27.02.2014 Aufrufe

Handlungs- und Forschungsempfehlungen - WBGU

Handlungs- und Forschungsempfehlungen - WBGU

Handlungs- und Forschungsempfehlungen - WBGU

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

7 <strong>Handlungs</strong>empfehlungen<br />

4<br />

mit Abfällen oder die Folgen intensiver landwirtschaftlicher<br />

Verfahren mit ihren Einträgen von Nährstoffen<br />

<strong>und</strong> Sedimenten in die Flüsse oder die Atmosphäre.<br />

Drittens sollten im Zeitalter des Anthropozäns auch<br />

die Kopplungen im Erdsystem berücksichtigt werden,<br />

beispielsweise CO 2 -Emissionen aus fossilen Energieträgern,<br />

die Meeresökosysteme indirekt über den Klimawandel<br />

durch Temperaturanstieg sowie direkt über<br />

die Versauerung des Meerwassers schädigen. Auf allen<br />

diesen Ebenen ist viertens zu berücksichtigen, dass<br />

komplexe <strong>und</strong> dynamische Wechselwirkungen zwischen<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> Natur bestehen. Daher hält der<br />

<strong>WBGU</strong> die Integration dieser Wechselwirkungen zwischen<br />

Meeresökosystemen <strong>und</strong> Gesellschaften in einem<br />

umfassenden systemischen Ansatz für unverzichtbar<br />

<strong>und</strong> erhebt diese Sichtweise zum Prinzip einer künftigen<br />

Meeres-Governance.<br />

7.1.3<br />

Das Vorsorgeprinzip<br />

Das Vorsorgeprinzip sieht vor, dass nach dem (neuesten)<br />

Stand von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik Vorsorge gegen<br />

mögliche Umweltschäden getroffen wird, auch wenn<br />

keine vollständige wissenschaftliche Gewissheit über<br />

die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens oder<br />

über die Schadenshöhe besteht. Wissenschaftliche<br />

Unsicherheit ist keine Rechtfertigung, Maßnahmen zur<br />

Vermeidung von Schäden zu unterlassen oder zu verzögern.<br />

Voraussetzung ist allerdings, dass begründete<br />

Anhaltspunkte für ein Risiko bestehen.<br />

Als <strong>Handlungs</strong>prinzip in der nationalen Umweltpolitik<br />

wurde das Vorsorgeprinzip in den 1970er Jahren<br />

etabliert, beispielsweise im B<strong>und</strong>es-Immissionsschutzgesetz<br />

von 1974. In der internationalen Umweltpolitik<br />

wurde das Vorsorgeprinzip in verschiedenen Wortlauten<br />

u. a. im Montreal-Protokoll (1987), in der dritten<br />

Nordseekonferenz (1990), in der Klimarahmenkonvention<br />

(1992), im Cartagena-Protokoll (2000) <strong>und</strong> in der<br />

Stockholm-Konvention (2001) verankert. In der Rio-<br />

Erklärung zu Umwelt <strong>und</strong> Entwicklung von 1992 heißt<br />

es: „(...) zum Schutz der Umwelt wenden die Staaten im<br />

Rahmen ihrer Möglichkeiten allgemein den Vorsorgegr<strong>und</strong>satz<br />

an. Drohen schwerwiegende oder bleibende<br />

Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher<br />

Gewissheit kein Gr<strong>und</strong> dafür sein, kostenwirksame<br />

Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen<br />

aufzuschieben“ (UNCED, 1992).<br />

Insbesondere bei komplexen Systemen, zu denen die<br />

Meeresökosysteme mitsamt ihrer Land/Meer-Interaktionen<br />

ohne Zweifel gehören, ist die Anwendung des<br />

Vorsorgeprinzips besonders wichtig, da ihre Reaktion<br />

auf Einflüsse oder Störungen schwer abschätzbar ist.<br />

Daher sollte Spielraum für Flexibilität <strong>und</strong> Reversibilität<br />

von Entscheidungen vorgesehen werden. Das Vorsorgeprinzip<br />

findet sich bereits in zahlreichen Regelungen<br />

<strong>und</strong> Entscheidungen zur Meeresnutzung wieder,<br />

kommt aber nur selten zur konkreten <strong>und</strong> stringenten<br />

Anwendung.<br />

7.1.4<br />

Zehn Kriterien für eine künftige Meeres-<br />

Governance<br />

In Kapitel 3 hat der <strong>WBGU</strong> zehn Kriterien entwickelt,<br />

die zur Analyse der bestehenden Meeres-Governance<br />

auf den verschiedenen Ebenen von lokal bis global dienen<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig handlungsleitend für die Neugestaltung<br />

der künftigen Meeres-Governance sein sollen.<br />

Diese zehn Kriterien berücksichtigen sowohl die Spezifika<br />

der Meere als auch generelle Anforderungen an<br />

Governance (Kap. 3.1). Sie eignen sich daher nicht nur<br />

als Gr<strong>und</strong>lage für die Ausgestaltung einer visionären<br />

künftigen Meeres-Governance (Kap. 7.2) sondern auch<br />

für die schrittweise Fortentwicklung der bestehenden<br />

Governance (Kap. 7.3–7.5).<br />

1. Adaptives Management zielt darauf, die Wissensbasis<br />

für die Governance kontinuierlich zu verbessern<br />

<strong>und</strong> sie zeitnah für den Umgang mit den Meeren zu<br />

nutzen. Adaptives Management soll im Sinne eines<br />

Lernprozesses das Wissen über Ökosystemstruktur<br />

<strong>und</strong> -dynamik vertiefen <strong>und</strong> somit Schutz <strong>und</strong><br />

Bewirtschaftung der Meere iterativ verbessern.<br />

2. Anreize für Innovationen für eine nachhaltige <strong>und</strong><br />

risikoarme Nutzung der Meere sollen Akteure<br />

belohnen, die statt kurzfristiger Gewinnmaximierung<br />

langfristig gedachte, nachhaltige Geschäftsmodelle<br />

für Nutzung <strong>und</strong> Schutz der Meere entwickeln.<br />

3. Eine klare Zuweisung von Nutzungsrechten ist<br />

notwendig, um die Übernutzung des Kollektivguts<br />

Meer zu verhindern. Dies ermöglicht die Ausschließbarkeit<br />

von Nutzern <strong>und</strong> somit eine Koordinierung<br />

der Nutzung, sei es über Märkte oder über<br />

Verhandlungen. Zudem können die gesellschaftlichen<br />

Kosten der Nutzung nach dem Verursacherprinzip<br />

den Nutzern angelastet werden, so dass die<br />

externen Kosten internalisiert werden.<br />

4. Ohne ein bisher unerreichtes Niveau globaler<br />

Kooperationskultur <strong>und</strong> globaler Kooperationsmechanismen<br />

sind Schutz <strong>und</strong> nachhaltige Nutzung<br />

des globalen Kollektivguts Meer unmöglich. Globale<br />

Kooperation ist Gr<strong>und</strong>lage für die Entwicklung<br />

internationaler Übereinkommen für Meeresschutz<br />

<strong>und</strong> -nutzung sowie für deren gemeinschaftliche<br />

Umsetzung.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!