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VORLESUNGSMANUSKRIPT BIOLOGISCHE PSYCHOLOGIE

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<strong>VORLESUNGSMANUSKRIPT</strong> <strong>BIOLOGISCHE</strong> <strong>PSYCHOLOGIE</strong><br />

(6. überarbeitete Auflage, Oktober 2000)<br />

Vorbemerkung zur Arbeit mit diesem Manuskript:<br />

Das Manuskript soll lediglich die Mitschrift bestimmter Kapitel der Biologischen Psychologie I<br />

(Winter-Semester) während der Vorlesung ersetzen und zugleich die Vorbereitung auf die Prüfung<br />

erleichtern. Es ist nicht dazu gedacht, die Vorlesung zu ersetzen, da es lediglich die wichtigsten Fakten<br />

in stark komprimierter Form enthält. Auch ist nicht der gesamte Stoff des Winter-Semesters<br />

dargestellt, sondern nur solche Kapitel, deren Quelle in verschiedenen, schwerer zugänglichen Büchern<br />

liegt oder die aus Lehrbüchern stammen, die für den hier verfolgten Zweck zu umfangreich sind.<br />

Definition der Biologischen Psychologie<br />

Physiologie: Lehre von den normalen Lebensfunktionen.<br />

Biologische Psychologie: Untersuchung der Zusammenhänge zwischen physiologisch-organischen<br />

Vorgängen und dem Verhalten bzw. dem subjektiven Erleben. Basiert vorwiegend auf<br />

Tierexperimenten und betont neurophysiologische Prozesse.<br />

Psychophysiologie: Basiert auf Humanexperimenten. Strebt die psychologisch-physiologische<br />

Doppelbetrachtung an.<br />

Psychosomatik: Ursprünglich die Doppelbetrachtung psychophysischer Störungen. In Deutschland<br />

weitgehend psychoanalytisch orientiert. In der angloamerikanischen Literatur<br />

psychophysiologisch orientiert: Psychophysiological disorders statt psychosomatic disorders. In<br />

der 10. Revision der International Classification of Diseases (ICD-10, 1994) wurden auch diese<br />

Begriffe aufgegeben. Psychosomatische Störungen werden nun unter der Rubrik „F 45<br />

Somatoforme Störungen“ eingeordnet. Diese sind durch die „wiederholte Darbietung<br />

körperlicher Symptome trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, daß<br />

die Symptome nicht körperlich begründbar sind, charakterisiert.“<br />

Determinanten des Verhaltens: ZNS-Prozesse (ZNS = Zentralnervensystem), Hormonsystem,<br />

Reizsituation (Umwelt), phylogenetische Vergangenheit, Lerngeschichte u.a.


Anatomischer Aufbau des menschlichen Organismus<br />

2<br />

Literatur: Faller, A. & Schünke, M. (1999). Der Körper des Menschen. Stuttgart: Thieme.<br />

Sobotta-Becher: Atlas der Anatomie des Menschen Bd. I und II.<br />

Einteilung der deskriptiven Anatomie: Knochen; Bänder, Muskeln und Schleimbeutel; Gefäße;<br />

Eingeweide; Zentralnervensystem; peripheres Nervensystem; Sinnesorgane und Haut.<br />

Knochen: Ursprünglich Knorpel. Reste des embryonalen Knorpelskeletts beim Erwachsenen: Z.B.<br />

Rippenknorpel, Gelenkknorpel. Setzt sich aus kalkhaltiger Knochensubstanz und Weichteilen<br />

(Gelenkknorpel, Knochenhaut = Periost, Knochenmark, Blutgefäße und Nerven) zusammen.<br />

Knochensubstanz in zwei Modifikationen: Substantia compacta (zylindrischer Mantel um den<br />

Markraum der Röhrenknochen) und Substantia spongiosa (Endstücke der Röhrenknochen, kurze<br />

und platte Knochen; Sitz des roten Knochenmarks).<br />

Knochenmark: Rotes Knochenmark (Blutbildung) und gelbes Knochenmark (reines Fettgewebe), das<br />

sich im Laufe der Entwicklung aus dem roten Mark bildet.<br />

Wirbelsäule: Besteht aus 24 freien Wirbeln (7 Hals-, 12 Brust- und 5 Lendenwirbel), Kreuzbein und<br />

Steißbein. Wirbelkörper durch Bandscheiben miteinander verbunden. Zwischen je 2 Wirbeln<br />

befinden sich die Zwischenwirbellöcher = foramen intervertebrale, die in den Rückenmarkskanal<br />

führen (ermöglichen die Verbindung zwischen ZNS und peripheren Nerven).<br />

Thorax (Brustkorb): Gebildet aus Brustwirbelsäule, 12 Rippenpaaren und Brustbein.<br />

Schädel: Besteht aus Stirnbein, Scheitelbein, Hinterhauptsbein, Schläfenbein, Keilbein, Tränenbein,<br />

Siebbein, Jochbein, Nasenbein, Unter- und Oberkiefer.<br />

Schädel des Neugeborenen: Vordere Fontanelle (zwischen Stirnnaht, Kranznaht und Pfeilnaht) = große<br />

Fontanelle; hintere Fontanelle = kleine Fontanelle; vordere und hintere Seitenfontanellen<br />

(paarig).<br />

Skelett der oberen Extremität: Schultergürtel (Schlüsselbein und Schulterblatt), freie obere Extremität<br />

(Oberarm = Humerus; Unterarm mit Radius = Speiche und Ulna = Elle; Hand mit<br />

Handwurzelknochen, Mittelhandknochen und Fingerknochen).<br />

Skelett der unteren Extremität: Beckengürtel (zwei Hüftbeine bestehend jeweils aus Darmbein,<br />

Schambein und Sitzbein; Kreuzbein); freie untere Extremität (Oberschenkel = Femur;<br />

Kniegelenk mit Menisken; Unterschenkel mit Tibia = Schienbein und Fibula = Wadenbein; Fuß<br />

mit Fußwurzelknochen, Mittelfußknochen und Zehen).<br />

Gelenke: Bestehend aus Kopf, Pfanne und Kapsel, welche die Gelenkhöhle nach außen abschließt.<br />

Schleimbeutel befinden sich an Stellen, wo Sehnen über Knochen gleiten, Sehnenscheiden<br />

dienen zur Führung der Sehnen über Knochen.<br />

Gelenkformen: Kugelgelenk (z.B. Schultergelenk), Eigelenk (z.B. hinteres Handwurzelgelenk),<br />

Scharniergelenk (z.B. Kniegelenk), Zapfengelenk (z.B. zwischen erstem und zweitem<br />

Halswirbel), Sattelgelenk (z.B. Carpometacarpalgelenk des Daumens = Verbindung zwischen<br />

Handwurzel und Mittelhandknochen des Daumens), flaches Gelenk (z.B. Kehlkopf).<br />

Muskel: Bestehend aus proximaler Ursprungssehne(näher zum Rumpf liegend), Muskelbauch und<br />

distaler Ansatzsehne(entfernter zum Rumpf liegend). Gleichsinnig arbeitende Muskeln =


Synergisten, ungleichsinnig arbeitende Muskeln = Antagonisten. Sechs Hauptbewegungen<br />

möglich: Beugung (Flexion), Streckung (Extension), Anziehen (Adduktion), Abspreizen<br />

(Abduktion), Außenrollung (Exorotation) und Innenrollung (Endorotation).<br />

Mundhöhle: Schneidezähne, Mahlzähne und Speicheldrüsen zur Verflüssigung der Nahrung und<br />

Beginn der Kohlenhydratverdauung. Am Übergang zwischen Mundhöhle und Pharynx liegen<br />

vordere und hintere Gaumenbögen mit Gaumenmandeln = Tonsillen.<br />

Pharynx (Schlund): Hier kreuzen sich Atemweg und Speiseweg. Berührung der hinteren Rachenwand<br />

löst Schluckreflex aus. Schluckzentrum in der Medulla oblongata (Teil des Gehirns).<br />

Oesophagus (Speiseröhre): Verbindet den Pharynx mit dem Magen. Liegt zwischen Luftröhre und<br />

Wirbelsäule.<br />

Magen: Links im Oberbauch zwischen Leber und Milz. Rechte Magenkante = kleine Curvatur, linke<br />

Magenkante = große Curvatur. Oberer Teil des Magens liegt als Magengrund (Fundus) in der<br />

linken Zwerchfellkuppel. Magengrund und Magenkörper (Corpus) bilden den verdauenden<br />

Magenabschnitt. Am Magenmund (Cardia) mündet die Speiseröhre in den Magen. Der<br />

Pförtnermuskel (Pylorus) schließt den Magen gegen den Zwölffingerdarm ab.<br />

Zwölffingerdarm (Duodenum): Gestalt eines liegenden nach links offenem U. Umrandet den Kopf der<br />

Bauchspeicheldrüse.<br />

Jenunum (Leerdarm) und Ileum (Krummdarm): Schließen sich an das Duodenum an. Schlingen des<br />

Darmes an Gekröse aufgehängt, das Gefäße, Nerven, Venen und Lymphgefäße führt.<br />

Dickdarm (Colon): Besteht aus Blinddarm mit Wurmfortsatz (Appendix), aufsteigendem Dickdarm,<br />

Quercolon, absteigendem Dickdarm und Sigmaschleife.<br />

Mastdarm (Rectum): Schließt sich an Sigmaschleife an und geht in den Analkanal über, der mit dem<br />

After (Anus) endet.<br />

Brusthöhle: Enthält die Brusteingeweide: Lungen mit zuführenden Luftwegen (Bronchien),<br />

Speiseröhre und Herz mit Venen und Arterien. Der Boden der Brusthöhle wird durch das<br />

Zwerchfell gebildet.<br />

Embryonaler Kreislauf: Nabelvene leitet das im Placentarkreislauf arterialisierte Blut dem Embryo zu.<br />

Diese mündet sowohl direkt in die untere Hohlvene als auch indirekt über das Pfortadersystem.<br />

In der unteren Hohlvene mischt sich das arterielle Blut der Nabelvene mit dem venösen Blut der<br />

Hohlvene. Aus der unteren Hohlvene gelangt das Blut in den rechten Vorhof. Ab hier zwei<br />

Wege: (1) rechter Vorhof ---> linker Vorhof über Foramen ovale ---> linker Ventrikel ---><br />

Aorta ---> Körperkreislauf. (2) rechter Vorhof ---> rechter Ventrikel ---> Lungenarterien ---><br />

Aorta über Ductus arteriosus. Nur 4 % des vom rechten Ventrikel ausgeworfenen Blutes gehen<br />

durch die embryonalen Lungen. Mit dem ersten Atemzug nimmt der Widerstand im<br />

Lungenkreislauf ab. Blut aus dem rechten Ventrikel fließt nun in die Lungenkapillaren. Druck im<br />

linken Vorhof übersteigt Druck im rechten Vorhof, wodurch sich das Foramen ovale schließt.<br />

Umkehr der Strömungsrichtung im Ductus arteriosus mit Verengung und Verschluß desselben.<br />

Kreislauf nach der Geburt: Linker Ventrikel---> Aorta ---> großer Kreislauf ---> Kapillargebiete ---><br />

Venen ---> rechter Vorhof ---> rechter Ventrikel ---> Lungenarterien ---> Kapillaren der Lunge --<br />

-> Lungenvenen ---> linker Vorhof ---> linker Ventrikel, etc.<br />

3


Zellen, Gewebe und Organe<br />

4<br />

Literatur: Faller & Schünke<br />

Grundeigenschaften der Zelle: Stoffwechsel, Wachstum, Empfindlichkeit (Reizaufnahme aus der<br />

Umwelt), Bewegung und Fortpflanzung.<br />

Zytoplasma: Kolloid von gelartiger Beschaffenheit, 3/4 Wasser, 1/4 Eiweiß, Lipoide und<br />

Kohlenhydrate.<br />

Zellorganellen: Endoplasmatisches Reticulum (System von Spalten, in denen rascher Transport<br />

gelöster Stoffe im Inneren des Zytoplasmas gewährleistet ist), Ribosomen (sitzen der<br />

Außenfläche der Lamellen des endoplasmatischen Reticulums auf; Orte der Eiweißbildung),<br />

Golgi-Feld (Lamellensystem; Aufgabe Sekretbildung), Zentrosomen (aus zylindrischen Röhren<br />

aufgebaut; für Zellteilung wichtig), Mitochondrien (längliche, von einer Doppelmembran<br />

umgebene Gebilde; Träger der Atmungsenzyme, Umwandlung von ADP in ATP), Lysosomen<br />

(enthalten Enzyme für den Abbau großer Moleküle).<br />

Zellmembran: Besteht aus innerer und äußerer Eiweißschicht mit dazwischenliegender Lipoidschicht.<br />

Regelt den Stoffaustausch zwischen Zelle und zwischenzelligem Raum. Die Zelloberfläche<br />

verfügt über besondere Rezeptoren, welche die Unterscheidung von körpereigen und<br />

körperfremd gestatten. Mit Hilfe auflösender Enzyme (Lysozyme) und Eiweiß verdauender<br />

Enzyme (Proteasen), die von der Zellmembran abgegeben werden, zerstört die Zelle fremde<br />

Substanzen. Sie kann kleine Partikel umfließen und sie durch Phagozytose in sich aufnehmen.<br />

Die Einverleibung kleiner Tröpfchen wird als Pinozytose bezeichnet.<br />

Zellkern (Nucleus): Mit Doppelmembran umgeben, deren Spalt mit dem endoplasmatischen Reticulum<br />

zusammenhängt. Kernporen gestatten Austausch mit dem Zytoplasma. Im Kern die<br />

Kernkörperchen (Nucleolen). Der Kern besteht aus Nucleinsäuren: RNS in den Nucleolen und<br />

DNS im übrigen Kernraum. DNS läßt sich anfärben, daher auch als Chromatin bezeichnet. Aus<br />

dem Chromatin gehen bei der Zellteilung die Chromosomen hervor.<br />

Elektrolyte: Im Wasser gelöste Salze, Säuren und Basen in Form elektrisch geladener Teilchen (Ionen).<br />

Filtration: Durchpressen kleinster Teilchen, die in einem Lösungsmittel gelöst sind, durch eine<br />

Membran mit entsprechender Porengröße (z.B. Kapillaren, Nieren).<br />

Diffusion: Langsame Durchdringung und Mischung von Flüssigkeiten oder Gasen bis zur völligen<br />

Durchmischung bei direkter Berührung von Gasen bzw. Flüssigkeiten unterschiedlicher<br />

Konzentration (z.B. Durchtreten von Sauerstoff durch die Wände der Lungenbläschen).<br />

Osmose: Diffusion durch eine semipermeable Membran. Dabei zieht die höher konzentrierte Lösung<br />

Wasser an ---> osmotischer Druck. Der osmotische Druck der Gewebeflüssigkeit hängt vom<br />

Eiweiß- und Salzgehalt ab und entspricht etwa einer Lösung von 0,9 % NaCl (= physiologische<br />

Kochsalzlösung).<br />

Gewebe: Verband gleichartig gebauter Zellen und ihrer Abkömmlinge in Hinblick auf eine oder<br />

mehrere gleichartige Funktionen.<br />

Epithelgewebe: Auskleidung einer äußeren oder inneren Oberfläche. Funktionen: Schutzfunktion (z.B.<br />

Epidermis der Haut), Sekretion (Drüsen; endokrine und exokrine; vom Bau her tubulöse,


alveoläre und azinöse Drüsen), Resorption (Epithel der Darmzotten), Reizaufnahme<br />

(Sinnesepithelien, z.B. Netzhaut des Auges).<br />

Unterscheidung der Epithelien nach der Form: Plattenepithel (z.B. Bauchfell), kubisches Epithel (z.B.<br />

Sammelrohre der Nieren), Zylinderepithel (z.B. Darmepithel).<br />

Unterscheidung der Epithelien nach der Anordnung: Einschichtiges Epithel (z.B. Darmepithel),<br />

mehrschichtiges Epithel (z.B. Epidermis = Oberhaut), mehrstufiges Epithel (z.B.<br />

Respirationstrakt; alle Zellen sitzen der Basalmembran auf, erreichen aber nicht alle die<br />

Oberfläche), Übergangsepithel (z.B. ableitende Harnwege; sehr dehnbar).<br />

Bindegewebe: Funktion: Stützfunktion und Stoffwechselfunktion. Bau: Zellen, zwischenzellige<br />

Substanz (Interzellulärsubstanz) und Fasern. Formen: Embryonales Bindegewebe, retikuläres<br />

Bindegewebe, Bindegewebe des Erwachsenen, Fettgewebe, Knorpel, Knochen.<br />

Embryonales Bindegewebe (Mesenchym): Hiervon stammen alle Stützgewebe ab. Mesenchymzellen<br />

bilden einen lockeren Zellschwamm, in den Lücken befindet sich flüssige Zwischensubstanz.<br />

Zellen können sich aus dem Verband lösen ---> Wanderzellen (Makrophagen).<br />

Retikuläres Bindegewebe: Ähnlich dem embryonalen mit Gitterfasern. Kann geformte Stoffe<br />

aufnehmen (Phagozytose) und speichern. Grundlage von Lymphknoten, Milz und Knochenmark.<br />

Retikuloendotheliales System (RES): Alle Zellen des Körpers, die phagozytieren und speichern. Zum<br />

RES gehören die Retikulumzellen des retikulären Bindegewebes und auch die Endothelzellen<br />

(Wandzellen) gewisser Kapillaren z.B. Kupffersche Sternzellen der Leber. Funktion:<br />

Abwehrtätigkeit (Bildung von Antikörpern).<br />

Bindegewebe der Erwachsenen: Anordnung: Locker (z.B. interstitielles Bindegewebe) oder straff (z.B.<br />

Sehnengewebe). Bindegewebszellen teils ortsbeständig (Fibrozyten) teils beweglich<br />

(Histiozyten). Fasern: Kollagene und elastische Fasern. Funktion: Bindefunktion, Wundheilung.<br />

Fettgewebe: Braunes (zahlreiche kleine Fettröpfchen) und gelbes Fettgewebe (ein einziger großer<br />

Tropfen Fett). Funktion: Speicherfett (Brennstoffvorrat), Baufett (z.B. Fettpolster an der Ferse),<br />

Isolationsfett (Subkutanfett der Haut zum Wärmeschutz).<br />

Knorpelgewebe: Knorpelzellen und Knorpelgrundsubstanz mit Bindegewebsfasern. Formen: Hyaliner<br />

Knorpel (z.B. Gelenkflächen), elastischer Knorpel (mit elastischen Fasern, z.B. Ohrknorpel),<br />

Faserknorpel (mit kollagenen Fasern, z.B. Bandscheiben).<br />

Knochen: Knochenbildungszellen (Osteoblasten) scheiden Knochengrundsubstanz ab, Knochenzellen<br />

(Osteozyten) sind vollständig von der Grundsubstanz eingeschlossen und Knochenabbauzellen<br />

(Osteoklasten) bauen den Knochen ab. Knochengrundsubstanz: 1/3 Ossein (organisch), 2/3<br />

Mineralsalze; enthält zahlreich kollagene Bindegewebsfasern.<br />

Röhrenknochen: Schaft (Diaphyse) und Gelenkenden (Epiphysen). Knochenanbauten für Sehnen =<br />

Apophysen. Beim Jugendlichen zwischen Epiphysen und Diaphysen die Epiphysenfugen =<br />

Zonen des Längenwachstums.<br />

Muskelgewebe: Gekennzeichnet durch Kontraktilität, Reizbarkeit und Leitfähigkeit für den gesetzten<br />

Reiz. Formen: Glatte Muskulatur (Hohlorgane, Gefäße; Arbeitsweise langsam, wiederkehrend,<br />

unwillkürlich und autonom), quergestreifte Skelettmuskulatur (Arbeitsweise rasch, an keinen<br />

Rhythmus gebunden, willkürlich beeinflußbar und dem ZNS unterstellt), Herzmuskulatur<br />

(Arbeitsweise rasch, wiederkehrend, unwillkürlich und autonom).<br />

5


Nervengewebe: Funktionen: Erregungsleitung (periphere Nerven mit afferenter und efferenter Leitung)<br />

und Reizverarbeitung (nervöse Zentren, vor allem ZNS). Baueinheit: Neuron mit Zelle,<br />

Dendriten und Neuriten (Axon). Vorkommen: Graue Substanz von Rückenmark und Gehirn.<br />

Formen: Unipolare, bipolare und multipolare Zellen. Im Zellkörper Nissl-Schollen und<br />

Neurofibrillen.<br />

Tumoren: Treten bei jedem 3. Menschen auf, 2/3 der Erkrankten sterben daran. Maligner Tumor =<br />

Ansammlung von Krebszellen. Benigne Tumoren wachsen nur begrenzt. Krebs (Carcinom) kann<br />

in jeder Art von Körpergewebe vorkommen. Kennzeichen: Ungehemmtes Wachstum, dadurch<br />

Verdrängung des gesunden Gewebes und Beanspruchung großer Nährstoffanteile. Mögliche<br />

Ursachen: Mutation (Produktionsfehler bei der täglichen Zellherstellung), Chemikalien (z.B.<br />

Teer im Tabak), elektromagnetische Strahlen (ultraviolette, Röntgenstrahlen, radioaktive<br />

Strahlen), Viren.<br />

Krebsbehandlung: Chirurgisches Entfernen vor Metastasenbildung (wichtig die<br />

Vorsorgeuntersuchungen) und Wachstumshemmung (Röntgenstrahlen, Zytostatika, Hormone).<br />

6<br />

Menschliche Ontogenese<br />

Literatur: Sadler, T.W. (1998). Medizinische Embryologie. Stuttgart: Thieme (begründet von J.<br />

Langman).<br />

Ontogenese: Keimesentwicklung des Einzelwesens.<br />

Phylogenese: Stammesentwicklung der Menschen und Tiere.<br />

Gametogenese: Entwicklung der männlichen (Spermatozyte) und weiblichen Geschlechtszellen<br />

(Oozyte) aus den Keimzellen.<br />

Chromosomen des Menschen: Die normale Körperzelle enthält 46 Chromosomen: 44 Autosomen und<br />

2 Geschlechtschromosomen. Weibliche Geschlechtschromosomen bestehen aus 2 X-<br />

Chromosomen, männliche aus 1 X- und 1 Y-Chromosom. Jedes Autosom besitzt ein<br />

Partnerchromosom mit den gleichen morphologischen Merkmalen, sie bilden jeweils ein Paar<br />

von Homologen. Obwohl X- und Y-Chromosom nicht identisch sind, spricht man beim<br />

Menschen von 23 Chromosomenpaaren = diploider Chromosomensatz.<br />

Mitose: Normale Zellteilung. Phasen: (1) Verdoppelung des DNS-Gehalts in der Zelle, (2) Prophase<br />

(Chromosomen werden im Lichtmikroskop sichtbar), (3) Prometaphase (Chromosomen<br />

kontrahieren sich. Jedes Chromosom besteht infolge der DNS-Verdoppelung aus zwei<br />

Chromatiden, die am Zentromer zusammengehalten werden), (4) Metaphase (Chromosomen<br />

ordnen sich in der Äquatorialplatte an), (5) Anaphase (Teilung des Zentromers und<br />

Auseinanderrücken der Tochterchromosomen), (6) Telophase (Bildung der Tochterzellen,<br />

Durchschnürung des Zytoplasmas).<br />

Meiose = Reifeteilungen: Phasen: (1) Verdoppelung der DNS wie bei der Mitose, (2) Prophase (Im<br />

Unterschied zur Mitose paaren sich in der sog. 1. Reifeteilung die homologen Chromosomen. Da


jedes einzelne Chromosom zwei Chromatiden enthält, bestehen die homologen<br />

Chromosomenpaare aus 4 Chromatiden. Es erfolgt der Austausch von Chromatidabschnitten<br />

zwischen den gepaarten homologen Chromosomen = Crossing over. Dabei findet ein Austausch<br />

von Gengruppen zwischen den homologen Chromosomen statt). Phasen (3) - (6) wie bei Mitose.<br />

Am Ende der 1. Reifeteilung enthält jede Tochterzelle eine Hälfte von jedem Chromosomenpaar,<br />

wobei jedes Chromosom jedoch aus 2 Chromatiden besteht. Der Gesamtgehalt an DNS in jeder<br />

Tochterzelle entspricht also noch dem der übrigen Körperzellen.<br />

Im Anschluß an die 1. Reifeteilung treten die Zellen sofort in die 2. Reifeteilung ein. Der 2.<br />

Reifeteilung geht keine DNS-Synthese voraus. Phasen: Wie bei Mitose ohne (1). Am Ende der 2.<br />

Reifeteilung ist der DNS-Gehalt nur noch halb so groß wie in den normalen Körperzellen<br />

(haploider Chromosomensatz).<br />

Meiose der weiblichen Keimzelle: Es entstehen 4 Tochterzellen mit je 22 Autosomen und 1 X-<br />

Chromosom. Nur eine Tochterzelle entwickelt sich zur Eizelle, die anderen drei (Polkörperchen)<br />

erhalten kaum Zytoplasma und degenerieren.<br />

Meiose der männlichen Keimzelle: Es entstehen 2 Tochterzellen mit 22 Autosomen + 1 X-Chromosom<br />

und 2 Tochterzellen mit 22 Autosomen + 1 Y-Chromosom.<br />

Non-disjunction: Störung bei der 1. Reifeteilung. Trennung eines homologen Chromosomenpaares<br />

bleibt aus, und beide Glieder wandern in eine Zelle. Dadurch erhält eine Zelle 24, die andere 22<br />

Chromosomen statt - wie normal - 23 Chromosomen. Wenn bei der Befruchtung ein Gamet mit<br />

23 Chromosomen mit einem Gameten verschmilzt, der 24 oder 22 Chromosomen besitzt,<br />

entsteht ein Organismus mit 47 Chromosomen (Trisomie) oder mit 45 Chromosomen<br />

(Monosomie).<br />

Entwicklung der Oozyte: (1) Urkeimzelle (beim Embryo in der 4. Woche bereits sichtbar), (2) Oogonie<br />

(entstehen durch Mitose aus den Urkeimzellen), (3) primäre Oozyte (entstehen aus den Oogonien<br />

im 3. Monat. Replikation der DNS und Eintreten in die Prophase der 1. Reifeteilung. Primäre<br />

Oozyte mit umgebenden Epithelzellen = Primärfollikel), (4) Ruhestadium (Diktyotänstadium bis<br />

zu 40 Jahre), (5) Reifung des Primärfollikels mit Einsetzen der Pubertät ---> Entstehung des<br />

Graaf-Follikels (besteht aus: Oozyte mit Zona pellucida und Follikelzellen, Follikelhöhle, Theca<br />

interna und Theca externa), (6) Fortsetzung der 1. Reifeteilung ---> sekundäre Oozyte, (7) zweite<br />

Reifeteilung mit der Ovulation = Follikelsprung.<br />

Entwicklung der Spermatozyte: (1) Urkeimzelle, (2) Spermatogonien (entstehen erst mit der Pubertät<br />

aus den Urkeimzellen), (3) primäre Spermatozyten (entstehen durch Mitose aus den<br />

Spermatogonien. Replikation der DNS und Eintreten in die Prophase der 1. Reifeteilung), (4)<br />

erste Reifeteilung nach 16 Tagen beendet ---> sekundäre Spermatozyten, (5) zweite Reifeteilung<br />

mit Bildung der Spermatiden (bestehen aus 23 Chromosomen), (6) Entwicklung des<br />

