilla mit der Spina nasalis anterior, dem<br />

Os incisivum, der kranialen Kante der Apertura piriformis<br />

nasalis anterior und dem Cartilago quadran -<br />

gularis. Innerhalb dieser Elemente kommt es zu Relativbewegungen<br />

und Verschiebungen. Das Septum<br />

nasi dient zudem der Aufhängung der Seitenknorpel<br />

und gewährleistet die feste Verbindung der knorpeligen<br />

Nase mit dem Gesichtsschädel.<br />

Die sogenannte Septumplastik ist eine anspruchsvolle,<br />

letztlich plastische Operation, die ein<br />

echtes Feeling für den Erhalt und die Umorientierung<br />

von Gewebe erfordert. Darüber hinaus ist eine erfolgreiche<br />

Korrektur von Achsenfehlstellungen der<br />

Nase ohne das Nutzen aller Möglichkeiten der Chi -<br />

rurgie der medialen Nasenwand unmöglich. „Where<br />

the septum goes there goes the nose“, fasste Gustave<br />

Aufricht sehr treffend zusammen. Sicher können mit<br />

der Septumoperation allein nicht alle Fehlstellungen<br />

Abb. 3<br />

Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />

Abb.1_Arthur Hartmann<br />

(1849–1931)<br />

Er galt als begnadeter Operateur und<br />

übernahm 1902 als „dirigierender<br />

Arzt“ die erste städtische HNO-Abteilung<br />

in Berlin, entwickelte z.B. das<br />

Hartmann-Zängelchen und das nach<br />

ihm benannte Reformbrot. Er stellte<br />

die Baumwollfabrik des Vaters nach<br />

seiner freiwilligen Teilnahme am<br />

deutsch-französischen Krieg<br />

1870/71 auf die Produktion von Verbandsstoffen<br />

um. Noch heute ist die<br />

Paul Hartmann AG ein wichtiger Produzent<br />

von Verbandsstoffen.<br />

Abb. 2_Gustav Killian (1860–1921)<br />

Sein Hauptarbeitsgebiet war die<br />

Endoskopie in der HNO. Er ist der<br />

Begründer der Bronchoskopie und<br />

Schwebelaryngoskopie. Dafür wurde<br />

er für den Nobelpreis vorgeschlagen,<br />

starb aber zuvor an den Folgen einer<br />

Bauchoperation.<br />

Maurice H. Cottle (1896–1981)<br />

Cottle wurde in England geboren und<br />

kam 1913 mit einem Auswandererschiff<br />

nach New York. Zunächst erteilte<br />

er dort Musik- und Mathematikunterrricht.<br />

Nach seinem <strong>Medizin</strong> -<br />

studium ging er nach Chicago und<br />

widmete sich mit Hingabe der Rhinologie,<br />

entwickelte die damals revolutionäre<br />

Technik der Nasenchirurgie<br />

und zahlreiche Instrumente.<br />

Abb. 3_Grafische Darstellung der<br />

knorpelig-knöchernen Struktur der<br />

medialen Nasenwand im Gesichtsschädel:<br />

blau/hellblau – C. quadrangularis,<br />

gelb – Vomer, violett – L. perpendicularis.<br />

Die Pfeile zeigen die<br />

Vektoren der häufigsten „tektonischen<br />

Verschiebungen“.<br />

I71


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 4_Die häufigsten Typen der Deviation<br />

des C. quadrangularis :<br />

Wenngleich eine Vielzahl von Fehlstellungen<br />

der Nasenscheidewand<br />

möglich sind, so begegnen uns vereinfacht<br />

drei Typen am häufigsten.<br />

a) Das Septum ist in dorso-basaler<br />

Richtung zu lang. Als Überschuss -<br />

bildung mit einer Hyperplasie des<br />

Dreiecks-, oft auch des Flügel -<br />

knorpels, findet sich diese Situation<br />

oft bei überprojizierten und funktionellen<br />

Spannungsnasen.<br />

b) Die Verbindung zwischen dem<br />

Vomer und dem basalen Septumknorpel<br />

ist phylogenetisch eine Zone<br />

„tektonischer Unruhe“. Ursprünglich<br />

war sie als Artikulation angelegt. Bereits<br />

geringes Wachstum bzw. Vorwärtsbewegungen<br />

des Vomer, meist<br />

in der Pubertät, führen wegen seiner<br />

Keilform unter dem Septumknorpel<br />

zur Anhebung des knorpeligen Nasenrückens<br />

oder zu den charakteristischen<br />

Vomerleisten, die von kaudalventral<br />

nach kranial-dorsal aufsteigen.<br />

Vor der Pubertät finden sich die<br />

typischen Devitionen nur sehr selten.<br />

c) Das Septum ist in kranio-kaudaler<br />

Richtung zu lang. Diese Situation findet<br />

sich oft bei Subluxationen oder<br />

Achsenfehlstellungen (z.B. bei knorpeligen<br />

Schiefnasen) und geht mit<br />

zwei obstruktiven Engstellen der<br />

Nasenatmung einher.<br />

Pfeile: Doppelstenose durch Ab -<br />

lenkung des Septums in beide<br />

Richtungen.<br />

Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c<br />

beherrscht werden, aber ohne sie geht gar nichts.<br />

Das gilt in gleicher Weise für die funktionelle Spannungsnase,<br />

die Rekonstruktion von Sattelnasen<br />

und die Korrektur knorpeliger Schiefnasen. Hier ist<br />

der gezielte Abbau von Spannungen oder der stabile<br />

Aufbau des Septums der Schlüssel zum Erfolg der<br />

Operation.<br />

_3. Prä- und intraoperative Analyse<br />

Wichtig ist eine funktionelle und morphologische<br />

Analyse, auf der ein individuelles chirurgisches Konzept<br />

aufgebaut wird. Da die Variationsbreite der<br />

Deviationen groß ist (Abb. 4 und 5) – müssen auch<br />

verschiedene Operationstechniken zur Anwendung<br />

kommen, nicht eine uniforme Septumplastik. Je weniger<br />

Trauma, desto weniger Probleme in der Wundheilung<br />

und Risiken eines Desasters. Deshalb ist der<br />

Umorientierung und dem „Trimmen“ deviierter Anteile<br />

immer der Vorzug vor einer Austausch- oder externen<br />

Septumplastik zu geben.<br />

Funktionsdiagnostik<br />

Hier hat sich die hochauflösende Computerrhinomanometrie<br />

mit Abschwelltest nach Vogt bewährt.<br />

Sie misst den narinochoanalen Flow (ccm/sec) und<br />

ermöglicht eine Differenzierung zwischen anatomischen<br />

Fehlstellungen und Schleimhautschwellungen.<br />

Endoskopie<br />

Die präoperative Nasenendoskopie vom Naseneingang<br />

bis zur Choane ist die beste Möglichkeit<br />

der Analyse anatomischer Probleme. Funktionelle<br />

Störungen, wie<br />

zum Beispiel Aspirationsphänomene<br />

der<br />

Flügelknorpel oder Stenosen<br />

der Nasenklappe,<br />

können bei der Atmung be ur -<br />

teilt werden können.<br />

Bob Brown, Chicago<br />

Palpation<br />

Die äußere und innere Palpation des Nasenseptums<br />

geben einige Informationen zur Spannung<br />

bzw. „Verspannung“ des Septums und zur Elastizität<br />

und Dicke des Knorpels. Dazu gehören z.B. die Prüfung<br />

der Protektion durch Fingerdruck auf die<br />

Nasenspitze, die Prüfung des Widerstandes im vor -<br />

deren Septumwinkel (Supratip-point), die Prüfung<br />

auf Luxation des Septums durch Kranialbewegung<br />

der Spitze.<br />

Intraoperative Endoskopie<br />

Nach Anlegen der Schleimhauttunnel sollten<br />

diese mit dem Endoskop abgefahren werden. Es zeigen<br />

sich die anatomischen „Druckstellen“ und „tektonischen<br />

Aufwerfungen“ und die konkreten Gren -<br />

zen zwischen den anatomischen Bausteinen (Abb. 6).<br />

Dynamics of Septoplasty<br />

Es hat sich gezeigt, dass in Analogie des Begriffs<br />

der dynamics of Rhinoplasty von M. E. Tardy dieses<br />

Prinzip auch für die Septumplastik sinnvoll ist. Tatsächlich<br />

bleibt trotz sorgfältiger präoperativer Analyse<br />

offen, welche Auswirkungen z.B. eine basale<br />

Septumkürzung um einen Streifen von 3mm hat. Die<br />

Tragfähigkeit des entspannten Knorpels kann nur<br />

Abb. 5_CT-Bild koronar und axial:<br />

Sichtbar ist die Zone der „tektonischen<br />

Aufrichtung“ eines Septum -<br />

sporns zwischen Os ethmoidale und<br />

C. quadrangularis.<br />

Abb. 6_Blick mit der 0°-Optik, 3mm<br />

KARL STORZ, Tuttlingen, in einen<br />

linken oberen Schleimhauttunnel mit<br />

dem „Scheitelpunkt“ der Deviation<br />

vor dem Übergang knorpelig/<br />

knöchernes „Septum“.<br />

Abb. 5 Abb. 6<br />

72 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 7a–b_Schematische Dar -<br />

