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Interview Die nächste Kate Moss? - Cara Delevingne (Vorschau)

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Kultur<br />

Kultur/Woodkid<br />

Woodkid<br />

von<br />

Santigold<br />

Foto<br />

kArim sAdli<br />

“<br />

Kunst bedeutet,<br />

Schönes zu<br />

erschaffen<br />

aus etwas, das<br />

ganz und gar<br />

nicht<br />

schön ist<br />

”<br />

Foto: Universal Music<br />

Er dreht Videos mit<br />

rihanna und Agyness<br />

Deyn, inspiriert<br />

Kollektionen von Dior<br />

Homme und bannt<br />

Millionen mit seiner<br />

bildgewaltigen Musik:<br />

Woodkid. Mit der<br />

Kollegin Santigold<br />

spricht er über<br />

Künstlerkomplexe,<br />

Käse und Bettwanzen<br />

Woodkid: Hey Santi, wo bist du gerade?<br />

Santigold: Ich bin in meinem Haus in Brooklyn.<br />

Du bist nicht mehr in New York, oder?<br />

Woodkid: Ich bin schon wieder in Paris für Promo-Termine:<br />

Fernsehen, Radio, <strong>Interview</strong>s und so.<br />

Santigold: Magst du solche Termine?<br />

Woodkid: Ich weiß nicht, du?<br />

Santigold: Nein.<br />

Woodkid: Wie schaffst du es, nicht immer die<br />

gleichen Antworten zu geben?<br />

Santigold: Ich glaube, es gibt keine Lösung. <strong>Die</strong><br />

einzige Möglichkeit ist, kurze Antworten zu geben,<br />

sodass schnell neue Fragen gestellt werden müssen.<br />

Vielleicht ist es auch schlau, zu versuchen, den Fokus<br />

des Gesprächs selbst zu steuern, aber nach mehreren<br />

<strong>Interview</strong>s verliert man doch auch den Überblick.<br />

Woodkid: Absolut. Wie läuft es denn mit deinem<br />

Filmprojekt? Du wolltest doch Regie führen.<br />

Santigold: Kennst du diesen Typ Mensch, der<br />

sich Hals über Kopf in alles stürzt? Genau so versuche<br />

ich das nicht zu machen. Ich habe recherchiert,<br />

Schauspielunterricht genommen, hatte Meetings mit<br />

Filmfirmen, ich will die Dinge entstehen lassen. Übrigens<br />

habe ich ein geheimes Projekt, das ich unbedingt<br />

mit dir zusammen machen möchte.<br />

Woodkid: Wirklich? Worum geht’s?<br />

Santigold: Das kann ich dir hier im <strong>Interview</strong><br />

nicht erzählen, aber es wird sehr viel Spaß machen.<br />

Woodkid: Ich muss auch etwas mit dir besprechen.<br />

Ich möchte mich mehr in Richtung HipHop<br />

orientieren; verrückter, nicht so ernsthaft, mehr Beats,<br />

und ich würde mich freuen, wenn du singen könntest.<br />

Santigold: Da habe ich total Lust drauf!<br />

Woodkid: Was machst du gerade musikalisch?<br />

Santigold: Ich bin kurz davor, wieder anzufangen;<br />

auf Tour komme ich einfach nicht zum Schreiben.<br />

Jetzt versuche ich, all das nachzuholen, was ich<br />

während der Tour nicht machen konnte. Heute habe<br />

ich meine erste Kampfsporttrainingsstunde gehabt.<br />

Woodkid: Geil! Das letzte Mal haben wir uns ja<br />

über die Technik bei Liveauftritten unterhalten.<br />

Santigold: Ich hatte Probleme, herauszufinden,<br />

mit welcher Technik sich am besten arbeiten lässt.<br />

Woodkid: <strong>Die</strong> Leute haben keinen Plan, wie<br />

viel Aufwand die ganzen technischen Details bedeuten.<br />

Santigold: Das merkt man schon daran, wie<br />

Auftritte diskutiert werden. Beispiel Super Bowl – als<br />

es hieß, Beyoncé habe nicht live gesungen –, komm<br />

schon, es ist unmöglich, gleichzeitig zu singen und<br />

eine derartige Choreografie zu tanzen! Geht nicht.<br />

Woodkid: Bei mir achten die Kritiker immer darauf,<br />

ob ich auch die Töne treffe.<br />