Spermatozoons aus der Spermatide (Gesamtentwicklungsdauer von Spermatogonie bis<br />

Spermatozoon 90 Tage).<br />

Mißgebildete Gameten: Primärfollikel besitzt statt einer primären Oozyte zwei oder drei. Entstehen<br />

von Zwillingen oder Drillingen möglich. Beim Mann mißgebildete Spermatozoen häufig.<br />

Beeinträchtigung der Fertilität bei mehr als 25 % mißgebildeten Spermatozoen.<br />

Hormonelle Steuerung des Ovarialzyclus: Zyklische Veränderungen gehen vom Hypothalamus mit<br />

Beginn der Pubertät aus: Releasing-Faktoren des Hypothalamus ---> Sekretion von<br />

Gonadotropinen im Hypophysenvorderlappen (FSH = Follikelstimulierendes Hormon, LH =<br />

7


luteinisierendes Hormon) ---> Wachstum des Primärfollikels unter dem Einfluß von FSH in den<br />

ersten Tagen des Ovarialzyklus ---> Vermehrung der Follikelzellen, die Progesteron produzieren<br />

und Vermehrung der Zellen der Theca interna, die Östrogene produzieren ---> Östrogenanstieg<br />

kurz vor der Ovulation ---> Ausschüttung von LH aus der Hypophyse ---> Ovulation ---><br />

Umwandlung der im Ovar verbleibenden Follikelzellen (Granulosazellen) zum Corpus luteum,<br />

das Progesteron erzeugt ---> Überführung der Uterusschleimhaut in die Sekretionsphase ---> bei<br />

Nichtbefruchtung aufhören der Progesteronbildung im Corpus luteum ---> Periodenblutung. Bei<br />

Befruchtung wird Degeneration des Corpus luteum durch gonadotropes Hormon verhindert, das<br />

im Trophoblast des Embryos gebildet wird ---> Corpus luteum graviditatis ---> am Ende des 4.<br />

Monats Übernahme der Progesteronproduktion durch die Plazenta.<br />

Zeitverhältnisse bei der Ovulation: Ovulation 14 Tage ± 1 Tag vor der nächsten Periodenblutung<br />

(konstante Phase). Variable Phase, je nach Zyklusdauer, zwischen Ovulation und vorhergehender<br />

Menstruation.<br />

Hormonale Kontrazeption: Hemmende Wirkung von mit der Pille zugeführtem Östrogen und<br />

Progesteron auf Hypophyse und Hypothalamus. Dadurch wird die zur Ovulationsauslösung<br />

notwendige LH-Ausschüttung unterdrückt; Ruhigstellung des Ovars. Entzugsblutung bei<br />

Pilleneinnahme nur menstruationsähnlich.<br />

Befruchtung: Verschmelzung des männlichen (Spermatozoon) und weiblichen Gameten (Oozyte) im<br />

Eileiter. Spermien machen vor Befruchtung Kapazitation im weiblichen Genitaltrakt durch<br />

(Entfernung von Hemmfaktoren, die auf der Oberfläche der Spermien sitzen), anschließend<br />

erfolgt Akrosomreaktion (dient zur Auflösung der die Oozyte umgebenden Corona radiata). Bei<br />

Berührung der Membran der Eizelle durch den Kopf des Spermiums entsteht Reaktion der Zona<br />

pellucida, die das Eindringen weiterer Spermien verhindert. Bildung des männlichen und<br />

weiblichen Vorkernes, Reduplikation der DNS in jedem Vorkern, Verschmelzung der Vorkerne,<br />

Bildung der 2-zelligen Zygote.<br />

Furchungsteilungen: Die zweizellige Zygote durchläuft eine Reihe von Mitosen, wodurch die Zellzahl<br />

rasch ansteigt. Diese Zellen nennt man Blastomeren. Es entsteht die Morula mit innerer<br />

Zellschicht (Gewebe für den Embryo) und äußerer Zellschicht (Trophoblastzellen, die später die<br />

Plazenta entwickeln). Nach 60 Stunden ist die Morula im Uterus.<br />

Entwicklung der Blastozyste: Interzellularräume der Morula fließen zusammen und bilden die<br />

Blastozystenhöhle. Die Zygote heißt jetzt Blastozyste mit Embryoblast (innere Zellschicht) und<br />

Trophoblast (äußere Zellschicht). Trophoblastzellen beginnen am 6. Tag in die<br />

Uterusschleimhaut einzudringen.<br />

Veränderungen der Uterusschleimhaut: Uteruswand aus 3 Schichten gebildet: Endometrium (innere<br />

Schleimhautauskleidung), Myometrium (dicke Schicht aus glatter Muskulatur) und Perimetrium<br />

(Peritonealüberzug = Bauchfellüberzug auf der Außenfläche). Bei der Implantation der<br />

Blastozyste befindet sich Schleimhaut in der Sekretionsphase, die durch das Progesteron des<br />

Corpus luteum hervorgerufen wird. Schleimhaut ist aus 3 Schichten aufgebaut: Oberflächliche<br />

Zona compacta, lockere Zwischenschicht = Zona spongiosa und Zona basalis. Bei<br />

Nichtbefruchtung erfolgt die Abstoßung von Kompakta und Spongiosa im Rahmen der<br />

Menstruation. Ausfluß besteht aus Blut, Epithelzellen und Zerfallsprodukten von abgestorbenen<br />

Zellen. Die Basalis stellt die Regenerationsschicht dar, aus der die Drüsen und Arterien in der<br />

Proliferationsphase wieder aufgebaut werden.<br />

8


Abweichende Implantationsorte: Normalerweise hintere oder vordere Wand des Uterus. Bei Einnistung<br />

im Bereich des Muttermundes schwere Blutungen in der 2. Hälfte der Schwangerschaft und bei<br />

der Geburt (Plazenta praevia). Ektopische Schwangerschaften (extrauterine Gravidität) in<br />

Bauchhöhle, Ovar oder Eileiter. Bei Tubargravidität platzt der Eileiter im 2.<br />

Schwangerschaftsmonat mit starker innerer Blutung.<br />

Entwicklung zur zweiblättrigen Keimscheibe: Der Trophoblast entwickelt zwei Schichten:<br />

Synzytiotrophoblast und Zytotrophoblast. Aus dem Embryoblast entwickeln sich das Ektoderm<br />

und Entoderm, die beiden Schichten der zweiblättrigen Keimscheibe. Zwischen Ektoderm und<br />

Zytotrophoblast entsteht die Amnionhöhle. Im Synzytiotrophoblast entstehen Hohlräume<br />

(Lakunen), die schließlich mit den mütterlichen Sinusoiden (gestaute Kapillaren) in Verbindung<br />

treten; es entsteht der utero-plazentare Kreislauf. Die Blastozystenhöhle wird zum primären<br />

Dottersack. Aus dem Zytotrophoblast entstehen mesenchymale Zellen (Bindegewebszellen,<br />

Mesoderm). In diesem Mesoderm bildet sich die Chorionhöhle bzw. das extraembryonale<br />

Zölom. Schließlich ist die zweiblättrige Keimscheibe mit ihrer Amnionhöhle und ihrem<br />

Dottersack ganz von der Chorionhöhle umgeben und hat nur noch über den Haftstiel - der<br />

späteren Nabelschnur - Verbindung mit dem Trophoblast. Im Verlauf der 3. Entwicklungswoche<br />

entsteht die dreiblättrige Keimscheibe, wobei Zellen des Mesoderms zwischen die Zellen des<br />

Ektoderms und Entoderms einwandern.<br />

Embryonalperiode: Zeitraum zwischen der 4. und 8. Entwicklungswoche. Entwicklung der<br />

Organanlagen (Organogenese). Die meisten angeborenen Mißbildungen entstehen in dieser<br />

kritischen Entwicklungsperiode. Abkömmlinge des Ektoderm: ZNS, peripheres Nervensystem,<br />

Sinnesepithelien, Epidermis einschließlich Haare und Nägel, subkutane Drüsen. Abkömmlinge<br />

des Mesoderm: Bindegewebe, Knorpel und Knochen; quergestreifte und glatte Muskulatur;<br />

Wandungen des Herzens und der Gefäße; Zellen des Blutes und der Lymphe; Niere und<br />

Keimdrüsen; Milz; Rinde der Nebenniere. Abkömmlinge des Entoderm: Magen-Darm-Kanal;<br />

epitheliale Auskleidung des Respirationstraktes; Parenchym der Tonsillen, Schilddrüse, Leber<br />

und Pankreas; epitheliale Auskleidung der Harnblase und Harnröhre.<br />

Fetalperiode: Zeitraum vom Beginn des 3. Monats bis zur Geburt. Schnelles Wachstum des Körpers<br />

bei relativer Verlangsamung des Kopfwachstums. Am Ende des 3. Monats lassen sich bei<br />

abortierten Feten bereits Reflexe auslösen. Im 5. Monat werden Kindsbewegungen von der<br />

Mutter deutlich wahrgenommen. Mit 28 Wochen ist der Fetus im Prinzip lebensfähig<br />

(Frühgeburt). Normales Geburtsgewicht 3000 - 3500 g, Scheitel-Fersen-Länge 50 cm.<br />

Berechnung des Geburtstermins: Gerechnet vom ersten Tag der letzten Regel beträgt die<br />

Schwangerschaftsdauer 280 Tage = 40 Wochen = 10 Lunarmonate = 9 Kalendermonate. Die<br />

Berechnung des Geburtstermins ist am genauesten, wenn man vom Tag der Befruchtung ausgeht<br />

und 266 Tage oder 38 Wochen hinzurechnet.<br />

Funktionen der Plazenta: Austausch von Stoffwechselprodukten und Gasen zwischen mütterlichem<br />

und fetalem Blut bei vollständiger Trennung der beiden Kreislaufsysteme (Plazentaschranke);<br />

Hormonbildung (Choriongonadotropin, Progesteron, Östrogene); Übertragung von Antikörpern<br />

(passive Immunisierung des Kindes). Die Plazentaschranke kann durch Viren (Röteln, Pocken<br />

etc.) und Medikamente (z.B. Thalidomid = Contergan, Drogen und Psychopharmaka)<br />

überwunden werden, was zu Mißbildungen führt.<br />

9


Zwillinge: Zwillingshäufigkeit zwischen 0,7 - 1,5 % aller Geburten, 70 % sind zweieiige und 30 %<br />

eineiige = identische Zwillinge. Eineiige Zwillinge entwickeln sich beide aus einer einzigen<br />

befruchteten Eizelle, wobei sich die Zygote im Laufe der Entwicklung durchschnürt. Bei<br />

zweieiigen Zwillingen werden zwei Oozyten gleichzeitig ausgestoßen und von zwei<br />

verschiedenen Spermatozoen befruchtet (genetisch keine größere Ähnlichkeit als bei üblichen<br />

Geschwistern).<br />

Angeborene Mißbildungen: Auffallende morphologische Defekte, die zum Zeitpunkt der Geburt<br />

vorliegen bei ca. 2 - 3 % aller lebend Geborenen. Ursachen: 10 % Umweltfaktoren, 10 %<br />

genetische und chromosomale Faktoren, 80 % Wechselwirkung zwischen genetischen Faktoren<br />

und Umwelt. Beispiele für Ursachen: Röteln bei Frauen in der Frühschwangerschaft<br />

(Linsentrübungen des Auges, angeborene Taubheit, Mißbildungen des Herzens und der Zähne;<br />

Gegenmaßnahme: Aktive Immunisierung der Frauen), Röntgen- oder Radiumstrahlen<br />

(Schädelmißbildungen, Blindheit, Gaumenspalten, Mißbildung der Extremitäten, Spina bifida.<br />

Eine Dosis, die noch als ungefährlich angesehen werden kann, ist nicht bekannt!), Arzneimittel<br />

(Thalidomid = Contergan ---> völliges oder partielles Fehlen der Extremitäten; Zytostatika;<br />

Chinin; Antiepileptika; Cortison), Genußmittel (durch Rauchen Minderdurchblutung der<br />

Plazenta ---> niedriges Geburtsgewicht. Alkohol ---> geistiger und körperlicher Rückstand der<br />

Kinder, Fehlbildungen), Krankheiten der Mutter (bei Diabetes überdurchschnittlich große Kinder<br />

mit erhöhter Mißbildungsrate), Hypoxie (= Sauerstoffmangel, große Höhen, Frauen mit<br />

Herzkrankheiten).<br />

Mongolismus: Trisomie 21 (Down-Syndrom). Bei Müttern bis zu 25 Jahren Häufigkeit 1 : 2000, bei<br />

Müttern über 40 Jahre 1 : 100. Non-disjunction während der Oogenese. Breites Gesicht, große<br />

Zunge, Mongolenfalte, Affenhand, Schwachsinn, Herzmißbildungen.<br />

Trisomie 18: Symptome: Schwachsinn, angeborene Herzfehler, Abknickung der Finger und Hände.<br />

Häufigkeit 0,3 : 1000. Kinder sterben meist mit 2 Monaten.<br />

Klinefelter-Syndrom: Nur bei Männern, Häufigkeit 1 : 500. Geschlechtschromosomenkombination<br />

vom Typus XXY. In 80 % der Fälle ist ein Geschlechtschromatin-Körperchen nachweisbar.<br />

Symptome: Sterilität, Hodenatrophie, Gynäkomastie.<br />

Turner-Syndrom: Nur bei Frauen, Häufigkeit 1 : 4000. Chromosomensatz 45,XO. Non-disjunction<br />

beim männlichen Gameten. Symptome: Flügelhaut, Lymphödem der Extremitäten,<br />

Mißbildungen des Skelettsystems, Sterilität.<br />

Rh-Inkompatibilität: Erythrozyten des Fetus tragen das Rh-Antigen (Rh-positiv) und die der Mutter<br />

nicht (Rh-negativ). Kleine Blutungen an der Oberfläche der Zotten in der Plazenta erzeugen<br />

Antikörperbildung bei der Mutter. Antikörper gelangen über die Plazenta in den Fetus und lösen<br />

Hämolyse = Blutzerfall aus. Fruchttod, besonders bei der zweiten Schwangerschaft möglich.<br />

10


Grundlagen der Humangenetik und Erbpsychologie<br />

11<br />

Literatur: Merz, F. & Stelzl, I. (1977). Einführung in die Erbpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer).<br />

Schilcher, F. von (1988). Vererbung des Verhaltens. Stuttgart: Thieme.<br />

Abbildungen z.T. aus Kühn, A. (1973). Grundriß der Vererbungslehre. Heidelberg: Quelle &<br />

Meyer.<br />

Mendel's Methode (1866): Versuchsmaterial verschiedene Erbsensorten (Selbst- und<br />

Fremdbefruchtung kann hier leicht kontrolliert werden). Wahrscheinlichkeitstheoretische<br />

Modellvorstellung: Empirisch gefundene Zahlenverhältnisse werden auf theoretisch<br />

angenommene Elementarfaktoren = Erbfaktoren = Gene zurückgeführt. Gesamtheit der Gene,<br />

welche ein Individuum in seinem Erbgut enthält, nennt man seinen Genotypus. Mendel hat den<br />

Erbgang von Einzelmerkmalen in aufeinanderfolgenden Generationen verfolgt. Ausgangsrassen<br />

= P-Generation (Parental-Generation), Nachkommen = 1. Bastardgeneration = F 1 -Generation (1.<br />

Filial-Generation), Nachkommen der F 1 -Generation = F 2-Generation etc. Rückkreuzung =<br />

Kreuzung der F 1 -Generation mit einer der Ausgangsrassen (R). Monohybriden = Bastarde einer<br />

Kreuzung von zwei Rassen, die sich nur in einem Merkmalspaar voneinander unterscheiden<br />

(z.B. rot- und weißblühende Rasse einer Pflanze). Di-, Tri- oder Polyhybriden unterscheiden sich<br />

in zwei, drei oder vielen Merkmalspaaren.<br />

Uniformitäts- oder Reziprozitätsgesetz: Die F 1 -Bastarde sind gleich (uniform), was bedeutet, daß die<br />

männlichen und die weiblichen Gameten für die Übertragung der Mendel'schen Erbfaktoren<br />

gleichwertig sind (Reziprozität).<br />

Spaltungsgesetz: Die F 2 -Individuen sind unter sich nicht alle gleich, sondern es spalten verschiedene<br />

Phänotypen heraus. Bei intermediärer Merkmalsausbildung (F 1 -Bastard steht zwischen der P-<br />

Generation) erscheint jeder der gegensätzlichen Merkmale der P-Rassen in 1/4 der Fälle neben<br />

2/4 intermediärer Individuen. Bei Dominanz eines Merkmals in F 1 spalten in F 2 3/4 mit dem<br />

dominanten Merkmal und 1/4 mit dem rezessiven Merkmal heraus. Ein Bastard erhält für ein<br />

bestimmtes Merkmal (z.B. Blütenfarbe) vom Vater und von der Mutter je eine Erbanlage, ein<br />

Gen. Bei der Keimzellenbildung wird dieses Genpaar getrennt, und jede Keimzelle erhält<br />

entweder das eine Gen A, oder das andere a. Ein Gamet hat in Bezug auf ein Genpaar nie<br />

Bastardnatur (Gesetz der Reinheit der Gameten). Man bezeichnet die einander entsprechenden<br />

Gene eines Paares als Allele. Wenn Individuen in dem einen Merkmal zugeordneten Genpaar<br />

gleiche Allele besitzen (AA oder aa), nennt man sie reinerbig = homozygot, wenn sie in dem<br />

Genpaar verschiedene Allele besitzen (Aa), mischerbig = heterozygot in Bezug auf dieses<br />

Merkmal.<br />

Gesetz der Neukombination der Gene: Bei Kreuzungen von Rassen, die sich in mehr als einem<br />

Merkmal voneinander unterscheiden, werden die Allele verschiedener Paare unabhängig<br />

voneinander verteilt (Gesetz der Neukombination oder Unabhängigkeitsgesetz). Hierdurch wird<br />

bewiesen, daß die Erbveranlagung, die von einem Elter dem Bastard zugeführt wird, nicht ein<br />

unteilbares Ganzes ist, sondern voneinander trennbare Einzelerbfaktoren (Gene) enthält.<br />

Modifikationen: Abweichungen des Phänotyps aufgrund verschiedener Umweltbedingungen bei<br />

gleichem Genotyp (z.B. Abhängigkeit des Farbmusters bestimmter Blüten von der<br />

Außentemperatur, die in einem bestimmten Entwicklungsstadium herrscht). Die phänotypischen<br />

Modifikationen bleiben ohne Einfluß auf den Genotyp. Vererbt wird also nicht das Merkmal,


sondern die Reaktionsweise einer bestimmten genetischen Konstitution auf bestimmte<br />

Umweltbedingungen.<br />

Phänokopie: Durch Umweltmodifikationen können Merkmale auftreten, welche bei einem anderen<br />

Genotyp genetisch fixiert sind.<br />

Reaktionsnorm: Genotyp und Phänotyp stimmen oft nicht überein, sind jedoch gesetzmäßig<br />

aufeinander bezogen. Die Gesetzmäßigkeit, welche angibt, welcher Phänotypus unter<br />

bestimmten Umweltbedingungen dem vorliegenden Genotypus entspricht, nennt man<br />

Reaktionsnorm (Beispiel: Rattenversuch von Tryon).<br />

Genkoppelung: Da bei der Meiose die Aufteilung der homologen Chromosomen auf die Gameten<br />

zufällig erfolgt, werden alle Merkmale, die auf verschiedenen Chromosomen lokalisiert sind,<br />

unabhängig voneinander vererbt (Gesetz der Neukombination). Gene, die auf demselben<br />

Chromosom vererbt werden, werden nur dann getrennt, wenn es auf dem Chromosomenabschnitt<br />

zwischen den beiden Genloci zu einem crossing-over kommt. Das wird um so seltener der Fall<br />

sein, je enger die beiden Genloci nebeneinander liegen (= Genkoppelung). Im Laufe von<br />

Generationen ist jedoch zu erwarten, daß auch zwischen eng benachbarten Genloci gelegentlich<br />

ein crossing-over stattfindet, daß also die beiden Gene in der genannten Population frei<br />

kombiniert werden.<br />

Pleiotropie (synonym Polyphänie): Ein Gen wirkt sich zugleich auf mehrere Merkmale aus (genetisch<br />

bedingte Korrelation von Merkmalen).<br />

Polygenie: Abhängigkeit eines Merkmals von vielen Genen.<br />

Selektive Partnerwahl: Homogamie = es bevorzugen sich phänotypisch ähnliche Partner, Heterogamie<br />

= es bevorzugen sich phänotypisch unähnliche Partner. Führt zu positiven bzw. negativen<br />

Merkmalskorrelationen.<br />

Geschlechtsgebundener Erbgang: Merkmale, die auf ein Gen auf dem X-Chromosom zurückgehen,<br />

können vom Vater nur an die Tochter, nicht aber an den Sohn, weitergegeben werden (z.B.<br />

Leistung beim räumlichen Vorstellen; Ähnlichkeit zwischen Vater und Tochter sowie Mutter<br />

und Kindern hoch, zwischen Vater und Sohn gering).<br />

Erbpsychologie (Verhaltensgenetik): Anwendung der Erblehre auf Verhaltensmerkmale.<br />

Forschungsgebiet zwischen Genetik und Psychologie (angloamerikanisch: Behavioral genetics<br />

oder behavior genetics).<br />

Selektion: Methode zur Feststellung, ob ein Merkmal eine genetische Komponente enthält. Dabei<br />

werden über eine Reihe von Generationen hinweg Tiere gezüchtet, welche das Merkmal<br />

besonders ausgeprägt oder besonders schwach zeigen. Unterscheiden sich die beiden gezüchteten<br />

Stämme überzufällig, so muß es in der Ausgangspopulation Tiere mit unterschiedlicher<br />

genetischer Ausstattung gegeben haben.<br />

Inzucht: Methode zur Erforschung des Erbgangs eines Merkmals. Hierzu benötigt man für die<br />

Kreuzungsexperimente genetisch gleiche Individuen, die man durch Inzucht, etwa über 30<br />

Generationen, erzeugt. Ein Tier, dessen Eltern hochgradig verwandt sind, erhält von den Eltern<br />

dieselbe genetische Information, ist also hinsichtlich aller Merkmale homozygot. Der Grad der<br />

Inzucht, der in einer Inzuchtreihe bereits realisiert ist, läßt sich durch Inzuchtkoeffizienten<br />

12


ausdrücken. Er gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit die beiden Gene eines jeden Genlocus<br />

herkunftsgleich sind.<br />

Untersuchung von Mutanten: Mutationen führen oft zu sehr auffälligen Änderungen an den<br />

Versuchstieren (z.B. Albinismus). Die Weitergabe solcher auffälligen Merkmale läßt sich leicht<br />

über die Generationen verfolgen. An ihnen lassen sich pleiotrope Genwirkungen demonstrieren.<br />

Da in einem ingezüchteten Stamm alle Gene außer dem mutierten in beiden Linien gleich sind,<br />

können alle Unterschiede zwischen ihnen als Wirkungen des mutierten Gens interpretiert<br />

werden.<br />

Stammbaumanalyse: Man versucht den Erbgang zu bestimmen, indem man darüber einfache<br />

Hypothesen bildet, z.B. daß das Merkmal nur von einem Gen abhängt und dominant ist, und<br />

dann prüft, ob das Merkmal in den Familienstammbäumen in einer Weise weitergegeben wird,<br />

welche den Hypothesen nicht widerspricht. Besondere Stammbaummuster treten auf, wenn ein<br />

geschlechtsgebundener Erbgang, also Vererbung auf dem X-Chromosom, besteht. Bei<br />

rezessivem geschlechtsgebundenem Erbgang eines Defektes (z.B. Farbenblindheit) kann es<br />

scheinbar zu einer Vererbung vom Großvater auf den Enkel kommen: Großvater hat krankes X,<br />

Tochter erhält ein gesundes X hinzu, ist dadurch phänotypisch unauffällig; Söhne werden zur<br />

Hälfte Merkmalsträger, weil sie von der Mutter das kranke X erhalten haben, vom Vater nur das<br />

Y, welches keinen Ausgleich für das kranke Gen liefert, da ihm die homologen Gene fehlen. Die<br />

Hypothese eines dominanten geschlechtsgebundenen Erbgangs ist zu verwerfen, wenn ein<br />

kranker Vater eine gesunde Tochter hat, oder wenn die gesunde Mutter einen kranken Sohn hat.<br />

Quantitative Merkmale: Da nach der genetischen Theorie für jedes Gen nur zwei Allele existieren,<br />

scheint eine kontinuierliche Variation (z.B. Körpergröße, Persönlichkeitsmerkmale) unerklärlich<br />

zu sein. Die Schwierigkeit läßt sich jedoch beseitigen, wenn man annimmt, daß sehr viele Gene<br />

zusammenwirken und so den Ausprägungsgrad eines Merkmals bestimmen können. Schon bei<br />

einem einfachen intermediären Mendel'schen Erbgang mit den 3 möglichen Genotypen AA, Aa<br />

und aa können drei Grade der Merkmalsausprägung unterschieden werden. Hängt ein Merkmal<br />

von sehr vielen Genen ab, so sind auch sehr viele verschiedene Genotypen möglich.<br />

Genetisches Gleichgewicht: Gleichbleiben der Häufigkeit für die verschiedenen Genotypen über die<br />

Generationen hinweg. Kann durch Homo- oder Heterogamie vorübergehend gestört werden. Bei<br />

Zufallspaarung (Panmixie) ist das genetische Gleichgewicht bereits in der 2. Generation erreicht<br />

(Hardy-Weinberg-Gesetz).<br />

Grad der Erblichkeit (engl. heritability, auch Heritabilität): Relativer Anteil der genetischen Varianz an<br />

der Gesamtvarianz eines Merkmals.<br />

Erbe-Umwelt-Kovarianz: Individuen verteilen sich auf die verschiedenen Umwelten nicht unabhängig<br />

von ihren Genotypen.<br />

Erbe-Umwelt-Wechselwirkung: Auf die Umweltunterschiede reagieren die verschiedenen Genotypen<br />

unterschiedlich (unterschiedliche Reaktionsnormen).<br />

Erbbedingte und umweltbedingte Varianz: Die Aufspaltung der Gesamtvarianz in diese beiden<br />

Varianzanteile ist dann nicht hinreichend, wenn Erbe-Umwelt-Kovarianzen und/oder Erbe-<br />

Umwelt-Wechselwirkungen vorliegen.<br />

Erblichkeitsmaße: Versuchen, den genetischen Anteil an der Merkmalsvarianz anzugeben. Beruhen auf<br />

Intraclass-Koeffizienten, welche die Korrelationen zwischen Zwillingen (EZ und<br />

13


gleichgeschlechtige ZZ) angeben: r = 1 - Var(in)/ Var (x), wobei Var(in) die Varianz innerhalb<br />

der Zwillingspaare, Var(x) die Gesamtvarianz bedeutet. Index von Holzinger: H =(r EZ - r ZZ )/ (1<br />