stellung des Prinzips der swinging<br />

Abb. 7a<br />

Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />

Abb. 7b<br />

Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />

double door in zwei Ebenen: a) vordere<br />

Tür, b) hintere Tür. Der vertikale<br />

Schnitt durch den Septumknorpel<br />

belässt die Verbindung zur K-stone<br />

area. Ebenso bleibt die kraniale<br />

L. perpendicularis erhalten.<br />

intraoperativ beurteilt werden. Daher sollte die Auswirkung<br />

jedes Operationsschrittes auf die Nase geprüft<br />

und danach, davon abhängig, der nächste geplant<br />

werden.<br />

_4. Die swinging double door-Technik<br />

Pathogenese<br />

Für Deviationen des Septum nasi können zwei<br />

unterschiedliche Pathomechanismen angenommen<br />

werden (Abb. 7a–b).<br />

a) Extrinsische Faktoren<br />

Die Nasenscheidewand besteht aus einem ana -<br />

tomischen Gefüge von Knorpel und Knochen. Diese<br />

spannen für den Septumknorpel einen Rahmen. Verschiebungen<br />

und Verspannungen dieses knöchernen<br />

Rahmens verformen und verspannen auch den Sep -<br />

tumknorpel. Es ist auffällig, dass die Inzidenz typischer<br />

Sep tumdeviationen im Kleinkindesalter gering ist. In<br />

der Pubertät kommt es zu „tektonischen Umbrüchen“<br />

und Verschiebungen besonders der am Aufbau des<br />

Septums beteiligten Knochen zueinander und erst danach<br />

werden Deviationen des knorpeligen und knöchernen<br />

Septums zu einem häufigen Befund. Der<br />

pflugscharförmige Vomer wird in dieser Phase nach<br />

vorn gedrängt und führt zu verschiedenen typischen<br />

„Verwerfungen“.<br />

b) Intrinsische Faktoren<br />

Dabei liegt die Ursache einer meist knorpeligen Deviation<br />

in einer Verbiegung, Torquierung oder Verspannung<br />

des Septumknorpels. Im einfachsten Fall<br />

ist der Knorpel einfach in dorso-basaler oder kraniokaudaler<br />

Richtung zu lang.<br />

c) Operationstechnik<br />

Der Zugang erfolgt über einen Hemitransfixionsschnitt<br />

oder Intermediärschnitt. Bei vorderen Deviationen<br />

erfolgt das Kürzen des basalen Septumknorpels<br />

und ggf. das Abtragen knöcherner Leisten. Anschließend<br />

wird etwa 3mm vor der Vorderkante der L. perpendicularis<br />

der Septumknorpel stumpf in vertikaler<br />

Richtung durchtrennt. Die Endoskopie des hinteren<br />

Abb. 8<br />

Abb. 8_Veränderung der Knorpelspannung<br />

mit der Knorpelquetschzange.<br />

Abb. 9_Reimplantation extern<br />

begradigter Anteile der medialen<br />

Nasenwand.<br />

Abb. 10_Situation bei der endo s -<br />

kopischen Operation der medialen<br />

Nasenwand.<br />

Abb. 9 Abb. 10 www.vincentmosch.de<br />

I73


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 11<br />

Abb. 11_Zugänge, 1 – Hemitransfixionsschnitt,<br />

2 – Hinterer Hemitransfixionsschnitt,<br />

endoskopisch,<br />

3 – Horizontale Inzision bei Bodenleisten,<br />

4 – Intermediärschnitt.<br />

Tunnels entscheidet über das weitere Vorgehen. Die<br />

swinging door wird zur rechten Seite geschlagen und<br />

das „knöcherne Septum“ dargestellt. In der Regel wird<br />

der Vomer und die kaudale Hälfte der Lamina perpendicularis<br />

durch horizontale Einschnitte durchtrennt,<br />

mobilisiert, neuorientiert oder ganz oder teilweise<br />

entnommen, extern begradigt und reimplantiert. Das<br />

Vorgehen zielt auf die Trennung von extrinsischen und<br />

intrinsischen Ursachen einer Deviation, um beide separat<br />

adäquat zu behandeln.<br />

_5. Tipps und Tricks<br />

Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />

Obere Passage<br />

Bei Deviationen des basalen Septumknorpels empfiehlt<br />

sich eine sogenannte „obere Passage“. Dabei erfolgt<br />

die Ablösung des Mukoperichondriums oberhalb<br />

des basalen Septums, immer bevorzugt auf der konkaven<br />

Seite der Deviation.<br />

Hinterer Einstieg<br />

Von der oberen Passage aus kann das Mukoperichondrium<br />

von posterior nach anterior unterminiert<br />

werden, was wesentlich einfacher gelingt.<br />

Basale Streifenresektion<br />

Die Resektion eines schmalen Knorpelstreifens in<br />

horizontaler Richtung geschieht aus zwei Gründen:<br />

– Mobilisierung des Septumknorpels im Rahmen des<br />

Zugangs<br />

– Beurteilung der intrinsischen Biegungseigenschaften<br />

des Septumknorpels.<br />

Bei moderaten Deviationen lässt sich durch eine<br />

Lösung des anatomischen Gefüges aus Vomer, Lamina<br />

perpendicularis und Cartilago quadrangularis<br />

und Kürzungen z.B. des basalen Septums schon eine<br />

spannungsfreie Medianpositionierung des Septums<br />

erreichen.<br />

Achtung: Immer das „hintere Septum“ beurteilen,<br />

am besten endoskopisch. Es ist oft der Ort der nasalen<br />

Obstruktion. Grate und Sporne können einfach entfernt<br />

werden. Flachbogige Deviationen des Sep -<br />

tumknorpels sind weitaus schwieriger zu behandeln,<br />

denn sie erfordern eine Umorientierung der intrin -<br />

sischen Knorpelorientierung. Dazu dient das sogenannte<br />

Trimmen.<br />

Trimmen<br />

Darunter wird eine Umorientierung der Spannung<br />

des Septumknorpels durch gezielte Maßnahmen<br />

verstanden. Dazu kann der Knorpel gekürzt, geritzt,<br />

gequetscht, komplett inzidiert oder durch<br />

„cross hatching“ bearbeitet werden. Leider erfüllt<br />

sich die Vorstellung selten, dass ein deviierter Knor -<br />

pel durch inkomplette Inzisionen auf der konkaven<br />

Seite dauerhaft aufgerichtet werden kann. Narbige<br />

Kontrakturen lenken den Knorpel erneut auf die<br />

deviierte Seite aus. Mit durchgreifenden Trimmnähten<br />

kann in der postoperativen Heilungsphase die -<br />

ser Tendenz entgegengewirkt werden. Die Ritzungen<br />

führen zudem zu einer Schwächung der Statik<br />

des Knorpels. Vereinfacht gesagt, ist operativ bear -<br />

beiteter Knorpel durch Ritzungen weniger tragfähig.<br />

Effektiv und mit langfristigem Effekt sind vertikale<br />

Durchtrennungen des deviierten Knorpels an den<br />

„Scheitelpunkten“ der Deviation. Die fragmentierten<br />

Knorpelplatten können dann spannungsfrei neue<br />

median ausgerichtet werden.<br />

Boomerang<br />

Bei hochgradigen Deviationen, insbesondere<br />

mit Vernarbungen nach Voroperationen, Traumata,<br />

Knorpelfrakturen, Hämatomen oder Brüchen oder bei<br />

Knorpel-Defekten des Septumknorpels mit erhaltener<br />

Septumvorderkante sollte eine möglichst breite boomerangförmige<br />

Knorpelspange erhalten werden.<br />

Knorpeltransplantate<br />

Unterschiede bestehen in den statischen und elastischen<br />

Eigenschaften. Ohrknorpel fasert viel schneller<br />

aus. Septumknorpel sollte nie gecrasht werden,<br />

weil dadurch ein Brei mit unkalkulierbaren Eigenschaften<br />

in der Wundheilungsphase entsteht, der zudem<br />

meist völlig oder teilweise resorbiert wird. Die dosierte<br />

Kompression des Knorpels mit der Knorpelquetschzange<br />

KARL STORZ erlaubt eine differenzierte,<br />

dosierte Veränderung der Knorpelausrichtung. Sep -<br />

tumknorpel ist hierfür besonders geeignet (Abb. 8). Es<br />

werden Knorpeltransplantate erster bis dritter Wahl<br />

unterschieden: (1. Wahl – Septumknorpel, 2. Wahl –<br />

Conchaknorpel, 3. Wahl – Rippenknorpel).<br />

Austauschplastik<br />

Die Indikation zur Austauschplastik besteht bei<br />

schweren Deformierungen des vorderen Septums,<br />

Knorpeldefekten, einer fehlenden Protektion der Na-<br />

74 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

senspitze, Einsattelungen der Supratip-Region meist<br />

nach Trauma, Voroperationen, Rhinitis sicca. Der Zugang<br />

erfolgt über den Hemitransfixionsschnitt. Es erfolgt<br />

die vollständige Ablösung des Mukoperichondriums<br />

durch Bilden zweier oberer und unterer Tunnel.<br />

Dabei wird der Septumknorpel und der knöcherne Vomer<br />

und die Lamina perpendicularis dargestellt. Im<br />

Prinzip wird der vordere Knorpel durch Anteile des<br />

hinteren Septumknorpels aus getauscht. Ist nicht genügend<br />

hinterer Septumknorpel vorhanden, so wird<br />

Knorpel aus den Cavum conchae oder dem Tragus oder,<br />

was seltener notwendig, aus der Rippe entnommen.<br />

Extrakorporale Septumkorrektur<br />

Dieses Verfahren nach Gubisch ist bei „schwierigen<br />

Septen“, z.B. bei Voroperationen mit ausgedehnten<br />

Knorpeldefekten und Verbiegungen des Restseptums<br />

oft in Kombination mit äußeren Fehlstellungen indiziert.<br />

Knorpelige und knöcherne Anteile der medialen<br />

Nasenwand werden entnommen und extern begradigt<br />

und z.B. unter Verwendung von Speadergrafts<br />

zu einem Neoseptum aufgebaut, an welchem auch<br />

die Dreiecksknorpel befestigt werden (Abb. 9).<br />

Foliengeschiente Septumrekonstruktion<br />

Ein mosaikförmiger Aufbau des Septums ist durch<br />

Aufnähen einzelner Fragmente auf einem PDS-Gitter<br />

sinnvoll, die Methode hat sich bewährt und wurde<br />

von Boenisch beschrieben. Eine Verkleinerung der<br />

Menge des zu resorbierben Materials ist sinnvoll.<br />

_6. Die endoskopische Operation der<br />

medialen Nasenwand<br />

Die endoskopische Septumplastik erfolgte anfänglich<br />

nur als flankierende Maßnahme im Rahmen<br />

einer endoskopischen Operation des Siebbeins bzw.<br />

der Nasennebenhöhlen. Die Vorteile bei der intraoperativen<br />

Analyse, Befunddarstellung und Präparation<br />

haben sie zu einer Technik auf dem Vormarsch gemacht<br />

(Abb. 10). Insbesondere bei Nutzung einer Vi -<br />

deokette entstehen völlig neue Welten einer befundorientierten<br />

Mikrochirurgie.<br />

Dabei können die in Abbildung 11 gezeigten Zugänge<br />

genutzt oder eine Kombination mit dem gewohnten<br />

Hemitransfixionsschnitt verwendet werden.<br />

Es kann heute zwischen der endoskopischen Septumplastik<br />

über einen Hemitransfixionsschnitt und der<br />

flankierenden Septumplastik über spezielle Zugänge<br />

unterschieden werden.<br />

Schleimhautinzisionen<br />

a) Posteriorer endoskopischer Hemitransfixionsschnitt<br />

– Die Technik der posterioren Hemitransfixion ist<br />

die einfachste und meist verwendete Technik<br />

(siehe Abb. 11).<br />

Umschriebene Leisten- oder Spornbildungen<br />

können mit einer minimalinvasiven endoskopischen<br />

Operationstechnik abgetragen werden. Die selektive<br />

Abtragung von Leisten- oder Spornbildungen im<br />

