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Interview Très CHER (Vorschau)

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„Vendiendo Sueños”,<br />

1997, Peru. Kleines<br />

Mädchen in den Anden,<br />

das Popcorn verkauft<br />

.<br />

Für mich ist es wichtig, meinen Protagonisten aufrichtiges<br />

Interesse entgegenzubringen. Ich möchte niemals<br />

ein Motiv von jemandem stehlen, sondern es muss ein<br />

gegenseitiges Einverständnis da sein. Das habe ich auch<br />

von meiner Arbeit als Model gelernt: Die besten Bilder<br />

entstehen immer in Zusammen arbeit mit Leuten, die sich<br />

Zeit nehmen.<br />

Inzwischen lebe ich den europäischen Winter über<br />

in Buenos Aires. Seit fünf Jahren reise ich jedes Mal in<br />

eine andere Region, zu den Gauchos, den argentinischen<br />

Cowboys. Man nennt die Gauchos auch „Herr über<br />

das Land“. Sie passen ihr Leben ihrer Herde an. Es sind<br />

wettergegerbte Typen, die eine sehr einfache Sprache<br />

sprechen, dafür aber die Zeichen der Natur deuten<br />

können. Bei strahlend blauem Himmel sagen sie zum<br />

Beispiel: „Gleich wird es regnen.“ Und man selbst<br />

denkt: „So ein Quatsch, es ist doch das schönste Wetter<br />

überhaupt.“ Doch ehe man sichs versieht, ziehen schwarze<br />

Wolken auf, und man kann nur noch vor den Wassermassen<br />

davonrennen.<br />

In San Antonio de Areco findet an zwei Tagen im<br />

November ein Festival statt, an dem die Gauchos aus ganz<br />

Argentinien teilnehmen. Sie zeigen ihre Tiere und ihre<br />

Trachten und tanzen auf der Straße. Meistens bleiben sie<br />

auch länger als nur diese zwei Tage, weil die Anreise für<br />

viele sehr lang und beschwerlich ist, Argentinien ist ja<br />

riesig. Viele meiner Porträts und Gruppenfotos wirken<br />

wie aus einem alten Film, aber so sehen die Leute dort<br />

wirklich aus, so kleiden sie sich bis heute. Es ist eine sehr<br />

männerdominierte Gesellschaft. Die Frauen sitzen vor<br />

allem zu Hause und kochen. Deshalb hatte ich am Anfang<br />

auch Sorge, dass die Gauchos mich nur als ein niedliches<br />

Mädchen sehen, das sie mal besuchen kommt. Tatsächlich<br />

sind sie aber sehr offen, und wenn ich mich mit ihnen<br />

hinsetze, mein eigenes Messer mitbringe und ein Steak<br />

mit ihnen esse, dann führen wir spannende Gespräche.<br />

Jetzt, wo ich schon öfter dort war, zeige ich ihnen auch<br />

die Fotos. Das finden sie richtig gut.<br />

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Mitten in San Antonio de Areco gibt es einen riesigen<br />

Park, da treffen sich alle Gauchos, und da sind auch<br />

viele Kinder und Jugendliche dabei und warten darauf,<br />

dass sie ihren Platz in der Prozession einnehmen dürfen.<br />

Die beiden Jugendlichen mit ihren Pferden sind ein<br />

Schnappschuss – auch wenn es fast gestellt wirkt. Ich<br />

habe begonnen, diese Menschen zu fotografieren, weil sie<br />

zu einer aussterbenden Art gehören. Viele ihrer Kinder<br />

wollen sich das harte Leben nicht mehr antun und ziehen<br />

lieber in die Stadt.<br />

Wenn ich von einer Reise zurückkehre, freue ich<br />

mich zuerst immer über mein Zuhause und mein Bett,<br />

aber dieses Gefühl hält meistens nicht lange an. Dann<br />

werde ich ganz nervös und muss sofort ein neues Abenteuer<br />

planen. An Städten stört mich, dass man so auf sich als<br />

Person zurückgeworfen wird: ich, ich, ich! Das ist alles,<br />

worum es da geht. Ich fühle mich vor allem von überwältigenden<br />

Orten angezogen, also zum Beispiel von<br />

Wüsten oder Bergketten. Dort ist man klein, fast<br />

bedeutungslos, und es rückt vieles im Leben wieder in<br />

die richtige Perspektive. Man kehrt von dort demütiger<br />

zurück, das tut mir gut. In der Mode geht es immer<br />

um die schöne Unwirklichkeit, ich möchte zeigen, wie<br />

viel Schönheit in der Wirklichkeit zu finden ist.

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