- r ZZ ).<br />

Zwillingsmethode: Grundannahme: Jeder Unterschied zwischen genetisch identischen Paaren (EZ)<br />

muß von Umwelteinflüssen herrühren, während Unterschiede bei ZZ sowohl von genetischen als<br />

auch Umwelteinflüssen bedingt sein müssen. Einwände gegen diese Grundannahme:<br />

(1) Eiigkeitsbestimmungen: Kein Problem, da sehr genau. Falsche Diagnose erniedrigt relativen<br />

Anteil erbbedingter Varianz.<br />

(2) Genetische Identität der EZ: Gewichtiger Einwand. EZ sind möglicherweise nicht ganz<br />

identisch (zytoplasmatische Differenzen, Genmutation oder chromosomale Aberration bei der<br />

Mitose). Häufig verschiedene intrauterine Verhältnisse (unterschiedliche Blutversorgung,<br />

dadurch verschiedenes Geburtsgewicht). Diese Einflüsse vermindern den relativen Anteil<br />

erbbedingter Varianz.<br />

(3) Einflüsse von Umweltvariablen: Einerseits wird vermutet, daß gerade die genetische<br />

Ähnlichkeit von EZ mit der Zeit zu einer Betonung jeglicher Unterschiede zwischen ihnen führe,<br />

andererseits werden EZ im Unterschied zu ZZ von der Umwelt ähnlicher behandelt. Ähnliche<br />

Behandlung würde zu einer Verstärkung des relativen Anteils erbbedingter Varianz führen.<br />

(4) Generalisierungsprobleme: Üblicherweise wird von Ergebnissen der Zwillingsforschung auf<br />

die Gesamtpopulation generalisiert. Jedoch ist nicht sichergestellt, ob die Zwillinge repräsentativ<br />

sind.<br />

Erblichkeit der Intelligenz: Hängt davon ab, welche Population man in Betracht zieht. Erblichkeit muß<br />

groß sein, wenn eine genetisch uneinheitliche Population unter weitgehend übereinstimmenden<br />

Umweltbedingungen betrachtet wird; sie muß gering sein, wenn die Population genetisch<br />

einheitlich ist oder die Umweltbedingungen für die einzelnen Individuen stark verschieden sind.<br />

Aus der Literatur (Newman, Shields, Juel-Nielsen, Burt) ergibt sich eine Schätzung der<br />

Erblichkeit der Intelligenzleistungen von 80 %. Meßfehler, Umweltbedingungen und Erbe-<br />

Umwelt-Wechselwirkungen, wenn man von der Kovarianz absieht, müssen auf die restlichen 20<br />

% aufgeteilt werden.<br />

Kritik: Datenfälschungen bei Burt; Zwillinge nicht ganz repräsentativ; Korrelationen, welche bei<br />

nichtverwandten Adoptivkindern gefunden wurden, die in der gleichen Familie aufgewachsen<br />

sind, sind höher als erwartet (Koeffizienten müßten deutlich unter .20 liegen, tatsächlich .20 -<br />

.30). Untersuchungen über familiäre Ähnlichkeiten zeigen, daß eine Erblichkeit von 80 % sicher<br />

zu hoch gegriffen ist. Vermutlich ist eine Erblichkeit von 50 % realistisch.<br />

Erblichkeit morphologischer Merkmale: Körpergröße H = .76 - .93, Körpergewicht H = .38 - .77 (H =<br />

Index nach Holzinger = relativer Anteil der Erblichkeit in %, also Körpergröße je nach<br />

Untersuchung zu 76 - 93 % erblich bedingt).<br />

Erblichkeit physiologischer Merkmale: Deutlich geringer als bei den morphologischen Merkmalen.<br />

Systolischer Blutdruck .00 - .56, EEG .76 - .83.<br />

Erblichkeit von Persönlichkeitsmerkmalen: Neurotizismus: Eysenck und Prell .81, Young .46;<br />

Extraversion (Young) .43; Angst (Gottesman, MMPI) .43.<br />

14


Grundlagen der Verhaltensbiologie<br />

15<br />

Literatur: Franck, D. (1985). Verhaltensbiologie. Stuttgart: Thieme. Abbildungen z.T. aus Eibl-<br />

Eibesfeldt, I. (1967). Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung - Ethologie. München:<br />

Piper.<br />

Verhaltensbiologie: Erforscht tierisches und weiterführend menschliches Verhalten mit biologischen<br />

Methoden, auch vergleichende Verhaltensforschung oder Ethologie genannt. Fragestellungen:<br />

Physiologische Verursachung, Ontogenese und Evolution des Verhaltens.<br />

Verhaltensphysiologie: Fragt nach verursachenden, steuernden und regelnden Mechanismen, die dem<br />

Verhalten der Tiere zugrunde liegen.<br />

Ethogramm: Qualitative und quantitative Beschreibung der Verhaltensweisen einer Art.<br />

Erbkoordination: Formstarre, leicht wiedererkennbare, artspezifische Verhaltensweise, die bei jedem<br />

einzelnen Individuum der Art in gleicher Form auslösbar ist. Dies ist für die Ethologie die<br />

wichtigste Verhaltenseinheit. Der koordinierte Ablauf der Muskelkontraktionen ist genetisch<br />

vorprogrammiert, dadurch extreme Umweltstabilität.<br />

Taxiskomponente: Eine im Raum gerichtete Bewegungskomponente, die meist die Erbkoordination<br />

überlagert (Beispiel Beutefang des Frosches: Zunächst orientierende Wendung =<br />

Taxiskomponente, dann Erbkoordination = eigentliche Beutefanghandlung). Erbkoordination<br />

und Taxis zusammen werden häufig als Instinkthandlung bezeichnet.<br />

Funktionskreise: Hierzu zählen funktionell zusammengehörige Verhaltensweisen wie Aggressions-,<br />

Fortpflanzungs-, Brutpflege- oder Nahrungserwerbshandlungen. Dabei folgen die verschiedenen<br />

Erbkoordinationen gesetzmäßig aufeinander. Am Ende solcher Verhaltensfolgen stehen meist<br />

Endhandlungen, die das zu dem betreffenden Funktionskreis gehörige Verhalten zu einem<br />

vorläufigen Abschluß bringen (z.B. Begattung, Nahrungsaufnahme).<br />

Variabilität von Verhaltensfolgen: Bedingt durch Stärke des Auslösereizes und der<br />

Handlungsbereitschaft = Motivation. Letztere kann bei konstanten Umweltbedingungen aus der<br />

Intensität des Bewegungsablaufes, der Häufigkeit und Dauer der Einzelhandlungen und aus der<br />

Latenzzeit (Zeitspanne zwischen dem Beginn der Reizeinwirkung und dem Verhaltensbeginn)<br />

erschlossen werden.<br />

Doppelte Reaktionskette: Z.B. bei Balzhandlungen. Eine männliche Balzhandlung löst eine Antwort<br />

des Weibchens aus, diese wiederum eine des Männchens etc.<br />

Energetisches Motivationsmodell: Danach verbrauchen Erbkoordinationen aktionsspezifische Energie.<br />

Werden sie längere Zeit nicht ausgelöst, so kommt es zu einer Akkumulation endogen im ZNS<br />

produzierter aktionsspezifischer Energie (Triebstauung). Je mehr aktionsspezifische Energie<br />

vorhanden ist, um so schwächer können die Auslösereize sein. Im Extremfall können die<br />

Auslösereize überflüssig werden (Leerlaufhandlung).<br />

Übersprungshandlung: Irrelevante oder deplazierte Verhaltensweisen in einer Konfliktsituation (z.B.<br />

unterbrechen Hähne den Kampf und zeigen unvollkommene Pickbewegungen, obwohl keine<br />

Nahrung vorhanden ist). Zur Erklärung zwei Hypothesen:<br />

(1) Überflußhypothese: Entgegengesetzte Erregungen (Kampf und Flucht) können in der<br />

Konfliktsituation nicht abfließen. Entsprechend dem energetischen Triebmodell werden die


Erregungen gestaut, fließen über und speisen über eine dritte Bahn die Übersprungsaktivität, die<br />

somit fremdbestimmt = allochthon motiviert ist.<br />

(2) Enthemmungshypothese: Sie geht von der Beobachtung aus, daß solche Aktivitäten<br />

besonders häufig im Übersprung auftreten, die von anderen dominierenden Motivationen sehr<br />

leicht gehemmt werden, z.B. Handlungen wie Putzen, Schnabelwetzen etc. Von den beiden am<br />

Konflikt beteiligten Motivationen werden solche Aktivitäten normalerweise getrennt unter<br />

Hemmung gesetzt. Erreichen diese ein Gleichgewicht, so hemmen sie sich gegenseitig, und ihre<br />

hemmenden Einflüsse auf die Übersprungsaktivität werden aufgehoben. Somit wäre für die<br />

Übersprungsaktivität eine eigenbestimmte = autochthone Motivation anzunehmen.<br />

Umadressiertes Verhalten: Wird ein Tier daran gehindert, z.B. eine aggressive Handlungsbereitschaft<br />

abzureagieren, so kann das Aggressionsverhalten gegen ein unbeteiligtes Tier oder auch gegen<br />

leblose Gegenstände gerichtet werden.<br />

Attrappenversuch: Auslösen von Verhaltensweisen durch Attrappen. Durch Modifikation der<br />

Attrappen kann die auslösende Wirksamkeit einzelner Reize bestimmt werden. Dabei wirken die<br />

einzelnen Auslösereize einer Attrappe häufig additiv zusammen (Reizsummenphänomen).<br />

Übertreiben von Einzelreizen (supernormale Reize) lösen das Verhalten stärker aus als die<br />

natürlichen auslösenden Objekte.<br />

Angeborener Auslösemechanismus (AAM): Bestimmten Verhaltensweisen zugeordnete<br />

neurosensorische Filtermechanismen, die das Ansprechen auf die Auslösereize bestimmen,<br />

indem sie alle unwirksamen Reize herausfiltern. Die Auslösereize werden auch als<br />

Schlüsselreize bezeichnet, weil sie allein zu dem Auslösemechanismus passen. Von angeborenen<br />

Auslösemechanismen spricht man, wenn ein Tier unabhängig von Lernerfahrung auf einen<br />

Auslösereiz biologisch sinnvoll reagiert (stammesgeschichtliche Anpassung). Die<br />

Auslösemechanismen erwachsener Wirbeltiere sind i.a. komplexer als die AAM. Das Tier lernt<br />

im Laufe der Verhaltensontogenese in die AAM hinein (durch Erfahrung modifizierte<br />

angeborene Auslösemechanismen EAAM).<br />

Angeborenes Verhalten: Verhaltensweisen, deren Anpassung an die Umwelt stammesgeschichtlichen<br />

Ursprungs ist (Erbanlagen werden durch natürliche Selektion an die artgemäße Umwelt<br />

angepaßt, Artgedächtnis); z.B. können Entenküken sofort schwimmen, sobald sie erstmals mit<br />

dem Wasser in Berührung kommen.<br />

Erfahrungsentzugsexperiment: Dem Tier wird während der Verhaltensontogenese gezielt diejenige<br />

Erfahrungsmöglichkeit entzogen, die eine Anpassung aufgrund von Lernen ermöglichen würde.<br />

So wird im Kaspar-Hauser-Experiment die soziale Erfahrung entzogen, indem das Tier sozial<br />

isoliert aufgezogen wird. Letzteres führt bei Säugetieren zu tiefgreifenden Störungen des<br />

gesamten Verhaltens.<br />

Reifen angeborener Verhaltensweisen: Die von Lernvorgängen unabhängige Ontogenese<br />

stammesgeschichtlicher Anpassungen des Verhaltens wird als Reifen bezeichnet. Werden<br />

Jungtauben in Tonröhren aufgezogen, in denen sie nicht flattern können, so fliegen sie später<br />

trotzdem genauso gut wie normal aufgezogene Tiere. Tauben lernen also nicht das Fliegen,<br />

sondern das Flugvermögen reift allmählich heran.<br />

Angeborene Lerndispositionen: Die Lernfähigkeit einer Art ist ein Ergebnis stammesgeschichtlicher<br />

Anpassung. Z.B. lernen Mäuse und Ratten schnell, sich in einem Labyrinth zurechtzufinden, im<br />

16


Gegensatz zu Tieren, die unter natürlichen Bedingungen nicht in Gangsystemen leben. Hier<br />

erfolgt das Lernen auf der Grundlage einer angeborenen Lerndisposition.<br />

Prägung: Lernprozesse, die an sensible Phasen der Verhaltensontogenese gebunden sind und zu lange<br />

anhaltenden, oft irreversiblen Veränderungen des Verhaltens führen. Prägungsprozessen liegen<br />

also zeitlich begrenzte Lerndispositionen zugrunde. Beispiele: Nachfolgeprägung (bei<br />

Graugänsen wird die Nachfolgereaktion in einem kritischen Alter auf ein bewegtes Objekt<br />

fixiert, z.B. den Menschen, das zu dieser Zeit gerade verfügbar ist = Objektfixierung), sexuelle<br />

Prägung (Objektfixierung für das sexuelle Verhalten), prägungsähnliche Objektfixierungen (z.B.<br />

Aufbau der sozialen Bindung zwischen Mutter und Kind etwa bei Huftieren).<br />

Hospitalismus: Weist beim Menschen deutliche Parallelen zu Prägungsvorgängen auf.<br />

Hospitalismusschäden (Bewegungsstereotypien, verminderte Aktivität, Rückstände der<br />

Intelligenz- und Sprachentwicklung, Störung des sozialen Kontakts) entstehen beim Menschen in<br />

einer sensiblen Phase, die mit 3 Monaten beginnt und nach 2 - 3 Jahren abgeschlossen ist. Zu<br />

diesen Schäden kommt es, wenn die Kinder ohne feste Bezugsperson aufwachsen<br />

(Säuglingsheime).<br />

Habituation (Gewöhnung): Abnahme der Handlungsbereitschaft durch wiederholtes Auslösen einer<br />

Verhaltensweise durch den gleichen Reiz. Gewöhnung an einen Auslösereiz kann man als<br />

einfachsten Lernvorgang auffassen. Beispiel: Stare gewöhnen sich in Kirschplantagen an alle<br />

möglichen Abwehrmaßnahmen.<br />

Klassische Konditionierung: Bildung einer Assoziation zwischen dem unbedingten Reiz und dem<br />

bedingten Reiz (siehe SS).<br />

Operante Konditionierung: Auch als instrumentelle Konditionierung bezeichnet (siehe SS).<br />

Höhere Lernleistungen: Lernen durch Nachahmung (Imitation) ist nur von Vögeln (Lernen des<br />

Gesangs) und Säugetieren bekannt und setzt offenbar eine beträchtliche Leistungsfähigkeit des<br />

Gehirns voraus. Junge Schimpansen können z.B. Teile der Zeichensprache für Taubstumme<br />

lernen. Auch zeigen sich bei den Primaten Ansätze zu einem Verhalten durch Einsicht (Versuche<br />

von W. Köhler an Affen).<br />

Evolution: Genetischer Anpassungsprozeß über Generationen hinweg, bedingt durch die Faktoren<br />

Mutation und Selektion. Grundlage zur Erforschung der Evolution von Verhaltensweisen bildet<br />

der Artenvergleich, der mit der Beschreibung der Erbkoordinationen möglich wurde.<br />

Künstliche Selektion: Besonders gut bei Arten mit rascher Generationsfolge durchführbar (z.B.<br />

Drosophila = Taufliege, Ratte). Verhaltensänderungen bei Haustieren, sind ebenfalls durch<br />

künstliche Selektion bedingt.<br />

Homologe Verhaltensweisen: Lassen sich auf einen gemeinsamen stammesgeschichtlichen Ursprung<br />

zurückführen (Abstammungsähnlichkeit).<br />

Analoge Verhaltensweisen: Ähnliche Verhaltensweisen, die sich auf der Grundlage gleichgerichteter<br />

Selektionsdrucke, jedoch stammesgeschichtlich voneinander unabhängig, entwickeln<br />

(Anpassungsähnlichkeit).<br />

Sozialstrukturen im Tierreich:<br />

(1) Tieransammlungen (Aggregationen): Werden nicht durch soziale Attraktion, sondern<br />

durch äußere Faktoren wie Nahrung, Feuchtigkeit etc. zusammengeführt; keine echten<br />

17


Tiergesellschaften.<br />

(2) Anonyme Verbände: Werden bereits durch soziale Attraktion zusammengehalten. Es handelt<br />

sich um offene Verbände, d.h. fremde Tiere können sich anschließen. Stets wird eine<br />

Individualdistanz eingehalten. Beispiel für anonymen Verband: Fischschwärme.<br />

(3) Individualisierte Verbände: Tiere kennen sich persönlich, Aggressivität ist durch<br />

Rangordnung oder Territorialität herabgesetzt. Fremde Tiere werden nur nach längeren<br />

aggressiven Auseinandersetzungen in den Verband aufgenommen (halboffene Verbände), z.B.<br />

Wolfsrudel.<br />

(4) Tierstaaten: Z.B. Insektenstaaten der Hautflügler (Bienen, Wespen, Ameisen) und der<br />

Termiten. Sie lassen sich stammesgeschichtlich von einfachen Familienstrukturen ableiten und<br />

bilden geschlossene Verbände (Erkennen durch gemeinsamen Geruch). Extreme<br />

Rollenverteilung durch Kastenbildung: Königin, Drohnen (männliche Geschlechtstiere),<br />

Arbeiterkaste, Soldatenkaste, Kastendifferenzierung durch unterschiedliche Ernährung im<br />

Jugendalter bedingt (rein modifikatorisch).<br />

Rangordnungsstruktur (soziale Hierarchie): Jedes Tier hat einen festen sozialen Status. An der Spitze<br />

steht das Alpha-Tier, am Ende das Omega-Tier. Rangordnungen wirken aggressionsbegrenzend<br />

und tragen zum geordneten Zusammenleben bei. Ranghohe Tiere haben Vorrechte (Nahrung,<br />

Fortpflanzung), können aber auch Pflichten übernehmen (Verteidigung der Gruppe).<br />

Territorialität (Reviere): Aggressiv verteidigte Aktionsräume. Ähnlich wie Rangordnungsverhalten<br />

wirkt Territorialität aggressionsbegrenzend. Sobald die Territorien abgegrenzt sind, wird das<br />

Aggressionsverhalten stark reduziert (Nahrungs- und Paarungsterritorien).<br />

Natürliche Selektion: Im „Kampf ums Dasein“ überleben bevorzugt die erfolgreichsten,<br />

bestangepaßten genetischen Varianten, so daß es in der Generationenfolge zu einer immer<br />

besseren Anpassung der Art kommt. Dabei ist nicht das Überleben des Individuums<br />

entscheidend, sondern sein Beitrag, den es zum Genbestand der nächsten Generation liefert. Der<br />

Selektionswert eines Genotyps richtet sich danach, in welchem Umfange er die<br />

Fortpflanzungschancen seines Trägers und diejenigen seiner Nachkommen sichert. Den<br />

Selektionsvorteilen können Selektionsnachteile gegenüber stehen, so daß die Evolution vielfach<br />

zu einem Kompromiß führt. Beispiel: Größe des Hirschgeweihs.<br />

Altruistisches Verhalten: Bringt den Artgenossen Vorteile, ist für das Tier selbst aber ohne Bedeutung<br />

oder sogar nachteilig, z.B. Aufopferung der Eltern für die eigenen Jungen (evolutionstheoretisch<br />

sichert dies das Überleben der eigenen Gene und ist so selektionistisch vorteilhaft). Grundlage<br />

der Evolution altruistischer Verhaltensweisen ist die Sippenselektion, wobei das altruistische<br />

Verhalten nur den Angehörigen der eigenen Sippe zugute kommt (extremes Beispiel:<br />

Insektenstaaten).<br />

Angeborene frühkindliche Verhaltensweisen beim Menschen: Suchautomatismus nach der<br />

mütterlichen Brust, Saugbewegungen, Schreien (Signal, das die Zuwendung der Mutter auslöst)<br />

und Klammerreflexe (Verhaltensrudiment, Säuglinge der Menschenaffen werden ständig von der<br />

Mutter im Bauchfell getragen = Tragling).<br />

Tier-Mensch-Vergleich: Bei Primaten (zu denen zoologisch auch der Mensch gehört) schwierig, da<br />

kaum klar abgrenzbare, formkonstante Verhaltenselemente vorhanden sind. Den<br />

Erbkoordinationen kommen die Elemente der menschlichen Mimik am nächsten. Mimik des<br />

weinenden Menschen findet sich beim Schimpansen als Übergangsform zwischen „Wimmern“<br />

18


und „Schreien mit entblößten Zähnen“ wieder. Das menschliche Lächeln läßt sich<br />

stammesgeschichtlich vom „Furchtgrinsen“ anderer Primaten ableiten (hat dort<br />

Beschwichtigungsfunktion). Dem Menschen angeboren scheint auch der „Augengruß“ beim<br />

Flirten zu sein.<br />

Evolution geistiger Fähigkeiten: Starke Vergrößerung der Großhirnrinde. Selektionsdruck vermutlich<br />

aus der Notwendigkeit sozialen Lernens heraus, da im Primatenverband die Fähigkeit zum<br />

sozialen Lernen entscheidend den Fortpflanzungserfolg der Individuen bedingt.<br />

Kulturelle Evolution: Wird der biologischen Evolution gegenübergestellt. Es handelt sich um durch<br />

individuelle Lernprozesse erworbene Verhaltensanpassungen auf dem Wege der Tradition. Sie<br />

hat den Vorteil, daß sie viel schneller zu Verhaltensanpassungen führt, zumal die genetische<br />

Anpassung des menschlichen Verhaltens jenen Umweltbedingungen entspricht, denen der<br />

Mensch vor etwa 10.000 Jahren ausgesetzt war.<br />

19<br />

Funktion des Blutes<br />

Literatur: Für dieses und alle weiteren Kapitel, sofern nicht anders angegeben: Schmidt, R.F. & Thews,<br />

G. (Hrsg.) Physiologie des Menschen. Berlin: Springer (jeweils neueste Auflagen).<br />

Aufgaben des Blutes: Transportfunktion (Atemgase, Nährstoffe, Stoffwechselprodukte,<br />

Wärmeverteilung), Konstanthaltung des inneren Milieus (Konzentration gelöster Stoffe,<br />

Temperatur, pH-Wert), Schutz vor Blutverlust (Gerinnung), Abwehrfunktion (Phagozytose,<br />

Antikörperbildung).<br />

Zusammensetzung: Plasma, in dem Erythrozyten (rote Blutzellen), Leukozyten (weiße Blutzellen) und<br />

Thrombozyten (Blutplättchen) suspendiert sind. Volumen beim Erwachsenen 4 - 6 Liter. Anteil<br />

der Blutzellen am Blutvolumen wird Hämatokrit genannt, er beträgt ca. 45 Vol% und bestimmt<br />

wesentlich die innere Reibung des Blutes (Viscosität).<br />

Flüssigkeitsräume des Organismus: Blutgefäßsystem, interstitieller Raum (Zwischenzellraum) und<br />

intrazellulärer Raum.<br />

Blutplasma: Zusammensetzung ca. 91 % Wasser, 7 % Eiweiß, 2 % kleinmolekulare Substanzen.<br />

Elektrolytkonzentrationen im Plasma und interstitieller Flüssigkeit ähnlich, wichtigste<br />

Elektrolyte Natrium und Chlorid. Dagegen dominiert im Intrazellularraum anstelle des Natriums<br />

das Kalium. Osmotischer Druck im Plasma (bedingt durch die Konzentration gelöster Stoffe) 7,3<br />

atm. Lösungen, die den gleichen osmotischen Druck haben wie Plasma, bezeichnet man als<br />

isotonisch. Hypotones Plasma führt zum Wassereinstrom in die Zellen (Ödem), hypertones zur<br />

Schrumpfung der Zellen.<br />

Funktion der Plasmaproteine (Plasmaeiweiß): Nährfunktion (Zerlegung der Proteine mittels Enzymen<br />

in Aminosäuren, die als Bausteine für die Zellen dienen), Vehikelfunktion (zum Transport<br />

werden kleinmolekulare Stoffe an Plasmaproteine gebunden), unspezifische Trägerfunktion<br />

(bluteigene Elektrolyte, z.B. Calcium, werden z.T. an Plasmaproteine gebunden), Erzeugung des


kolloidosmotischen Drucks (Regulierung der Wasserverteilung zwischen Plasma und<br />

Interstitium), Pufferfunktion (Plasmaproteine können mit Säuren und Basen Salze bilden,<br />

wichtig für konstanten pH-Wert), Schutz vor Blutverlust (Gehalt an Fibrinogen).<br />

Erythrozyten: Flache, runde, kernlose Scheiben, wobei die Form eine große Diffusionsfläche für die<br />

Atemgase schafft; ca. 5 Mill. im mikrol Blut. Werden im roten Mark der platten Knochen<br />

gebildet und im retikuloendothelialen System abgebaut. Reiz für Neubildung (Erythropoese) ist<br />

das Absinken des O 2 -Partialdruckes, wodurch es zur Ausschüttung von Erythropoetin aus der<br />

Niere kommt. Erythrozyten haben die Fähigkeit zur reversiblen O 2 -Bindung.<br />

Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG): Erythrozyten sinken im ungerinnbar gemachten,<br />

stehenden Blut langsam ab. Die BSG ist bei Entzündungen und Tumoren erhöht. Ursache ist eine<br />

Veränderung der Plasmaproteine, die zu einer verstärkten Agglomerationsneigung der<br />

Erythrozyten (Senkungsbeschleunigung) führt.<br />

Leukozyten: Sind amöboid beweglich und können phagozytieren. Normal 4.000 - 10.000 im mikrol<br />

Blut. Niedrigere Zahlen = Leukopenie, höhere Zahlen = Leukozytose (besonders bei<br />

Entzündungen). Man unterscheidet Granulozyten (aus dem Knochenmark), Lymphozyten (aus<br />

den Lymphknoten) und Monozyten (aus dem Knochenmark). Granulozyten unterteilt man nach<br />

der Anfärbbarkeit in neutrophile (überwiegend im Eiter enthalten), eosinophile (erhöht bei<br />

allergischen Reaktionen) und basophile Granulozyten. Granulozyten spielen eine Rolle bei der<br />

unspezifischen Abwehr, Lymphozyten bei der spezifischen Abwehr und Monozyten haben eine<br />

hohe Phagozytose-Kapazität.<br />

Thrombozyten: Flach, unregelmäßig rund, kernlos; normal 150.000 - 300.000. Entstehen im<br />

Knochenmark und werden in Leber, Lunge und Milz abgebaut. Funktion: Blutgerinnung und<br />

Phagozytose.<br />

Blutungsstillung und Gerinnung: Nach Verletzungen stoppt die Blutung nach 1 - 3 Minuten (primäre<br />

Hämostase durch Vasokonstriktion und Verschluß durch Thrombozytenpfropf). Danach erst<br />

Blutgerinnung (sekundäre Hämostase). Grundschema der Blutgerinnung: Prothrombin wird<br />

durch Thrombokinase (entsteht beim Zerfall von Thrombozyten) in Gegenwart von ionisiertem<br />

Calcium zu Thrombin umgewandelt. Thrombin bewirkt seinerseits die Umwandlung des<br />

gelösten Plasmaeiweißkörpers Fibrinogen zu Fibrin, das das fädige Gerüst der Blutgerinnsel<br />

bildet. Das Blut geht dabei aus dem flüssigen in einen gallertartigen Zustand über. Später kommt<br />

es zum Zusammenziehen (Retraktion) der Fibrinfäden. Dabei entsteht der halbfeste, rote<br />