Bereich des Septumknorpels oder der Lamina per -<br />

pendicularis erfolgt über verschiedene Inzisionen der<br />

Mukosa auf der deviierten Seite. Mit für die endosko -<br />

pische Chi rurgie der medialen Nasenwand geschaffenen<br />

speziellen Dissektoren nach Behrbohm wird das<br />

Mukoperichondrium auf beiden Seiten des Knorpels<br />

bzw. der Lamina perpendicularis und des Vomer gelöst<br />

und abgeschoben.<br />

Achtung: Schleimhautverletzungen, auch kleine<br />

korrespondierende Inzisionen sind an dieser Stelle<br />

Abb. 12a_Anlegen des oberen<br />

Tunnels rechts nach Hemitrans -<br />

fixionsschnitt.<br />

Abb. 12b_Einstieg für die endoskopische<br />

Operation über den Hemitransfixionschnitt.<br />

Abb. 13a–b_Endoskopische Dar -<br />

stellung und Abtragung einer horizontalen<br />

Bodenleiste.<br />

Abb. 12a<br />

Abb. 13a<br />

Abb. 12b<br />

Abb. 13b<br />

I75


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

c) Intermediärschnitt<br />

– Diese Inzision ermöglicht eine intermediäre<br />

Vereinigung beider oben genannter Schnittführungen<br />

und die simultane Entfernung z.B.<br />

eines hinteren Septumsporns und einer basalen<br />

Leiste.<br />

Abb. 14<br />

Abb. 14_Schematische Darstellung<br />

der flankierenden endoskopischen<br />

„Septum-Operation“.<br />

Abb. 15_Anatomische Interaktion<br />

von Nasenscheidewand und Flügel-<br />

Dreiecksknorpel in einer schematischen<br />

Ansicht der Nasenbasis.<br />

Abb. 15<br />

Dr. med. Katja Dalkowski, Buckenhof<br />

Bob Brown, Chicago<br />

kaum reparabel. Das erfordert eine sehr genaue und<br />

atraumatische Präparation in der richtigen Schicht.<br />

Die deviierten Anteile werden dann mit der Septumschere<br />

basal und dorsal umschnitten und entnommen.<br />

Das entnommene Fragment wird entgratet und<br />

mit der Knorpelquetschzange begradigt und reimplantiert.<br />

Die Schleimhaut wird möglichst genau<br />

adaptiert.<br />

b) Horizontale Inzision parallel zum Nasenboden<br />

– Diese Inzision ist bei basalen Leisten, meist verursacht<br />

durch einen überlangen basal nach lateral<br />

ausweichenden vorderen Septumknorpel<br />

bzw. den Vomer oder eine promonente Prämaxilla<br />

indiziert. Mit der 15er-Klinge erfolgt die<br />

Inzision des Mukoperichondrium cephal der<br />

Leiste. Der Schleimhautlappen wird von dorsal<br />

nach basal abgelöst und bleibt unbedingt basal<br />

bestielt. Bei geschickter Führung des Hohlmeißels<br />

kann die Abtragung der Leiste mit Hammer<br />

und Meißel erfolgen, ohne eine Perforation der<br />

Schleimhaut der Gegenseite zu riskieren.<br />

d) Hemitransfixionsschnitt und endoskopische Präparation<br />

Nach eigenen Erfahrungen erleichtert das Anlegen<br />

zweier oberer und unterer Tunnel die kombinierte<br />

Operationstechnik mit dem Zugang über einen Hemitransfixionsschnitt<br />

mit anschließender endoskopischer<br />

Analyse und Präparation. Am Ende der Opera -<br />

tion erfolgt die Fixierung der Schleimhautblätter mit<br />

durchgreifenden Matratzennähten, um kein erhöhtes<br />

Risiko von Septumhämatomen in Kauf nehmen zu<br />

müssen (Abb. 12–13).<br />

Die endoskopische Septumoperation bietet mehrere<br />

Vorteile:<br />

– exakte Analyse von Pathogenese und Morphologie<br />

der Deviation<br />

– optisch gestützte Präparation in jeder Phase der<br />

Operation<br />

– bessere Übersicht in den hinteren Schleimhaut -<br />

tunneln<br />

– Minimierung des Operationstraumas<br />

– Vergrößerungseffekt bei konstanter Tiefenschärfe<br />

– endoskopische Präparation.<br />

_7. Zusammenfassung<br />

Für die chirurgische Begradigung der medialen<br />

Nasenwand ist ein Konzept sinnvoll, welches der<br />

Dynamik extrinsischer und intrinsischer Faktoren des<br />

antomischen Gefüges entspricht und über einen vorderen<br />

und hinteren Einstieg eine Korrektur in alle Anteile<br />

gewährleistet. Feinheiten in der Pathogenese<br />

lassen sich am besten endokopisch analysieren. Aus<br />

eigenen Erfahrungen stellt die endoskopische biostatische<br />

Chirurgie der medialen Nasenwand eine geeignete<br />

Alternative zu den bisherigen Ver fahren dar._<br />

_Literaturliste<br />

face<br />

Behrbohm H, Tardy, M E:<br />

Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase,<br />

Thieme 2003, 244 Seiten<br />

Behrbohm H, Hildebrand T, Kaschke O:<br />

Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase,<br />

Endopress Tuttlingen, 2000, 94 Seiten<br />

Hildebrandt T, Behrbohm H:<br />

Functional esthetic surgery of the nose.<br />

The influence of the Septum on the aesthetics of<br />

the nasal tip. Mediaservice, Karl Storz, 2000,<br />

multimediale DVD<br />

76 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Der schwierige<br />

Aufstieg zum K2<br />

Intracavitäre Minimalinvasive Chirurgie der Nasennebenhöhlen – ICMIC<br />

Die ICMIC ist eine Variante der Biostatischen Chirurgie. Es wird über neue Möglichkeiten der endoskopischen Chirurgie der<br />

Stirn- und Kieferhöhle sowie in der Traumatologie des Mittelgesichtes berichtet.<br />

_Nachdem die Frage der Lokalisation und Dimensionierung<br />

optimaler Zugänge zu den einzelnen Sinus<br />

als geklärt gelten kann, besteht ein weiteres Ziel darin,<br />

möglichst viele Probleme innerhalb der Kavitäten<br />

auch über diese Wege zu lösen. Eine besondere Herausforderung<br />

sind dabei z.B. weit in die Stirnhöhle ragende<br />

K2-K4-Zellen und Bullae frontalis. Aber auch in<br />

der Traumatologie von Mittelgesichtsfrakturen ergeben<br />

sich neue Optionen.<br />

Die intrakavitäre minimal-invasive Chirurgie der Nasennebenhöhlen<br />

(ICMIS – intracavital minimal invasive<br />

sinus surgery) basiert auf der Philosophie der biostatischen<br />

Siebbeinchirurgie. Einerseits sollen durch<br />

Bewahrung des individuellen Architekturprinzips des<br />

Siebbeins Schrumpfungsphänomene des Siebbeins<br />

vermieden, anderseits aber möglichst alle pathogenetischen<br />

Zellvarianten bei der Erweiterung der Ventilations-<br />

und Drainagewege erfasst werden.<br />

_Sinus frontalis<br />

Die endonasalen Operationen der Stirnhöhle sind für<br />

jeden Rhinochirurgen immer wieder eine Herausforderung,<br />

weil der Zugang zur Stirnhöhle durch eine<br />

sehr variantenreiche Anatomie führt.<br />

Während Lang (1988) noch einen Ductus frontalis<br />

(länger als 3mm) von einem Ostium frontale unterscheidet,<br />

ist dieser Begriff in der verbindlichen anatomischen<br />

Terminologie und Nomenklatur für die Nasennebenhöhlen<br />

(Stammberger et al. 1988) fallen gelassen<br />

worden. Es handelt sich dabei nicht um einen<br />

eigentlichen Gang mit knöchernen Wänden, sondern<br />

vielmehr um einen recht variablen Spaltraum zwischen<br />

den zellulären Strukturen des vorderen Siebbeins.<br />

Abb. 1_ Die K2-K4-Zellen sind der „Gipfel des Agger nasi“. Ihn zu<br />

erobern ist unverzichtbar, um eine definitive Drainage der Stirnhöhle<br />

zu gewinnen.<br />

I77


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 2_ Pathogenetische<br />

Zellformationen bei entzündlichen<br />

Erkrankungen der Stirnhöhle:<br />

grün – K3-Zelle<br />

blau – K4-Zelle<br />

gelb – Septum interfrontale-Zelle<br />

violett – Bulla frontalis.<br />

1. Cellulae frontoethmoidalis (Aggerzellen)<br />

Die Zellen des Agger nasi wurden von Bent et al.<br />

(1994) und Wormold (2003) unterteilt. Heute hat<br />

sich eine Klassifikation nach Kuhn (1996) klinisch<br />

bewährt. Dabei werden vier Typen, K1–K4, unterschieden<br />

(Abb. 2):<br />

_ Typ 1-Zelle: eine Zelle im Recessus frontalis oberhalb<br />

des Agger nasi<br />

_ Typ 2-Zelle: zwei oder mehrere Zellen im Recessus<br />

frontalis oberhalb des Agger nasi<br />

_ Typ 3-Zelle: eine stark pneumatisierte Zelle oberhalb<br />

des Agger nasi, die in den Boden der Stirnhöhle<br />

reicht<br />

_ Typ 4-Zelle: eine isolierte Zelle im Sinus frontalis<br />

2. Bulla oder Cellulae frontalis<br />

Diese Zellen gehen von der Hinterwand des Sinus<br />

frontalis aus und engen von hier entweder den Recessus<br />

oder auch das Infundibulum frontale ein.<br />

Abb. 3a_ K1-Zelle (links) und<br />

K2-Zellen (rechts).<br />

Abb. 3b_ K3-Zelle (links) und<br />

K4-Zelle (rechts).<br />

Abb. 3c_ Supraorbitale Zelle und<br />

Bulla frontalis.<br />

_Begriffsbestimmung<br />

Der Recessus frontalis verläuft in sagittaler Richtung<br />

in einem Winkel von circa 110° zur Horizontalen<br />

und mündet meist nicht direkt in das Infundibulum<br />

ethmoidale. Die dorsale Begrenzung des Recessus<br />

frontalis bildet dann die Vorderwand der Bulla<br />

ethmoidalis, wenn diese gut pneumatisiert ist und<br />

mit der Bullalamelle bis zur Schädelbasis reicht. Die<br />

mediale Begrenzung verkörpert die laterale Lamella<br />

der mittleren Nasenmuschel, die laterale Wand wird<br />

von der Lamina papyracea geformt, und die Begrenzung<br />

nach anterior bildet der Agger nasi.<br />

Der Recessus kann durch eine Vielzahl anatomischer<br />

zellulärer Varianten eingeengt werden:<br />

3. Infundibularzellen<br />

Suprabullöse Zellen des vorderen Siebbeins können<br />

das Infundibulum von dorsal her einengen.<br />

Seltener sind supraorbitale Zellen und Zellen des<br />

Septum interfrontale.<br />

Die genannten zellulären Strukturen können weit<br />

nach kranial reichen und entweder eine zweite oder<br />

die eigentliche Engstelle im Drainagesystem der<br />

Stirnhöhle darstellen. Unter unseren Patienten mit<br />

akuten, chronisch-rezidivierenden oder chronischen<br />

frontalen Rhinosinusitiden fanden sich bei<br />

über 60 % eine oder mehrere der oben genannten<br />

Zellformationen. May et al. (1998) fanden bei 63 %<br />

aller Patienten mit einer chronisch-rezidivierenden<br />

frontalen Rhinosinusitis eine Bulla frontalis. Die klinische<br />

Bedeutung der K-Zellen, der Bulla frontalis<br />

und anderer intrakavitären Zellen des Sinus frontalis<br />

wird besonders bei den Patienten mit entzündlichen<br />

Exazerbationen nach endonasalen Stirnhöhlenoperationen<br />

deutlich, wo sie in hoher Frequenz<br />

bei der Voroperation entweder unvollständig oder<br />

Abb. 3a Abb. 3b Abb. 3c<br />

78 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 4_ K4-Zelle in der rechten<br />

