Interview Très CHER (Vorschau)
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FOTO: DVN<br />
gemachte Marmelade, ein frischer Salat und<br />
ein paar Blümchen obendrauf gestreut. Das<br />
liebe ich.<br />
KOPPENWALLNER: Klingt perfekt. Leider bin<br />
ich in China oft schrecklichem Essen<br />
ausgesetzt. Das mit den Hunden stimmt<br />
wirklich. Muskulöse Hunde werden für<br />
Hundeeintöpfe verwendet. Die sitzen dann vor<br />
dem Restaurant neben den Kröten und Enten.<br />
VAN NOTEN: Das ist nicht so mein Ding.<br />
Wenn ich in Ländern unterwegs bin, in<br />
denen ich die Karte nicht lesen kann, sage ich<br />
immer, dass ich Vegetarier bin, was ich ganz<br />
und gar nicht bin.<br />
KOPPENWALLNER: Den Trick kenne ich.<br />
VAN NOTEN: Sicher ist sicher.<br />
KOPPENWALLNER: Haben Sie ein<br />
Lieblingsland?<br />
VAN NOTEN: Zu Hause. Vielleicht wird mein<br />
Zuhause irgendwann woanders sein, das lasse<br />
ich mir noch offen. Aber Urlaube zum<br />
Beispiel sind total überschätzt. Es gibt diesen<br />
sozialen Druck. Wenn man nicht viermal im<br />
Jahr irgendwo hinfährt, scheint etwas mit<br />
einem nicht zu stimmen. Ich bin gerne zu<br />
Hause und koche etwas Feines.<br />
KOPPENWALLNER: Ich bin gerne unterwegs,<br />
weil man dann auch seine Probleme zu Hause<br />
lässt. Ich fühle mich freier.<br />
VAN NOTEN: Für mich ist es genau<br />
anders herum. Wenn ich verreise, bin ich nur<br />
damit beschäftigt, besonders effizient zu sein.<br />
KOPPENWALLNER: Alles muss unter Kontrolle<br />
sein.<br />
VAN NOTEN: Genau.<br />
KOPPENWALLNER: Bei mir ist auf Reisen alles<br />
außer Kontrolle, weil ich nie weiß, was ich an<br />
den Orten, wo ich hinfahre, vorfinden<br />
werde. Ich schaue mir in Büchern an, welche<br />
Kleidung wo getragen wird, aber vor Ort<br />
sieht dann meistens alles ganz anders aus,<br />
oder die Leute tragen die Kleider ganz anders<br />
als erwartet.<br />
VAN NOTEN: Was ist denn Ihr Lieblingsland?<br />
KOPPENWALLNER: Im Moment auf jeden Fall<br />
China, vor allem die südlichen Grenz regionen<br />
wie Yunnan und Guizhou. Ich bin so<br />
beeindruckt von den Leuten dort. Sie arbeiten<br />
Als 1986 die berühmten<br />
„Antwerp Six“, Dries Van<br />
Noten, Dirk Bikkembergs,<br />
Walter Van Beirendonck, Ann<br />
Demeulemeester, Dirk van<br />
Saene und Marina Yee, die<br />
Königliche Hochschule der<br />
Schönen Künste verließen,<br />
war das die Geburts stunde<br />
des neuen belgischen Modedesigns,<br />
das aus Antwerpen<br />
heraus seinen Siegeszug<br />
um die Welt antrat. 27 Jahre<br />
später scheint der Stern des<br />
den ganzen Tag und stellen so viele<br />
unter schiedliche Dinge her. Die kleinen Dörfer<br />
liegen versteckt in den Bergen, und sie sehen<br />
aus wie Alpendörfer. Für mich ist total<br />
faszinierend, den Menschen im Alltag zu<br />
begegnen und zu sehen, wie sie zum Beispiel<br />
diese Holzhäuser bauen, Stickereien auf der<br />
Straße anfertigen oder in den Flüssen die<br />
Stoffe färben. Und dann fährt man 200<br />
Kilometer weiter, und man befindet sich<br />
plötzlich in einer anderen Welt, in den Tropen.<br />
Wir kennen, wenn überhaupt, vielleicht nur<br />
das andere China: Städte mit Wolkenkratzern,<br />
die in zwei Jahren hochgezogen wurden.<br />
VAN NOTEN: Und welche Länder finden Sie<br />
noch interessant?<br />
KOPPENWALLNER: Rumänien, denn das Land<br />
hat etwas Mittelalterliches.<br />
VAN NOTEN: Mit Rumänien kenne ich mich<br />
gar nicht aus.<br />
KOPPENWALLNER: Es ist schwierig, dort zu<br />
reisen, weil sie keine richtige Autobahn<br />
haben. Ich besuche gerne die ungarische Minderheit<br />
in Rumänien, deren Handwerkskunst<br />
ausstirbt. Ich bin mir ganz sicher, in 20<br />
Jahren wird es das nicht mehr geben. Nur die<br />
alten Frauen beherrschen es noch. Ihre<br />
Töchter sind alle in Westeuropa, um Geld zu<br />
verdienen. Es ist eine verschwindende Welt,<br />
und ich bin immer auf der Suche nach<br />
verschwindenden Welten.<br />
VAN NOTEN: Ja, das ist traurig, aber man muss<br />