Blutkuchen und eine klare gelbliche Flüssigkeit, das Serum (= Plasma ohne Fibrinogen).<br />

Abwehrfunktion des Blutes:<br />

(1) Unspezifische zelluläre Abwehr: Phagozytose durch die Leukozyten.<br />

(2) Unspezifische humorale Abwehr: Vorhandensein von Komplement (Gruppe von 9<br />

Plasmafaktoren, die sich gegenseitig aktivieren; unterstützt die Wirkungen der Antikörper),<br />

Lysozym (in Leukozyten gebildet; hemmt das Wachstum von Bakterien und Viren), C-reaktivem<br />

Protein (aktiviert das Komplementsystem), Interferon (in Leukozyten gebildet; hemmt das<br />

Wachstum von Viren) und sog. „natürlichen Antikörpern“, die sich aber vermutlich aus dem<br />

frühen Kontakt mit bakteriellen Antigenen aus der Darmflora gebildet haben.<br />

(3) spezifische zelluläre Abwehr (Immunreaktion vom verzögerten Typ): Gegen Antigene (=<br />

potentiell schädigende Substanzen, z.B. Krankheitserreger, artfremdes Eiweiß) werden vom<br />

Organismus Antikörper (Immunglobuline) gebildet, die im Rahmen der Antigen-Antikörper-<br />

20


Reaktion den Antigenen die schädlichen Eigenschaften nehmen. Bei der spezifischen zellulären<br />

Abwehr sind die T-Lymphozyten beteiligt, deren Stammzellen im Knochenmark liegen. Nach<br />

der immunologischen Prägung im Thymus (= T) wandern sie in die lymphatischen Organe<br />

(Lymphknoten, Milz) ein. Beim Kontakt mit einem Antigen werden Tochterzellen von den T-<br />

Lymphozyten gebildet (Primärreaktion), die T-Effectorzellen und die langzeitig im Blut<br />

zirkulierenden T-Gedächtniszellen. Bei den T-Effectorzellen kann man mehrere<br />

Subpopulationen unterscheiden: Z.B. T-Killerzellen (zerstören das Antigen im Zuge der<br />

Antigen-Antikörper-Reaktion), T-Lymphokinzellen (setzen hormonartige Stoffe frei, die<br />

Makrophagen aktivieren), T-Suppressorzellen (hemmen die Aktivitäten von T- und B-<br />

Lymphozyten und verhindern so eine überschießende Immunantwort). Beim zweiten<br />

Antigenkontakt kommt es durch die Vermittlung der T-Gedächtniszellen zu einer raschen<br />

Bildung großer Zahlen von T-Killerzellen (Sekundärreaktion).<br />

(4) spezifische humorale Abwehr (Immunreaktion vom Soforttyp): Abwehr ähnlich wie unter<br />

(3). Aus immunologisch geprägten B-Lymphozyten werden bei Antigen-Exposition einerseits B-<br />

Gedächtniszellen, andererseits Plasmazellen gebildet, wobei letztere die humoralen Antikörper<br />

produzieren. Auch hier erfolgt die Sekundärreaktion bei erneutem Kontakt mit dem Antigen<br />

rascher und intensiver. Da diese Immunantwort schneller erfolgt als unter (3) spricht man vom<br />

Soforttyp.<br />

Aktive-passive Immunisierung: Bei der aktiven Immunisierung (Impfung) nimmt man die<br />

Primärreaktion vorweg und führt dem Organismus unschädliche Mengen eines Antigens zu. Bei<br />

einer Infektion sind dann schon die spezifischen Antikörper vorhanden. Bei der passiven<br />

Immunisierung werden dem Patienten spezifische Antikörper gegen das jeweilige Antigen in<br />

Form von Immunglobulinpräparaten zugeführt.<br />

Allergie: Bei wiederholter Exposition gegenüber einem Antigen führt die Antigen-Antikörper-<br />

Reaktion zu Überempfindlichkeitserscheinungen.<br />

Blutgruppen: An der Zellmembran der Erythrozyten befindet sich eine Anzahl spezifischer Komplexe<br />

mit Antigen-Eigenschaften, die man als Agglutinogene bezeichnet. Die spezifischen Antikörper,<br />

die mit diesen Agglutinogenen reagieren (z.B. bei falscher Bluttransfusion), sind im Blutplasma<br />

gelöst und werden als Agglutinine bezeichnet. Das Blut jedes Menschen ist durch einen<br />

bestimmten Satz spezifischer Agglutinogene charakterisiert: A, B, AB und 0. In diesem AB0-<br />

System richtet sich die Blutgruppenzugehörigkeit also nach den Antigeneigenschaften der<br />

Erythrozyten des Trägers. Im Laufe des ersten Lebensjahres werden Antikörper (Agglutinine)<br />

gegen diejenigen Antigene entwickelt, die die eigenen Erythrozyten nicht besitzen: Anti-A und<br />

Anti-B bei Blutgruppe 0. Anti-B bei Blutgruppe A, Anti-A bei Blutgruppe B und keine<br />

Agglutinine bei Blutgruppe AB. Verteilung der Blutgruppen in Mitteleuropa: 42 % A, 40 % 0,<br />

12 % B und 6 % AB.<br />

21


Funktion des Herzens<br />

22<br />

Systole und Diastole: Die Pumpwirkung des Herzens beruht auf der rhythmischen Zusammenziehung<br />

(Systole) und Erschlaffung (Diastole) der Herzkammern (Ventrikel). In der Diastole füllen sich<br />

die Ventrikel mit Blut. In der Systole werfen sie es in die A. pulmonalis bzw. Aorta aus. Ein<br />

Rückstrom wird durch die Herzklappen verhindert. Jeder Herzkammer ist ein Vorhof (Atrium)<br />

vorgeschaltet, der das Blut aus den großen Venen (Hohlvenen bzw. Venae pulmonales)<br />

aufnimmt.<br />

Arterien und Venen: Die Bezeichnung von Blutgefäßen richtet sich nach der Strömungsrichtung und<br />

nicht nach der Beschaffenheit des enthaltenen Blutes. Venen führen das Blut dem Herzen zu,<br />

Arterien führen es vom Herzen weg.<br />

Funktionselemente des Herzens: Arbeitsmuskulatur (Arbeitsmyokard) und Fasern des spezifischen<br />

Erregungsbildungs- bzw. Erregungsleitungssystems.<br />

Autorhythmie: Die Pulsationen des Herzens werden durch Erregungen ausgelöst, die im Herzen selbst<br />

entstehen. Ein aus dem Körper entnommenes Herz schlägt daher weiter.<br />

Reihenfolge der Erregungsausbreitung: Sinusknoten (im rechten Vorhof, gibt den Anstoß zu einem<br />

Herzschlag mit 70 Pulsen/Min bei Körperruhe) ---> Erregungsausbreitung über<br />

Arbeitsmuskulatur der Vorhöfe ---> Überleitung auf die Ventrikel über den<br />

Atrioventricularknoten (AV-Knoten) mit einer Verzögerung ---> His-Bündel ---> Tawara-<br />

Schenkel (rechter und linker) ---> Pukinje-Fäden (Endaufzweigungen des Reizleitungssystems).<br />

Hierarchie der Erregungsbildung: Sinusknoten ist der primäre Schrittmacher. Fällt die<br />

Erregungsbildung im Sinusknoten aus, so kann ersatzweise der AV-Knoten als sekundäres<br />

Erregungsbildungszentrum die Schrittmacher-Funktion übernehmen (AV-Rhythmus 40 -<br />

60/Min). Im Falle einer kompletten Unterbrechung der Überleitung von den Vorhöfen auf die<br />

Ventrikel (totaler Herzblock) kann schließlich ein tertiäres Zentrum im ventrikulären<br />

Erregungsleitungs-System als Schrittmacher einspringen (30 - 40/Min.).<br />

Aktionspotential: Rasche Umladung vom Wert des Ruhepotentials (-90 mV) bis zum Gipfel der<br />

initialen Spitze (+ 30 mV). An diese schnelle Depolarisationsphase (1 - 2 ms), schließt sich ein<br />

langdauerndes Plateau (ca. 200 ms) an, bevor die Repolarisation zum Ruhepotential erfolgt.<br />

Aktionspotential dauert etwa 100 mal länger als bei der Skelettmuskel- oder Nervenfaser.<br />

Langsame diastolische Depolarisation (Schrittmacherpotential): In allen Herzmuskelzellen mit der<br />

Fähigkeit zur autorhythmischen Erregungsbildung erfolgt die Depolarisation zum<br />

Schwellenpotential, bei dem ein neues Aktionspotential ausgelöst wird, spontan. Es handelt sich<br />

dabei um einen lokalen Erregungsvorgang. Normalerweise sind nur wenige Zellen im<br />

Sinusknoten tatsächlich für die Erregungsbildung verantwortlich. Alle übrigen Fasern des<br />

spezifischen Systems werden von fortgeleiteten Erregungen ergriffen, bevor ihre langsamen<br />

diastolischen Depolarisationen das Schwellenpotential erreichen (potentielle Schrittmacher).<br />

Refraktärperioden: Während der absoluten Refraktärperiode ist keine Neuerregung der Herzmuskulatur<br />

möglich. In der anschließenden relativen Refraktärperiode kehrt die Erregbarkeit allmählich<br />

zurück. Durch die langdauernde Refraktärzeit wird die Muskulatur vor einer schnellen<br />

Wiedererregung geschützt, die ihre Pumpfunktion beeinträchtigen könnte. Im Unterschied zum


Skelettmuskel ist der Herzmuskel nicht in der Lage, eine rasche Folge von Aktionspotentialen<br />

mit der Superposition von Einzelkontraktionen zu beantworten (Nicht-Tetanisierbarkeit des<br />

Myokards).<br />

Parasympathische Innervation: Der Nervus Vagus verbindet die kreislaufregulierenden Zentren in der<br />

Medulla oblongata mit dem Herzen. Fasern des rechten Vagus versorgen den Sinusknoten,<br />

Fasern des linken den AV-Knoten. Reizung des rechten Vagus führt zur Senkung der<br />

Herzfrequenz (negative chronotrope Wirkung) durch Abnahme der Steilheit der diastolischen<br />

Depolarisation. Reizung des linken Vagus verlängert die Überleitungszeit (negativ dromotrope<br />

Wirkung). Zudem wird unter Vaguseinfluß die Kontraktionsstärke der Vorhöfe vermindert durch<br />

Verkürzung der Dauer des Aktionspotentials (negative inotrope Wirkung). Überträgerstoff des<br />

Vagus ist Acetylcholin. Keine parasympathische Innervation der Ventrikel!<br />

Sympathische Innervation: Verlauf der sympathischen Herznerven: Kreislaufzentren (Medulla<br />

oblongata) ---> Umschaltung auf präganglionäre Fasern in den Seitenhörnern des Rückenmarks -<br />

--> Umschaltung auf postganglionäre Fasern im Grenzstrang ---> Herz. Sympathikus versorgt<br />

alle Teile des Herzens. Überträgerstoffe Noradrenalin und Adrenalin. Sympathische Einflüsse<br />

können dem Herzen auch durch die im Blut zirkulierenden Katecholamine aus dem<br />

Nebennierenmark zufließen. Wirkungen des Sympathikus: Zunahme der Herzfrequenz (positiv<br />

chronotrope Wirkung) durch Zunahme der Steilheit der diastolischen Depolarisation, Erhöhung<br />

der Kontraktionskraft in Vorhöfen und Ventrikeln (positive inotrope Wirkung), Beschleunigung<br />

der Überleitung im AV-Knoten (positive dromotrope Wirkung).<br />

Elektrokardiogramm (EKG): Ausdruck der Herzerregung. Im EKG wird der zeitliche Verlauf von<br />

elektrischen Spannungen registriert, die als Folge der Erregungsvorgänge im Herzen zwischen<br />

definierten Stellen der Körperoberfläche auftreten. Das EKG liefert Anhaltspunkte über<br />

Frequenz, Ursprung, Ausbreitung und Rückbildung der Erregung des Herzens. Zacken bzw.<br />

Wellen = Ausschläge in positiver und negativer Richtung, mit den Buchstaben P bis T<br />

bezeichnet; Strecken = Abstand zwischen zwei Zacken (z.B. PQ-Strecke = Ende P bis Anfang<br />

Q); Intervalle = umfassen Zacken und Strecken (z.B. PQ-Intervall = Anfang P bis Anfang Q).<br />

P-Welle: Ausdruck der Erregungsausbreitung über beide Vorhöfe.<br />

PQ-Strecke: Vorhöfe sind als Ganzes erregt.<br />

QRS-Gruppe: Ausdruck der Erregungsausbreitung über beide Ventrikel.<br />

ST-Strecke: Zeigt die Totalerregung des Ventrikelmyokards an.<br />

T-Welle: Ausdruck der ventrikulären Erregungsrückbildung.<br />

PQ-Intervall = Überleitungszeit: Verlängerungen deuten auf Störungen der Erregungsleitung im<br />

Bereich des AV-Knotens bzw. des His-Bündels hin.<br />

Diagnostisch liefert das EKG folgende Informationen: Frequenz, Ursprung der Erregung (Sinus-,<br />

AV-Knoten), Rhythmusstörungen, Leitungsstörungen, Hinweise auf anatomische Herzlage,<br />

Hinweise auf extrakardiale Einflüsse (Stoffwechselstörungen, Vergiftungen etc.), Hinweise auf<br />

primär kardiale Störungen der Erregung (Koronardurchblutung, Entzündungen) und<br />

Myokardinfarkt.<br />

Herzklappen: Atrio-Ventrikularklappen zwischen Vorhöfen und Ventrikeln (Mitralklappe links,<br />

Tricuspidalklappe rechts) dienen zur Abdichtung der Ventrikel gegen die Vorhöfe während der<br />

Systole, auch als Segelklappen bezeichnet. Aorten- und Pulmonalklappen (Taschenklappen oder<br />

Semilunarklappen, so genannt wegen ihres Baus) verhindern den Rückstrom von Blut in die<br />

23


Ventrikel während der Diastole. Durch entzündliche Veränderungen an den Klappen kann eine<br />

ungenügende Öffnung (Stenose) oder ein undichter Verschluß (Insuffizienz) resultieren.<br />

Aktionsphasen des Herzens:<br />

(1) Anspannungsphase: Zu Beginn der Kammersystole führt der Anstieg des intraventrikulären<br />

Drucks zum Verschluß der AV-Klappen. Da zu diesem Zeitpunkt auch die Semilunarklappen<br />

geschlossen sind, spannt sich die Ventrikelmuskulatur um den inkompressiblen Inhalt an und<br />

bewirkt weiteren Druckanstieg.<br />

(2) Austreibungsphase: Wenn der intraventrikuläre Druck den diastolischen Aortendruck von ca.<br />

80 mmHg übertrifft, öffnen sich die Semilunarklappen und die Austreibung beginnt. Der<br />

Ventrikeldruck steigt dabei zunächst noch weiter bis zu einem Maximalwert von ca. 130 mmHg<br />

an und fällt gegen Ende der Systole wieder ab, wobei sich die Semilunarklappen schließen.<br />

(3) Entspannungsphase: Zunächst sind alle Klappen geschlossen, der intraventrikuläre Druck<br />

fällt rasch auf nahezu 0 ab. Beim Unterschreiten des Vorhofdrucks öffnen sich die AV-Klappen.<br />

(4) Füllungsphase: Hierbei steigt der Ventrikeldruck nur wenig an. Die Volumenvergrößerung<br />

geschieht anfangs schnell, dann langsamer. Bei normaler Herzfrequenz ist die Kammerfüllung<br />

z.Zt. der Vorhofkontraktion fast völlig geschlossen. Erst bei höheren Frequenzen wird die<br />

Vorhofkontraktion wirksam, da hierbei die Diastolendauer stark verkürzt wird.<br />

Ventilebenen-Mechanismus: Während der Austreibungsphase pressen die Ventrikel in einem<br />

Arbeitsgang Blut in die großen Arterien aus und saugen gleichzeitig Blut aus den großen Venen<br />

in die Vorhöfe hinein. Die Sogwirkung kommt dadurch zustande, daß sich die Ventilebene (=<br />

Grenzfläche zwischen Vorhöfen und Kammern), in der die Herzklappen liegen, in Richtung zur<br />

Herzspitze verschiebt und die inzwischen erschlafften Vorhöfe dehnt. Am Ende der<br />

Austreibungsphase sind die Vorhöfe prall mit Blut gefüllt. Sobald nun die Ventrikelmuskulatur<br />

erschlafft, kehrt die Ventilebene bei weit geöffneten AV-Klappen in ihre Ausgangslage zurück<br />

und schiebt sich dabei über das Blutvolumen hinweg (= rasche Kammerfüllung).<br />

Herztöne: I. Herzton: Anspannungston, hervorgerufen durch die Anspannung des Ventrikelmyokards<br />

um den inkompressiblen Inhalt zu Beginn der Systole. II. Herzton: Klappenton, hervorgerufen<br />

durch das Zuschlagen der Semilunarklappen zu Beginn der Diastole. Aufzeichnung der Herztöne<br />

= Phonokardiogramm. Herzgeräusche = Veränderungen des normalen Herzschalls (Stenose,<br />

Insuffizienz der Klappen).<br />

Koronare Herzkrankheit: Herzinfarkt (= Myokardinfarkt) und Angina pectoris vera. Beiden liegt eine<br />

Koronarinsuffizienz zugrunde, die man als Mißverhältnis zwischen Bedarf und Angebot an Blut<br />

zur Versorgung der Herzmuskulatur definieren kann. Beim Herzinfarkt liegt meist eine Sklerose<br />

der Herzkranzgefäße (Koronararterien) vor, die über eine Koronarverengung bzw.<br />

Koronarverschluß die Durchblutungsstörungen am Herzmuskel hervorruft. Im nicht mehr<br />

durchbluteten Herzabschnitt kommt es zum Gewebsuntergang (= Nekrose). Bei der Angina<br />

pectoris vera handelt es sich um eine vorübergehende Durchblutungsstörung, mit heftigen<br />

Schmerzen hinter dem Brustbein, die meist in den linken Arm ausstrahlen. Hiervon ist die<br />

Pseudo-Angina pectoris zu unterscheiden, die nicht auf organischer Grundlage beruht, sondern<br />

Ausdruck sog. funktioneller Beschwerden (Somatoforme Störung) ist. - Ist ein größerer<br />

Abschnitt des Myokards von der Durchblutungsstörung (Ischämie) betroffen, so kann es zur<br />

Herzruptur mit Sekundenherztod kommen. Beim Infarkt können die Schmerzen aber auch fehlen<br />

(stummer Infarkt). Diagnose des Infarkts durch EKG und Anstieg bestimmter Enzyme im Serum.<br />

24


25<br />

Die koronare Herzkrankheit ist multifaktoriell bedingt (Risikofaktoren, z.B. Bluthochdruck,<br />

Rauchen).<br />

Das Gefäßsystem<br />

Aufbau der Gefäßwand: Intima: Innere Schicht des Gefäßes mit Endothelzellen (einschichtiges<br />

Pflasterepithel) und elastischen Fasern. Media: Mittlere Schicht mit glatten Muskelzellen<br />

(wichtig für die aktive Spannung, den Gefäßtonus) und kollagenen Fasern. Adventitia: Äußere<br />

Schicht mit kollagenen Fasern und wenig glatten Muskelzellen.<br />

Morphometrie des Gefäßsystems: Aus der Aorta (ca. 50 cm lang) entspringen die Arterien (wenige cm<br />

- 50 cm), daran schließen sich die Arteriolen (Länge wenige mm) und am Ende die Kapillaren<br />

(0,5 - 1,0 mm) an. Die Venen weisen annähernd gleiche Längen wie die entsprechenden Arterien<br />

auf.<br />

Druck im Arteriensystem: Maximum der Druckpulskurve während der Systole = systolischer<br />

Blutdruck (ca. 120 mmHg) und Minimum während der Diastole = diastolischer Blutdruck (ca. 80<br />

mmHg). In den terminalen Arterienästen sowie in den Arteriolen fällt der Druck wegen des<br />

hohen Strömungswiderstandes steil ab.<br />

Flüssigkeitsgleichgewicht zwischen intravasalem und interzellulärem Raum: Am arteriellen Ende der<br />

Kapillaren beträgt der nach außen gerichtete Druck 37 mmHg (hydrostatischer Druck in den<br />

Kapillaren = 32,5 mmHg + kolloidosmotischer Druck des Interstitiums = 4,5 mmHg) und der<br />

nach innen gerichtete Druck 28 mmHg (kolloidosmotischer Druck des Plasmas = 25 mmHg +<br />

hydrostatischer Druck des Interstitiums = 3 mmHg). Es entsteht somit ein effektiver<br />

Filtrationsdruck von 9 mmHg, wobei eine Filtration von Flüssigkeit in den interstitiellen Raum<br />

erfolgt. Am venösen Ende der Kapillaren beträgt der nach außen gerichtete Druck 22 mmHg<br />

(Abnahme des hydrostatischen Drucks in den Kapillaren auf 17,5 mmHg + kolloidosmotischer<br />

Druck des Interstitiums = 4,5 mmHg) und der nach innen gerichtete Druck bleibt konstant bei 28<br />

mmHg. Somit entsteht ein effektiver Reabsorptionsdruck von 6 mmHg, wodurch eine<br />

Reabsorption von Flüssigkeit aus dem interstitiellen Raum stattfindet. Da der<br />

Reabsorptionsdruck jedoch etwas kleiner als der Filtrationsdruck ist, werden nur 90 %<br />

reabsorbiert, die restlichen 10 % werden über die Lymphgefäße abtransportiert.<br />

Lymphsystem: Durch die Lymphgefäße, die in das Venensystem münden, wird interstitielle Flüssigkeit<br />

in das Blut zurückgeleitet. Die Wände der Lymphkapillaren bestehen aus einschichtigem<br />

Endothel, die Wände der größeren Lympfgefäße weisen glatte Muskelfasern und Klappen (zur<br />

Verhinderung des Rückstroms) ähnlich wie die Venen auf. In größeren Lymphgefäßen sind<br />

Lymphknoten (Filterfunktion) zwischengeschaltet.<br />

Periphere Durchblutungsregulation: Durchblutungsänderungen beruhen im wesentlichen auf<br />

Änderungen der Gefäßdurchmesser (Abhängigkeit des Strömungswiderstandes von der 4. Potenz<br />

des Gefäßradius). Der Gefäßdurchmesser wird vom augenblicklichen Kontraktionszustand der<br />

glatten Gefäßmuskulatur bestimmt, welcher der Gefäßwand den Gefäßtonus verleiht. Zunahmen


des Kontraktionszustandes = Vasokonstriktion, Abnahmen des Kontraktionszustandes =<br />

Vasodilatation. Durch Veränderungen des relativen Widerstandes vor allem in den Arteriolen (=<br />

Widerstandsgefäße) wird die Verteilung des Herzzeitvolumens auf die einzelnen parallel<br />

geschalteten Organkreisläufe gesteuert. In den Gefäßgebieten mit stark wechselnden<br />

funktionellen Anforderungen (Skelettmuskulatur, Gastrointestinaltrakt, Leber, Haut) können die<br />

relativ größten Durchblutungsänderungen auftreten. Demgegenüber wird die lebenswichtige<br />

Durchblutung des Gehirns und der Nieren weitgehend konstant gehalten. Die Gefäßreaktionen<br />

bei der Leistungsanpassung beruhen auf nervösen Einflüssen, humoralen Faktoren und lokalen<br />

Mechanismen.<br />

Gefäßinnervation: Die nervöse Beeinflussung der Blutgefäße (= vasomotorische Steuerung) erfolgt<br />

durch das autonome Nervensystem, überwiegend durch sympathische Anteile. Mit Ausnahme<br />

der Kapillaren werden alle Blutgefäße innerviert. Die Intensität der Reaktion der glatten<br />

Gefäßmuskulatur hängt direkt von der Frequenz der efferenten Impulse ab. Der Ruhetonus der<br />

Gefäße beruht auf einer ständigen Aktivität von 1 - 3 Impulsen/s. Zunahmen der Impulsfrequenz<br />

bewirken vasokonstriktorische und Abnahmen dilatatorische Reaktionen. Bei den eben<br />

genannten efferenten Nerven handelt es sich um sympathische, adrenerge, vasokonstriktorische<br />

Fasern. Parasympathische, cholinerge, vasodilatatorische Fasern innervieren lediglich die Gefäße<br />

der äußeren Genitalorgane.<br />

Humoral-hormonale Effekte: Die Gefäßwirkungen der vom Nebennierenmark sezernierten<br />

Katecholamine (Adrenalin und Noradrenalin) sind komplex. An der Membran der<br />

Gefäßmuskulatur befinden sich verschiedene adrenerge Rezeptoren, die α- und ß-Rezeptoren.<br />

Durch Erregung der α-Rezeptoren wird eine Kontraktion, durch Erregung der ß-Rezeptoren eine<br />

Entspannung der glatten Muskelfasern ausgelöst. Noradrenalin wirkt dabei nur auf die α-<br />

Rezeptoren, Adrenalin auf beide. Im Blut zirkulierendes Adrenalin bewirkt durch seine<br />

Wirkungen auf ß-Rezeptoren im allgemeinen Abnahmen des Gesamtwiderstandes, zugleich<br />

nimmt das Herzzeitvolumen aufgrund von Steigerungen des Schlagvolumens und der<br />

Herzfrequenz zu. Solche Effekte treten bei Muskelarbeit oder psychischer Belastung auf.<br />

Noradrenalin verursacht dagegen ausschließlich Erhöhungen des Strömungswiderstandes, der<br />

arterielle Druck steigt an.<br />

Lokale Durchblutungsregulation: Bei Abnahme des O 2 -Partialdrucks im Blut kommt es zu<br />

vasodilatatorischen Reaktionen. Lokale Erhöhungen des CO 2 -Partialdrucks oder pH-<br />

Erniedrigung lösen ebenfalls dilatatorische Reaktionen aus.<br />

Blutdruck: Indirekte Messung mit Oberarmmanschette nach Riva-Rocci-Korotkow an der A.<br />

brachialis. Höhe des individuellen Blutdrucks abhängig von Vererbung, Alter, Geschlecht u.a.<br />

Faktoren. Beim jugendlichen Erwachsenen normalerweise 120 mmHg systolisch, 80 mmHg<br />

diastolisch. Abnahme beider Werte im Schlaf um ca. 20 mmHg. Hypertonie = Blutdruckwerte<br />

oberhalb des Normbereichs, Hypotonie = Blutdruckwerte unterhalb der Norm. WHO-<br />

Deskription für Hypertonie: systolisch über 140 oder diastolisch über 90 mmHg.<br />

26


Atmung<br />

27<br />

Atmung: Gaswechsel zwischen den Zellen und der Umgebung. Am Transport des Sauerstoffs (O 2 ) von<br />

der Außenluft zur Zelle sind nacheinander beteiligt: (1) Transport zu den Lungenalveolen durch<br />

die Ventilation, (2) Diffusion von den Alveolen in das Lungenkapillarblut (beide Teilprozesse<br />

zusammen bezeichnet man als Lungenatmung = äußere Atmung), (3) Transport zu den<br />

