Mehr Durchblick im Web - Internet World Business
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TOOLS & TECHNIK<br />
34 <strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS<br />
28. Oktober 2013 22/13<br />
CALLCENTER<br />
Das Ohr am Kunden<br />
Callcenter sind meist erste Anlaufstelle bei Fragen der Shop-Besucher. Händler berichten, wie sie gute Beratung sicherstellen<br />
Bevorzugte Kommunikationskanäle<br />
Telefon 95 %<br />
E-Mail 94 %<br />
SMS 36 %<br />
<strong>Web</strong>chat 30 %<br />
Mobile Apps 28 %<br />
Soziale Netzwerke 20 %<br />
Telefon und E-Mail sind am beliebtesten für Kontaktaufnahme<br />
n = 152, <strong>Mehr</strong>fachnennungen möglich<br />
© INTERNET WORLD <strong>Business</strong> 22/13<br />
Zuhören ist das A und O: Wer seine Kunden ernst n<strong>im</strong>mt, muss sich auf ihre Fragen einlassen<br />
ie lang ist der Ärmel bei dieser Jacke<br />
Win Größe M? Wie kann ich einen<br />
von fünf bestellten Artikeln an eine andere<br />
Lieferadresse schicken lassen? Wann wird<br />
der Kaufpreis für den zurückgesendeten<br />
Artikel erstattet? Die Fragen, die sich für<br />
Kunden rund um den Online-Einkauf<br />
ergeben, sind ebenso vielfältig wie die Produktpalette<br />
in den Online Shops. Umso<br />
wichtiger ist es, dass der Kunde gute Beratung<br />
und schnelle Hilfe bekommt, wenn er<br />
sich Rat suchend an den Shop-Betreiber<br />
wendet. Wichtig für den Händler ist zu<br />
klären, ob er die Kundenbetreuung lieber<br />
selbst in die Hand nehmen soll oder einen<br />
Dienstleister damit beauftragt.<br />
Für Klaus Lehner, Geschäftsführer des<br />
Outdoor-Ausrüsters Bergzeit.de, kommt<br />
eine Auslagerung an einen Callcenter-<br />
Dienstleister definitiv nicht infrage. „Unsere<br />
Philosophie ist grundsätzlich, dass<br />
wir alles selbst <strong>im</strong> Haus abwickeln. Wir<br />
differenzieren uns über die Themen Qualität<br />
und Service. Beides können wir nur<br />
sicherstellen, wenn wir es selbst machen“,<br />
ist Lehner überzeugt. Er nennt ein Beispiel:<br />
Für Kundenanfragen rund um das<br />
Thema Alpinsport fungiert ein angehender<br />
Bergführer als Ansprechpartner – ein<br />
Spezialist, der auch weiß, dass für eine<br />
best<strong>im</strong>mte Hochtour der Einsatz eines besonderen<br />
Seils sinnvoll ist.<br />
Fachverkäufer in zweiter Reihe<br />
Drei bis fünf Mitarbeiter arbeiten je nach<br />
Bedarf die 100 bis 150 Produktanfragen<br />
pro Tag ab. Rund die Hälfte davon kommt<br />
per E-Mail an, jeweils ein Viertel über die<br />
Hotline und den Live-Chat. Reicht selbst<br />
das Wissen des Hotline-Mitarbeiters noch<br />
nicht, um die Frage des Kunden zu beantworten,<br />
springen die Fachverkäufer der<br />
derzeit zwei stationären Bergzeit-Läden<br />
mit ihrem Know-how ein. In den Filialen<br />
lässt Lehner seine Shop-Kundenbetreuer<br />
auch ausbilden: Sie nehmen an den Produktschulungen<br />
für das stationäre Verkaufspersonal<br />
teil und stehen samstags hin<br />
und wieder selbst <strong>im</strong> Laden.<br />
Auch Karin Stäbler, Geschäftsführerin<br />
von Reich Online Services, setzt auf Beratung<br />
<strong>im</strong> Haus. Das Rosenhe<strong>im</strong>er Unternehmen<br />
