Interview Die nächste Kate Moss? - Cara Delevingne (Vorschau)
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Es war eine schöne<br />
Geschichte: der Kunstprofessor<br />
und seine<br />
anmutige, junge<br />
Studentin, die einander<br />
über die Kunst fanden<br />
und heirateten.<br />
Jörg Immendorff war<br />
die große Liebe von<br />
oda JaunE. nach<br />
seinem Tod ging die<br />
Künstlerin nach<br />
Paris, in eine Stadt, die<br />
sie nicht kannte, deren<br />
Sprache sie nicht<br />
sprechen konnte, um<br />
dort sich selbst, ihre<br />
Kunst, ihr universum,<br />
ihre eigene Geschichte<br />
zu finden – die einer<br />
großartigen Malerin,<br />
die geheimnisvollorganische<br />
Bilder in<br />
Öl malt<br />
JONATHAN MEESE: Es gibt etwas, worüber ich mit<br />
dir reden möchte: Wie kann man die Kunstszene<br />
überleben? Wie kann man diesen Realitätswahnsinn,<br />
der da von einem verlangt wird, überleben? Wie kann<br />
man diese Partys durchstehen? Ich gehe da nicht<br />
mehr hin. Ich war in den letzten fünf Jahren auf zwei<br />
Partys. In der Realität bin ich der schüchternste<br />
Mensch, den man sich vorstellen kann.<br />
ODA JAUNE: Ich bin noch extremer. Extreme<br />
Schüchternheit. Ja, es ist fast krankhafte Schüchternheit.<br />
Ich glaube aber, dass das ein großes Glück ist,<br />
denn es ist ein Schutz, um zu arbeiten. Meine Mutter<br />
hat als Kind immer zu mir gesagt: „Du bist so schüchtern,<br />
du musst das überwinden.“ Auf alten Familienfotos<br />
kann man sehen, wie ich versuche, meine<br />
Schüchternheit zu überwinden. Ich habe zwischen<br />
Oma und Opa immer posiert, weil ich dachte, das ist<br />
der Moment, zu zeigen, dass ich nicht schüchtern bin.<br />
MEESE: <strong>Die</strong> Leute denken immer, weil ich auf der<br />
Bühne und in der Kunst aggressiv bin, dass ich es<br />
auch in der Realität bin, und das bin ich überhaupt<br />
nicht. In der Kunst ist es notwendig, aggressiv zu sein,<br />
und ansonsten will ich verschwinden. Ich will gar<br />
nicht mehr das Haus verlassen, und ich will zu keiner<br />
Party eingeladen werden, keinem Geburtstag,<br />
nichts. Ich will nur noch alleine gelassen werden,<br />
um zu arbeiten, und nur mit richtigen Freunden<br />
Zeit verbringen.<br />
JAUNE: Was meinst du, Jonathan, ist das größte<br />
Missverständnis bezüglich meiner Person?<br />
MEESE: Ich glaube, dass du maßlos unterschätzt<br />
wirst, in jeglicher Hinsicht. Du bist so separiert<br />
von allem, deshalb mag ich auch mit dir<br />
reden. Ich gehe gerade wieder in die Phase zwischen<br />
10 und 20 Jahren zurück.<br />
JAUNE: Zwischen 10 und 20 ist eine ganz<br />
tolle Zeit. Ich war so voller Träume und Glauben<br />
und so alleine. Wahrscheinlich sind meine<br />
Dreißiger wieder so wie die Jahre zwischen 10<br />
und 20. Ich war das jüngste Kind, und meine<br />
Geschwister lebten nicht mehr zu Hause, und<br />
ich habe sehr viel Zeit alleine in der Natur verbracht.<br />
Ich hatte nur eine beste Freundin und<br />
keine weiteren Freunde. An den Wochenenden<br />
sind wir in unser Landhaus gefahren, und<br />
da hatten wir einen riesigen Garten mit großen<br />
Bäumen, und das war mein Reich. Ich<br />
hatte sehr viele Träume, und ich habe versucht,<br />
das sichtbar zu machen, indem ich<br />
zeichnete. Heute habe ich auch sehr wenige<br />