Gewebekapillaren durch den Blutkreislauf (Atemgastransport des Blutes) und (4) Diffusion von<br />

den Gewebekapillaren in die umgebenden Zellen (Gewebsatmung = innere Atmung). Der<br />

Abtransport des Kohlendioxyds (CO 2 ), das als gasförmiges Endprodukt des oxydativen<br />

Stoffwechsels in den Zellen gebildet wird, setzt sich in analoger Weise aus vier Teilprozessen<br />

zusammen.<br />

Atmungsbewegungen: Die für den Gasaustausch notwendige Belüftung der Alveolen (=<br />

Lungenbläschen) wird durch den rhythmischen Wechsel von Inspiration (Einatmung) und<br />

Exspiration (Ausatmung) bewirkt. Die Luftbewegungen kommen durch den Wechsel von<br />

Brustraumerweiterung und Brustraumverengung zustande. Für die Erweiterung sind zwei<br />

Faktoren maßgebend: Hebung der Rippenbögen (durch Inspirationsmuskeln) und Abflachung<br />

des muskulösen Zwerchfells. Die Ausatmung erfolgt durch Erschlaffung der genannten<br />

Muskulatur und durch die elastischen Kräfte der Lunge.<br />

Intrapleuraler Druck: Die Lungenoberfläche, die der inneren Thoraxwand überall dicht anliegt, folgt<br />

den Atmungsbewegungen, obwohl zwischen beiden keine feste Verbindung besteht. Dies ist<br />

dadurch möglich, daß der kapilläre Spalt zwischen Pleura visceralis (Lungenfell) und Pleura<br />

parietalis (Rippenfell) mit Flüssigkeit gefüllt ist, die nicht ausgedehnt werden kann. Da die<br />

Lunge das Bestreben hat, ihre Oberfläche zu verkleinern, besteht eine Druckdifferenz zwischen<br />

Interpleuralspalt und Außenluft (= intrapleuraler Druck), -4 cm H 2 O bei Exspiration und -7 cm<br />

H 2 O bei Inspiration.<br />

Ventilation: Lungenbelüftung, abhängig von der Tiefe des einzelnen Atemzugs (Atemzugvolumen)<br />

und von der Zahl der Atemzüge in der Zeiteinheit (Atmungsfrequenz).<br />

Lungenvolumina: Zusammengesetzte Volumina = Kapazitäten.<br />

(1) Atemzugvolumen: Normales In- bzw. Exspirationsvolumen.<br />

(2) Inspiratorisches Reservevolumen: Volumen, das nach normaler Inspiration noch zusätzlich<br />

eingeatmet werden kann.<br />

(3) Exspiratorisches Reservevolumen: Volumen, das nach normaler Exspiration noch zusätzlich<br />

ausgeatmet werden kann.<br />

(4) Residualvolumen: Volumen, das nach maximaler Exspiration noch in der Lunge<br />

zurückbleibt.<br />

(5) Vitalkapazität: Volumen, das nach maximaler Inspiration maximal ausgeatmet werden kann,<br />

entspricht der Summe aus (1), (2) und (3) und stellt ein Maß für die Ausdehnungsfähigkeit von<br />

Lunge und Thorax dar. Abhängig von Alter, Geschlecht, Körpergröße und Trainingszustand.<br />

(6) Inspirationskapazität: Volumen, das nach normaler Exspiration maximal eingeatmet werden<br />

kann, entspricht Summe aus (1) und (2).<br />

(7) Funktionelle Residualkapazität: Volumen, das nach normaler Exspiration noch in der Lunge<br />

enthalten ist, entspricht der Summe aus (3) und (4). Hat Bedeutung als Ausgleich der in- und<br />

exspiratorischen O 2 - und CO 2 -Konzentrationen im Alveolarraum, wodurch die


Konzentrationsschwankungen der Alveolarluft verringert werden.<br />

(8) Totalkapazität: Volumen, das nach maximaler Inspiration in der Lunge enthalten ist,<br />

entspricht der Summe aus (4) und (5).<br />

Anatomischer Totraum: Volumina der zuleitenden Luftwege (Trachea, Bronchien, Bronchiolen).<br />

Aufgabe: Reinigung, Befeuchtung und Erwärmung der Luft.<br />

Funktioneller Totraum: Anatomischer Totraum + Alveolarräume, die zwar belüftet, aber nicht<br />

durchblutet sind (beim Gesunden quantitativ gering).<br />

Alveoläre Ventilation: Derjenige Teil des Atemzeitvolumens, der der Belüftung der Alveolen zugute<br />

kommt. Der restliche Anteil heißt Totraumventilation. Atemzeitvolumen = Atemzugvolumen (in<br />

Ruhe ca. 0,5 l) x Atemfrequenz (in Ruhe ca. 14 Züge/Min.). Von der Gesamtventilation in Höhe<br />

von 7 l/Min entfallen auf die alveoläre Ventilation 5 l/Min und auf die Totraumventilation 2<br />

l/Min. Totraumanteil bei jedem Atemzug konstant ca. 150 ml. Flache, rasche Atmung (z.B.<br />

Atemzugvolumen von 0,2 l und Atemfrequenz von 35 Zügen/Min) sehr ineffektiv, da fast nur<br />

Totraumventilation. Entscheidend ist die alveoläre Ventilation!<br />

Klinischer Tod: Zeitpunkt, zu dem Atmungs- und Kreislaufstillstand festgestellt werden. Nach 3 - 8<br />

Min infolge von O 2 -Mangel irreparable Schädigung der Gehirnzellen. In dieser Zeitspanne ist<br />

Wiederbelebung möglich.<br />

Wiederbelebungsmaßnahmen: Säuberung von Mund- und Rachenraum. Überstrecken des Kopfes und<br />

Anheben des Unterkiefers, um Verschluß der Atemwege durch zurückfallende Zunge zu<br />

beseitigen. Atemspende (Mund-zu-Nase): Beginn mit 5 - 10 schnellen Lufteinblasungen, später<br />

alle 5 Sekunden.<br />

Störungen der Atmungsmechanik:<br />

(1) Restriktive Funktionsstörungen: Ausdehnungsfähigkeit der Lunge eingeschränkt (z.B. durch<br />

Verwachsung der Pleurablätter nach Pleuritis).<br />

(2) Obstruktive Funktionsstörungen: Einengung der zuleitenden Atemwege (z.B. bei Asthma<br />

bronchiale). Da bei Einengung die Ausatmung ständig gegen einen erhöhten Widerstand erfolgen<br />

muß, tritt vielfach eine Überblähung der Lunge auf (Lungenemphysem).<br />

Austausch der Atemgase: Der Gasaustausch findet im Alveolarraum zwischen Alveolen und<br />

Erythrozyten statt. Atmosphärische Luft enthält 20,9 % Sauerstoff, 0,03 Vol% Kohlendioxyd<br />

und 79,1 Vol% Stickstoff; die entsprechenden Konzentrationen in der Alveolarluft sind 14 %,<br />

5,6 % und 80,4 %. Nach dem Dalton'schen Gesetz übt jedes Gas in einem Gasgemisch einen<br />

Partialdruck aus, der seinem Anteil am Gesamtvolumen entspricht. Für mittlere Luftdrücke liegt<br />

der O 2 -Partialdruck der atmosphärischen Luft bei 150 mmHg, der CO 2 -Partialdruck ist praktisch<br />

zu vernachlässigen. Die alveolären Werte betragen jedoch 100 mmHg für O 2 und 40 mmHg für<br />

CO 2 . Dabei sind die alveolären Partialdrücke vor allem von der alveolären Ventilation abhängig.<br />

Das venöse Blut in den Lungenkapillaren hat einen O 2 -Partialdruck von 40 mmHg und einen<br />

CO 2 -Partialdruck von 46 mmHg. Diese Partialdruckdifferenzen (Alveolen - Blut) stellen die<br />

treibenden Kräfte für die O 2 - und CO 2 -Diffusion dar. Das Blut, das mit einem O 2 -Partialdruck<br />

von 40 mmHg in die Kapillare eintritt, verläßt diese mit einem O 2 -Partialdruck von 100 mmHg.<br />

Ebenso erfolgt innerhalb der kurzen Diffusionskontaktzeit der Erythrozyten (ca. 0,3 sec) eine<br />

Angleichung des CO 2 -Partialdrucks an den alveolären Wert (40 mmHg).<br />

Kennzeichnung veränderter Ventilationszustände:<br />

28


(01) Normoventilation: Normale Ventilation (Partialdrücke 100 und 40 mmHg).<br />

(02) Hyperventilation: Steigerung der alveolären Ventilation über die Stoffwechselbedürfnisse<br />

(O 2 -Partialdruck > 100 mmHg, CO 2 < 40 mmHg).<br />

(03) Hypoventilation: Minderung der alveolären Ventilation unter den Wert, der den<br />

Stoffwechselbedürfnissen entspricht (O 2 < 100 mmHg, CO 2 > 40 mmHg).<br />

(04) Eupnoe: Normale Ruheatmung.<br />

(05) Hyperpnoe: Vertiefte Atmung mit oder ohne Zunahme der Atemfrequenz.<br />

(06) Tachypnoe: Zunahme der Atemfrequenz.<br />

(07) Bradypnoe: Abnahme der Atemfrequenz.<br />

(08) Apnoe: Atmungsstillstand, bedingt durch Störung der Atemzentren in der Medulla<br />

oblongata.<br />

(09) Dyspnoe: Erschwerte Atmung, verbunden mit subjektiver Atemnot.<br />

(10) Orthopnoe: Starke Dyspnoe bei Stauung des Blutes in den Lungenkapillaren bei<br />

Herzinsuffienz.<br />

(11) Asphyxie: Atmungsstillstand oder Minderatmung bei Lähmung der Atmungszentren (bei<br />

Neugeborenen).<br />

Atemgastransport im Blut: Das Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) der Erythrozyten besitzt die<br />

Fähigkeit, den Sauerstoff in den Lungenkapillaren anzulagern und in den Gewebekapillaren<br />

wieder abzugeben. Der umgekehrte Vorgang gilt für das CO 2 . Die mittlere<br />

Hämoglobinkonzentration beträgt ca. 15,5 g%, d.h. in 100 ml Blut sind 15,5 g Hämoglobin<br />

enthalten. Ein Absinken dieser Konzentration wird als Anämie bezeichnet. Die O 2 -Sättigung des<br />

Hämoglobins hängt von dem jeweils gegebenen O 2 -Partialdruck ab. Die O 2 -Bindungskurve des<br />

Hämoglobins hat einen charakteristischen S-förmigen Verlauf. Der flache Verlauf der Kurve im<br />

Endteil verhindert bei sinkendem arteriellen O 2 -Partialdruck einen stärkeren Abfall der O 2 -<br />

Sättigung. Für die Sauerstoffabgabe im Gewebe erweist sich dagegen der steile Verlauf im<br />

Mittelteil der O 2 -Bindungskurve als günstig.<br />

29<br />

Energiehaushalt<br />

Anabolismus: Aufbau spezifischer, körpereigener Substanzen aus den aufgenommenen Nährstoffen.<br />

Katabolismus: Abbau körpereigener Substanzen oder von aufgenommenen Nährstoffen im Rahmen<br />

des intermediären Stoffwechsels.<br />

Dimension des Energieumsatzes: Kilokalorien (kcal) pro Zeiteinheit (1 kcal = 4187 Joule).<br />

Wirkungsgrad: Verhältnis von äußerer Arbeit zu umgesetzter Energie. Beim Gesamtorganismus<br />

während Muskelarbeit ca. 25 %, der Rest ist Wärme.<br />

Umsatzgrößen der Zelle: Tätigkeitsumsatz (Energieumsatz der aktiven Zelle), Bereitschaftsumsatz<br />

(Energieumsatz, den eine Zelle zur Aufrechterhaltung ihrer sofortigen, uneingeschränkten<br />

Funktionsbereitschaft benötigt), Erhaltungsumsatz (minimaler Energieumsatz, der für die<br />

Erhaltung der Zellstruktur unbedingt notwendig ist). Bei Störungen der Energiezufuhr wird die


Zelle nicht sofort geschädigt, da sie über Energiereserven verfügt (Schädigung von Gehirnzellen<br />

nach 3 - 8 Min, von Muskelzellen nach 1 - 2 Std.).<br />

Grundumsatz: Energieumsatz, der unter folgenden Bedingungen gemessen wird: Morgens, in Ruhe<br />

(liegend), nüchtern, bei Indifferenztemperatur. Grundumsatz abhängig von Alter, Geschlecht,<br />

Körperlänge und Körpergewicht. In der Regel kann er beim Erwachsenen grob mit 1 kcal/kg x h<br />

= 1700 kcal/Tag (bei 70 kg) angesetzt werden.<br />

Arbeitsumsatz: Der Freizeitumsatz (Energiebedarf eines nicht körperlich arbeitenden Menschen)<br />

beträgt für Männer 2300 kcal/Tag (Schreibtischarbeiter). Bei körperlicher Arbeit kommen<br />

Leistungszuschläge hinzu: Leichte Arbeit 500, mäßige 1.000, mittelschwere 1.500, schwere<br />

Arbeit 2000 und Schwerstarbeit 2.500 kcal. Bei geistiger Arbeit beobachtet man eine leichte<br />

Zunahme des Energieumsatzes, woran aber nicht das Gehirn beteiligt ist (dies ist ständig aktiv,<br />

auch im Schlaf), sondern die reflektorisch bedingte Zunahme des Muskeltonus.<br />

Indirekte Calorimetrie zur Bestimmung des Energieumsatzes: Dabei wird die vom Organismus<br />

aufgenommene Sauerstoffmenge gemessen. Für die Glukose-Verbrennung gilt: C 6 H 12 O 6 + 6<br />

O 2 ---> 6 CO 2 + 6 H 2 O + 675 kcal. Pro Mol Glukose (Mol = Molekulargewicht in Gramm, bei<br />

der Glukose 180 g) werden also 675 kcal frei, umgerechnet auf 1 g Glukose also 3,75 kcal =<br />

Brennwert der Glukose. Zur Verbrennung von 1 Mol Glukose werden 6 Mol O 2 mit einem<br />

Volumen von 6 x 22,4 l = 134,4 l benötigt (Mol-Volumen aller Gase bei 0°C und 760 mmHg =<br />

22,4 l). Bezieht man die frei werdende Energie auf den verbrauchten Sauerstoff, entstehen 675 :<br />

134,4 l = 5,02 kcal/l Sauerstoff = kalorisches Äquivalent der Glukose.<br />

Respiratorischer Quotient (RQ): Definiert als CO 2 -Abgabe/O 2 -Aufnahme. Bei Glukoseverbrennung<br />

wird genauso viel CO 2 abgegeben wie an O 2 aufgenommen wird, daher RQ = 1,0 (gilt auch für<br />

andere Kohlenhydrate). Da bei der Fettverbrennung die Fettsäuren pro Atom Kohlenstoff<br />

weniger O 2 enthalten als die Kohlenhydrate, ergibt sich ein deutlich erniedrigter RQ von 0,7. Bei<br />

alleiniger Verbrennung von Nahrungseiweißen findet man einen RQ von 0,81. Da vom RQ das<br />

kalorische Äquivalent abhängt, ist seine Messung neben der Bestimmung des aufgenommenen<br />

O 2 zur Ermittlung des Energieumsatzes wichtig.<br />

30<br />

Wärmehaushalt<br />

Homoiotherme Lebewesen: Die Körpertemperatur wird infolge hoher Wärmebildung und zusätzlicher<br />

Regelungsmechanismen auf einem Wert konstant gehalten, der erheblich über der<br />

Umgebungstemperatur liegt (z.B. Säugetiere, Mensch).<br />

Poikilotherme Lebewesen: Körpertemperatur liegt nur wenig über der Umgebungstemperatur und folgt<br />

deren Schwankungen (z.B. Fische, Reptilien).<br />

RGT-Regel (Reaktions-Geschwindigkeits-Temperatur-Regel): Auch als van't Hoff'sche Regel<br />

bezeichnet. Kennzeichnet die Zunahme des Energieumsatzes pro Zeiteinheit mit zunehmender<br />

Temperatur.


Körpertemperatur homoiothermer Lebewesen: Zwischen 36°C und 39°C unabhängig von den<br />

Unterschieden der Körpergröße. Bezogen auf die Gewichtseinheit ist dabei jedoch der<br />

Energieumsatz z.B. bei der Maus erheblich größer als der des Elefanten. Bei gegebener<br />

Temperaturdifferenz zwischen Körperinnerem und Umgebung ist der Wärmeabstrom pro<br />

Gewichtseinheit um so größer, je größer das Oberflächen-Volumen-Verhältnis ist. Dieses nimmt<br />

mit zunehmender Körpergröße ab, so daß die Energieumsatzrate/Gewichtseinheit geringer<br />

werden kann.<br />

Körpertemperatur des Menschen: Die oberflächennahen Teile des Körpers haben eine niedrigere<br />

Temperatur als die zentralen. In den Extremitäten bildet sich ein Temperaturgefälle in<br />

Längsrichtung aus (z.B. relativ warmer Oberarm und kalte Hände), daneben besteht ein<br />

Temperaturgefälle senkrecht zur Oberfläche. Die durch äußere Temperaturänderungen<br />

hervorgerufenen Schwankungen der Körpertemperatur sind groß nahe der Körperoberfläche<br />

(Körperschale) und gering im Körperinneren (Körperkern). Repräsentative Meßstellen für die<br />

Körperkerntemperatur: Rektum (normal ca. 37°C), Mundhöhle unter der Zunge (ca. 0,2 - 0,5°C<br />

tiefer als Rektaltemperatur), Axillartemperatur (Größenordnung wie bei Oraltemperatur). Eine<br />

absolut feste Körperkerntemperatur gibt es nicht, da diese tagesrhythmischen Schwankungen (ca.<br />

1°C) unterliegt. Bei körperlicher Arbeit kann Kerntemperatur bis zu 2°C ansteigen.<br />

Wärmebildung: Thermoregulatorische Wärmebildung wird ausgelöst, sobald die<br />

Umgebungstemperatur die untere Grenze der thermischen Indifferenzzone (= 28°C - 32°C)<br />

unterschreitet. Mechanismen: (1) aktive Betätigung des Bewegungsapparates, (2) unwillkürliche<br />

tonische oder rhythmische Muskelaktivität (Kältezittern), (3) Steigerung von<br />

Stoffwechselvorgängen (zitterfreie Wärmebildung).<br />

Wärmeabstrom: Wärmetransport vom Körperinneren zur Körperoberfläche (= innerer Wärmestrom)<br />

wird durch Veränderung der peripheren Durchblutung geregelt. Der äußere Wärmestrom (=<br />

Wärmetransport von der Körperoberfläche zur Umgebung) läßt sich in folgende Teilströme<br />

aufgliedern: (1) Wärmeabstrom durch Leitung = Konduktion (z.B. Sitzen auf kalten Steinen), (2)<br />

Wärmeabstrom durch Konvektion (Wärmebewegung durch Luftmassentransport), (3)<br />

Wärmeabstrom durch Strahlung (abhängig vom Temperaturgefälle zwischen Haut und<br />

Umgebung), (4) Wärmeabstrom durch Evaporation = Verdunstung (Schwitzen ist wichtigster<br />

Mechanismus. Bei Verdunstung von 1 l Schweiß werden dem Körper 580 kcal entzogen).<br />

Steuerung der Wärmebildung und Wärmeabgabe: Im wesentlichen auf nervalem Wege: (1)<br />

motorisches Nervensystem (Kältezittern zur Wärmebildung), (2) sympathisches Nervensystem<br />

(Steuerung der Durchblutung und damit des inneren Wärmestroms über noradrenerge<br />

sympathische Nerven), (3) sympathische Innervation der Schweißdrüsen (Steuerung des äußeren<br />

Wärmestroms durch cholinerge (Ausnahme!) sympathische Nervenfasern).<br />

Fieber: Zentrale Sollwertverstellung der Körpertemperatur (Hypothalamus), wodurch die Temperatur<br />

auf ein erhöhtes Niveau eingeregelt wird. Fieberanstieg durch Steigerung der Wärmebildung<br />

(Schüttelfrost) und Drosselung der Wärmeabgabe (Vasokonstriktion der peripheren Gefäße).<br />

Fieberabfall durch Schweißsekretion und Vasodilatation (Erhöhung des äußeren und inneren<br />

Wärmeabstroms). Fieber wird durch Pyrogene (z.B. Stoffe von Bakterienmembranen)<br />

hervorgerufen, die ihrerseits die Leukozyten zur Produktion eines fiebererzeugenden Stoffes<br />

(Leukozyten-Pyrogen) anregen.<br />

31


Hyperthermie: Wärmestauung durch Überlastung der Kapazität der Wärmeabgabemechanismen.<br />

Temperaturen über 42°C werden nicht überlebt. Dabei kommt es zu Schädigungen des Gehirns<br />

mit Desorientiertheit und Krämpfen (umgangssprachlich mit Sonnenstich oder Hitzschlag<br />

bezeichnet, zu unterscheiden vom Hitzekollaps, der durch extreme Vasodilatation mit<br />

Blutdruckabfall gekennzeichnet ist und eine Kreislaufstörung darstellt).<br />

Hypothermie: Abnahme der Kerntemperatur durch Überlastung der Kälteabwehrvorgänge. Bei 26°C -<br />

28°C kann der Tod durch Herzflimmern eintreten.<br />

32<br />

Ernährung<br />

Bestandteile der Nahrungsmittel: Nährstoffe, Vitamine, Salze, Spurenelemente, Gewürzstoffe,<br />

Ballaststoffe und Wasser.<br />

Nährstoffe: Energiereiche Stoffgruppen der Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate. Sie werden im<br />

Stoffwechsel des Organismus zu energieärmeren Substanzen abgebaut und dienen somit als<br />

Energiespender.<br />

Brennwert der Nährstoffe: Eiweiße 4,1, Kohlenhydrate 4,1 und Fette 9,3 kcal/g. Brennwert von<br />

Alkohol 7,1 kcal/g.<br />

Spezifisch-dynamische Wirkung: Steigerung des Energieumsatzes nach Nahrungsaufnahme, besonders<br />

hoch nach Eiweißzufuhr.<br />

Eiweiße: Bestehen aus Aminosäuren und dienen dem Baustoffwechsel. Essentielle Aminosäuren (kann<br />

der Körper nicht synthetisieren) müssen aufgenommen werden. Tierisches Eiweiß: Fleisch,<br />

Fisch, Milch, Eier. Pflanzliches Eiweiß: Brot und Kartoffeln.<br />

Fette: Sind Ester des Glyzerins mit verschiedenen Fettsäuren. Sie dienen dem Betriebsstoffwechsel und<br />

als Energiespeicher (Depotfett im Gewebe). Bei den Fettsäuren werden gesättigte und<br />

ungesättigte unterschieden, wobei letztere z.T. essentiell sind. Tierische Fette: Fleisch, Fisch,<br />

Milch, Eier. Pflanzliche Fette: Pflanzensamen (Nüsse) mit hohen Anteilen an ungesättigten<br />

Fettsäuren.<br />

Kohlenhydrate: Monosaccharide (Glukose, Fruktose), Disaccharide (Malzzucker = Maltose,<br />

Milchzucker = Laktose, Rohrzucker = Saccharose) und Polysaccharide (pflanzliche Stärke). Sie<br />

dienen dem Betriebsstoffwechsel und werden im Organismus als Glykogen gespeichert<br />

(Muskulatur, Leber). Kohlenhydrate fast ausschließlich pflanzlicher Herkunft: Obst, Gemüse,<br />

Kartoffeln, Getreide, etc.<br />

Vitamine: Lebenswichtige organische Substanzen, die der Organismus nicht synthetisieren kann. Sie<br />

sind häufig Bestandteile von Fermentsystemen. Sie kommen sowohl in Nahrungsmitteln<br />

pflanzlicher als auch tierischer Herkunft vor. Vitamingehalt sehr variabel, abhängig von<br />

Produktionsbedingungen, Lagerung und Zubereitung.