betreibt fünf Online Shops, vorwiegend<br />
mit Wäsche. Acht Mitarbeiter<br />
beantworten Fragen zu Produkten, Bestellprozess<br />
oder Retouren und nehmen<br />
auch mal eine telefonische Bestellung an.<br />
Eigenes Expertenteam<br />
Derzeit erreichen Kunden die Mitarbeiter<br />
montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr –<br />
„ein Defizit“, räumt Stäbler ein. Geplant ist<br />
daher ein Ausbau der Servicezeiten, vor<br />
allem am Wochenende. Als Kanäle stehen<br />
Telefon und E-Mail zur Verfügung, demnächst<br />
soll noch ein Chat dazukommen.<br />
Diesen will sie mit den Mitarbeitern ebenfalls<br />
<strong>im</strong> eigenen Haus stemmen. „Wir vertreiben<br />
sehr beratungsintensive Produkte<br />
und haben <strong>im</strong> Haus über Jahre hinweg ein<br />
Expertenteam aufgebaut. So etwas kann<br />
ein Dienstleister wohl kaum leisten“, ist ihr<br />
Hauptargument gegen Outsourcen.<br />
Ein Argument, das Callcenter-Dienstleister<br />
so nicht gelten lassen. „Fakt ist: Je<br />
höher der Komplexitätsgrad, desto höher<br />
ist der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern“,<br />
sagt Thomas Reinsch,<br />
Head of Key Account<br />
Quelle: Interactive Intelligence „Customer<br />
Service Experience“; Stand: März 2013<br />
Management bei BFS<br />
Baur Fulfillment Solutions.<br />
In vielen Unternehmen<br />
zögere man daher,<br />
beratungsintensive oder<br />
vielschichtige Themen an<br />
externe Dienstleister zu<br />
vergeben. Entscheidend<br />
seien aber die Erfahrung<br />
und die Kompetenz des<br />
Dienstleisters. Dazu zählt<br />
auch ein Gespür für das<br />
zu betreuende Unternehmen.<br />
„Die Auftraggeber<br />
vertrauen dem Dienstleister<br />
ihr Wichtigstes an:<br />
ihre Kunden. „Der Dienstleister<br />
sollte über alle Ebenen ein Bewusstsein<br />
für die Kunden und auch für die Produkte<br />
und Leistungen des Auftraggebers<br />
entwickeln. Dadurch kann er <strong>im</strong> Tagesgeschäft<br />
bewusst mit Fingerspitzengefühl<br />
agieren“, hebt Reinsch hervor. Zudem<br />
sollte der Dienstleister in der Lage sein,<br />
die Leistungspakete individuell auf den<br />
Auftraggeber abzust<strong>im</strong>men und flexibel<br />
auf Veränderungen zu<br />
reagieren.<br />
Gute Erfahrungen mit<br />
einem externen Dienstleister<br />
hat Thomas Kommerell,<br />
Leiter Wholesale<br />
Operations Vodafone,<br />
gemacht. Der Geschäftsbereich<br />
des Telekommunikationsanbieters<br />
setzt<br />
unter der Marke von<br />
Partnern Telekommunikationsprojekte<br />
um, beispielsweise die Mobilfunkangebote<br />
Edeka mobil, Bild mobil des Axel Springer<br />
Verlags und Fyve, einen Mobilfunktarif<br />
der Pro-Sieben-Sat1-Gruppe. Zurzeit betreut<br />
ein Team von rund 100 Mitarbeitern<br />
bei der Bertelsmann-Tochter Arvato die<br />
Callcenter-Anfragen von circa 20 Markenpartnern<br />
– vom Surfstick bis hin zu Festnetz-Ersatzprodukten.<br />
„Ein Know-how-<br />
Problem hat sich da noch nie ergeben“, so<br />
Kommerell.<br />
Ein Verantwortlicher als Schnittstelle<br />
Für ihn ist entscheidend, dass es jeweils<br />
einen Verantwortlichen gibt, der für den<br />
Kontakt zum Callcenter-Dienstleister<br />