Stirnhöhe bei akuter entzündlicher<br />

Exazerbation mit Empyem.<br />

Abb. 5_ Abtragung einer K-4-Zelle<br />

mit einem Giraffenhals-Dissektor.<br />

Abb. 4<br />

Abb. 5<br />

gar nicht entfernt wurden und eine entzündliche<br />

Erkrankung aufrechterhalten (Abb. 4).<br />

Daraus ergab sich der Wunsch, geeignete Instrumente<br />

zu entwickeln, um frontale Zellen intrakavitär<br />

abzutragen (Abb. 5). Folgende Anforderungen<br />

sollten erfüllt werden: Die Instrumente mussten<br />

einen langen Hals besitzen und über einen speziellen<br />

Biegungswinkel mit einem geeigneten „Drehpunkt“<br />

weit in die Stirn- und auch die Kieferhöhle<br />

eindringen können. Zugleich sollten sie sehr filigran<br />

sein, um beispielsweise bei einem Zugang<br />

Draf 2a–2b eine intrakavitäre Präparation unter<br />

Sicht einer 45°-Optik zu ermöglichen. Die Arbeitsenden<br />

sollten eine Abtragung von dünnem Knochen<br />

durch ein scharfes Rundmesser, ein Elevatorium<br />

und Raspatorium ermöglichen. In intensiver<br />

Zusammenarbeit mit der Firma Karl Storz, Tuttlingen,<br />

wurden Prototypen entwickelt und klinisch<br />

erprobt. Sie werden in Kürze zur Verfügung stehen.<br />

Die postoperative Tendenz der Restenosierung des<br />

Zugangs zur Stirnhöhle ist ein bekanntes Problem.<br />

Die Ballondilatation bot hier eine nicht invasive<br />

Alternative zur Revisionsoperation (Abb. 5 und 6).<br />

Gegenwärtig werden Dilatations-Sonden klinisch<br />

erprobt, von denen ebenfalls eine effiziente Öffnung<br />

obstruierter Stirnhöhlenöffnungen erwartet<br />

wird. Die bisherigen Ergebnisse sind ermutigend.<br />

Die Dilatations-Sonden werden in vier Größen<br />

angeboten und mit zunehmendem Kaliber unter<br />

endoskopischer Kontrolle in die Stenose vorgeschoben.<br />

Das Verfahren wenden wir auch als „Dilatations-Infundibulotomie“<br />

an, um zum Beispiel die<br />

Kieferhöhle über das Ostium naturale zu endoskopieren<br />

(Abb. 10a bis 10c).<br />

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I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 6a<br />

Abb. 6b Abb. 6c Abb. 6d<br />

Abb. 6a–c_ Abtragung einer<br />

K2- und K4-Zelle mit den Giraffenhals-Dissektoren.<br />

Abb. 6d_ Mit dem Giraffenhals-<br />

Dissektor sind gezielte intrakavitäre<br />

Manipulationen in bisher endonasal<br />

nicht erreichbaren Regionen möglich.<br />

(Alle endoskopischen Bilder wurden<br />

mit einer 45°-Optik [4 mm], Karl Storz,<br />

Tuttlingen, aufgenommen.)<br />

Abb. 7_ „Neue Horizonte“ der endoskopischen<br />

intrakavitären Chirurgie:<br />

1 = Infundibulum frontale,<br />

2 = Stirnhöhlenhinterwand,<br />

3 = dorsale Kieferhöhlenwand,<br />

4 = laterale Kieferhöhlenwand,<br />

5 = Orbitaboden,<br />

6 = Recessus alveolaris.<br />

_ über ein supraturbinales Fenster,<br />

_ über ein infraturbinales Fenster und<br />

_ über die Fossa canina.<br />

Wegen der zunehmenden Frequenz von Zahnimplantaten<br />

wurden mit dem Sinuslift weitere Wege in<br />

das knöcherne Cavum maxillae entwickelt, die das<br />

Ziel haben, ein alloplastisches oder autologes Material<br />

zum Aufbau des Oberkieferknochens in den Recessus<br />

alveolaris der Kieferhöhle einzubringen,<br />

ohne die Schleimhaut, die in der Zahnmedizin als<br />

Schneider’sche Membran bezeichnet wird, zu verletzen<br />

(Abb. 8). Septierungen („Underwood’sche<br />

Septen“) sind hier von besonderem Interesse, weil<br />

sie die möglichst atraumatische Anhebung der Kieferhöhlenschleimhaut<br />

erschweren und ein erhöhtes<br />

Risiko einer Schleimhautverletzung bergen.<br />

Auch bei Nutzung aller optischen Hilfsmittel hat der<br />

Sinus maxillaris optisch tote Winkel (Abb. 9). Nur unter<br />

Verwendung aller Zugänge und verschiedener<br />

Winkeloptiken kann diesem Problem begegnet werden.<br />

Abb. 7<br />

_Sinus maxillaris<br />

Für die Chirurgie des Sinus maxillaris stehen drei<br />

Zugänge zur Verfügung:<br />

_Zysten und Polypen<br />

Zysten und Polypen im Recessus alveolaris sind<br />

nicht immer einfach unter optischer Kontrolle zu<br />

entfernen und der häufigste Grund einer konsilarischen<br />

Vorstellung durch den Zahnarzt beim HNO-<br />

Arzt (Abb. 12).<br />

Abb. 8_ Raumforderungen im Recessus<br />

alveolaris: a = Schneider’sche<br />

Membran, b und c = Zugänge zum<br />

Sinuslift, d = Knochenersatzmaterial,<br />

e = Zyste, f = Infundibulum<br />

ethmoidale.<br />

Abb. 9_ Endoskopie des Cavum<br />

maxillae mit verschiedenen Winkeloptiken<br />

unter Berücksichtigung der<br />

optisch toten Winkel.<br />

Abb. 8<br />

Abb. 9<br />

80 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 10a Abb. 10b Abb. 10c<br />