dafür nicht erst nach Rumänien reisen, um<br />
zu sehen, dass die alten Dinge verschwinden.<br />
Als ich als Modedesigner angefangen habe,<br />
gab es in Belgien eine ganze Stadt, in der nur<br />
Strickwaren hergestellt wurden. 120 Firmen,<br />
25 Kilometer von Antwerpen entfernt, die<br />
alle strickten. Heute gibt es nur noch eine.<br />
Die Couture-Ateliers in Paris wurden zum<br />
Glück alle von Chanel aufgekauft, sonst<br />
wären sie längst verschwunden und damit<br />
vielleicht sogar die Couture-Schauen in Paris.<br />
KOPPENWALLNER: Manchmal bekomme ich<br />
einen Stickerei-Koller. Kennen Sie das auch? Ich<br />
muss mir dann viele klare Sachen anschauen.<br />
VAN NOTEN: Ich weiche dann gerne auf Stickereien<br />
aus, bei denen man gar nicht merkt,<br />
DRIES VAN NOTEN<br />
Designers Dries Van Noten heller<br />
denn je: Seine Männer- und<br />
Frauen kollek tionen haben einen<br />
atemberaubenden Grad an Verfeinerung,<br />
verstecktem Zitatenreichtum<br />
und Lässigkeit erreicht.<br />
1989 eröffnete Dries Van Noten<br />
mit Het Modepaleis seinen ersten<br />
eigenen Laden in Antwerpen.<br />
Heute gibt es Dries Van Noten<br />
in über 400 Shops weltweit. Das<br />
Label ist konzernunabhängig und<br />
damit auch eine unternehmerische<br />
Erfolgsgeschichte.<br />
.<br />
dass sie gestickt sind. Da arbeitet man mit<br />
Schichten und Perforationen. Unsere nächste<br />
Kollektion ist zum Beispiel komplett von<br />
Fred & Ginger, also Fred Astaire und Ginger<br />
Rogers, inspiriert. Da gibt es viele falsche<br />
Diamanten. Das ist auch Stickerei, sieht aber<br />
nicht danach aus.<br />
KOPPENWALLNER: Ich finde es wahnsinnig<br />
erfrischend, dass es zu Ihren Kollektionen<br />
keine von Ihnen vorgegebenen Kampagnen<br />
gibt. Man muss über viele Teile nachdenken,<br />
und niemand sagt einem: So ist es gemeint.<br />
Auch bei den ethnisch inspirierten<br />
Kollektionen entdeckt man diese Einflüsse,<br />
wenn überhaupt, erst auf den zweiten oder<br />
dritten Blick.<br />
VAN NOTEN: Meine letzte große ethnisch<br />
inspirierte Kollektion zeigte ich 2010<br />
auf dem Place Vendôme in Paris, und ich<br />
wollte etwas ganz Neues machen. Einerseits<br />
nutzte ich ganz authentische Materialien:<br />
Ikatstoffe, Silberfäden, Blockdruck aus<br />
Nordindien, also richtig typische<br />
Sachen. Zusätzlich haben wir mit dem<br />
ethnologischen Museum in Antwerpen<br />
zusammengearbeitet. Wir fotografierten dort<br />
Batikprints und digitalisierten sie. Und dann<br />
überlegte ich mir: Was würde eine typische<br />
Pariserin mit diesem Ausgangsmaterial<br />
anstellen? Natürlich müssten die Sachen von<br />
der Formsprache her sehr elegant sein, nur<br />
dass sie zufällig aus ethnischen Materialien<br />
waren. Es gab Jacken mit großen<br />
Schulterpartien, sariartige Kleider mit<br />
japanischen Prints und dann natürlich<br />
Schmuck. Denn wenn man auf dem Place<br />
Vendôme ist, denkt man an Chanel und an<br />
das Ritz, an Perlen und Diamanten. Dinge<br />
für die perfekte, elegante Pariserin, und das 147<br />
Faszinierende war, dass es am Ende gar nicht<br />
mehr nach Ethno aussah. So viel Paris gab<br />
es bei mir noch nie, inklu sive Instrumentalversionen<br />
von Gainsbourg-Songs mit einem<br />
Voiceover von Catherine Deneuve. Um<br />
solche Effekte geht es mir. Nur so kann man<br />
ethnische Klischees vermeiden.<br />
KOPPENWALLNER: Eigentlich gehört die<br />
klassische Pariserin ja auch einer ethnischen<br />
Minderheit an.<br />
VAN NOTEN: Stimmt.<br />
KOPPENWALLNER: Funktioniert dieses<br />
Spiel bei Frauen- und Männerkollektionen<br />
gleichermaßen?<br />
VAN NOTEN: Ja, das ist dasselbe.<br />
KOPPENWALLNER: Für mich ist es oft<br />
schwierig, Männersachen zu finden. Ich<br />
verändere die Dinge ja nicht, sondern nutze<br />
sie, wie sie sind. Kein Mann möchte ein<br />
blumenbesticktes Hemd anziehen. Es sieht<br />
zu sehr nach Mittelaltermarkt aus.<br />
VAN NOTEN: Aber wer weiß, solche Dinge<br />
können wiederkommen. Haben wir doch<br />
alles schon erlebt.<br />
Dries Van Noten