Handlungs- und Forschungsempfehlungen - WBGU
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7 <strong>Handlungs</strong>empfehlungen<br />
6<br />
gemeinsam Verantwortung für den Erhalt der Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />
zu übernehmen, indem sie Vereinbarungen<br />
über die langfristige Nutzung essenzieller globaler Kollektivgüter<br />
treffen. Angesichts der ungleichen Verteilung<br />
des Zugangs zu <strong>und</strong> des Verbrauchs von Ressourcen<br />
sowie unterschiedlicher Entwicklungsniveaus in<br />
der Weltgesellschaft hat der Gesellschaftsvertag Fairness,<br />
Gerechtigkeit <strong>und</strong> sozialen Ausgleich zu berücksichtigen.<br />
Für die Reform der Meeres-Governance hält der<br />
<strong>WBGU</strong> es für notwendig, einen gesellschaftlichen Konsens<br />
für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren zu<br />
erzielen, der sich zu einem spezifizierten Gesellschaftsvertrag<br />
für die Meere verdichtet. Dieser wäre gewissermaßen<br />
ein Teil des Gesellschaftsvertrags für eine Große<br />
Transformation zur klimaverträglichen, nachhaltigen<br />
Gesellschaft (<strong>WBGU</strong>, 2011). Der Gesellschaftsvertrag<br />
für die Meere soll als Basis zur Entwicklung eines<br />
neuen Ordnungsrahmens dienen, um einen nachhaltigen<br />
Umgang mit den Meeren sicherzustellen. Aus Sicht<br />
des <strong>WBGU</strong> beinhaltet er daher als wesentliche Ziele den<br />
Schutz sowie die nachhaltige <strong>und</strong> gerechte Bewirtschaftung<br />
der Meere. Der <strong>WBGU</strong> sieht nicht nur die Küstenstaaten<br />
in der Verantwortung, sondern die gesamte<br />
Staatengemeinschaft sowie die Zivilgesellschaft.<br />
7.2<br />
Die <strong>WBGU</strong>-Vision einer umfassenden Reform des<br />
internationalen Seerechts<br />
Der <strong>WBGU</strong> ist davon überzeugt, dass tiefgreifende Veränderungen<br />
in der Governance der Meere, insbesondere<br />
des internationalen Seerechts, notwendig <strong>und</strong><br />
angemessen sind, um zu einem nachhaltigen Umgang<br />
mit den Meeren zu gelangen. Eine konsequente Umsetzung<br />
der in Kapitel 7.1 skizzierten, handlungsleitenden<br />
Prinzipien für die Governance würde allerdings gravierende<br />
Vertragsänderungen, insbesondere des Seerechtsübereinkommens,<br />
notwendig machen <strong>und</strong> somit<br />
den gemeinsamen politischen Willen der Vertragsstaaten<br />
voraussetzen. Eine derartige Initiative hat nach Einschätzung<br />
des <strong>WBGU</strong> derzeit kaum Chancen auf Umsetzung,<br />
weil der Graben zwischen den aus der Nachhaltigkeitsperspektive<br />
notwendigen Veränderungen in der<br />
Meeres-Governance <strong>und</strong> der politischen Realisierbarkeit<br />
zu tief erscheint.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat sich der <strong>WBGU</strong> dazu<br />
entschieden, zwei Pfade mit unterschiedlicher Ambition<br />
<strong>und</strong> Geschwindigkeit auszuleuchten. Erstens wird<br />
die Vision einer gr<strong>und</strong>sätzlichen <strong>und</strong> umfassenden<br />
Reform des bestehenden Seerechts skizziert, die unabhängig<br />
von der gegenwärtigen Realisierbarkeit eine Orientierung<br />
bieten soll, wie den Herausforderungen für<br />
den Schutz <strong>und</strong> die nachhaltige Nutzung der Meere am<br />
sinnvollsten begegnet werden kann. Zweitens werden<br />
<strong>Handlungs</strong>empfehlungen entwickelt, die an laufende<br />
politische Prozesse anknüpfen, leichter realisierbar sind<br />
<strong>und</strong> sich daher als Schritte in Richtung der Vision eignen,<br />
ohne eine umfassende Reform des Seerechtsübereinkommens<br />
vorauszusetzen. Diese detaillierten Empfehlungen<br />
finden sich im Anschluss in Kapitel 7.3.<br />
Die Vision markiert vor allem das Ziel einer nachhaltig<br />
ausgestalteten Meeres-Governance, auf das langfristig<br />
<strong>und</strong> schrittweise hingearbeitet werden sollte.<br />
Der <strong>WBGU</strong> entwirft diese Vision in Form einer knappen<br />
Skizze, die als Kompass für Veränderungen dienen<br />
sowie Fehlentwicklungen rechtzeitig erkennen <strong>und</strong><br />
vermeiden helfen soll. Die Erfahrung zeigt, dass politische<br />
Realisierbarkeit schwer prognostizierbar ist. Zahlreiche<br />
politische Ereignisse oder Krisen des jüngsten<br />
Zeitgeschehens, wie beispielsweise die Wiedervereinigung<br />
Deutschlands, der deutsche Atomausstieg nach<br />
Fukushima, der arabische Frühling oder die Eurokrise<br />
zeigen, dass angesichts dringlicher Herausforderungen<br />
Reformen möglich werden, deren Radikalität sie vorher<br />
als völlig unrealistisch erscheinen ließ. Solche Reformen<br />
sollten aber zuvor schon durchdacht <strong>und</strong> diskutiert<br />
worden sein. Mit dieser Vision möchte der <strong>WBGU</strong><br />
dafür einen Anstoß geben. Die Demokratisierungsprozesse<br />
seit der industriellen Revolution oder die sukzessive<br />
Verankerung von Menschenrechten in der internationalen<br />
Politik wären ohne die Vordenker von Demokratie<br />
<strong>und</strong> Menschenrechten, deren Gesellschaftsentwürfe<br />
zunächst (je nach Standpunkt) als kühn, visionär<br />
<strong>und</strong> aufrührerisch wahrgenommen wurden, nicht möglich<br />
gewesen.<br />
Die nachfolgende Vision knüpft an das bestehende<br />
Seerechtsübereinkommen an, insbesondere am dort formulierten<br />
Prinzip des Menschheitserbes für das Gebiet<br />
(Art. 136 UNCLOS). Sie zeigt, welche gr<strong>und</strong>legenden<br />
Änderungen der Meeres-Governance notwendig wären,<br />
um Schutz <strong>und</strong> nachhaltige Nutzung der Meere sicherzustellen.<br />
Dabei wird an wesentlichen Eckpfeilern des<br />
bestehenden Seerechts, so beispielsweise der Zonierung<br />
der Meere, festgehalten. Zur Veranschaulichung<br />
der Vision dienen die Abbildungen 7.2-1 <strong>und</strong> 7.2-2,<br />
die in schematischer Form den Status quo der Meeres-<br />
Governance sowie die Vision des <strong>WBGU</strong> darstellen.<br />
7.2.1<br />
Menschheitserbe, systemischer Ansatz<br />
<strong>und</strong> Vorsorge als Leitprinzipien für die<br />
Bewirtschaftung der Meere<br />
In der <strong>WBGU</strong>-Vision wird das in Kapitel 7.1.1 näher<br />
erläuterte Prinzip „gemeinsames Erbe der Mensch-