Kieferhöhle<br />

Die Kieferhöhle ist bei Mittelgesichtsfrakturen<br />

häufig beteiligt. Mit der Entwicklung der neuen<br />

Giraffenhals-Dissektoren ergeben sich auch hier<br />

neue Möglichkeiten (Abb. 10). So können dislozierte<br />

Frakturen folgender Lokalisationen sicher<br />

endoskopisch, also optisch kontrolliert, reponiert<br />

werden:<br />

Abb. 10a–c_ Dilatation eines<br />

hochgradig obstruierten Stirnhöhlenostiums<br />

mit einer Dilatationssonde<br />

von einer Weite von 1 auf 6mm.<br />

Abb. 11a_ Schwerpunkte<br />

der endoskopischen Versorgung<br />

von Mittelgesichtsfrakturen mit<br />

Beteiligung der Kieferhöhle.<br />

Abb. 11b_ Blow-out –<br />

Fraktur der Kieferhöhle.<br />

_ Blow-out-Frakturen (Abb. 11)<br />

_ laterale Kieferhöhlenwand<br />

_ dorsale Kieferhöhlenwand.<br />

Die Reposition gelingt meist über ein supraturbinales<br />

Fenster. Die Fragmente werden mit einem<br />

Antralballon geschient.<br />

Abb. 11a<br />

Abb. 11b<br />

Hinteres Siebbein und Keilbeinhöhle<br />

Um das Trauma der Operation für den Nerven möglichst<br />

gering zu halten, bedarf es graziler Instrumente,<br />

welche die letzte Knochenlamelle schnell<br />

und effektiv vom N. opticus bzw. der Periorbita abheben<br />

können. Das gelingt mit den geraden Giraffen-Dissektoren,<br />

mit den Arbeitsenden-Rundmesser,<br />

Raspatorium und Elevatorium gut. Auch kann<br />

die essenzielle Durchtrennung der Bindegewebsfasern<br />

zur Orbita damit gut erfolgen._<br />

Literatur beim Verfasser.<br />

Besonders wenn ein Sinuslift im Vorfeld von Zahnimplantaten<br />

vorgesehen ist, erwartet der Zahnarzt<br />

einen klaren Therapiehinweis. Die Giraffenhals-<br />

Dissektoren können hierbei eine gute Hilfe sein.<br />

_Traumatologie<br />

Abb. 12_ Perforierender Fremdkörper,<br />

der die Schädelbasis genau<br />

zwischen dem Kanal der A. carotis<br />

und des N. opticus perforierte. Er<br />

konnte 55 Jahre nach der Verletzung<br />

entfernt werden.<br />

Abb. 13a_ Verletzung des Canalis<br />

opticus durch das Projektil eines<br />

Gewehrgeschosses links.<br />

Abb. 12<br />

Abb. 13a<br />

Abb. 13b<br />

Abb. 13b_ Situs nach Entfernung<br />

des Geschosses aus Abb.13a.<br />

I81


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Perforierende<br />

Gesichtsverletzungen<br />

_Perforierende Gesichtsverletzungenbegegnen dem<br />

Arzt immer wieder und stellen ihn vor recht spezielle<br />

diagnostische, therapeutische und nicht zuletzt forensische<br />

Probleme.<br />

Perforierende Verletzungen des Gesichts entstehen<br />

vor allem durch Fremdkörper, Druckwellen oder<br />

brennende Gase.<br />

_Explosion, Detonation und<br />

Verpuffung<br />

Die Gasexplosion ist ein Spezialfall einer Explosion,<br />

bei der sich ein explosives Gasgemisch entzündet und<br />

in kurzer Zeit abbrennt. Je nach der Temperatur, der<br />

Menge und des Druckes des Gases kommt es zur Explosion,<br />

Detonation oder Verpuffung. Wenn ein explosives<br />

Gasgemisch vorhanden ist, genügt bereits<br />

ein Funke, z.B. das Betätigen eines Lichtschalters, um<br />

es zu entzünden. Aus diesem Grunde wird das Erdgas<br />

heute in den Gaswerken mit einem Duftstoff angereichert,<br />

um es wahrnehmbar zu machen (Abb. 1a und b).<br />

Eine Detonation entsteht durch ein Sprengmittel,<br />

welches sich mit einer typischen Detonationswelle,<br />

mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit auf das umgebende<br />

Medium ausbreitet. Trifft eine Detonationsfront<br />

auf einen Körper, so wirkt das wie ein extrem<br />

starker Schlag, der eine starke Beschleunigung auslöst.<br />

Die Struktur des Gewebes wird dabei regelrecht<br />

zerrissen (Abb. 2 und 3).<br />

Bei der Verpuffung kommt es zu einer selbstständigen<br />

Flammenfortpfanzung in einer explosionsfähigen<br />

Atmosphäre oder in einem Explosivstoff mit einer Geschwindigkeit<br />

unterhalb der Schallgeschwindigkeit.<br />

_Schussverletzungen<br />

Schusswunden entstehen durch abgeschossene<br />

Projektile. Diese können die Wunde durchdringen<br />

oder darin stecken bleiben. Meist kommt es zu kombinierten<br />

Weichteil-Knochen-Verletzungen. Die Wirkung,<br />

welche ein Schuss im Gewebe hinterlässt, hängt<br />

von dem Gewebe selbst, zum Beispiel Weichteile oder<br />

Knochen, der Art des Projektils (Entfernung, Kaliber,<br />

Geschossart, Auftreffwinkel auf den Körper) ab.<br />

Schusswunden verursachen einen Einschuss und<br />

einen Ausschuss. Die Ausschusswunde ist größer als<br />

der Einschuss. Es kommt einerseits zu einem Gewebeverlust<br />

im Schusskanal selbst und darüber hinaus<br />

durch die Abgabe hoher kinetischer Energie um den<br />

Schusskanal zu weiterer Gewebezerstörung. Dabei<br />

führt das Geschoss zu sofortigen Folgen wie Blutungen,<br />

Bewusstseinsverlust zum Beispiel beim Kopfschuss<br />

sowie verzögerten Reaktionen, zum Beispiel<br />

Nekrosen und Infektionen.<br />

Abb. 1 a und b_30-jährige Patientin,<br />

die beim Reinigen ihres Gasherdes<br />

ein Trauma durch Gasexplosion erlitt.<br />

Weichteilverletzung mit Fraktur der<br />

Tabula externa der Stirnhöhle.<br />

Abb. 1a<br />

Abb. 1b<br />

82 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 2<br />

Abb. 3<br />

Typische Befunde bei Schussverletzungen<br />

– Einschuss: zentraler Gewebedefekt mit angrenzendem<br />

Schürfsaum<br />

– Ausschuss: meist schlitzförmige adaptierbare<br />

Hautdurchtrennung<br />

– Aufgesetzter Schuss: sternförmige Platzwunde<br />

der Haut, Schmauchhöhle, Stanzmarke<br />

– Relativer Nahschuss: Schmauchniederschläge<br />

und Einsprengungen von Pulverkörnchen um<br />

den Einschuss<br />

– Fernschuss: keine Nahschusszeichen<br />

Die Auswirkungen einer Schussverletzung im Gesicht<br />

hängen stark von der Art des Geschosses ab. Alte<br />

Flintenkugeln wurden oft vom Knochen abgelenkt.<br />

Kleinkalibrige Stahlmantelgeschosse haben eine<br />

starke Durchschlagkraft und behalten ihre Form. Alle<br />

Bleigeschosse können sich abplatten und ihre diaboloförmige<br />

Form verändern. So dringen Luftgewehrschüsse<br />

durch relativ kleine Einschusswunden im Gesicht<br />

ein (Abb. 6). Sie durchschlagen oft die knöcherne<br />

Schädelbasis nicht, sondern bleiben im Siebbein, zum<br />

Beispiel an festeren Lamellen, wie der Grundlamelle<br />

der mittleren Muschel oder in der knöchernen Schädelbasis,<br />

die vom Os frontale gebildet wird, stecken<br />

(Abb. 8).<br />

Diagnostik<br />

Die Diagnostik bei Schussverletzungen erfordert<br />

neben der üblichen Anamnese Fragen zum Tathergang.<br />

Eine gesetzliche Meldepflicht für Schussverletzungen<br />

gibt es in Deutschland nicht. Ob der Arzt die<br />

Kripo informiert oder nicht, ergibt sich aus den Hinweisen<br />

zum Tathergang und dem Befund. Das Gleiche<br />

gilt bei Verdacht auf Selbstverletzung oder -tötung<br />

für das Hinzuziehen eines Psychiaters. Die Diagnostik<br />

muss sorgfältig von außen nach innen erfolgen. Eine<br />

Fotodokumention der Schusswunde ist wichtig, um<br />

spätere Ermittlungen zu ermöglichen.<br />

Schmauchspuren<br />

Es handelt sich um Rückstände des Mündungsfeuers<br />

einer Schusswaffe. Sie werden durch Verbrennungsprodukte<br />

des Zündsatzes und der Treibladung<br />

der Patrone hervorgerufen. In der Forensik wird von<br />

der Schmauchspur gesprochen. Sie erlaubt Hinweise<br />

auf die Schussentfernung und letztlich auf den Hergang<br />

einer aufzuklärenden Tat.<br />

Ein bildgebende Diagnostik durch Computertomografie<br />

des Gesichtschädels, mit Darstellung der<br />

Schädelbasis und Beurteilung der zerebralen Strukturen<br />

auf direkte oder indirekte Verletzungsfolgen, ist<br />

obligatorisch.<br />

Therapie<br />

Die Therapie erfolgt von innen nach außen. Priorität<br />

hat die Versorgung perforierender Verletzungen<br />

der Schädelbasis mit Hirnverletzungen. Die Indikation<br />

zur Sofortoperation bei Hirnverletzung mit intrakranieller<br />

Blutung und Drucksteigerung erfolgt interdisziplinär<br />

mit dem Neurochirurgen und Neurologen.<br />

Schussverletzungen der vorderen Schädelbasis<br />

und des pneumatisierten Gesichtsschädels können<br />

sehr gut endoskopisch versorgt werden. Lässt sich das<br />

Geschoss aus dem Knochen der Schädelbasis entfernen,<br />

erfolgt im Falle einer Durafistel mit Liquorrhoe<br />

der Verschluss der Fistel in underlay-, overlay oder<br />

Abb. 2_Impressionsfraktur der<br />

Tabula externa der Stirnhöhle nach<br />

Explosionstrauma.<br />

Abb. 3_Offene Hirnverletzung nach<br />

Detonation.<br />

Abb. 4a_Hirnpolaps und Liquorrhoe<br />

(Markierung mit Fluorescin-Natrium<br />

= gelb).<br />

Abb. 4b_Deckung des Defektes mit<br />

Fascia lata.<br />

Abb. 5_Wege zur Schädelbasis in<br />

der Traumatologie.<br />

1 Dura<br />

2 Nasenhöhle<br />

a endonasal endoskopisch<br />

b frontoorbital extrakraniell<br />

c transfrontal extradural<br />

d transfrontal intradural<br />

Abb. 4a<br />

Abb. 4b<br />

Abb.5<br />

I83


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 6_Einschusswunde eines Luftgewehr-Diabolos.<br />

Abb. 7a_Der entfernte Diabolo.<br />

Abb. 7b_Glassplitter nach fronto -<br />

basaler Fraktur.<br />

Abb. 7a<br />

Abb. 8a–e_Zwei typische Schussverletzungen<br />

durch Bleigeschosse.<br />

Obere Reihe: Das Diabolo ist vor der<br />

Grundlamelle der mittleren Muschel<br />

stecken geblieben.<br />

8a und b_Darstellung des Geschoss<br />

im Röntgenbild anterior-posterior<br />

und seitlich.<br />

8c_Das Diabolo ist vor der Grund -<br />

lamelle der mittleren Muschel<br />

liegen geblieben.<br />

Untere Reihe: Schussverletzung des<br />

Gesichtes.<br />

Abb. 8d und e_Das Projektil hat den<br />

Gesichtsschädel durchschlagen und<br />

ist im Canalis opticus stecken ge -<br />

blieben.<br />

Abb. 9_Perforierende Verletzung<br />

der Gesichtsweichteile. Der Griffel<br />

zieht durch die rechte Kieferhöhle,<br />

das rechte Siebbein zur Schädel -<br />

basis. Er kreuzt in der Keilbeinhöhle<br />

die Seite und perforiert die Schädelbasis<br />

zwischen dem Canalis opticus<br />

und der Arteria carotis. In der Schädelbasis<br />

ist der Fremdkörper gebrochen.<br />

Ein kleineres Fragment befindet<br />

sich am Boden der mittleren<br />

Schädelgrube. Ein kleines Fragment<br />

steckt in der lateralen Nasenwand.<br />

Abb. 10_Dekomprimierter N. opticus<br />

in der linken Keilbeinhöhle.<br />

Abb. 6<br />

sandwich-Technik. Als Transplantat zur Deckung des<br />

Duradefektes hat sich autologe Fascia lata (siehe Abb.<br />

4b) bewährt.<br />

Bei Verletzungen des Nervus opticus erfolgt die<br />

endoskopische Entfernung des Projektils und Dekompression<br />

des N. opticus in gleicher Sitzung (Abb. 10).<br />

Entfernung von Projektilen<br />

Unbehandelte Schussverletzungen können zu<br />

Entzündungen oder Sepsis führen oder einen gewebetoxischen<br />

Effekt auslösen. Regelmäßig geformte,<br />

metallische Projektile können jedoch auch einheilen<br />

und jahrelang reizlos „liegen bleiben“. Versprengte<br />

avitale Knochensplitter oder mit dem Geschoss eingesprengte<br />

Fremdkörper können durch Infektionen<br />

zum Problem werden.<br />

_Perforierende Fremdkörper<br />

Perforierende Fremdkörper gelangen in ganz<br />

unterschiedlicher Weise in die Weichteile des Ge -<br />

sichtes beziehungsweise in die Nasennebenhöhlen.<br />

Pfählungsverletzungen durch Stöcke, Lutscher oder<br />

Stangen treten bei Kindern und Jugendlichen beim<br />

Spielen auf und führen die Betroffenen wegen sichtbarer<br />

Wunden zum Arzt.<br />

Abb. 7b<br />

Im Rahmen von Verkehrsunfällen mit Mehrfachverletzungen<br />

können zum Beispiel perforierende<br />

Glassplitterverletzungen der Windschutzscheibe unbemerkt<br />

bleiben. Die Eintrittswunde schließt sich<br />

rasch und der Fremdkörper bleibt, oft über Jahre zum<br />

Beispiel, in der Kieferhöhle liegen. Die Entdeckung ist<br />

dann oft ein Zufallsbefund.<br />

_Der besondere Fall<br />

ca. 35 mm<br />

Dargestellt wird der Fall einer Verletzung des Gesichtes<br />

mit Perforation der Schädelbasis einer heute<br />

61-jährigen Patientin mit einem Schiefergriffel, der<br />

55 Jahre nach der Verletzung endoskopisch entfernt<br />

wurde. Schiefergriffel wurden vor Jahrzehnten zum<br />

Schreiben und Malen verwendet. Sie wurden angespitzt<br />

und waren 8 bis 10 cm lang.<br />

Anamnese<br />

– Im Alter von fünf Jahren stürzt die Patientin mit<br />

dem gerade von ihrem Vater angespitzten Schiefergriffel<br />

in der Hand beim Heraufeilen einer<br />

Treppe. Es ist lediglich eine kleine Hautwunde<br />

sichtbar. Der Griffel ist weg. Das Kind verspürt heftigen<br />

Schmerz, besonders hinter dem rechten Auge<br />

(Abb. 11a–d).<br />

Abb. 8a Abb. 8b Abb. 8c<br />

Abb. 8d Abb. 8e Abb. 10<br />

84 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 11a Abb. 11b Abb. 11c Abb. 11d<br />