Santigold: Ich finde deine Stimme wunderbar.<br />

Zum ersten Mal habe ich dich bei dieser Fashion-<br />

Show in der Kirche gesehen. Deine Stimme und diese<br />

Kirchenorgel, es war, als würde ein Engel singen. Wer<br />

ist das, habe ich mich gefragt. A-Trak saß hinter mir:<br />

„Das ist Woodkid!“<br />

Woodkid: Cool. A-Trak ist übrigens in mein<br />

Haus gezogen. Wir sind jetzt Nachbarn.<br />

Santigold: Wo?<br />

Woodkid: In Williamsburg. Vielleicht sollte<br />

ich das nicht genauer beschreiben (lacht). Questlove<br />

wohnt auch hier. Superviele coole Leute.<br />

Santigold: Ich habe da gewohnt, bevor der ganze<br />

Wahnsinn anfing, es gab nur ein Restaurant. Echt:<br />

eins! Immer wenn ich erzählt habe, dass ich in Williamsburg<br />

lebe, dachten die Leute, ich meine den Ort<br />

in Virginia. Krass, zu sehen, wie sich alles verändert.<br />

Es ist teurer dort als in der Upper West Side!<br />

Woodkid: Echt jetzt? Aber in der Upper West<br />

Side würde ich nicht wohnen wollen.<br />

Santigold: Nein, ich auch nicht.<br />

Woodkid: 2006 habe ich noch mit Freunden in<br />

einem Loft in Bushwick gelebt. Wir haben Musik gemacht,<br />

hatten viel Spaß und Bettwanzen.<br />

Santigold: Ihr hattet Bettwanzen?<br />

Woodkid: Ja. Eine super Zeit, es war Sommer,<br />

und ich habe mir über nichts Gedanken gemacht. Sag<br />

mal, was machen deine Eltern noch mal beruflich?<br />

Santigold: Mein Vater war Anwalt, er ist 2004<br />

gestorben. Er stammt aus ziemlich ärmlichen Verhältnissen<br />

und war Mitglied einer Gang. Im Jugendarrest<br />

hat er sich dann mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung<br />

beschäftigt, das veränderte sein Leben total. Er<br />

kam an die Wesleyan University in Connecticut, wo<br />

ich auch studiert habe, aber war sich seiner Herkunft<br />

immer bewusst und hat versucht, anderen zu helfen.<br />

Und er war der größte Musikfan. Er hat mich mal mit<br />

zu einem James-Brown-Konzert genommen. Ich habe<br />

mich gefragt, was der bloß mit seinem Bein macht!<br />

Mein Dad meinte nur: „Santi, er hat Soul!“ (lacht) Bei<br />

Fela Kuti und Nina Simone waren wir auch.<br />

Woodkid: Oh mein Gott! Und deine Mutter?<br />

Santigold: Sie kommt aus Mississippi – der<br />

Ku-Klux-Klan hat mal vor ihrem Haus ein Kreuz<br />

angezündet. Trotzdem landete sie an derselben Uni<br />

wie mein Vater, die beiden lernten sich kennen, und<br />

meine Mum wurde Psychiaterin. Sie wollte von uns<br />

immer wissen, wie wir uns fühlen und warum (lacht).<br />

Das hat meine Art zu texten ziemlich beeinflusst. Und<br />

natürlich hat mich auch die Musik geprägt. Damals<br />

gab es noch eine Message; darum geht es mir bei<br />

Musik, um die Message. Wobei natürlich meine Textzeilen<br />

wie „Then look at these hoes / These bitches<br />

ain’t fucking with me“ eine etwas andere Message haben<br />

(lacht). Was ist denn deine Familiengeschichte?<br />

Woodkid: Ich bin in einem komplett anderen<br />

Umfeld aufgewachsen als dem, in dem ich mich heute<br />

bewege, sowohl sozial als auch kulturell. Ich komme<br />

aus einer Mittelklassefamilie, die keinen besonderen<br />

intellektuellen Bezug hatte. Es ist ein kleiner Komplex:<br />

dass ich von Haus aus kein intelligenter Mensch bin.<br />

Santigold: (lacht) Natürlich bist du das! Du bist<br />

nur bescheiden und demütig, was ein schöner Zug ist.<br />

Woodkid: Aber mein Album ist zusammengesetzt<br />

wie eine zerbrochene Vase. Erst langsam erkenne<br />