zuständig ist. Dieser Service Manager<br />
kümmert sich um die Schulungen des<br />
Kernteams, um die Qualitätssicherung der<br />
erbrachten Leistung und stellt auch den<br />
Rückfluss der Informationen aus dem<br />
Callcenter ins Unternehmen sicher. „Diese<br />
Foto: Fotolia / Ingo Bartussek<br />
Informationen sind sehr wertvoll. Die<br />
Service Manager tauschen sich daher<br />
wöchentlich mit den Teamleitern des Callcenters<br />
aus, um zu erfahren, wo vielleicht<br />
ein Kundenbedarf besteht oder wo man<br />
etwas opt<strong>im</strong>ieren oder besser machen<br />
kann.“ Es sei ein großer Fehler zu meinen,<br />
man könne die Kundenbetreuung kurzerhand<br />
auslagern und dann funktioniere das<br />
schon. „Es braucht eine kontinuierliche<br />
Betreuung und der Aufwand dafür ist nicht<br />
zu unterschätzen“, sagt Kommerell. Man<br />
müsse stets das Ohr am Kunden haben.<br />
Hohe Innovationskraft<br />
Der größte Vorteil bei der Zusammenarbeit<br />
mit Arvato liegt für ihn in der Innovationskraft.<br />
So hat der Gütersloher<br />
Dienstleister selbst eine Plattform für eine<br />
Service Community entwickelt, die er seinen<br />
Auftraggebern zur Verfügung stellt.<br />
Über diese bietet Kommerell seinen Markenpartnern<br />
eine Social Community an,<br />
in der sich die User gegenseitig mit Tipps<br />
und Ratschlägen unterstützen. Bleibt eine<br />
Frage länger als zwölf Stunden innerhalb<br />
der Community unbeantwortet, n<strong>im</strong>mt<br />
ein Arvato-Mitarbeiter sich des Problems<br />
an. Diese Community lässt sich sowohl<br />
mit der <strong>Web</strong>site als auch mit Facebook<br />
Fanpages verlinken, sodass auch <strong>im</strong><br />
Social-Media-Bereich eine gezielte Kundenbetreuung<br />
möglich ist. „So etwas<br />
könnten wir selbst nicht entwickeln, weil<br />
das nicht zu unseren Kernleistungen<br />
zählt“, betont Kommerell.<br />
Ein weiterer Punkt, der aus seiner Sicht<br />
für den Dienstleister spricht, ist das schnelle<br />
„Für jeden Länder-Shop ein<br />
eigenes Service-Team aufzubauen,<br />
wäre zu teuer“<br />
KARIN STÄBLER<br />
Geschäftsführerin Reich Online Services<br />
und flexible Wachstum. Gewinnt die<br />
Wholesale Unit einen neuen Partner als<br />
Kunden, muss die Umsetzung binnen<br />
weniger Monate erfolgen. Um hier aus<br />
eigener Kraft ein Callcenter aufzubauen,<br />
fehle schlicht die Manpower.<br />
Einen weiteren Vorteil können Dienstleister<br />
bei der Internationalisierung bieten.<br />
Karin Stäbler von Reich Online Services<br />
plant, in naher Zukunft mit einigen<br />
Shops ins Ausland zu gehen. Dafür kann<br />
sie sich die Zusammenarbeit mit einem<br />
externen Partner vorstellen. „Es wäre zu<br />
teuer, für jeden Länder-Shop ein eigenes<br />
Service-Team aufzubauen“, so Stäbler.<br />
Klaus Lehner von Bergzeit.de überzeugt<br />
aber auch das nicht. Sein Ziel für den bevorstehenden<br />
Sprung ins Ausland: Für jedes<br />
Land soll ein Mitarbeiter zur Verfügung<br />
stehen, der die Sprache beherrscht. Später<br />
sollen Muttersprachler dann Auskunft<br />
darüber geben können, wie lang der Ärmel<br />
bei der Jacke in Größe M ist. cf<br />
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