Abb. 11e Abb. 11f Abb. 12 Abb. 13<br />

– Mit 18 Jahren erleidet die Patientin ein Schädelhirntrauma<br />

durch eine Steinwurfverletzung. Bei<br />

der Röntgenuntersuchung des Schädels wird der<br />

Schieferstift überraschend erkannt.<br />

– In den folgenden Jahren verursacht der Stift Nasenbluten,<br />

Kopfschmerzen. Die Nasenatmung ist<br />

blockiert, das Riechen und Schmecken hochgradig<br />

eingeschränkt (Abb. 11e).<br />

– Bei einem Autounfall erleidet die Patientin mit 20<br />

Jahren ein weiteres Schädelhirntrauma und eine<br />

große Platzwunde. Die Röntgenaufnahme des<br />

Schädels zeigt, dass der Stift in drei Stücke zerbrochen<br />

ist (Abb.11f).<br />

– Drei Jahre später verunfallt die Patientin erneut bei<br />

einen S-Bahn-Zusammenstoß in Berlin. Sie erleidet<br />

ein erneutes Schädelhirntrauma.<br />

– In den letzten zehn Jahren litt die Patientin unter<br />

den Symptomen einer chronischen purulenten<br />

Rhinosinusitis mit foetiden Sekretion aus der Nase,<br />

starken Schmerzen in der rechten Gesichtshälfte<br />

und einer wechselnd starken blutigen Sekretion<br />

aus der Nase bis hin zur Epistaxis.<br />

Therapie<br />

Nach ausführlichem interdisziplinären Konzil<br />

(HNO/Neurochirurgie/Radiologie) und dreidimen -<br />

sionalen Darstellung der topografischen Lagebeziehung<br />

der Stiftfragmente zur Schädelbasis, insbesondere<br />

zum N. opticus und zur A. carotis, erfolgte im<br />

August 2007 die endoskopische Entfernung des<br />

peripheren Stiftanteils (Abb.13).<br />

Indikation<br />

Der periphere Anteil verursachte eine heftige granulierende<br />

Entzündung der Nasennebenhöhlen und<br />

der knöchernen Schädelbasis. Der zentrale Anteil lag<br />

reizlos am Boden der mittleren Schädelgrube. Für<br />

seine Entfernung bestand keine akute Indikation.<br />

Endoskopische Schädelbasisrevision<br />

Das Granulationsgewebe mit dem entzündlichen<br />

Pseudotumor wurde mit dem Karl Storz-Mini-Shaver<br />

abgetragen (Abb. 12). Entlang dem freigelegten<br />

Fremdkörper wurde sein zentrales Ende zwischen der<br />

A. carotis und dem N. opticus aufgesucht und der<br />

Fremdkörper vorsichtig zwischen beiden Strukturen<br />

unter endoskopischer Sicht entfernt (Abb. 13). Narbengewebe<br />

hatte den Stichkanal verschlossen. Die<br />

Eintrittpforte wurde entepithelisiert und mit Fascie<br />

abgedichtet._<br />

_Information<br />

face<br />

Die Bilder der Abbildung 11a bis 13 entstammen<br />

einer Dokumentation dieses Falles vom japanischen<br />

Fernsehen.<br />

Weitere Informationen dazu finden Sie unter<br />

www.ku61.de,<br />

Pressespiegel, BBC, Reuters.<br />

Abb. 12_Prinzip der Neuronavigation<br />

im Bereich der Schädelbasis.<br />

I85


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

1x1 der Präparierund<br />

Instrumentenkunde<br />

für die Plastische Gesichtsund<br />

Halschirurgie<br />

Schneidende Instrumente,<br />

Teil 1: Skalpelle<br />

Abb. 1_ Setzen des eröffnenden<br />

Hautschnittes zur Entnahme von<br />

Rippenknorpel.<br />

Abb. 2_ Die Sammlung der Originalinstrumente<br />

von Jacques Joseph.<br />

_Grundlagen der Instrumentenkunde sind ein unverzichtbares<br />

Rüstzeug für jeden Operateur. Leider<br />

werden Kenntnisse zur Instrumentenkunde heute<br />

nicht mehr systematisch vermittelt – weder während<br />

des Studiums noch in der Ausbildung zum Facharzt.<br />

Warum werden in den Katalogen über 100 Scheren<br />

angeboten, wenn niemand mehr die Unterschiede<br />

in den Anwendungs- und technischen Eigenschaften<br />

kennt? Wie funktioniert eine Präparierschere<br />

und welche Blattform bietet welche Vorteile? Wie<br />

halte ich ein Skalpell richtig und kontrolliere gleichzeitig<br />

die Schneidwirkung bei der scharfen Präparation?<br />

Wie kontrolliere ich Schärfe und wie unterscheide<br />

ich Qualitätsinstrumente von Plagiaten<br />

und beuge einem unsachgemäßen Umgang vor?<br />

Das Anliegen der vorliegenden Publikation, die Auszüge<br />

einer Monografie des Autors enthält, gibt einige<br />

Antworten. Zumindest soll das Verständnis dafür<br />

geweckt werden, dass die Auswahl des geeigneten<br />

Instrumentariums nicht beliebig ist.<br />

Die Geschichte chirurgischer Instrumente ist Tausende<br />

Jahre alt und zeigt das stetige Streben nach der<br />

Entwicklung immer besserer Instrumente. Instrumentensammlungen<br />

sind Zeitdokumente der <strong>Medizin</strong>geschichte<br />

und deshalb von kulturhistorischer Bedeutung<br />

schlechthin, weil sie im wahrsten Sinnes des<br />

Wortes zeigen, in welcher Weise die Chirurgie in das<br />

Leben der Menschen eingriff, welches Trauma, welche<br />

Risiken oder stationären Verweildauern mit den Operationen<br />

einer Epoche verbunden sein mussten.<br />

Eine besondere Rolle spielen dabei Instrumentensammlungen<br />

bedeutender Chirurgen. Der Begründer<br />

Abb. 1 Abb. 2<br />

86 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

der modernen Nasenchirurgie und Wegbereiter der<br />

Plastischen Gesichtschirurgie, Prof. Jacques Joseph,<br />

entwickelte Zeit seines Lebens neue Instrumente<br />

oder modifizierte und verbesserte Instrumente für<br />

seine komplizierten rekonstruktiven und ästhetischen<br />

Operationen des Gesichtes. Weltbekannt ist der<br />

Joseph, ein Raspatorium, welches für den Gesichtschirurgen<br />

auch heute noch unverzichtbar ist. Joseph<br />

ließ jedes von ihm entwickelte oder modifizierte Instrument<br />

mit einer kleinen Gravur Prof. Joseph versehen.<br />

Die Sammlung historischer Originalinstrumente<br />

von Joseph wird gegenwärtig in der Ausstellung „Dem<br />

Leben auf der Spur“ des <strong>Medizin</strong>historischen Museums<br />

der Charité in Berlin gezeigt, und kann dem<br />

Leser nur empfohlen werden (Abb. 2).<br />

Es gehörte schon immer zur Philosophie des Hauses<br />

Karl Storz, die Ideen innovativer Operateure aufzugreifen,<br />

und daraus immer bessere Instrumente für<br />

immer speziellere Anwendungen zu konstruieren.<br />

Ohne diesen Dialog zwischen Operateur und Instrumentenbauer<br />

ist Fortschritt in der Chirurgie unmöglich.<br />

Im Folgenden soll exemplarisch, beginnend mit<br />

den Skalpellen und Scheren, quasi eine kleine Einführung<br />

in die Instrumentenkunde gegeben werden.<br />

Bauchige, verschieden gekrümmte Skalpelle haben<br />

gute und fast ubiquitäre Einsatzmöglichkeiten für<br />

den Hautschnitt und die scharfe Präparation. Je nach<br />

Länge des Schnittes und Dicke der Haut und des<br />

Unterhaut- und Fettgewebes sollte die Größe der<br />

Klinge gewählt werden.<br />

Die spitze Klinge (Nr. 11) ist für kleine und winkelige<br />

Feininzisionen geeignet, die zweischneidigen<br />

Skalpelle nach Joseph dienen der scharfen Präparation<br />

und Ablösung größerer Areale unter Kontrolle<br />

des Fingers (Abb. 3).<br />

_1. Führung des Skalpells<br />

Eine sichere Führung des Skalpells ist möglich,<br />

wenn es wie ein Federhalter gehalten wird. Die Hand<br />

Abb. 3<br />

oder die Finger 3 bis 5 werden dabei aufgelegt bzw. abgestützt<br />

(Abb. 4 und 5).<br />

Der Hautschnitt beginnt mit dem dosierten, aber<br />

entschlossenen fast senkrechten Einstich der Klinge<br />

durch die Haut (je nach Dicke). Danach wird das Skalpell<br />

in einem Winkel von 45° angekippt und der<br />

Schnitt bis zum Ende durchgezogen. Am Ende wird die<br />

Klinge wieder schräg gestellt, um eine homogene<br />

Schnitttiefe zu gewährleisten. Wird das Skalpell flacher<br />

als 45° geneigt, so verliert die Schneide an Kraft<br />

und die Klinge kann auch mit etwas Gefühl z.B. über<br />

eine Vene gleiten, ohne diese zu durchtrennen. Das<br />

kann man z.B. bei den langen Hautinzisionen ausnutzen,<br />

um über oberflächliche Venen zu gleiten. Das Beispiel<br />

macht deutlich, dass die Schneidwirkung der gebauchten<br />

Klinge stark von der Anstellung bei der Präparation<br />

abhängt. Das kann der Operateur bei der<br />

scharfen Präparation von großen Hautlappen ausnutzen.<br />

Damit ist der Wechsel von maximaler<br />

Abb. 3_ Verschiedene geschweifte,<br />

bauchige Skalpelle und das<br />

gebogene zweischneidige Joseph-<br />

Messer.<br />

Abb. 4 und 5_ Führung des Skalpells<br />

beim Einstich und Schneiden.<br />

Abb. 4 Abb. 5<br />

I87


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 6_ Die Illustration zeigt das<br />