Salze: Dienen zusammen mit Wasser zur Aufrechterhaltung des inneren Milieus. Von besonderer<br />

Bedeutung sind die Kationen Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium sowie die Anionen<br />

Chlorid und Phosphat.<br />

Spurenelemente: Elemente, die nur in äußerst geringen Mengen in der Nahrung und im Organismus<br />

vorkommen. Drei Gruppen werden unterschieden: (1) Elemente mit bekannter physiologischer<br />

Funktion (z.B. Eisen für Hämoglobin, Jod für Schilddrüsenhormone), (2) Elemente mit toxischer<br />

Wirkung (z.B. Blei, Cadmium, Quecksilber), (3) Elemente, deren Entbehrlichkeit bewiesen ist<br />

(z.B. Aluminium, Silber).<br />

Gewürzstoffe: Verschiedene Duft- und Aromasubstanzen, die für den Geruch und Geschmack<br />

maßgeblich sind.<br />

Ballaststoffe: Unverdauliche Bestandteile der Nahrung, z.B. Zellulose (aus Zellwänden der Pflanzen).<br />

Nährstoffbedarf: Zum einen abhängig vom Kalorienbedarf, zum anderen werden Mindestmengen an<br />

Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten benötigt. Das funktionelle Eiweißminimum liegt bei 1<br />

g/kg Körpergewicht täglich (Mangel führt zu Ödemen). Mindestbedarf an Fetten beruht auf dem<br />

Bedarf an essentiellen Fettsäuren, zudem können die fettlöslichen Vitamine nur bei Anwesenheit<br />

von Fett resorbiert werden. Mindestbedarf an Kohlenhydraten durch Gehirnstoffwechsel bedingt,<br />

der fast ausschließlich auf Glukose angewiesen ist.<br />

Wasserbedarf: Mindestmenge 1750 ml/Tag (bei 70 kg): Trinkmenge 650 ml, Wasseranteil in der festen<br />

Nahrung 750 ml und 350 ml Oxydationswasser (wird bei der biologischen Verbrennung erzeugt).<br />

Wasserverluste (Dehydration) von mehr als 20 % des Körpergewichts führen zum Tod. Bei<br />

Zufuhr großer Mengen hyotoner Lösungen oder größeren Salzverlusten entsteht<br />

Wasserintoxikation (Einstrom von Wasser in den intrazellulären Raum ---> Ödeme,<br />

Kopfschmerzen, Übelkeit und Krämpfe deuten auf Hirnödem). Siehe auch Niere und<br />

Wasserhaushalt.<br />

Ausgewogene Kost: Muß 4 Kriterien erfüllen: (1) Brennwert muß dem kalorischen Bedarf entsprechen,<br />

(2) Mindestmengen an Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten müssen enthalten sein, (3)<br />

Mindestmengen an Vitaminen, Salzen und Spurenelementen müssen vorhanden sein, (4) die<br />

toxischen Grenzen (Salze, Vitamine, Spurenelemente) dürfen nicht überschritten werden.<br />

Nährstoffrelation für Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate = 1 : 1 : 4 (in Gewichtsanteilen).<br />

33<br />

Funktionen des Magen-Darm-Kanals<br />

Aufgaben des Gastrointestinaltraktes: Verdauung und Resorption. Durch die Einwirkung von Enzymen<br />

und Verdauungssäften werden die Nährstoffe hydrolytisch gespalten und in resorbierbare<br />

Bruchstücke zerlegt (Verdauung). Die Endprodukte der Verdauung werden aus dem Darmlumen<br />

durch die Darmschleimhaut hindurch in das Blut und die Lymphe aufgenommen (Resorption).<br />

Aufbau des Magen-Darm-Kanals: Glatte Muskulatur: Äußere Längsmuskelschicht, mittlere<br />

Ringmuskelschicht und Längsmuskelfasern in der Submucosa. Das Innere des Kanals ist durch


Schleimhaut (Mucosa) ausgekleidet. Zwischen den Muskelschichten liegen Ganglienzellen, die<br />

vom Vagus versorgt werden (Umschaltung von prae- auf postganglionär). Transport der Nahrung<br />

geschieht durch Peristaltik (wellenförmige Kontraktion der Ringmuskulatur). Durchmischung<br />

des Speisebreis durch Segmentationsbewegungen (Kontraktion der Ringmuskulatur an<br />

benachbarten Stellen).<br />

Bildung der Verdauungssäfte: Speicheldrüsen, Magendrüsen, Darmdrüsen, Bauchspeicheldrüse,<br />

Leberzellen. Innervation hauptsächlich durch den Parasympathikus (Vagus). Weitere<br />

Beeinflussung durch gastrointestinale Hormone, deren Freisetzung überwiegend durch<br />

Verdauungsprodukte ausgelöst wird.<br />

Mundspeichel: Gebildet in den Ohr-, Unterkiefer- und Unterzungenspeicheldrüsen. Funktion: Enthält<br />

Amylase zur Kohlenhydratspaltung, Verdünnung der Speisen. Sekretionssteigerung unmittelbar<br />

reflektorisch (Erregung von Geruchs-, Geschmacks- und Berührungsrezeptoren) und durch<br />

bedingte Reflexe.<br />

Schluckreflex: Reflexzentrum in der Medulla oblongata. Auslösung durch Berührung der<br />

Gaumenbögen, des Zungengrundes oder der Rachenhinterwand. Die Speisen müssen den<br />

Atemweg kreuzen, bevor sie in den Oesophagus (Speiseröhre) gelangen. Dabei wird der Nasen-<br />

Rachen-Raum durch das Gaumensegel und die Luftröhre durch den Kehldeckel verschlossen.<br />

Magen: Funktion: Reservoir, Durchmischung des Speisebreis mit Magensaft. Die Durchmischung<br />

ergibt den Chymus. Regulation der Magenmotorik durch intramurale Ganglien (zwischen den<br />

Muskelschichten), Vagus und gastrointestinale Hormone (Gastrin = Steigerung der Motilität,<br />

Secretin = Hemmung der Motilität).<br />

Magensaft: Die Magendrüsen produzieren 2 - 3 l/Tag. Hauptzellen bilden Pepsinogen (wird durch HCl<br />

in Pepsin überführt, das Eiweiße spaltet) und Belegzellen bilden die Salzsäure (HCl). Außerdem<br />

enthält der Magensaft Mucin (Magenschleim) und den Intrinsic-Factor (Glykoproteid, das für die<br />

Resorption von Vitamin B 12 erforderlich ist; bei Fehlen des Faktors perniziöse Anämie).<br />

34<br />

Regulation der Magensaftsekretion:<br />

(1) Cephalische Sekretionsphase: Eingeleitet durch bedingte Reflexe (Versuche von Pawlow am<br />

Hund). Fortgesetzt durch reflektorische Sekretion (Erregung der Geschmacks- und<br />

Geruchsrezeptoren). Bedingte Reflexe und reflektorische Sekretion werden über den Vagus<br />

vermittelt, der Acetylcholin freisetzt, das Beleg- und Hauptzellen stimuliert. Außerdem<br />

bewirkt Acetylcholin eine Freisetzung von Gastrin aus den G-Zellen des unteren<br />

Magenabschnitts, was die Belegzellen über den Blutweg weiter stimuliert.<br />

(2) Gastrale Sekretionsphase: Durch Verdauungsprodukte werden Rezeptoren in der Schleimhaut<br />

erregt, die ihrerseits die G-Zellen zur Gastrinfreisetzung anregen.<br />

(3) Intestinale Sekretionsphase: Tritt noch nicht hinreichend saure Nahrung in das Duodenum<br />

(Zwölffingerdarm) über, so kommt es zur Freisetzung des Hormons Entero-Oxyntin im<br />

Duodenum, das die Magensaftsekretion anregt. Tritt später saurer Chymus über, so wird die<br />

Magensaftsekretion durch Secretin aus der Duodenalschleimhaut gehemmt. Emotionale<br />

Erregungen können die Magensaftsekretion beeinflussen: Hypersekretion bei Ärger und Zorn,<br />

Hyposekretion bei Angst oder Traurigkeit.


Ulkus: Geschwüre im Magen und Duodenum. Gefährlich wegen Blutungsgefahr. Bedingt durch ein<br />

Ungleichgewicht zwischen aggressiven Faktoren (HCl, Pepsin) und protektiven Faktoren<br />

(Erneuerung des Schleimhautepithels, gute Durchblutung, Schleim). Bei ca. 80 % der Patienten<br />

ist eine Infektion mit Helicobacter pylori nachweisbar, welche die protektiven Faktoren<br />

schwächt.<br />

Dünndarm: Funktion: Durchmischung des sauren Chymus mit den alkalischen Sekreten des Pankreas,<br />

der Leber und der Darmdrüsen. Hier wird der Hauptteil der Verdauung bewältigt und die<br />

Resorption durchgeführt.<br />

Pankreassaft (Bauchspeichel): Vom exokrinen Anteil des Pankreas gebildet, ca. 1,5 - 2,0 l/Tag. Der<br />

Bauchspeichel ist durch die hohe Bicarbonatkonzentration alkalisch und enthält folgende<br />

Enzyme: Trypsin und Chymotrypsin (Eiweißspaltung), Pankreaslipase (Abbau von Fetten),<br />

Pankreasamylase (Abbau von Kohlenhydraten) und Nucleasen (Abbau von Nucleinsäuren).<br />

Regulation der Pankreassekretion: Die Sekretion wird während der cephalischen Phase über den Vagus<br />

reflektorisch eingeleitet. Der Hauptteil der Sekretion erfolgt nach dem Übertritt von Chymus in<br />

das Duodenum durch die Freisetzung der gastrointestinalen Hormone Secretin und<br />

Cholecystokinin die in der Schleimhaut des Duodenums gebildet werden und auf dem Blutwege<br />

das Pankreas erreichen. Secretin bewirkt ein großes Saftvolumen mit viel Bicarbonat und wenig<br />

Enzymen. Cholecystokinin löst Sekretion eines stark enzymhaltigen Saftes aus und bewirkt<br />

außerdem eine Entleerung der Gallenblase.<br />

Leber: Wichtigstes Stoffwechselorgan des Organismus. Bildet außerdem in den Leberzellen die Galle,<br />

die in die Gallenkapillaren sezerniert wird. Die Gallenkapillaren vereinigen sich über immer<br />

größer werdende Gänge zum Ductus hepaticus. Von diesem fließt die Galle entweder über den<br />

Ductus cysticus in die Gallenblase (Konzentration und Speicherung der Galle) oder unmittelbar<br />

in den Ductus choledochus, der in das Duodenum mündet. Die Galle wird kontinuierlich erzeugt<br />

(0,5 - 1,0 l/Tag) und enthält Gallensäuren (Verdauung von Fetten) und Gallenfarbstoffe<br />

(Abbauprodukte des Hämoglobin).<br />

Dickdarm (Colon): Der vom Dünndarm in das Colon weitergegebene Inhalt wird hier durch die<br />

Resorption von Wasser eingeengt. Im Colon befinden sich Bakterien (Darmflora). Weiterhin<br />

werden hier Elektrolyte und Vitamine resorbiert. Die Farbe des Stuhles wird durch abgebaute<br />

Gallenfarbstoffe bestimmt.<br />

Mastdarm (Rectum): Füllung des Rectums führt zur Stuhlentleerung. Stuhldrang wird durch die<br />

Erregung von Dehnungsrezeptoren vermittelt, deren Impulse in das Reflexzentrum im<br />

Sacralmark weitergeleitet werden. Das Reflexzentrum steht etwa ab dem 2. Lebensjahr unter der<br />

Kontrolle des Großhirns. Die efferenten Impulse gelangen über den Parasympathikus zum<br />

inneren glatten Schließmuskel und vermindern dessen Tonus. Bei der Darmentleerung wird dann<br />

auch der äußere quergestreifte Schließmuskel willkürlich entspannt und die Bauchmuskulatur zur<br />

Unterstützung des Stuhlgangs kontrahiert (Bauchpresse).<br />

Verdauung: Spaltung der Nahrungsbestandteile durch Enzyme der Verdauungssäfte. Dabei entstehen<br />

aus den Eiweißen Aminosäuren, aus den Kohlenhydraten Monosaccharide und aus den Fetten<br />

Glyzerin und Fettsäuren.<br />

Resorption: Bei der Resorption werden Substanzen aus dem Darmlumen in das Körperinnere<br />

(Darmepithelzelle, Interstitium, Lymphe und Blut) aufgenommen. Dabei spielen neben passiven<br />

35


Prozessen (Diffusion, Osmose) vor allem auch aktive, energieverbrauchende Transportvorgänge<br />

eine Rolle. Dabei scheinen in der äußeren Zellmembran der Enterozyten lokalisierte<br />

Trägersysteme (Carrier) eine Rolle zu spielen, indem Carrier-Substratkomplexe gebildet werden<br />

und auf der Gegenseite der Membran die Komplexe wieder gelöst werden. Eine andere Form des<br />

aktiven Transports ist die Pinozytose (Bläschentransport). Neben diesem aktiven transzellulären<br />

Transport spielt der passive, parazelluläre Transport eine noch größere Rolle. Dieser verläuft<br />

durch die Tight junctions (Kittleisten) benachbarter Enterozyten. Der Abtransport der<br />

resorbierten Substanzen erfolgt über Blut- und Lymphgefäße.<br />

36<br />

Nierenfunktion<br />

Aufgabe der Nieren: Ausscheidungsorgan für die Endprodukte des Zellstoffwechsels (Harnstoff,<br />

Harnsäure, Kreatinin = alles harnpflichtige Substanzen), aufgenommene Fremdstoffe (z.B.<br />

Medikamente) und physiologische Bedarfsstoffe, sofern diese im Überschuß vorhanden sind. Die<br />

Nieren bewirken eine Konstanz der ionalen Zusammensetzung, der osmotischen Konzentration<br />

und des pH-Wertes der extrazellulären Flüssigkeit. Durch die Bildung von Renin sind die Nieren<br />

an der Kontrolle des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens und des arteriellen Blutdrucks<br />

beteiligt.<br />

Nierenanatomie: Morphologische und funktionelle Einheit der Nieren ist das Nephron (ca. 1,2<br />

Million/Niere). Es besteht aus dem Glomerulus (Nierenkörperchen) und dem Tubulus<br />

(Nierenkanälchen). Mehrere Tubuli münden in ein Sammelrohr ein. Der Glomerulus wird aus<br />

Kapillarschlingen sowie aus der Bowman'schen Kapsel des Tubulusepithels gebildet. Den<br />

Tubulus unterteilt man in den proximalen Tubulus, die Henle'sche Schleife und den distalen<br />

Tubulus. Letzterer berührt die zuführende Arteriole seines zugehörigen Glomerulus und bildet<br />

mit ihr den juxtaglomerulären Apparat (Ort der Reninbildung).<br />

Elementarprozesse der Harnbildung: Sie beginnt im Glomerulus, wo der Primärharn durch den<br />

glomerulären Filtrationsprozeß aus dem durchfließenden Blutplasma abgetrennt und in den<br />

Tubulus geleitet wird. Während der Passage durch den Tubulus und das Sammelrohr wird die<br />

Zusammensetzung durch transtubuläre Stofftransporte (Resorption und Sekretion) erheblich<br />

verändert. Zur Ausscheidung im Endharn (= Urin) gelangen Stoffe, die glomerulär filtriert und<br />

die tubulär sezerniert werden, vermindert um die Mengen, die tubulär resorbiert werden.<br />

Mechanismen der Harnbildung: Die glomeruläre Filtration beruht auf physikalischen Kräften<br />

(Filtrationsdruck) und den physikalischen Eigenschaften der Moleküle (vor allem<br />

Molekülgröße). Tubuläre Stofftransporte umfassen neben passiven Transportvorgängen<br />

(Diffusion) vor allem aktive Transportvorgänge, die Energie aus dem Stoffwechsel erfordern<br />

(aktive Resorptionsmechanismen für physiologische Bedarfsstoffe wie Natriumionen, Glukose,<br />

Aminosäuren etc.; aktiv sezernierte Stoffe, z.B. PAH).<br />

Renale Clearance eines Stoffes: Der Clearance-Wert gibt den Teil des renalen Plasmaflusses an, der<br />

pro Minute von dem betreffenden Stoff völlig befreit wird. Die Clearance stellt somit eine


Volumen-Klärrate (ml/min) dar. Zu ihrer Bestimmung benötigt man die Ausscheidungsrate des<br />

Stoffes in den Harn (Produkt aus Stoffkonzentration im Urin und dem Harnzeitvolumen) und<br />

seine Konzentration im arteriellen Plasma. Somit ist die Clearance der Ausscheidungsrate<br />

proportional und der Plasmakonzentration umgekehrt proportional.<br />

Der Nierenplasmafluß stimmt mit der PAH-Clearance (PAH = p-Aminohippursäure) weitgehend<br />

überein. Dieser Stoff wird also während einer einzigen Nierenpassage fast vollständig aus dem<br />

Plasma eliminiert. Der glomerulären Filtrationsrate entspricht die Inulin-Clearance (ein<br />

Polysaccharid). Inulin wird nur durch Filtration ausgeschieden und tubulär weder resorbiert noch<br />

sezerniert. Diese Clearance-Werte dienen zur Beurteilung der Nierenfunktion.<br />

Nierenkreislauf: Die Durchblutung beider Nieren beträgt etwa 25 % des Herzzeitvolumens in Ruhe.<br />

Die Nierendurchblutung kann mit Hilfe der PAH-Clearance (Nierenplasmafluß) und dem<br />

Hämatokritwert errechnet werden. An den allgemeinen Kreislaufregulationen nimmt der<br />

Nierenkreislauf kaum Teil. Der mittlere arterielle Blutdruck kann zwischen 80 und 180 mmHg<br />

schwanken, ohne daß sich die Nierendurchblutung ändert (Autoregulation durch abgestufte<br />

Einstellung des Strömungswiderstandes, dadurch konstante glomeruläre Filtrationsrate).<br />

Glomerulärer Filtrationsprozeß: Das glomeruläre Filter wird von 20 - 40 Kapillarschlingen und dem sie<br />

umkleidenden inneren Blatt der Bowman'schen Kapsel gebildet. Diese Glomerulusmembran<br />

besteht aus dem Endothel der Kapillaren, der Basalmembran und dem inneren Blatt. Die<br />

Moleküldurchlässigkeit wird im wesentlichen von dem inneren Blatt der Bowman'schen Kapsel,<br />

die sog. Filtrationsschlitze aufweist, bestimmt. Unter der glomerulären Filtrationsrate versteht<br />

man das pro Zeiteinheit von den Nieren gebildete Filtratvolumen (Primärharn). Sie beträgt ca.<br />

120 ml/min und kann mit der Inulin-Clearance bestimmt werden. Das Filtrat enthält die im<br />

Blutplasma gelösten Bestandteile nach Maßgabe ihrer Filtrierbarkeit.<br />

Tubuläre Transportprozesse: Die Transporte einzelner Stoffe im Tubulus sind auf bestimmte<br />

Abschnitte begrenzt. Im proximalen Tubulus werden Glukose, Aminosäuren, filtriertes Protein,<br />

Sulfat- und Phosphationen, Elektrolyte und Wasser resorbiert, sowie organische Säuren (z.B.<br />

PAH) sezerniert. Alle Stofftransporte zeichnen sich durch ein tubuläres Transportmaximum aus,<br />

d.h., daß von diesen Stoffen in der Zeiteinheit jeweils nur eine definierte Maximalmenge von den<br />

Nieren resorbiert oder sezerniert werden kann. Im distalen Tubulus werden lediglich Elektrolyte<br />

und Wasser resorbiert sowie Ammoniak und Wasserstoffionen sezerniert.<br />

Aldosteron (Mineralocorticoid der Nebennierenrinde) erhöht die tubuläre Natrium-Resorption<br />

sowie die Kalium- und Wasserstoffionen-Sekretion. Das ADH (antidiuretisches Hormon syn.<br />

Adiuretin, im Hypothalamus gebildet und im Hypophysenhinterlappen freigesetzt) erhöht die<br />

Wasserdurchlässigkeit im distalen Tubulus und im Sammelrohr. Dadurch wird der Urinfluß<br />

vermindert (Antidiurese) und der Urin hypertonisch. Fehlt ADH (z.B. beim Diabetes insipidus),<br />

so ist die Diurese gesteigert, wobei ca. 25 l/Tag hypotonischen Urins ausgeschieden werden<br />

können.<br />

Resorption der Glukose: Das tubuläre Transportmaximum läßt sich anhand des Glukosetransportes<br />

erläutern. Obwohl Glukose glomerulär uneingeschränkt filtriert wird, ist normalerweise der Urin<br />

glukosefrei. Demnach wird Glukose tubulär vollständig resorbiert. Glukose erscheint erst im<br />

Harn (Glukosurie), wenn im Plasma die Schwellenkonzentration von etwa 180 mg/100 ml<br />

überschritten wird (bei Zuckerkrankheit = Diabetes mellitus).<br />

37


Regulation der extrazellulären Flüssigkeit durch die Nieren:<br />

(1) Osmotische Konzentration: Wasserverlust = Anstieg der osmotischen Konzentration ---><br />

Registrierung durch Osmorezeptoren im Hypothalamus ---> ADH-Freisetzung und Durstgefühl -<br />

--> Antidiurese und Trinken. Wasserüberschuß = Abfall der osmotischen Konzentration z.B.<br />

durch starkes Trinken ---> Osmorezeptoren ---> Hemmung der ADH-Freisetzung ---><br />

Wasserdiurese.<br />

(2) Volumenregulation: Extrazelluläre Flüssigkeit besteht aus interstitieller Flüssigkeit und<br />

Blutplasma. Änderungen ihres Volumen führen deshalb auch zu Veränderungen des<br />

Blutvolumens und damit zur Umstellung der Kreislaufregulation. Bei vermehrtem Blutvolumen<br />

(Hypervolämie) gibt es zwei Mechanismen zur Volumenregulation:<br />

(a) Vermehrtes Blutangebot ---> Erhöhung des Herzzeitvolumens ---> Anstieg des arteriellen<br />

Blutdrucks ---> Druckdiurese (vermehrte Urinausscheidung durch blutdruckbedingte Zunahme<br />

der Nierenmarkdurchblutung mit Beeinträchtigung des Urinkonzentrierungsmechanismus).<br />

(b) Vermehrtes Blutangebot ---> Volumenrezeptoren im venösen System<br />

---> Meldung auf nervalem Wege zum Hypothalamus ---> Hemmung der ADH-Freisetzung ---><br />

Wasserdiurese.<br />

Bei vermindertem Blutvolumen (Hypovolämie) gibt es - abgesehen von den<br />

kreislaufregulatorischen Effekten auf Herz, Gefäße und Nebennierenmark - ebenfalls zwei<br />

Mechanismen der Volumenregulation:<br />

(a) Vermindertes Blutangebot ---> Erniedrigung des Herzzeitvolumens<br />

---> Abfall des arteriellen Blutdrucks ---> Aktivierung des juxtaglomerulären Apparates<br />

(druckempfindlicher Mechanismus) ---> Reninfreisetzung (eiweißspaltendes Enzym) --><br />

Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin (starke vasokonstriktorische Substanz) ---><br />

Anstieg des arteriellen Blutdrucks. Gleichzeitig durch Angiotensin bedingt ---> Freisetzung von<br />

Aldosteron ---> erhöhte Natrium- und damit Wasserresorption ---> positive Flüssigkeitsbilanz (=<br />

Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus).<br />

(b) Vermindertes Blutangebot ---> Volumenrezeptoren im venösen System ---> Meldung auf<br />

nervalem Wege zum Hypothalamus ---> ADH-Freisetzung und Durst ---> Antidiurese und<br />

Trinken (sog. Gauer-Henry-Reflex).<br />

Niereninsuffizienz: Entsteht durch Schädigung von mehr als 60 % der Nephrone. Dabei können die<br />

harnpflichtigen Substanzen nicht mehr ausgeschieden werden (Urämie). Harnkonzentrierung und<br />

-verdünnung ist nicht mehr möglich. Ursachen der Niereninsuffizienz: Akutes Nierenversagen<br />

durch Schockzustände (Minderung der Nierendurchblutung), Vergiftungen,<br />

Transfusionszwischenfälle, etc.; chronisches Nierenversagen durch Nierenentzündungen.<br />

Wasserhaushalt: Unter normalen Bedingungen besteht ein Gleichgewicht zwischen Aufnahme und<br />

Abgabe. Wasseraufnahme: 1,2 l Trinkmenge + 0,85 l Wasser aus fester Nahrung + 0,35 l<br />

Oxydationswasser = 2,4 l/Tag. Wasserabgabe: 1,4 l Urin + 0,1 l Ausscheidung mit dem Stuhl +<br />

0,9 l durch Verdunstung über Atemluft und Haut (Perspiratio insensibilis) = 2,4 l/Tag.<br />

38


Allgemeine Endokrinologie<br />

39<br />

Endokrines System: Eng mit dem Nervensystem verknüpft. Erfüllt seine Funktion mittels Hormonen,<br />

die in den endokrinen Drüsen (= Drüsen ohne Ausführungsgang) gebildet und auf dem Blutweg<br />

zu den Organen transportiert werden. Hier entfalten die Hormone spezifische Wirkungen<br />

(Wirkungen, die von keinem anderen Stoff hervorgerufen werden können) an den<br />

Erfolgsorganen.<br />

Funktionelle Bedeutung der Hormone:<br />

(1) Förderung der körperlichen und geistigen Entwicklung.<br />

(2) Leistungsanpassung des Organismus (physiologische Adaptation bei erhöhter Belastung).<br />

(3) Homöostatische Funktion (Konstanthaltung bestimmter physiologischer Größen, z.B.<br />

osmotischer Druck).<br />

Hormone steuern biochemische Prozesse und wirken in sehr kleinen Konzentrationen. Als<br />

Glieder von Regelkreisen nehmen sie entweder die Position eines Stellgliedes oder die Position<br />

der Regelgröße ein:<br />

(1) Hormone als Stellglieder (z.B. osmotischer Druck des Blutes): Regelgröße ist der osmotische<br />

Druck, der konstant gehalten werden muß. Kommt es durch Störgrößen (z.B. Wasseraufnahme)<br />

zu Abweichungen, so werden diese durch Osmorezeptoren des Hypothalamus (Meßwerk) an den<br />

zentralen Regler, der den Sollwert überwacht (ebenfalls Hypothalamus) weitergeleitet. Der<br />

Regler setzt nun proportional zur Abweichung vom Sollwert das Hormon Adiuretin frei, das<br />

seinerseits als Stellgröße auf das Stellglied (Niere) einwirkt.<br />

(2) Hormone als Regelgrößen (z.B. Thyroxin): Regelgröße ist der Thyroxinspiegel, der konstant<br />

gehalten werden muß. Vermehrter Thyroxinverbrauch unter Belastung (Störgröße) ---><br />

Thyroxinrezeptoren in der Adenohypophyse (Meßwerk) ---> Regler in Hypophyse bzw.<br />

Hypothalamus ---> Ausschüttung von TSH (Stellgröße) ---> vermehrte Thyroxinproduktion in<br />

der Schilddrüse (Stellglied).<br />

Gruppierung der Hormone nach der Funktionsweise:<br />

(1) Effectorische Hormone: Wirken unmittelbar auf Erfolgsorgane ein, z.B. Sexualhormone.<br />

(2) Trope oder glandotrope Hormone: Bewirken Bildung und Freisetzung der unter (1)<br />

zusammengefaßten Hormone, z.B. TSH (Thyreotropes Hormon).<br />

(3) Releasing- und Release-inhibiting Hormone: Werden von den Nervenzellen des<br />

Hypothalamus gebildet und steuern die Bildung und Freisetzung der Hormone der<br />

Adenohypophyse. Über diese Hormone erfolgt die Ankopplung des endokrinen Systems an das<br />

ZNS.<br />

Gruppierung der Hormone nach Rezeptortypen: Die Zellen der Erfolgsorgane besitzen spezifische<br />

Rezeptoren, die mit dem entsprechenden Hormon einen Hormonrezeptorkomplex bilden.<br />

(1) Zytoplasmatische Rezeptoren im Zellinnern für Hormone aus der Lipidgruppe.<br />

(2) Rezeptoren an der Zellmembran für Hormone aus der Protein- und Peptidgruppe.<br />

(3) Rezeptoren im Zellkern für die Schilddrüsenhormone.<br />

Wirkungsmechanismen der Hormone: Da die Hormonrezeptorkomplexe entweder an der Zellmembran<br />

oder in der Zelle entstehen, lassen sich zwei Wirkmechanismen unterscheiden. Der intrazelluläre<br />

Komplex kann direkt die Expression genetischer Information beeinflussen und somit auf die<br />

Syntheseleistung der Zelle (z.B. Proteinsynthese) direkten Einfluß nehmen. Bei einem


zellmembranständigen Komplex ist dagegen ein zweiter intrazellulärer Botenstoff (second<br />

messenger, z.B. cAMP = cyclisches Adenosinmonophosphat) notwendig, um die Aktivität der<br />

Zelle zu beeinflussen.<br />

Untersuchungsmethoden:<br />

(1) Studium der Ausfallserscheinungen nach Zerstörung eines Organs, in dem man eine<br />

Hormonbildung vermutet.<br />

(2) Substitutionsexperiment: Zufuhr von Extrakten, die aus dem zerstörten Organ gewonnen<br />

wurden. Ausfallserscheinungen müssen - sofern es sich wirklich um ein Hormon handelt -<br />

danach verschwinden.<br />

(3) Überdosierungsexperiment: Zufuhr von Hormonen beim intakten Tier. Wichtig für die<br />

Analyse von Funktionsstörungen bei krankhafter Überfunktion einzelner Hormondrüsen.<br />

Substitutionstherapie: Im Falle einer unzureichenden Funktion einer endokrinen Drüse müssen die<br />

Hormone von außen zugeführt werden. Bei Proteohormonen (Eiweißhormonen) muß die Zufuhr<br />

parenteral (also nicht über den Magen-Darm-Trakt) erfolgen, da diese bei peroraler Zufuhr (über<br />

den Magen-Darm-Trakt) abgebaut würden (z.B. intravenös, intramuskulär). Da zahlreiche<br />

Hormone nicht artspezifisch sind, können Extrakte aus den Drüsen von Tieren verwendet<br />

werden.<br />

40<br />

Hypothalamisch-hypophysäres System<br />

Gliederung des Systems:<br />

(1) Nuclei supraopticus und paraventricularis des Hypothalamus und Neurohypophyse<br />

(Hypophysenhinterlappen = HHL).<br />

(2) Hypophysiotrope Zone des Hypothalamus und Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen =<br />

HVL).<br />

Neurohypophyse und zugeordnete Hypothalamuskerne: Die Hormone Adiuretin (syn. Vasopressin)<br />

und Oxytocin werden in den Nervenzellen des Nucleus supraopticus und des Nucleus<br />

paraventricularis gebildet. Diese Hormone werden in Form von Granula innerhalb der<br />

zugehörigen Neuriten der Nervenzellen zu den Kapillaren des HHL geleitet und in die Kapillaren<br />

abgegeben. Die Neuriten der neurosekretorischen Zellen bilden den Tractus hypothalamohypophyseus,<br />

der einen Teil des Hypophysenstiels darstellt. Zur Freisetzung der Hormone<br />

kommt es durch Erregung der neurosekretorischen Zellen.<br />

Adiuretin (syn. Vasopressin): Hemmt die Diurese (siehe Niere). Bei Ausfall des Hormons Diabetes<br />

insipidus. Dabei können Urinmengen zwischen 5 und 15 l/24 Std. ausgeschieden werden<br />

(insipidus = nicht süß schmeckend, im Gegensatz zu mellitus = süß schmeckend). In höheren<br />

Konzentrationen hat Adiuretin einen butdrucksteigernden Effekt, der ursprünglich einem eigenen<br />

Hormon (Vasopressin)<br />

zugeschrieben wurde. Natürlicher Reiz für die Adiuretinsekretion ist die Erregung von<br />

Osmorezeptoren im Hypothalamus bei Ansteigen des osmotischen Drucks.


