LOK Magazin Die Vogelfluglinie (Vorschau)
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SOZIALISTISCHER WETTBEWERB<br />
Am 22. August 1985, also genau neun Jahre, nachdem unsere Geschichte handelt, war Wolfgang Müller<br />
noch einmal in Roßlau: Einfahrt eines Güterzuges aus Richtung Zerbst nach Roßlau Rvb<br />
nal stand auch im Jahr 201 2 noch an dieser Stelle!<br />
Der Dg 86865 hatte 1 00 Achsen und blieb mit seinem<br />
Wagenzuggewicht von 1 .871 Tonnen unter<br />
den zulässigen 2.000 Tonnen für die Baureihe 242<br />
von Magdeburg bis Halle. Bereits 20.20 Uhr verließ<br />
ich den Bahnhof Rothensee und kam nun<br />
über Magdeburg Hbf und Köthen recht zügig voran.<br />
Also könnte meine Planung aufgehen …<br />
Keine Streckenkenntnis bis Großkorbetha<br />
Das sah die Dispatcherleitung in Halle aber ganz<br />
anders. In Halle Gbf am Stellwerk Hg1 2 angekommen<br />
– es war inzwischen 22.1 0 Uhr – wollte ich<br />
abspannen, um ins Bw zu fahren. Da wurde mir<br />
aber erklärt, ich sollte den Zug weiter nach Großkorbetha<br />
fahren! Also rief ich den Lokdispatcher<br />
an. Der erklärte mir, ich wäre ein Magdeburger<br />
Lokführer und hätte erst 1 8 Uhr <strong>Die</strong>nstbeginn gehabt<br />
und könnte nun doch wohl nicht die Arbeit<br />
verweigern. Ich erklärte ihm meine Situation, dass<br />
die Lok in die Werkstatt müsse und ich außerdem<br />
keine Streckenkenntnis nach Großkorbetha hätte.<br />
Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung,<br />
ich sollte auf die Lok gehen und bekäme Bescheid.<br />
Also wieder warten. Nach zehn Minuten<br />
bekam ich Nachricht: „Abspannen und Lok nach<br />
Schuppen 5 zum Abstellen“. Da war die Welt wieder<br />
in Ordnung.<br />
lok-magazin.de 04 | 2013<br />
Der Lokdispatcher hatte sich, wie ich später vom<br />
Lokleiter im Bw West erfuhr, erkundigt, geflucht<br />
und die Sache zur Kenntnis genommen. Seine<br />
Kreise waren gestört und die Magdeburger Nachbarn<br />
hatten mit ihm ein falsches Spiel getrieben.<br />
Nach dem Abstellen der Lok im Lokschuppen 5<br />
musste ich noch den Schlüssel zur Lokleitung<br />
bringen und die Abstellung melden. Da war es<br />
22.45 Uhr und die letzte passende S-Bahn sah ich<br />
von der Lokleitung aus zum Hauptbahnhof fahren.<br />
Ich nahm die Tasche unter den Arm und lief<br />
zum Hauptbahnhof. Über die Gleise war das zu<br />
gefährlich, da war die Volkmannstraße doch sicherer.<br />
Fünf Minuten vor der Abfahrt des D 739 um<br />
23.23 Uhr traf ich am Bahnsteig 8 ein. Der war sogar<br />
pünktlich und ich gönnte mir eine kurze Runde<br />
Schlaf. Blieb noch der zwanzigminütige Weg<br />
zum Bw, und ich konnte mich vom <strong>Die</strong>nst abmelden.<br />
Nach 1 7 Stunden <strong>Die</strong>nstzeit ohne Pause war<br />
Ende, gefahren hatte ich 252 Kilometer. Mein treue<br />
MZ brachte mich dann wieder nach Hause und<br />
um halb zwei lag ich im Bett.<br />
<strong>Die</strong> von mir geschilderte Begebenheit war sicher<br />
nicht die Regel im Güterzugdienst. Trotzdem<br />
habe ich noch viele <strong>Die</strong>nste mit Güterzugen verbracht,<br />
so extrem kam es aber nicht wieder. Der<br />
Freude am Fahrdienst hat es jedenfalls nicht geschadet.<br />
Wolfgang Müller<br />
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