Menschen, die mir nahestehen, aber jede<br />
Begegnung mit ihnen ist ganz speziell. Für<br />
mich ist Nähe etwas ganz Besonderes, und<br />
ich vergesse solche Momente nicht. Ich vergesse zum<br />
Beispiel nicht, wie du damals nach Düsseldorf gekommen<br />
bist und wir ein Abendessen zusammen hatten.<br />
MEESE: Das war ganz toll. Ich hab dich auch gemalt.<br />
Wie kam das noch mal?<br />
JAUNE: Das war ganz spontan, das hat sich so ergeben.<br />
MEESE: Ich gucke mir oft an, was du machst, und<br />
ich mag das so gerne, dass das so hermetisch ist und so<br />
abseits der Realität. Das finde ich spitzenmäßig. Man<br />
muss hermetisch an einer Gegenwelt arbeiten, das ist<br />
so selten heute. Kannst du das verstehen?<br />
JAUNE: Ja, absolut! Ein eigenes Universum, aber<br />
ich muss sagen, ich bewundere auch, dass du in Berlin<br />
lebst, dass du in Berlin bleibst und dich damit auseinandersetzt.<br />
Ich bin ganz woanders, denn ich habe eine<br />
Art Neustart gemacht. Als ich vor fünf Jahren nach<br />
Paris kam, sprach ich noch nicht einmal Französisch<br />
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außer „Merci“ und „Bonjour“. Ich habe nichts verstanden,<br />
es war wie eine schöne Melodie, und weil ich<br />
so viel gearbeitet habe, bin ich mit der Sprache immer<br />
noch nicht so weit, aber ich verstehe jetzt vieles.<br />
MEESE: Ich liebe Berlin, und ich muss hier bleiben,<br />
aber es wird hart. Das ist ein Killerprogramm,<br />
was hier gerade läuft. Mein Zauberreich ist mein Atelier,<br />
so wie das bei dir der Wald war. Seit einiger Zeit<br />
ist es in Berlin unerträglich, und ich möchte nicht dabei<br />
sein. Es wird sich aber auch wieder ändern, es gab<br />
ja auch vorher super Zeiten. Jetzt sollen alle auf einmal<br />
Designer werden. Das kann doch nicht das Ziel<br />
von Kunst sein. <strong>Die</strong>ser Etikettenschwindel muss aufhören.<br />
Aber ich kann diese Stadt nicht verlassen. Sie<br />
ist das Zentrum und das Hauptquartier.<br />
JAUNE: Ich bewundere deine Haltung in dieser<br />
Frage. Es ist schwer.<br />
MEESE: Bei dir gibt es andere Gründe, warum du<br />
gegangen bist, und die sind alle völlig klar, verständlich<br />
und normal.<br />
JAUNE: Ja, es waren persönliche Gründe. Düsseldorf<br />
war für mich der Ort, an dem ich studiert habe,<br />
wo ich meine Familie hatte und meine große Liebe.<br />
Und das war dann<br />
für mich nicht<br />
mehr dasselbe. Ich war so traurig, und auf<br />
einmal merkte ich, dass ich beobachtet wurde. <strong>Die</strong><br />
Freiheit, dass ich beobachte, war weg. Mir sind Menschen<br />
sehr wichtig. Ich habe, glaube ich, kein Bild,<br />
ohne dass ein Mensch oder eine Seele darin vorkommt.<br />
Ich muss sie beobachten können. Damals<br />
dachte ich kurz darüber nach, nach Berlin zu gehen,<br />
denn die meisten meiner Freunde leben dort. Aber<br />
irgendwann wurde mir klar, dass ich mich nicht für<br />
Menschen entscheiden muss, sondern für eine Stadt.<br />
Und Paris sieht einfach so gut aus. Das war der Grund.<br />
Jeden Tag bewundere ich die Schönheit dieser Stadt.<br />
In meiner Arbeit ist bisher aber noch nichts aus Paris<br />
aufgetaucht, vielleicht unbewusst. Es ist schwer, zu<br />
sagen, was genau in meine Arbeit einfließt. Was würdest<br />
du sagen, Jonathan?<br />
MEESE: Ich würde immer sagen: der Freiraum der