„Aufblättern“ der oberflächlichen<br />

Schichten des Halses.<br />

Schneidwirkung und halbscharfer Trennung der<br />

Schichten möglich. Generell erfordert die scharfe<br />

Präparation mit dem Skalpell mehr Geschick, Gefühl<br />

und Erfahrung als diejenige mit der Schere. Es ist eine<br />

sehr effiziente Technik.<br />

Cave: Nur eine scharfe Klinge kann optimal<br />

schneiden.<br />

Scharfe und glatte Schnitte sind die Voraussetzung<br />

für eine komplikationslose Wundheilung und<br />

gute Narben. Wird das Skalpell für die Exzision eines<br />

Haut areals verwendet, so sollte gegenüber der Vertikalen<br />

eine etwas schräge Schnittrichtung (ca. 95°) gewählt<br />

werden, um eine schräg zum Korium und dem<br />

Fettgewebe entstehende Wundlippe zu formen. Das<br />

ermöglicht eine größere Wundrandadaptation und<br />

verbessert die Wundheilung.<br />

Das Skalpell sollte der Operateur immer auf sich zu<br />

führen. Der Schnitt beginnt also am entferntesten<br />

Punkt. Schneiden erfolgt durch Ziehen und nicht<br />

durch Schieben oder Sägen.<br />

_2. Sichelmesser und andere Messer<br />

Sichelmesser haben unterschiedliche Krümmungen.<br />

Bereits in der Antike wurden Sichelmesser für die<br />

Tonsillektomie verwendet. Heute dienen sie verschiedenen<br />

Schleimhautschnitten, z.B. bei der Tonsillektomie<br />

und der Infundibulotomie. Ihre größte<br />

Schneidwirkung entwickeln Sichelmesser im Bereich<br />

der mittleren Schneide. Daher sollten sie so geführt<br />

werden, dass die Schneidwirkung optimal zur<br />

Wirkung kommt.<br />

Cave: Alle Skalpelle, besonders Sichelmesser auf<br />

OP-Sets, müssen regelmäßig kontrolliert werden.<br />

Gewebeverletzungen durch Einrisse der Schleimhaut<br />

infolge stumpfer Klingen sind die Ursache<br />

von Nachblutungen und Wundheilungsstörungen.<br />

Weitere Spezialmesser sind z.B.: Rundmesser (nach<br />

Plester), Septummesser (nach Freer), Plastikmesser<br />

(nach Joseph), Septummesser (nach Cottle), Tonsillenmesser<br />

(nach Vetter) u.a.<br />

_3. Weichteilpräparation<br />

mit der gebauchten Klinge<br />

Das Skalpell mit der gebauchten Klinge in verschiedenen<br />

Größen ist ein geeignetes Instrument<br />

für die scharfe Dissektion von oberflächlichen<br />

Weichteilstrukturen. Voraussetzung für die scharfe<br />

Präparation mit der Klinge sind präzise anatomische<br />

Kenntnisse, welche die Schnitte öffnen sollen und<br />

ein gewisses Gefühl für die Schneidwirkung des jeweiligen<br />

Skalpells. Die scharfe Präparation ist einerseits<br />

elegant, zeitsparend und atraumatisch, andererseits<br />

bei noch fehlender Übung nicht ungefährlich.<br />

Die Illustration (Abb. 6) zeigt das „Aufblättern“<br />

der oberflächlichen Schichten des Halses entlang<br />

einer Inzision an der Vorderkante des M. sternocleido-mastoideus,<br />

wie sie z. B. bei der Neck dissection,<br />

Exstirpation einer lateralen Halszyste oder eines<br />

Lymphknotens in unterschiedlichen Dimensionen<br />

üblich ist. Nacheinander wird die Kutis/Subkutis<br />

als eine Schicht von Platysma und Muskulatur<br />

getrennt. Danach beginnt die stumpfe Präparation<br />

mit der stumpf-stumpfen Präparierschere zum<br />

Aufsuchen der Strukturen der Hals-Gefäß-Scheide<br />

(A. carotis communis, N. vagus, V. jugularis). Durch<br />

Veränderung von Neigungs- und Anstellwinkel der<br />

gebauchten Klinge kann der Operateur Einfluss auf<br />

die Schneidwirkung der Klinge nehmen und – variierend<br />

zwischen scharf, halbscharf und stumpf – je<br />

nach Präferenz entsprechend kontrollieren._<br />

_Literaturliste<br />

face<br />

scharf<br />

stumpf<br />

Berbohm, Grundlagen der Instrumentenkunde für<br />

den HNO-Arzt und plastischen Gesichtschirurgen.<br />

Endo-press, Tuttlingen 2007<br />

Abb. 6<br />

scharf<br />

stumpf<br />

88 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

1 x 1 der Präparier-<br />

& Instrumentenkunde<br />

für die Plastische Gesichtsund<br />

Halschirurgie<br />

Schneidende Instrumente,<br />

Teil 2: Scheren<br />

_Präparierschere<br />

Präparierscheren sind die verlängerte Hand des<br />

Ope-rateurs. Mit ihnen berührt er die Tiefe des<br />

Gewebes. Sie sind nicht nur Dissektoren, sondern<br />

auch Sensoren für den Zustand des operierten<br />

Gewebes. Die Sensibilität für dieses Instrument muss<br />

jeder Operateur erlernen, denn sie ist die Voraussetzung<br />

für das Gewebegefühl des Operateurs.<br />

_ Unterschieden werden gerade und gebogene Präparierscheren.<br />

_ Weitere Unterschiede bestehen in der Länge der<br />

Branchen und Schenkel,<br />

_ Formen und Länge der Scherenblätter.<br />

_1. Die gebogene Präparierschere<br />

Die gebogene stumpfe Präparierschere ist eines<br />

der wichtigsten Instrumente für den Operateur. Die<br />

Schere dient der Präparation, d. h. dem möglichst<br />

atraumatischen Trennen von Gewebe in bindegewebig<br />

verbundenen Schichten. Der Operateur schiebt die<br />

Schere parallel zur Haut oder Ebene der zu trennenden<br />

Schichten vor, öffnet sie und zieht sie geöffnet<br />

zurück. Die Gewebeschichten werden durch spreizende<br />

Bewegungen der Branchen getrennt und die<br />

gewünschte Schicht geöffnet. Sollen konvexe Strukturen,<br />

wie Lymphknoten oder Drüsen dargestellt und<br />

aus der Umgebung gelöst werden, so wird die Schere<br />

Abb. 1_ Präparation mit<br />

Präparierschere.<br />

Abb. 1<br />

I89


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 2_ Vergleichende Darstellung<br />

von Präparier- und Haushaltsschere.<br />

Präparierschere<br />

Abb. 2<br />

Blatt<br />

Schnittkante<br />

(Bicon)<br />

Schraubenschluß<br />

Branche<br />

Ring<br />

Oberbecken Unterbecken<br />

Wate<br />

Blatt<br />

im Hohlen<br />

Rücken<br />

Gewerbe<br />

Halm<br />

Auge<br />

Haushaltsschere<br />

tum bestimmt. Der Anlaufwiderstand entsteht durch<br />

die Auflage der Scherenteile, durch die Dreipunktlagerung,<br />

d.h. am Schnitt, an der Schlussfläche innen<br />

(Spiegel) und am Schraubenkopf.<br />

Die Präparierschere dient, sozusagen erst in zweiter<br />

Instanz, dem Schneiden. Das Schneiden geschieht mit<br />

den vorderen zwei Drittel der Blattlänge. Entscheidend<br />

für die Schneidwirkung einer Präparierschere ist der<br />

Anschliff des Bicon. Dieser beträgt normalerweise ca.<br />

6°. Bei weichem Gewebe sollte er größer als 6°, bei<br />

hartem kleiner sein. Die Form der Scherenblätter und<br />

Blattspitzen einer Präparierschere bestimmen ihren<br />

Einsatz. Prinzipiell werden gerade und gebogene Präparierscheren<br />

unterschieden.<br />

Die Blattspitzen können spitz/spitz, spitz/stumpf<br />

oder stumpf/stumpf sein.<br />

Abb. 3a und b_ Voraussetzung ist<br />

die richtige Haltung der Schere<br />

mit dem Daumen und vierten Finger.<br />

Der dritte Finger stützt die rechte<br />

Branche (beim Rechtshänder), der<br />

Zeigefinger führt die Schere.<br />

der Form der zu präparierenden Struktur angelegt,<br />

d.h. die gebogene Präparierschere bleibt mit ihrer<br />

konkaven Seite z.B. dicht an einem Lymphknoten oder<br />

einer Drüse.<br />

Hauptindikationen für die stumpfe Präparation<br />

mit der gebogenen Präparierschere ist die Unterminierung<br />

und Anhebung der Haut, aber auch die Präparation<br />

tieferer Strukturen. Bei der Hautpräparation<br />

wird diese in einem Winkel von ca. 45° auf den Operateur<br />

zu gehoben. Dadurch wird die Präparierschicht<br />

geöffnet und nicht verzogen, was bei größeren<br />

Winkeln droht.<br />

Prinzipiell wird die Spitze beim Präparieren den<br />

weniger empfindlichen Strukturen zugewandt.<br />

Dieses Präparieren ist möglich durch den Aufbau<br />

der Präparierschere. Die Scherenblätter besitzen<br />

einen speziellen Schränkungswinkel und einen<br />

Hohlschliff nahe des Schraubenkopfes. Dadurch wird<br />

die Reibung reduziert und ein Einklemmen des<br />

Gewebes vermieden. Wenn man eine geschlossene<br />

Präparierschere gegen das Licht hält, kann man durch<br />

die Scherenblätter hindurchblicken. Da wo dieser<br />

Durchblick am vorderen Ende der Schere aufhört, da<br />

läuft die Schere an. Das Anlaufen geschieht mit einem<br />

ganz bestimmten Widerstand, der bei jeder Präparierschere<br />

anders ist. Das Gefühl für diesen Anlaufpunkt<br />

und -widerstand ist wichtig für das Gewebegefühl<br />

des Operateurs, denn zu dem Anlaufwiderstand addiert<br />

sich bei der Präparation der Gewebewiderstand.<br />

Dieser wird von der Textur des Gewebes, Vernarbungen,<br />

Entzündungen, Indurationen oder Tumorwachs-<br />

_2. Die gerade Präparierschere<br />

Die spitze gerade Präparierschere dient der scharfen<br />

Präparation. Die scharfe Präparation erfolgt z.B.<br />

bei dünnem oder fixiertem subkutanen Bindegewebe,<br />

bei straffen Bindegewebssepten, die mit der Haut<br />

oder anderen Strukturen fest verwachsen sind. Auch<br />

das Öffnen enger chirurgischer Schichten erfolgt<br />

durch scharfe Präparation. Vereinfacht gesagt, vereinigt<br />

die Präparation mit der geraden Präparierschere<br />

die Technik des Schneidens wie mit dem Skalpell<br />

und der stumpfen Präparation mit der gebogenen<br />

Schere. Entscheidend ist die richtige und sichere Führung<br />

der Schere mit dem Zeigefinger.<br />

_3. Die häufigsten Blattarten<br />

3.1. Spitz-stumpf<br />

Der Begriff beschreibt ein spitzes und ein stumpfes<br />

Blattende einer Schere. Dieser verbreitete Standardtyp<br />

dient dem Schneiden von Gewebe, Wundrändern<br />

oder auch von Nahtmaterial.<br />

3.2. Spitz-spitz<br />

Die Kombination von zwei spitzen Blattenden<br />

dient der scharfen, d.h. schneidenden Präparation,<br />

z.B. um fest verbundene, narbig fixierte Gewebeschichten<br />

zu trennen, oder um den scharfen „Einstieg“<br />

in eine chirurgische Schicht, z.B. zwischen<br />

SMAS und Perichondrium des Nasenrückens, zu erreichen.<br />

Abb. 3a<br />

Abb. 3b<br />

90 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Abb. 4a und b Abb. 5<br />