Oxytocin: Bewirkt bei Tier und Mensch rhythmische Kontraktionen des Uterus. Gegen Ende der<br />

Schwangerschaft wird die Muskulatur des Uterus durch die Wirkung von Östrogen besonders<br />

sensibel für Oxytocin. Da der HHL nun vermehrt Oxytocin ausschüttet, kommt es zu<br />

Kontraktionen, die den Fetus in Richtung Scheide drücken. Die zunehmende Dehnung der<br />

Gewebe führt zur nervalen Rückmeldung an den Hypothalamus und damit zur weiteren<br />

Oxytocin-Produktion, wobei sich der Prozeß zur Wehentätigkeit aufschaukelt. Ferner bewirkt<br />

das Hormon eine Kontraktion der Milchgänge der Brustdrüse (Milchejektionsreflex). Natürlicher<br />

Reiz für die Sekretion ist der Saugreiz an der Brustwarze. Von dieser gehen mechanosensible<br />

afferente Bahnen zum Hypothalamus, wo die Verbindung zu den neurosekretorischen Zellen, die<br />

das Oxytocin bilden, hergestellt wird (nerval-hormonaler Reflexbogen).<br />

Adenohypophyse und hypophysiotrope Zone des Hypothalamus: Von Nervenzellen im Bereich der<br />

hypophysiotropen Zone werden die Releasing-Hormone gebildet, die ihrerseits die Sekretion der<br />

Adenohypophysen-Hormone steuern. Die Releasing-Hormone gelangen über das<br />

Pfortadersystem der Hypophyse (auf dem Blutweg) zu den Hormonbildungszellen der<br />

Adenohypophyse.<br />

Einteilung der Releasing-Hormone:<br />

Stimulierende Releasing-Hormone (RH):<br />

(1) TRH = Thyreotropin-RH ---> TSH<br />

(2) LHRH = Luteinisierendes Hormon-RH ---> LH und FSH<br />

(3) CRH = Corticotropin-RH ---> ACTH<br />

(4) GHRH = Growth Hormone-RH ---> GH (syn. STH)<br />

(5) PRH = Prolactin-RH ---> PRL<br />

(6) MSHRH = Melanocytes Stimulating Hormone-RH ---> MSH<br />

Inhibitorische Releasing-Hormone (IH):<br />

(1) GHIH = Growth Hormone-IH (Somatostatin) ---> GH (syn. STH)<br />

(2) MSHIH = Melanocytes Stimulating Hormone-IH ---> MSH<br />

(3) PIH = Prolactin-IH ---> PRL<br />

Alle Releasing-Hormone stellen Peptide mit oft geringer Anzahl von Aminosäuren dar, deren<br />

Struktur z.T. bereits aufgeklärt ist.<br />

Endorphine und Enkephaline: Kürzlich entdeckte Gruppe von Polypeptiden aus dem Hypothalamus<br />

bzw. der Hypophyse. Haben eine dem Morphin ähnliche Wirkung. Besetzen Membranrezeptoren<br />

von Nervenzellen, über die auch die exogen zugeführten Morphine zur Wirkung kommen<br />

(„endogene Opiate“).<br />

Hormone der Adenohypophyse (Übersicht):<br />

Glandotrope Hormone:<br />

(1) FSH = Follikelstimulierendes Hormon<br />

(2) LH bzw. ICSH = Luteinisierendes Hormon, identisch mit Interstitial Cells Stimulating<br />

Hormone<br />

(3) TSH = Thyreotropin Stimulating Hormone, syn. Thyreotropes Hormon<br />

(4) ACTH = Adrenocorticotropes Hormon<br />

Effektorische Hormone:<br />

(1) GH (syn. STH) = Growth Hormone (Wachstumshormon), syn. Somatotropes Hormon<br />

(2) PRL (syn. LTH) = Prolactin, syn. luteotropes Hormon<br />

(3) MSH = Melanocytenstimulierendes Hormon<br />

41


Die glandotropen Hormone entfalten ihre Wirkung durch Beeinflussung der peripheren<br />

endokrinen Drüsen. Die Hormone (1) und (2) werden als gonadotrope Hormone bezeichnet und<br />

steuern die Entwicklung der Keimdrüsen und der sekundären Geschlechtsmerkmale. FSH und<br />

LH (bzw. ICSH) sind bei weiblichen und männlichen Individuen identisch, sie stellen also<br />

geschlechtsunspezifische Hormone dar. TSH stimuliert das Wachstum der Schilddrüse und<br />

steuert die Bildung und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen. ACTH beeinflußt das<br />

Wachstum und die Funktionsfähigkeit zweier der drei Schichten der Nebennierenrinde, der Zona<br />

fasciculata (Bildung des Cortisols) und der Zona reticularis (Bildung von androgenen<br />

Rindenhormonen = männliche Geschlechtshormone). Das Wachstum der dritten Schicht, der<br />

Zona glomerulosa (Bildung des Mineralocorticoids Aldosteron), bedarf kaum der Stimulierung<br />

durch ACTH (Aldosteron wird durch Angiotensin freigesetzt, siehe Niere). ACTH wird aus<br />

einem höhermolekularen sog. Präkursor enzymatisch abgespalten. Als weitere Spaltprodukte<br />

ergeben sich dabei ß-Endorphin (ein endogenes Opiat) und MSH (Melanocytenstimulierendes<br />

Hormon). Die Zellen, in denen der Präkursor im HVL gebildet wird, bezeichnet man als<br />

Proopiomelanocortinzellen (POMC-Zellen).<br />

Wachstumshormon (Growth Hormone = GH): Im Gegensatz zu den meisten Hormonen ist es<br />

artspezifisch. Zum therapeutischen Einsatz beim Menschen muß daher menschliches GH (aus<br />

Leichenhypophysen oder gentechnisch hergestellt) verwendet werden. Die Wachstumswirkung<br />

läßt sich auf eine Förderung der Verknöcherung, die die Grundlage des Längenwachstums der<br />

Knochen ist, zurückführen. Die Epiphysenfugen werden durch GH verbreitert. Wenn nach<br />

Abschluß der Pubertät unter Einwirkung der Androgene eine Verknöcherung der knorpeligen<br />

Epiphysenfuge eingetreten ist, hat GH keinen Einfluß mehr auf das Längenwachstum. Die<br />

Wirkung des GH auf das Knochenwachstum erfolgt nicht direkt, sondern über die Stimulation<br />

von Leberfaktoren, den Somatomedinen.<br />

Hypophysärer Riesenwuchs: Überschüssige Produktion von GH im jugendlichen Alter, meist durch<br />

Adenom (Geschwulst) der acidophilen Zellen des HVL, in denen GH gebildet wird. Das<br />

Wachstum ist proportioniert.<br />

Hypophysärer Zwergwuchs: Fehlen des GH im Kindesalter. Körpergröße oft nur 100 cm.<br />

Körperproportionen normal, im Gegensatz zum hypothyreotischen Zwergwuchs.<br />

Akromegalie: Überproduktion von GH im Erwachsenenalter meist durch Adenom der acidophilen<br />

Zellen des HVL. Plumpe Deformierungen und Verdickungen der Knochen, insbesondere<br />

Vergrößerung der Nase, des Kinns, der Hände und Füße. Oft auch Schädigung des Sehnerven<br />

durch Tumorwachstum.<br />

Stoffwechselwirkungen des GH:<br />

(1) Mobilisierung von Fettsäuren aus den Fettgeweben zur Energiegewinnung.<br />

(2) Insulinähnlicher Effekt als kurzfristige Wirkung: Injektion von GH führt zu einer<br />

vorübergehenden Senkung des Glukosespiegels über Somatomedin C (Dauer ca. 1 Stunde).<br />

(3) Insulinantagonistischer Effekt als längerfristige Wirkung: Mehrere Stunden nach GH-<br />

Injektion Steigerung der Glukosekonzentration im Plasma durch Einschmelzen der<br />

Glykogendepots und Erschwerung der durch Insulin geförderten Einschleusung von Glukose in<br />

die Zelle. Daher bei Zwergwuchs Neigung zu Hypoglykämie, bei Riesenwuchs zu<br />

Hyperglykämie (erhöhter Blutzuckerspiegel).<br />

42


Steuerung der GH-Sekretion: Durch GHRH und GHIH (= Somatostatin), deren selektive Freisetzung<br />

vom limbischen System gesteuert wird. Die Plasmaspiegel von GH zeigen erhebliche<br />

Schwankungen, wobei auch eine endogene (circadiane) Rhythmik besteht. Ein Sekretionsgipfel<br />

tritt nachts auf und ist an die Tiefschlafphase (slow wave sleep) gebunden. Durch Senkung der<br />

Blutglukosekonzentration kommt es zu einem Anstieg der GH-Sekretion über hypothalamische<br />

Glukoserezeptoren.<br />

Prolactin: Bewirkt die Ingangsetzung und Aufrechterhaltung der Milchsynthese in der Brustdrüse der<br />

Frau.<br />

Steuerung der Prolactinsekretion: PIH (= Dopamin) bewirkt eine Inhibition der Synthese, PRH sowie<br />

Östrogen eine Förderung der Synthese von Prolactin. Reizung der Mechanorezeptoren in den<br />

Mamillen durch den Saugreiz führt nerval zur Ausschüttung von PRH im Hypothalamus. Erhöht<br />

sich der Prolactinspiegel im Blut wird vermehrt Dopamin im Hypothalamus produziert, wodurch<br />

wiederum die Prolactinsynthese vermindert wird. Dopamin wirkt gleichzeitig auch inhibitorisch<br />

an den LHRH-Zellen des Hypothalamus. Hierdurch wird die LH- und FSH-Produktion<br />

subnormal, und der Menstruationszyklus kann nicht mehr ablaufen (Lactationsamenorrhoe).<br />

Während der Stillzeit kommt es daher in der Regel nicht zu einer Konzeption.<br />

Melanocytenstimulierendes Hormon (MSH): Bewirkt Zunahme der Pigmentierung der Haut, die durch<br />

Ausbreitung des Melanins innerhalb der Pigmentzellen (Melanocyten) zustande kommt. Hat<br />

beim Menschen nur im Rahmen des Morbus Addison (Bronzehautkrankheit) Bedeutung. Dabei<br />

ist die Nebennierenrinden-Hormonproduktion durch Zerstörung der Rinde verringert und die<br />

ACTH-Produktion entsprechend erhöht. Da bei der ACTH-Produktion MSH äquimolar mit<br />

ausgeschüttet wird, erfolgt eine stärkere Pigmentierung.<br />

43<br />

Nebennierenrinde und Glucocorticoide<br />

Hormone der Nebennierenrinde (NNR): In der NNR finden sich zahlreiche Steroidderivate<br />

(Abkömmlinge des Sterans, einem Molekül aus 4 Ringen; Lipidhormone), die als<br />

Corticosteroide bzw. Corticoide bezeichnet werden. Drei Gruppen lassen sich unterscheiden:<br />

(1) Glucocorticoide (Cortisol und Corticosteron): Beeinflussen den Stoffwechsel der Proteine,<br />

Kohlenhydrate und Lipide (Fette). Werden in der Zona fasciculata gebildet.<br />

(2) Mineralocorticoide (Aldosteron): Beeinflussen den Transport von Elektrolyten und damit die<br />

Verteilung des Wassers in den Geweben. Bildungsort: Zona glomerulosa.<br />

(3) Androgene und Östrogene: Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale und Entwicklung<br />

der Keimdrüsen. Bildungsort: Zona reticularis.<br />

Wirkung der Glucocorticoide (Cortisol):<br />

(1) Gluconeogenese (= Bildung von Glukose aus Aminosäuren): Cortisol steigert die Aktivitäten<br />

einiger für die Gluconeogenese erforderlichen Enzyme. Der Blutglukosespiegel wird dadurch<br />

angehoben.


(2) Katabole Wirkung: Die Gluconeogenese bedingt einen verminderten Einbau von<br />

Aminosäuren in das Körpereiweiß.<br />

(3) Lipolyse. Bei Ausfall von Glucocorticoiden ist die Freisetzung von Fettsäuren aus dem<br />

Fettgewebe (Lipolyse) gestört.<br />

(4) Kreislauf: Glucocorticoide sensibilisieren die glatte Gefäßmuskulatur gegenüber<br />

Noradrenalin, sog. permissive Wirkung (Blutdrucksteigerung). Bei Ausfall der NNR<br />

Kreislaufkollaps.<br />

(5) Wasserhaushalt: Kennzeichnend für den Ausfall der NNR ist die gestörte<br />

Wasserausscheidung. Cortisol bewirkt Steigerung der Glomerulusdurchblutung und der<br />

Filtrationsrate als Folge der kreislaufstabilisierenden Wirkung. Weiterhin vermindert Cortisol die<br />

Wasserdurchlässigkeit im distalen Tubulus, was zur Wasserausscheidung führt.<br />

(6) Skelettmuskulatur: Schwäche der Skelettmuskulatur (Adynamie) bei Cortisolmangel;<br />

Wirkungsmechanismus noch unklar.<br />

(7) ZNS und Sinnesorgane: Mangel an Cortisol bewirkt erhöhte Krampfanfälligkeit des Gehirns<br />

(Glucocorticoidrezeptoren im Gehirn sind nachgewiesen) und Funktionsminderung von<br />

Sinnesorganen (Geschmack: Schlechte Unterscheidung von süß und salzig; Gehör:<br />

Beeinträchtigung des Verständnisses akustisch dargebotener Worte).<br />

(8) Zelluläre und humorale Abwehrvorgänge: Cortisol bewirkt Involution von Thymus und<br />

Lymphknoten mit Zerstörung der eingelagerten Lymphocyten. Dadurch Hemmung der<br />

Antikörperproduktion (immunsuppressive Wirkung). Bewirkt auch Hemmung von lokalen<br />

Entzündungen, was für die Therapie von rheumatischen Erkrankungen ausgenutzt wird.<br />

Regelung der Glucocorticoidkonzentration: Konzentration der Glucocorticoide wird im Plasma<br />

konstant gehalten. Regelgröße = Cortisolkonzentration. Abnahme der Cortisolkonzentration<br />

(Störgröße) ---> Glucocorticoidrezeptoren in der hypophysiotropen Zone des Hypothalamus<br />

(Meßwerk) ---> Regler mit Sollwert im limbischen System ---> Ausschüttung von CRH ---><br />

Freisetzung von ACTH in der Adenohypophyse (Stellgröße) ---> Freisetzung von Cortisol in der<br />

NNR (Stellglied). Die Cortisolkonzentration steigt bei zahlreichen Belastungen („Stress“) an,<br />

was als Sollwertverstellung aufzufassen ist. Diese Sollwertverstellung bewirkt die<br />

Leistungsanpassung des Organismus.<br />

Stress und Adaptation: Bei Einwirkung verschiedenster Stressoren (z.B. Kältebelastung,<br />

Hitzebelastung, Traumen) wird die Glucocorticoidsekretion gesteigert („Alarmreaktion“). Der<br />

Reizzustand des Organismus wird nach Selye als Stress bezeichnet, die auslösenden Reize als<br />

Stressoren. Bei anhaltender Einwirkung der Stressoren nimmt die Stärke der Stressreaktion mehr<br />

und mehr ab. Dies steht in Zusammenhang mit der Ausbildung morphologischer und<br />

funktioneller Modifikationen, die eine erhöhte Resistenz gegenüber dem Stressor zur Folge<br />

haben (physiologische Adaptation, Leistungsanpassung. „Stadium des Widerstandes“ nach<br />

Selye). Die Adaptation ist stressorspezifisch, d.h. die sich einstellenden Modifikationen sind<br />

verschieden, je nachdem ob das Individuum Kälte, Hitze etc. ausgesetzt worden ist. Die<br />

Alarmreaktion ist dagegen unspezifisch. Die erhöhte Glucocorticoidsekretion scheint für die<br />

Ausbildung der spezifischen Modifikationen von Bedeutung zu sein, etwa in dem Sinne, daß<br />

durch Enzyminduktion die Ausbildung bestimmter morphologischer Änderungen ermöglicht<br />

wird. Sind die Modifikationen einmal ausgebildet, so ist der ursprüngliche Stressor nicht mehr<br />

nennenswert belastend für den Organismus. Wirken die Stressoren aber sehr lange ein, geht die<br />

erworbene Anpassung wieder verloren („Stadium der Erschöpfung“).<br />

44


Morbus Cushing: Krankheitsbild, das durch eine Überproduktion von Cortisol gekennzeichnet ist.<br />

Ursachen:<br />

(1) Geschwulst der NNR (Carcinom) mit Überproduktion von Cortisol. ACTH-Konzentration<br />

durch negative Rückkoppelung reduziert, daher kontralaterale NNR atrophiert.<br />

(2) Überproduktion von ACTH durch Störung der Funktion des HVL oder Hypothalamus.<br />

Bedingt Hyperplasie beider NNR mit Steigerung der Cortisolbildung.<br />

Klinische Zeichen: Fettsucht (Mondgesicht), erhöhter Blutzuckerspiegel mit Zuckerausscheidung<br />

im Harn, vermehrter Eiweißabbau (katabole Wirkung), Hypertonie, Osteoporose (Entkalkung der<br />

Knochen).<br />

Adrenogenitales Syndrom (AGS-Syndrom): Enzymdefekt, der bewirkt, daß kaum Cortisol gebildet<br />

wird, womit die negative Rückkoppelung fehlt und im Hypothalamus vermehrt CRH gebildet<br />

wird, was eine entsprechende Stimulation der ACTH-Synthese in der Adenohypophyse<br />

hervorruft. Da ACTH auch auf die Zona reticularis wirkt, werden übermäßig Androgene<br />

produziert. Das Androgen wirkt bei Mädchen virilisierend (vermännlichend) und ruft bei Knaben<br />

vorzeitige Pubertät hervor. Therapie: Cortisolgabe.<br />

Morbus Addison: Verminderung aller Hormone der NNR infolge Tumormetastasen der NNR,<br />

Tuberkulose, Traumen. Ausfall der Mineralocorticoide beherrscht das Krankheitsbild<br />

(Elektrolytstörungen). Klinische Zeichen: Verstärkte Hautpigmentierung<br />

(„Bronzehautkrankheit“, Folge der erhöhten MSH-Sekretion im Zusammenhang mit der<br />

gesteigerten ACTH-Produktion), vorzeitige Ermüdbarkeit, Muskelschwäche, Gewichtsabnahme,<br />

Hypotonie, Hypoglykämie, Anämie.<br />

45<br />

Hormone der Schilddrüse<br />

Bildung der Hormone: Die Synthese von Thyroxin (= Tetrajodthyronin = T 4 ) und Trijodthyronin (=<br />

T 3 ) vollzieht sich in den Follikelzellen der Schilddrüse unter dem Einfluß von TSH in Bindung<br />

an ein Glykoprotein, dem Thyreoglobulin. Gebunden an Thyreoglobulin werden T 3 und T 4 in<br />

das Kolloid geleitet und dort gespeichert. Zur Abgabe der Hormone an das Blut muß die<br />

Bindung an Thyreoglobulin gelöst werden, was eine erneute Aufnahme in die Follikelzelle<br />

erforderlich macht. Im Plasma erfolgt erneut eine Bindung an Plasmaproteine. Nur ein kleiner<br />

Teil der Hormone ist ungebunden. Charakteristisch ist der Jodgehalt der Schilddrüsenhormone.<br />

Wirkung der Hormone: Beide Hormone haben im wesentlichen die gleiche Wirkung, wobei T 3 jedoch<br />

viel stärker wirkt und die eigentliche biologisch wirksame Form darstellt, wobei ein Großteil von<br />

T 3 im Blut durch Dejodierung von Thyroxin entsteht.<br />

(1) Stoffwechselwirkungen: Bei Ausfall der Hormone sinkt der Energieumsatz, bei<br />

Überproduktion können Steigerungen des Grundumsatzes auf das Doppelte erfolgen. Die<br />

Hormone steigern die Eiweißsynthese und fördern den oxydativen Abbau der Fette und<br />

Kohlenhydrate. Die Ansprechbarkeit des Organismus auf Catecholamine wird durch die<br />

Hormone erhöht. Infolge dieser Grundwirkungen findet man klinisch bei Hormonüberschuß:<br />

Tachycardie (Herzfrequenzerhöhung), Erhöhung der Körpertemperatur, Neigung zu


Schweißsekretion, zitternde Hände (Tremor), Unruhegefühl, gesteigerte körperliche und geistige<br />

Aktivität. Bei Hormonmangel sind die entgegengesetzten Wirkungen zu erwarten.<br />

(2) Wachstum und Entwicklung: T 3 und T 4 sind wichtig für die normale Verknöcherung. Bei<br />

Ausfall im jugendlichen Alter bleibt das Wachstum zurück. Da das Dickenwachstum der<br />

Knochen im Gegensatz zum Längenwachstum ungestört ist, findet man beim hypothyreotischen<br />

Zwergwuchs im Gegensatz zum hypophysären Zwergwuchs einen plumpen und gedrungenen<br />

Knochenbau. Auch die geistige Entwicklung ist bei Hormonmangel im jugendlichen Alter<br />

gestört, bei Ausfall bereits während der Embryonalentwicklung ist Schwachsinn die Folge.<br />

(3) Leistungsanpassung: T 3 und T 4 sind neben den Glucocorticoiden für die Ausbildung<br />

adaptativer Modifikationen (insbesondere Kälteadaptation) von Bedeutung.<br />

Regelung der Hormonkonzentration: Wurde bereits im Rahmen der allgemeinen Endokrinologie<br />

behandelt. Die Sekretionsrate wird von inneren und äußeren Thermorezeptoren beeinflußt. Es<br />

kommt zu einer kälteinduzierten Steigerung des T 3 - und T 4 -Umsatzes. Auch andere Stressoren<br />

können eine Steigerung der Umsatzrate der Hormone hervorrufen. Allerdings handelt es sich<br />

hierbei nicht um eine Sollwertverstellung wie bei den Glucocorticoiden, sondern lediglich um<br />

eine Steigerung der Umsatzrate, wobei der Hormonspiegel immer konstant gehalten wird.<br />

Hyperthyreose (Morbus Basedow): Produktion eines TSH-ähnlichen Stoffes, der die Bildung der<br />

Hormone ungehemmt anregt, da er nicht einer Kontrolle durch negative Rückkopplung<br />

unterliegt. Klinische Zeichen: Vergrößerung der Schilddrüse (hyperthyreotischer Kropf),<br />

hervortretende Augäpfel („Glotzaugenkrankheit“ durch Fetteinlagerung in die Augenhöhlen),<br />

Tachycardie, Tremor, motorische Unruhe, leicht erhöhte Körpertemperatur, Schweißausbrüche,<br />

Glanzauge, Abmagerung trotz Heißhunger, erhöhter Grundumsatz, Haarausfall,<br />

Muskelschwäche, Herzmuskelschädigung.<br />

Hypothyreose: Mangelhafte Sekretionsrate, häufig durch Jodmangel in der Nahrung. Bevorzugt in den<br />

Alpenländern (Jodmangel im Gebirgswasser; epidemischer Kropf). Klinisch starke Vergrößerung<br />

der Schilddrüse (hypothyreotischer Kropf), der durch Zufuhr von Jodsalzen oder<br />

Schilddrüsenhormonen zur Rückbildung gebracht werden kann.<br />

Ausfall der Schilddrüsenhormone in der Embryonalperiode: Zurückbleiben der geistigen<br />

Entwicklung (Kretinismus), Minderwuchs mit gedrungenem Körper, Hypothermie,<br />

Hypoglykämie, Hypotonie, Gewichtszunahme, trockene Haut, große Zunge.<br />

Ausfall der Schilddrüsenhormone im Erwachsenenalter: Teigige Verdickung der Haut<br />

(Myxödem), Verminderung der körperlichen und geistigen Aktivität, Müdigkeit,<br />

Kälteempfindlichkeit, Antriebsarmut.<br />

46<br />

Keimdrüsen und Sexualhormone<br />

Bildungsorte der Sexualhormone:<br />

Die Sexualhormone sind Steroidhormone (wie Cortisol) und gehören zu den Lipidhormonen.<br />

(1) Weibliche Sexualhormone: Östrogene (wichtigster Vertreter Östradiol) und Gestagene<br />

(Progesteron) werden im Ovar (Östrogene in den Zellen der Theca interna des Follikels,


Progesteron in den Follikelzellen) und in der Plazenta (ab Ende des 4. Schwangerschaftsmonats)<br />

gebildet. Geringe Mengen von Androgenen werden in der NNR und auch im Ovar gebildet.<br />

(2) Männliche Sexualhormone: Androgenbildung in den Leydig-Zwischenzellen (Testosteron)<br />

der Hoden (Testes) und in der NNR. Im Hoden auch geringe Mengen von Östrogenen und<br />

Gestagenen.<br />

Wirkungen der Sexualhormone:<br />

(1) Embryonale Geschlechtsdifferenzierung: Am Ende des 3. Monats wird die männliche<br />

Keimdrüse des Fetus aktiv und bildet Testosteron, unter dessen Einfluß die Geschlechtsorgane<br />

ihre typisch männliche Ausbildung erfahren. Bleibt die Testosteronproduktion aus, bildet sich bei<br />

männlichen Feten ein weibliches Genitale (Pseudohermaphroditismus masculinus). Führt man<br />

im Experiment weiblichen Feten Testosteron zu, so bildet sich ein mehr oder weniger<br />

vollkommenes männliches Genitale aus (Pseudohermaphroditismus femininus). Ein<br />

Hermaphroditismus verus liegt vor, wenn gleichzeitig Ovar- und Testesgewebe unabhängig vom<br />

genetischen Geschlecht vorhanden ist.<br />

(2) Pubertät: Beim Knaben wird nach der embryonalen Entwicklungsphase die Produktion von<br />

