Oktober (Doppelseiten) - experimenta.de

li shangyin
brokatzitter
錦 瑟 Jǐn sè brokat zitter
錦 瑟 無 端 五 十 弦 , Jǐn sè wú duān wǔ shí xián
一 弦 一 柱 思 華 年 。 Yī xián yī zhù sī huā nián
brokat zitter ohne grund fünzig
seiten
eins seite eins bund denken blume
jahr
莊 生 曉 夢 迷 蝴 蝶 , Zhuāng shēng xiǎo mèng mí hú dié zhuan gelehrter dust traum verloren
schmetterling
望 帝 春 心 托 杜 鵑 。 Wàng dì chūn xīn tuō dù juān
滄 海 月 明 珠 有 淚 , Cāng hǎi yuè míng zhū yǒu lèi
藍 田 日 暖 玉 生 煙 。 Lán tián rì nuǎn yù shēng yān
此 情 可 待 成 追 憶 , Cǐ qíng kě dài chéng zhuī yì ,
只 是 當 時 已 惘 然 。 Zhǐ shì dāng shí yǐ wǎn grán.
wang herrscher frühling herz/geist
anvertraut kuckuck
grau meer mond hell perlen haben
träne
indigo feld sonne warm jade
abgeben rauch
dies gefühl kann erwarten werden
erinnern erinnerung
allein/nur ist zu dieser zeit schon
verloren
nach li shangyin
brokatzitter
brokatne zitter: warum fünzig saiten? *1
jede saite, jeder bund, denk - ein blumenjahr.
meister zhuang, im dämmertraum, verloren schmetterling
und kaiser wang, das frühlingsherz, kuckuckgefangen war. *2
heller mond in grauem mar: die perle tränt
blaue felder, warm besonnt: jaderauch verweht,
doch dies fühlen dauert. sollt für immer bleiben,
ist lang verklungen schon, in diesen : diesen zeiten. *3
Li Shangyin wird von dem ein oder anderen Kommentar einem „chinesischen Barock“ zugeordnet.
Er schreibt stark ausgeschmückt und auch seine Gedichte geben ähnlich wie die Li Hes bis heute
Rätsel auf. Warum das so ist verdeutlicht sein berühmtestes Gedicht, Brokatzitter.
*1: im Gegensatz zu vielen anderen Übersetzern übertrage ich statt „ohne Grund“ „warum“. Auch für
das Zweite gibt es Präzedenzfälle, mir scheint „warum“ sinnvoller, da ein Grund in Zeile 2 angegeben
wird. *2: Zeilen 3 und 4: Ein weiterer Parallelismus, den ich übernehme. Die starke Verdichtung dieser
beiden Zeilen versuche ich durch Komposita („dämmertraum“, „frühlingsherz“, „kuckuckgefangen“)
spürbar zu machen. *3: Der Endreim hier ist im Original natürlich nicht vorhanden. Da das Gedicht aber
im Gegensatz zu vielen anderen urteilend schließt, und nicht offen, versuche ich diese Besonderheit,
die im Deutschen keine ist, durch den Endreim hervorzuheben.
Bernard Bieling: „May it serve you well“, Mixed Media auf Leinwand, 100x80cm, 2013
www.eXperimenta.de 58 Oktober 2013
Oktober 2013
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