3.3. Stumpf-stumpf<br />

a) halbstumpf – halbstumpf<br />

Beide Blattenden besitzen zwar eine spitze Blattform,<br />

sind aber vorn stumpf. Dieser Blatttyp ist für das<br />

Präparieren im „Präzisionsbereich“, d.h. z.B. von Gefäßen<br />

und feinen Strukturen geeignet.<br />

b) stumpf-stumpf (breit)<br />

Häufige Blattform für die Standard- und Präparierschere<br />

zur chirurgischen Präparation und Darstellung<br />

verschiedener Gewebeschichten und Strukturen<br />

(z.B. Gefäße, Nerven, Sehnen). Die plumpen Spitzen<br />

ermöglichen das atraumatische Trennen von Strukturen.<br />

Cave: Große stumpfe Scheren sind oft atraumatischer<br />

als kleine spitze.<br />

Natürlich spielt die Gewebesituation für die<br />

Auswahl eine große Rolle.<br />

c) stumpf-stumpf (schlank)<br />

Prototyp der chirurgischen Präparierschere z.B.<br />

nach Metzenbaum oder Lexer.<br />

d) stumpf-stumpf<br />

Beide schlanken Blattenden besitzen kleine<br />

kugelförmige Aufsätze. Die schlanke Schere ermöglicht<br />

bei leicht gebogenem Blatt eine präzise<br />

Mikropräparation. Die „Knöpfungen“ verhindern das<br />

Einschneiden beim Vorwärtsschieben der Blätter<br />

und die Verletzung empfindlicher Strukturen. Die<br />

sog. Parotisschere weist diese Spezifika auf. Mit<br />

dieser Schere können z.B. die einzelnen Fazialisäste<br />

dargestellt werden. Die Nervenpräparation erfolgt<br />

mit dieser Schere praktisch direkt auf dem Perineurium<br />

des Nerven (z.B. N. facialis, N. accessorius).<br />

_4. Schneidqualität<br />

Genau wie bei einem Skalpell hängt die Schneidqualität<br />

von der Schärfe der Klinge, d.h. bei der Schere<br />

des Blattes, ihrer Form, dem Anschliff und dem Material<br />

ab, aus welcher das Scherenblatt besteht. Besonders<br />

gute Schneideigenschaften besitzen Hartmetalle<br />

wie Chrom-Wolfram-Legierungen. Die<br />

Schneiden werden in diese Scheren eingesetzt und erhalten<br />

einen Präzisionsschliff, der einen gleichmäßig<br />

weichen und scharfen Schnitt garantiert.<br />

Diese Instrumente sind durch vergoldete Ringe<br />

oder Brachenenden gekennzeichnet. Die Standzeit<br />

von Hartmetall-Scheren ist wesentlich höher als bei<br />

Scheren ohne Hartmetall. Aber auch Hartmetall-<br />

Scheren müssen und können nachgeschliffen werden.<br />

_5. Schleifen<br />

Das Schleifen von Scheren ist Vertrauenssache,<br />

denn es entscheidet über die Funktionsfähigkeit und<br />

Lebensdauer eines Instruments. Die Schere muss<br />

beim Schleifen zerlegt werden. Durch den einzelnen<br />

Anschliff der Branchen entsteht ein kleiner Materi-<br />

Abb. 4a und b_ Aufbau einer<br />

Präparierschere. Die Auflage der<br />

Scherenteile, Schränkung,<br />

Hohlschliff und Bicon bestimmen die<br />

Eigenschaften der Schere.<br />

Abb. 5_ Der Operateur sollte<br />

ein Gefühl für den Anlaufpunkt von<br />

Präparierscheren entwickeln.<br />

spitz-stumpf spitz-spitz halbstumpfhalbstumpf<br />

stumpf-stumpf<br />

(breit)<br />

stumpf-stumpf<br />

(schlank)<br />

stumpf-stumpf<br />

geknöpft<br />

Abb. 6_ Die häufigsten Blattarten.<br />

Abb. 6<br />

I91


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9<br />

Abb. 7_ Präparation eines großen<br />

Hautlappens.<br />

Abb. 8_ Darstellung und Skelettierung<br />

eines peripheren Nerven.<br />

Abb. 9_ Unterminierung größerer<br />

Hautareale.<br />

alverlust. Durch das Zusammenschrauben kann die<br />

Schere (entsprechend ihrer Dreipunktlagerung, s.o.)<br />

wieder so eingestellt werden, dass sie optimal „anläuft“.<br />

Billigfirmen zerlegen die Schere nicht und gleichen<br />

den Substanzverlust durch Hammerschläge auf<br />

die Schraube aus. Durch diese „Vernietung“ ist die<br />

Schere praktisch nicht wieder schleifbar und verliert<br />

über kurz oder lang die präzise Führung der Branchen.<br />

_6. Spezialschere<br />

Neben den verschiedenen Typen der Präparierschere<br />

gibt es einige Spezialscheren. Für das Schneiden<br />

feinster Strukturen (Chirurgie peripherer Nerven)<br />

eignen sich Feder- oder Mikroscheren. Schaftscheren<br />

besitzen einen langen Schaft, an dessen<br />

Ende sich die Branchen öffnen. Sie ermöglichen die<br />

Präparation in Kavitäten (Mittelohr, Siebbein) über<br />

kleine z.B. endomeatale oder endonasale Zugänge.<br />

Weitere Spezialscheren sind z.B. Winkelscheren n.<br />

Fomon und Cottle.<br />

_7. Präparation eines großen<br />

Hautlappens<br />

Präparation eines großen Hautlappens (z.B.<br />

Facelift, laterale Parotidektomie) mit Darstellung<br />

der Äste des N. facialis mit einer stumpf-stumpfen<br />

Präparierschere nach Metzenbaum. Durch abwechselndes<br />

Schneiden und Spreizen erfolgt die Ablösung<br />

des Hautlappens, der mit dem Haken angehoben<br />

wird, sodass die Sicht auf die Tiefe der Dissektion<br />

möglich wird. Große Präparierscheren sind<br />

für solche Zwecke oft atraumatischer als kleine.<br />

_8. Darstellung und Skelettierung<br />

eines peripheren Nerven<br />

Das Gewebe oberhalb der N. accessorius wird<br />

mobilisiert und mit dem scharfen Haken angehoben.<br />

Die Suche nach dem Nerven erfolgt mit<br />

spreizenden Bewegungen der schlanken, stumpfstumpfen<br />

(geknöpften) Präparierschere parallel<br />

zum erwarteten Verlauf des Nerven.<br />

Ist dieser gefunden, wird das Gewebe oberhalb<br />

des Nerven mit ein oder zwei feinen chirurgischen<br />

Pinzetten gefasst und gespannt.<br />

Die feine Präparierschere wird in diesem Raum<br />

oberhalb und direkt auf dem Nerven vorsichtig<br />

spreizend vorgeschoben. Danach wird das auf diese<br />

Weise mobilisierte Gewebe oberhalb des Nerven<br />

und in dessen Richtung scharf durchtrennt und die<br />

Präparation wie beschrieben fortgesetzt.<br />

_9. Unterminierung größerer Hautareale<br />

Die Unterminierung größerer Hautareale erfolgt<br />

mit der stumpf-stumpfen Präparierschere, nachdem<br />

die Inzision mit dem gebauchten Skalpell durch Haut,<br />

Subkutis und Platysma geführt wurde (siehe oben).<br />

Die Spitzen der Scherenblätter weisen nach außen<br />

und sind durch die Haut sicht- oder palbierbar. Mit<br />

dieser Vorgehensweise können Verletzungen von<br />

Gefäßen und Nerven ausgeschlossen werden, wenn<br />

die chirurgische Schicht nicht verlassen wird und so<br />

Traumatisierungen der tieferen Schichten, insbesondere<br />

der Muskulatur, vermieden werden._<br />

_Literaturliste<br />

face<br />

Berbohm, Grundlagen der Instrumentenkunde für<br />

den HNO-Arzt und plastischen Gesichtschirurgen.<br />

Endo-press, Tuttlingen 2007<br />

92 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

1 x 1 der Präparier-<br />

& Instrumentenkunde<br />

für die Plastische Gesichtsund<br />

Halschirurgie<br />

Teil 3:<br />

Praktischer Exkurs<br />

_Im dritten Teil dieses Beitrags wird exemplarisch<br />

der Einsatz schneidender Instrumente bei halschirurgischen<br />

Eingriffen in konkreten und häufigen<br />

Situationen gezeigt. Hier gewinnt die Wahl eines<br />

geeigneten Instruments besondere Bedeutung und<br />

es wird deutlich, dass bereits geringfügige Unterschiede<br />

im Aufbau einer chirurgischen Schere zu<br />

ganz verschiedenen Vor- oder Nachteilen in der<br />

Anwendung führen.<br />

_1. Präparation der Halsgefäßscheide<br />

Stumpfe Präparation der Halsgefäßscheide mit<br />

der gebogenen Präparierschere (stumpf-stumpf).<br />

Das Bindegewebe oberhalb der V. jugularis wird mit<br />

einer zarten Pinzette gefasst und angehoben. Die<br />

Scherenblätter eröffnen das in dieser Weise gebildete<br />

„Zelt“ und werden vorsichtig spreizend vorgeschoben.<br />

Je effektiver die Spreizwirkung der Blätter, desto<br />

Abb. 1<br />

Abb. 2<br />

I93


I Artikelsammlung _ Rhinochirurgie<br />

besser die erreichte Sicht und desto sicherer die Präparation.<br />

Eine kleine chirurgische Pinzette gestattet einen<br />

besseren Grip beim Fassen des Bindegewebes, eine<br />

anatomische Pinzette bewahrt vor Verletzungen der<br />

dünnen Venenwand.<br />

Präparation der A. carotis durch Lösen der Tunica<br />

adventitia.<br />

Die Präparation erfolgt mit einer kleinen spitzstumpfen,<br />

später mit einer stumpf-stumpfen Präparierschere.<br />

Dieser Operationsschritt ist z. B. im Rahmen einer<br />

Neck dissection bei Halsmetastasen von besonderer<br />

Bedeutung, um einerseits alle Lymphknoten aus der<br />

Halsgefäßscheide zu entfernen und andererseits das<br />

Gefäß von suspektem Gewebe vollständig zu befreien.<br />

Abb. 4<br />

_3. Exstirpation eines<br />

Hals-Lymphknotens<br />

Durch das „Aufblättern“ aller Bindegewebssepten<br />

und -schichten um den Lymphknoten herum, kann<br />

dieser mobilisiert werden.<br />

Auch hier schmiegt sich die Konkavität des Scherenblattes<br />

eng an die konvexe Oberfläche des<br />

Lymphknotens an, um auf diese Weise eine Verletzung<br />

der dünnen Jugularvene an der Unterseite des<br />

Lymphknotens möglichst zu vermeiden. Es empfiehlt<br />

sich eine stumpf-stumpfe oder stumpf-spitze Präparierschere,<br />

die nicht zu klein gewählt werden sollte.<br />

Es sollte immer an der Stelle präpariert werden, wo<br />

sich die einzelnen Schichten am besten lösen lassen.<br />

Abb. 3<br />

_2. Exstirpation einer lateralen Halszyste<br />

Die stumpf-stumpfe Präparierschere kann durch<br />

den auf dem „Scharnier“ aufgelegten Zeigefinger sicher<br />

geführt werden. Es kommt bei der Präparation<br />

darauf an, die Zyste aus einer Vielzahl bindegewebiger<br />

Septen herauszulösen. Hierzu schmiegen sich die<br />

Scherenblätter mit ihrer konkaven Seite eng an die<br />

Konvexität der Zyste an.<br />

Es gilt der Satz „... immer, wenn du denkst, die letzte<br />

Bindegewebsschicht sei erreicht, kommt noch eine.“<br />

Das heißt, wenn die letzte, zystennahe Bindegewebsschicht<br />

wirklich gelöst wird, geht die Präparation sehr<br />

leicht.<br />

Akut entzündete, infizierte Halszysten sollten zunächst<br />

antibiotisch behandelt, evtl. vorübergehend<br />

durch Punktion entlastet und später im entzündungsfreien<br />

Intervall operiert werden.<br />

Abb. 5<br />

_4. Abtrennen überstehender<br />

Fadenenden<br />

Nach erfolgter Naht werden überstehende Fadenenden<br />

mit einer geeigneten Schere abgetrennt.<br />

94 I


Artikelsammlung _ Rhinochirurgie I<br />

Dabei wird die Schere in Länge und Stärke der jeweils<br />

vorliegenden Operationsfeldgröße angepasst.<br />

In der Regel werden eher schlankere Modelle<br />

verwendet, wobei die Scherenblätter je nach<br />

Situation gerade oder gebogen sein können. Abgestumpfte<br />

Enden verhindern ein „Verhaken“ oder<br />

ungewollte Gewebetraumatisierungen während<br />

des Abschneidens.<br />

Die eigentliche „Fadenschere“ kommt noch aus<br />

der Ära, als derbes Nahtmaterial, z. B. Catgut, sich<br />

zwischen den Branchen der Scheren einklemmen<br />

und diese unbrauchbar machen konnte. Da diese<br />

Zeiten vorbei sind, gibt es die Fadenschere per se<br />

nicht mehr. Meist ist es die Cooper-Schere._<br />

Literatur beim Verfasser.<br />

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