ich, dass alles Sinn macht, eine Geschichte hat, dass<br />

ich Teil davon bin. Was ist dein persönlichster Song?<br />

Santigold: Das ist schwer zu sagen. Mein zweites<br />

Album handelt von den Erfahrungen, als Künstler<br />

sein Innerstes nach außen zu kehren, verletzlich<br />

zu sein. Und dann bildest du eine Schutzschicht über<br />

dein Ich, aber plötzlich bist du auf der anderen Seite<br />

und fragst dich, wie du wieder zu dir gelangst.<br />

Woodkid: Ein guter Vergleich. Ich habe eine<br />

Menge Freunde, die Musik machen, aber mit denen<br />

rede ich nie über solche Themen. Ich fühle mich hier<br />

in Frankreich oft etwas einsam mit dem, was ich tue.<br />

Ich meine, die Jungs sind großartig, aber sie kennen es<br />

nicht, ihrer Musik Tiefe verleihen zu wollen.<br />

Santigold: Das ist auch nicht besonders populär,<br />

oder? Deswegen mag ich deine Musik, sie ist<br />

episch, organisch, orchestral – wie eine Oper.<br />

Woodkid: Digital erzeugt, aber mit einer klassischen<br />

Herangehensweise. Das Horn in Iron zum Beispiel<br />

ist halb echt, halb elektronisch. Organisch, aber<br />

zu perfekt, um echt zu sein.<br />

Santigold: Sehr modern! Kommen wir noch<br />

mal zu deiner persönlichen Geschichte.<br />

Woodkid: Meine Familie stammt eigentlich<br />

aus Polen, polnische Juden. Einige wurden während<br />

des Zweiten Weltkrieges ermordet. Ich habe mich<br />

irgend wann in Polen auf die Suche nach ihren Spuren<br />

gemacht. Das hat mir geholfen. Auch meine inneren<br />

Zweifel anzunehmen.<br />

Santigold: Das ist vielleicht die Grundlage von<br />

Kreativität.<br />

Woodkid: Kreativität ist die einzige Heilung.<br />

Wenn ich die Kunst nicht hätte, wäre ich vermutlich<br />

ein riesiges Arsch! Kunst bedeutet, Schönes zu erschaffen<br />

aus etwas, das ganz und gar nicht schön ist.<br />

Santigold: Hörst du als Regisseur deine Musik<br />

eigentlich auf eine visuellere Art?<br />

Woodkid: Ich versuche, eine bildliche Übersetzung<br />

für Musik zu finden. Wie eine Maschine, die<br />

Sounds visualisiert. Computerprogramme arbeiten<br />

meist mit Schallwellen, ich versuche meine Übersetzung<br />

eher auf der emotionalen Basis. Bei den Liveshows<br />

sind das die Licht- und Videoeffekte. Ich versuche,<br />

das Hören und Sehen manchmal fast wissenschaftlich<br />

zu verbinden.<br />

Santigold: Manche Leute koppeln ihre Erinnerung<br />

stark an Gerüche, ich dagegen habe sofort Bilder<br />

im Kopf, wenn ich Musik höre. Bei der Arbeit an<br />

meinen Videos schließe ich die Augen und weiß: So<br />

muss es aussehen.<br />

Woodkid: Kenne ich! Mein Problem ist, dass ich<br />

dann ständig viel zu teure Szenenbilder vor mir sehe.<br />

Geld schränkt furchtbar ein. Aber ich bin mir sicher,<br />

du wirst eine sehr gute Regisseurin.<br />

Santigold: Danke! Und das von dir …<br />

Woodkid: So, ich glaub, ich muss los, ich bin<br />

zum Essen verabredet. Es gibt französischen Käse,<br />

den vermisse ich so in New York!<br />

Santigold: Was ist denn bitte schön mit dem<br />

amerikanischen nicht in Ordnung? (lacht) Ich wünsche<br />

dir einen schönen Abend. Das <strong>nächste</strong> Mal werde ich<br />

Französisch mit dir sprechen, um meine Kenntnisse<br />

zu testen. Dann erzähle ich dir auch von der Idee, von<br />

der ich dir heute nicht erzählen konnte.<br />

Woodkid: Unbedingt!<br />

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WoodkidS the golden age iSt<br />

bei univerSal erSchienen

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