Testosteron eingestellt, lebt aber zum Zeitpunkt der Pubertät wieder auf. Beim Mädchen beginnt<br />

die Tätigkeit der Keimdrüsen ebenfalls zum Zeitpunkt der Pubertät. Wachstum und Reifung der<br />

inneren und äußeren Geschlechtsorgane erfolgt beim Mädchen unter dem Einfluß von<br />

Östrogenen und Gestagenen, beim Knaben unter dem Einfluß von Testosteron.<br />

Unter dem Einfluß der Sexualhormone kommen zudem die extragenitalen Geschlechtsmerkmale<br />

zur Ausbildung: Entwicklung der Brustdrüse, typischer Körperbau, Schambehaarung.<br />

(3) Wirkung auf den Uterus: Die Östrogene bewirken die Proliferationsphase; unter dem<br />

zusätzlichen Einfluß des Progesterons sondern die Endometriumdrüsen ein Sekret ab<br />

(Sekretionsphase). Dadurch werden die Voraussetzungen für die Implantation eines befruchteten<br />

Eies geschaffen (vgl. Ontogenese).<br />

(4) Extragenitale Wirkungen: Progesteron steigert die Ruhe-Körpertemperatur durch Erhöhung<br />

des Grundumsatzes bei gleichzeitiger Sollwertverschiebung (Temperaturerhöhung zum<br />

Zeitpunkt der Ovulation um ca. 0,5°C; Methode der Messung der Basaltemperatur nach Knaus-<br />

Ogino zur Ermittlung der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau). Progesteron hat zudem<br />

einen katabolen, Testosteron einen anabolen Effekt. Unter dem Einfluß der Sexualhormone<br />

(Östrogene, Testosteron) kommt es zur Verknöcherung der Epiphysenfugen und damit zum<br />

Wachstumsstillstand. Bei Androgenmangel wirkt GH unbehindert weiter ---> eunuchoider oder<br />

hypogonadaler Riesenwuchs.<br />

(5) Sexualverhalten: Bei weiblichen Säugetieren (ausgenommen Mensch und Primaten) ist die<br />

Kopulationsbereitschaft auf bestimmte Zeitabschnitte von wenigen Tagen beschränkt und fällt<br />

mit den zyklischen Steigerungen des Sexualhormonspiegels zusammen (Brunst oder Östrus). Bei<br />

kastrierten weiblichen Tieren läßt sich die Paarungsbereitschaft durch exogene Zufuhr von<br />

Östrogenen fördern, durch Progesteron hemmen. Bei Primaten und beim Menschen, die einen<br />

Menstruationszyklus haben, ist die sexuelle Aktivität gegen die Zyklusmitte hin (Ovulation)<br />

gesteigert.<br />

Menstruationszyklus: Im 2. Drittel des Zyklus steigt der Östrogenspiegel stark an und fällt gegen Ende<br />

des Zyklus wieder ab. Mit Verzögerung von einigen Tagen steigt der Progesteronspiegel an, um<br />

gegen Ende scharf abzufallen. Die Sekretionsrate beider Ovarialhormone wird durch FSH und<br />

LH gesteuert. In den ersten Tagen des Zyklus steigt der FSH-Spiegel an ---> Heranreifung des<br />

Primärfollikels und Anstieg des Östrogenspiegels. In der Mitte des Zyklus erfolgt ein steiler<br />

47


Anstieg des LH ---> Ursache der Ovulation und Umwandlung des Follikels zum Corpus luteum<br />

(erzeugt Progesteron).<br />

Die Steuerung der FSH- und LH-Sekretion aus der Adenohypophyse erfolgt über das Releasing-<br />

Hormon LHRH aus der hypophysiotropen Zone des Hypothalamus. Bei niedrigen<br />

Östradiolkonzentrationen, wie sie zu Beginn des Zyklus bestehen, werden die LH- und FSHproduzierenden<br />

Zellen auf einem niedrigen Sensibilitätsniveau für die Wirkung von LHRH<br />

gehalten, wodurch die LH- und FSH-Spiegel im Blut niedrig bleiben. Mit zunehmender Reifung<br />

des Follikels steigt der Östradiolspiegel im Blut an. Unmittelbar vor der Ovulation wird der<br />

Östradiolspiegel so hoch, daß Die LH- und FSH-produzierenden Zellen der Hypophyse plötzlich<br />

von ihrer niedrigen auf eine hohe Sensibilität auf LHRH umschalten. Dadurch verstärkt sich die<br />

LH- und FSH-Sekretion (positive Rückkoppelung von Östradiol) und es entsteht der LH-Gipfel,<br />

der die Ovulation auslöst. Die hohen Östradiol- und Progesteron-Spiegel koppeln nunmehr<br />

negativ zur Hypophyse und zum Hypothalamus zurück, so daß die LH- und FSH-Sekretion<br />

wieder auf basale Werte absinkt. Bei der Frau, ähnlich wie beim Mann, konnte zudem gezeigt<br />

werden, daß die Ausschüttung von LHRH aus den hypothalamischen Neuronen nicht in<br />

gleichmäßiger, sondern in pulsatiler Form erfolgt (phasische synchronisierte Aktivität der<br />

LHRH-Neurone).<br />

Ovulationshemmer: Durch exogene Zufuhr von Östrogen und Gestagen zu Beginn des Zyklus wird<br />

infolge der negativen Rückkopplung die LHRH-Sekretion gehemmt. Dabei wird sowohl die<br />

Pulsfrequenz der pulsatilen LHRH-Sekretion verlangsamt, als auch vermutlich die Menge des<br />

pro Puls sezernierten LHRH reduziert. Die Ovulation bleibt aus, da sich der LH-Gipfel nicht<br />

aufbauen kann.<br />

(1) Konventionelle Methode (Ein-Phasen-Präparate): Tabletten enthalten eine Östrogen-<br />

Gestagen-Kombination. Beginnend mit dem 5. Zyklustag werden 21 Tage lang die Tabletten<br />

genommen und 7 Tage lang keine Tabletten eingenommen etc.<br />

(2) Sequentialverfahren (Zwei-Phasen-Präparate): Beginnend mit dem 5. Zyklustag 15 Tage lang<br />

reine Östrogentabletten, daran anschließend 5 Tage lang Tabletten, die Östrogene und Gestagene<br />

enthalten, dann 8 Tage Pause etc.<br />

Nebenwirkungen der Ovulationshemmer: Übelkeit, Kopfschmerzen, Gewichtszunahme,<br />

Zwischenblutungen. Nach 1 - 1 1/2 Jahren sollte eine Einnahmepause für 2 - 3 Zyklen erfolgen.<br />

Gynäkologische Untersuchung im Abstand von 6 Monaten ist anzuraten.<br />

Sexuelle Reaktion (Masters & Johnson 1966):<br />

(1) Erregungsphase: Erektion von Penis bzw. Klitoris. Beginn des Herzfrequenz- und<br />

Blutdruckanstiegs.<br />

(2) Plateauphase: Verlängerung und Erweiterung der Vagina, vor allem im hinteren Teil,<br />

Verengerung durch Blutanfüllung im vorderen Teil (orgastische Manschette); Verlagerung der<br />

Klitoris, Aufrichtung des Uterus. Beim Mann Vergrößerung und Anheben der Hoden.<br />

(3) Orgasmusphase: Vagina zeigt unter Beteiligung des Uterus 5 - 12 Kontraktionen. Analog<br />

zeigt der Penis 3 - 4 austreibende Kontraktionen. Höhepunkt der Steigerung von Herzfrequenz,<br />

Atemfrequenz und Blutdruck.<br />

(4) Rückbildungsphase: Beim Mann Abbruch der Plateauphase nach dem Orgasmus, Beginn<br />

einer Refraktärzeit; erst nach Ende der Refraktärzeit neuer Orgasmus möglich. Bei der Frau<br />

Rückkehr auf die Plateauphase, von hier aus weitere Orgasmen möglich.<br />

48


Schwangerschaft, Geburt und Lactation: Der Untergang des Corpus luteum wird verhindert, sobald<br />

sich ein befruchtetes Ei in der Uterusschleimhaut implantiert hat. Vom Trophoblast der<br />

Blastozyste (s. Ontogenese) werden folgende Hormone gebildet:<br />

(1) Choriongonadotropin (HCG): Ähnliche Wirkungen wie das LH.<br />

(2) Human Placental Lactogen (HPL): Entspricht dem Prolactin.<br />

Unter dem Einfluß dieser beiden Plazentahormone (gonadotrope Wirkung) steigert das Corpus<br />

luteum seine Progesteronproduktion. Dadurch wird die Abstoßung der Uterusschleimhaut<br />

verhindert und die Schwangerschaft aufrecht erhalten. Gegen Ende des 4.<br />

Schwangerschaftsmonats bildet sich das Corpus luteum zurück. Die Plazenta übernimmt nun<br />

selbst die Produktion von Progesteron. Theoretisch könnte nun das Ovar ohne Unterbrechung der<br />

Schwangerschaft entfernt werden.<br />

Mit zunehmender Schwangerschaftsdauer steigen die Östrogen- und Progesteron-Spiegel im Blut<br />

an. Östrogene sensibilisieren den Uterus für die Wirkung von Oxytocin, dem wehenauslösenden<br />

Hormon. Hohe Spiegel von Progesteron antagonisieren diese Wirkung. Die Wehentätigkeit und<br />

damit die Geburt wird möglicherweise durch einen kurzfristigen Abfall des Progesteron-Spiegels<br />

im Blut ausgelöst.<br />

Die Brustdrüse entwickelt sich in der Pubertät unter dem Einfluß der Östrogene, erlangt ihre<br />

Funktionsfähigkeit aber erst während der Schwangerschaft. Hieran sind beteiligt: Östrogene,<br />

Gestagene, Prolactin und HPL. Die Milchfreisetzung erfolgt durch den Saugreiz (weitergeleitet<br />

über afferente Nervenfasern zum Hypothalamus), der Oxytocin freisetzt, was eine Kontraktion<br />

der Myoepithelien der Brustdrüse bewirkt (Milchejektionsreflex). Zusätzlich wird durch den<br />

Saugreiz nerval PRH im Hypothalamus sezerniert und gleichzeitig die Ausschüttung von<br />

Dopamin vermindert, womit Prolactin freigesetzt wird, das die Milchsekretion anregt. Die hohen<br />

Prolactin-Spiegel bewirken aber andererseits durch Rückkoppelung eine Erhöhung der<br />

Dopaminsekretion. Da Dopamin auch hemmend auf die LHRH-Produktion wirkt, kommt es zum<br />

Ausbleiben weiterer Ovulationen.<br />

Schwangerschaftsnachweis: Durch immunologische Tests, die auf dem Nachweis von HCG im Harn<br />

beruhen (Antigen-Antikörper-Reaktion). Positive Ergebnisse sind 35 - 40 Tage nach der letzten<br />

Menstruation zu erwarten.<br />

Sexualhormonspiegel beim Mann: Das LH (ICSH) stimuliert die Leydig-Zwischenzellen zu vermehrter<br />

Testosteronproduktion, die für die Spermatogenese notwendig ist. Ein Anstieg des Testosteron-<br />

Spiegels hemmt die LH- und LHRH-Sekretion (wird pulsatil ausgeschüttet) durch negative<br />

Rückkoppelung. In den Samenkanälchen des Hodens wird durch FSH die Spermatogenese<br />

angeregt. Gleichzeitig bilden die dort befindlichen Sertoli-Zellen das Inhibin, welches selektiv<br />

die FSH-Sekretion in der Hypophyse inhibiert. Von den Sertoli-Zellen wird weiterhin das<br />

Androgenbindende Protein (ABP) produziert, welches Testosteron von den Leydig- zu den<br />

Sertoli-Zellen transportiert, wo es zu Östrogen umgewandelt wird. Somit sind Östrogene und<br />

Androgene für die Reifung der Spermatocyten notwendig. Danach gelangen die Spermatocyten<br />

vom Hoden in den Nebenhoden, wo die weitere Reifung erfolgt. Die Speicherung erfolgt im<br />

wesentlichen im Samenleiter und dessen Ampullen.<br />

49


Sympathico-adrenales System<br />

50<br />

Hormone und Hormonbildung: Adrenalin und Noradrenalin, die zur Gruppe der Catecholamine<br />

gehören. Bildungsorte:<br />

(1) Nebennierenmark (NNM): Bildung in den chromaffinen Zellen (lassen sich mit<br />

Dichromsäure anfärben), Anteil des Adrenalin an der NNM-Sekretion 70 - 90 %, Rest<br />

Noradrenalin. Beim NNM handelt es sich um ein umgewandeltes sympathisches Ganglion, das<br />

aus modifizierten postganglionären Neuronen besteht und durch präganglionäre Axone erregt<br />

wird.<br />

(2) Sympathische postganglionäre Nervenendigungen: Setzen überwiegend Noradrenalin frei.<br />

(3) Gehirn: Noradrenalin wird in verschiedenen Hirngebieten gebildet und wirkt als Transmitter<br />

(REM-Schlaf, Belohnungszentren). Die unter (1) und (2) gebildeten Catecholamine können<br />

jedoch wegen der Bluthirnschranke nicht in das Gehirn eindringen.<br />

Wirkungen von Adrenalin und Noradrenalin: Grundwirkungen:<br />

(1) Beeinflussung des Tonus und der Kontraktion der glatten Muskulatur (Gefäße, Bronchien,<br />

Magen-Darm-Trakt) und des Herzens. Konstriktorische Effekte auf die glatte Muskulatur werden<br />

über α-Rezeptoren vermittelt, Relaxationseffekte über ß-Rezeptoren. Noradrenalin wirkt<br />

überwiegend auf die α-Rezeptoren, Adrenalin auf α- und ß-Rezeptoren. Die erregenden Effekte<br />

auf den Herzmuskel werden über ß-Rezeptoren vermittelt.<br />

(2) Beeinflussung des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels über ß-Rezeptoren.<br />

Wirkungen im einzelnen:<br />

(01) Kreislauf: Noradrenalin bewirkt in allen Gefäßgebieten (Ausnahme Koronargefäße und<br />

Gehirn) Vasokonstriktion. Adrenalin bewirkt an den Hautgefäßen Vasokonstriktion, an den<br />

Skelettmuskelgefäßen Vasodilatation.<br />

(02) Herz: Adrenalin hat eine positiv chronotrope, inotrope und dromotrope Wirkung (s.<br />

Funktion des Herzens), Noradrenalin bewirkt über eine reflektorische Vaguserregung<br />

Bradycardie.<br />

(03) Blutdruck: Noradrenalin bewirkt eine Steigerung des systolischen und diastolischen<br />

Blutdrucks, Adrenalin bewirkt ebenfalls eine Steigerung des systolischen Druckes bei Konstanz<br />

oder Senkung des diastolischen Druckes.<br />

(04) Atmung: Noradrenalin und Adrenalin bewirken eine Erschlaffung der Bronchialmuskulatur<br />

und Steigerung der Atemtiefe.<br />

(05) Magen-Darm-Trakt: Noradrenalin und Adrenalin erregen die Sphincteren (Schließmuskel)<br />

und hemmen die übrige glatte Muskulatur.<br />

(06) Haut: Erregung der Erectores pilorum mit Aufrichten der Körperbehaarung (Adrenalin und<br />

Noradrenalin).<br />

(07) Auge: Erweiterung der Pupillen durch Erregung des Dilatator pupillae (Adrenalin und<br />

Noradrenalin).<br />

(08) Kohlenhydratstoffwechsel: Adrenalin bewirkt Steigerung des Blutglukosespiegels durch<br />

Abbau des Leberglykogens (Antagonist des Insulins) und Steigerung der Gluconeogenese. Nur<br />

geringe Wirkung des Noradrenalins. Beide Hormone inhibieren die Insulinsekretion.<br />

(09) Fettstoffwechsel: Adrenalin und Noradrenalin wirken lipolytisch (Abbau der Fette mit<br />

Anstieg der Fettsäuren im Plasma).<br />

(10) Energieumsatz: Steigerung durch beide Hormone.


(11) ZNS: Adrenalin (Noradrenalin nur in geringem Maße) bewirkt Stimulierung des ARAS<br />

(arousal reaction) mit Desynchronisierung des EEG ---> psychische Erregung und<br />

Angstzustände. Wegen der Bluthirnschranke handelt es sich wohl nur um indirekte Wirkungen.<br />

Steuerung der Sekretion: Sekretion von Adrenalin und Noradrenalin im NNM und von Noradrenalin an<br />

den Nervenendigungen in Ruhe gering. Steigerung der Sekretionsrate bei Erregung des<br />

sympathischen Nervensystems durch Belastungszustände (Stress) zusammen mit einer<br />

gesteigerten Glucocorticoidsekretion (bewirkt ergotrope Einstellung des Organismus).<br />

51<br />

Pankreashormone und Blutzuckerregelung<br />

Hormonbildung: In den inselförmig in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) liegenden Langerhans-Inseln<br />

werden die Hormone Insulin (B-Zellen), Glucagon (A-Zellen) und Somatostatin (D-Zellen)<br />

gebildet. Hinsichtlich der Beeinflussung des Blutglukosespiegels verhalten sich Insulin und<br />

Glucagon antagonistisch. Somatostatin inhibiert die Sekretion beider Hormone.<br />

Wirkung des Insulins (Senkung des Blutzuckers):<br />

(1) Leber: Unter dem Einfluß der kohlenhydratinduzierten Insulinausschüttung wird von den<br />

Leberzellen Glukose zu Glykogen umgebaut. Weiterhin inhibiert Insulin die<br />

glykogenabbauenden Enzyme.<br />

(2) Muskel: Steigerung der Glukosepermeabilität der Zellen. Bei niedrigen Insulinspiegeln ist die<br />

Muskelzelle impermeabel für Glukose und deckt ihren Energiebedarf über den<br />

Fettsäuremetabolismus. Durch hohe Insulinspiegel wird die Muskelzelle jedoch permeabel für<br />

Glukose und kann sie dann verbrauchen. Die Zellmembran von stark beanspruchten<br />

Muskelzellen kann jedoch auch insulinunabhängig permeabel für Glukose werden.<br />

(3) Nervenzellen: Die Zellen des ZNS decken ihren Energiebedarf ausschließlich durch Glukose,<br />

dieser Prozeß ist aber insulinunabhängig.<br />

(4) Fettstoffwechsel: Insulin stimuliert die Fettsäurebildung in der Leber und die<br />

Aufnahmefähigkeit des Fettgewebes für freie Fettsäuren und deren Speicherung in Form von<br />

Triglyceriden (Depotfett). Bei geringer Insulinsekretion werden die Triglyceride wieder<br />

gespalten, indem die hemmende Wirkung des Insulins auf eine Lipase wegfällt.<br />

(5) Proteinstoffwechsel: Insulin ermöglicht den aktiven Transport von vielen Aminosäuren in die<br />

Zellen und so den Proteinaufbau.<br />

Wirkung des Glucagons (Erhöhung des Blutzuckers):<br />

(1) Abbau des Leberglykogens (Glykogenolyse), damit ein Synergist des Adrenalins.<br />

(2) Steigerung der Gluconeogenese.<br />

Wirkung des Somatostatins: Die Sekretion wird durch hohe Glukosespiegel, erhöhte Aminosäuren und<br />

erhöhte Fettsäuren im Blut stimuliert. Da Somatostatin auf beide Hormone inhibitorisch wirkt,<br />

werden überschießende Reaktionen durch Insulin oder Glucagon verhindert.


Regelung der Blutzuckerkonzentration: Insulin und Glucagon sind als Stellglieder innerhalb eines<br />

Regelkreises zur Konstanthaltung des Blutglukosespiegels aufzufassen. An Störgrößen für den<br />

Blutglukosespiegel sind zu nennen: Wechselnde Kohlenhydrataufnahme und körperliche Arbeit<br />

(vermehrter Glukoseverbrauch). Glukoserezeptoren im Pankreas messen den Blutzuckerspiegel<br />

(normal 80 - 100 mg/dl Blut) und steuern die Sekretionsrate der B-Zellen (Insulin). Darüber<br />

hinaus können die B-Zellen noch durch parasympathische Innervation aktiviert und durch<br />

sympathische Innervation gehemmt werden. Die Steuerung der Glucagonsekretion wird<br />

möglicherweise durch Glukoserezeptoren im Hypothalamus ausgelöst, wobei das<br />

Wachstumshormon GH als tropes Hormon für die A-Zellen wirkt. Zudem kann die<br />

Glucagonsekretion durch Erregung des Sympathikus gesteigert werden. Bei der Regelung der<br />

Blutzuckerkonzentration ist zu beachten, daß außer Glucagon auch das Wachstumshormon selbst<br />

sowie das im Rahmen sympathischer Erregung ausgeschüttete Adrenalin eine<br />

blutzuckersteigernde Wirkung haben. Darüber hinaus wirken die Glucocorticoide und die<br />

Schilddrüsenhormone im Sinne einer Blutzuckererhöhung.<br />

Hypoglykämie: Abfall des Blutzuckers unter 50 mg/dl Blut. Bei weiterem Absinken hypoglykämischer<br />

Schock mit Bewußtlosigkeit (mangelnde Versorgung der Hirnzellen, für die Glukose der einzige<br />

Energielieferant ist). Klinische Zeichen der Hypoglykämie: Schweißsekretion, Tachycardie,<br />

Tremor, Heißhunger, Erregung. Therapie: Zufuhr von Traubenzucker (Glukose).<br />

Hyperglykämie (Diabetes mellitus): Beruht auf Insulinmangel. Klinische Zeichen:<br />

Blutzuckererhöhung, Zuckerausscheidung im Harn (Glukosurie, bei mehr als 180 mg/dl Glukose<br />

im Plasma), Durst, große Harnmengen (Polyurie, osmotische Diurese), Gewichtsabnahme,<br />

Kraftlosigkeit, Neigung zu Hautkrankheiten, Potenz- und Menstruationsstörungen. Spätfolgen<br />

der Zuckerkrankheit: Netzhautveränderungen mit Blutungen im Augenhintergrund (evtl.<br />

Erblindung), Nephropathie (Nierenschädigung mit erhöhtem Blutdruck und Urämie),<br />

Neuropathie (Schmerzen, Muskelatrophie und Schwäche in den Beinen), Arteriosklerose<br />

(Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen). Therapie: Insulinsubstitution, in leichten Fällen orale<br />

Antidiabetika.<br />

52<br />

Hormonale Regulation des Mineralhaushaltes<br />

Beteiligte Hormone:<br />

(1) Aldosteron (über Renin und Angiotensin) für Na + , K + und H + -Ionen.<br />

(2) Parathormon und Thyreocalcitonin (syn. Calcitonin) für den Ca ++ - und Phosphathaushalt.<br />

Wirkungen des Aldosterons: Aldosteron wird in der Zona glomerulosa der NNR (Mineralocorticoid)<br />

gebildet und hat folgende Wirkungen:<br />

(1) Steigerung des aktiven Na + -Transports durch Zellmembranen.<br />

(2) In der Niere Reabsorption von Na + aus dem Tubulussystem und damit auch eine osmotisch<br />

bedingte Wasserreabsorption.<br />

(3) Ausscheidung von K + - und H + -Ionen in der Niere.<br />

(4) Regelung des NaCl-Gehalts im Schweiß, Speichel und Sekreten der Darmdrüsen.


Steuerung der Aldosteronsekretion: Drei Bedingungen haben eine Steigerung der Aldosteronsekretion<br />

zur Folge:<br />

(1) gesteigerte Kaliumzufuhr,<br />

(2) negative Na-Bilanz, z.B. verminderte NaCl-Zufuhr in der Nahrung, erhöhte NaCl-Verluste<br />

mit dem Schweiß,<br />

(3) Verminderung des Plasmavolumens bzw. des extrazellulären Raums durch Blutverlust oder<br />

mangelhafte Flüssigkeitszufuhr.<br />

Die Steigerung der Aldosteronsekretionsrate wird durch folgende Steuerungsmechanismen<br />

bewirkt:<br />

(1) Hormonzellen der Zona glomerulosa sprechen direkt auf Änderungen der Na + - und K + -<br />

Konzentrationen im Plasma an.<br />

(2) Aldosteronsekretion wird durch Angiotensin gesteigert, das auf dem Blutweg zur NNR<br />

gelangt und so den Charakter eines tropen Hormons für die Aldosteronsekretion hat. Angiotensin<br />

entsteht aus Angiotensinogen unter Einwirkung des im juxtaglomerulären Apparates gebildeten<br />

Renins (Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus; s. Niere).<br />

(3) Aldosteronsekretion wird durch ACTH beeinflußt, jedoch in weit geringerem Maße als die<br />

Glucocorticoidsekretion.<br />

Pathophysiologie: Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts bei Unterfunktion der NNR durch<br />

Aldosteronmangel (Addison'sche Krankheit, s. Kapitel NNR). Hyper-Aldosteronismus<br />

(vermehrte Bildung von Aldosteron) bei NNR-Tumor mit Hypernatriämie, Hypokaliämie und<br />

Ödemen.<br />

Hormone des Ca ++ - und Phosphathaushalts: Parathormon wird in den 4 Epithelkörperchen der<br />

Schilddrüse (Nebenschilddrüse) gebildet, Calcitonin in den sog. C-Zellen der Schilddrüse und<br />

Vitamin-D-Hormon aus Vitamin-D in der Niere. Die Hormone können als Stellglieder in einem<br />

Regelkreis zur Konstanthaltung des Blutcalciumspiegels aufgefaßt werden. Damit verknüpft ist<br />

die Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Knochenan- und Knochenabbau.<br />

Wirkungen des Parathormons:<br />

(1) Lösung von Ca ++ - und Phosphationen aus der Knochensubstanz durch Stimulierung der<br />

Osteoklasten.<br />

(2) Verhinderung der Bindung des Calciums an Phosphationen durch Förderung der<br />

Phosphationenausscheidung in der Niere.<br />

(3) Stimulierung eines Enzyms in der Niere, welches das Vitamin-D in das biologisch wirksame<br />

Vitamin-D-Hormon überführt.<br />

(4) Verminderung der Ausscheidung von Calciumionen in der Niere.<br />

Wirkungen des Calcitonins:<br />

(1) Verminderte Osteolyse und vermehrten Einbau von Calcium in den Knochen.<br />

(2) Verlangsamung von Verdauungsprozessen (Magenentleerung, Sekretion des Pankreas), um<br />

Calciumaufnahme zu ermöglichen.<br />

Wirkung des Vitamin-D-Hormons:<br />

Das mit der Nahrung aufgenommenen Vitamin-D ist ein Prohormon. Bei zu niedrigen<br />

Calciumkonzentrationen im Blut wird verstärkt Parathormon ausgeschüttet, wodurch mehr<br />

Vitamin-D-Hormon in der Niere gebildet wird. Dieses erhöht am Darmepithel die<br />

Calciumresorption.<br />

53


Steuerung von Parathormon und Calcitonin: Die Zellen der Nebenschilddrüse reagieren auf<br />

Änderungen der Ca ++ -Konzentration mit einer Änderung ihrer Parathormonsekretion, wobei die<br />

negative Rückkoppelung über das Vitamin-D-Hormon erfolgt. Die Steuerung des Calcitonins<br />

erfolgt in ähnlicher Weise. Erhöhung des Ca ++ -Spiegels stimuliert unmittelbar die<br />

Hormonsekretion der C-Zellen. Darüber hinaus werden die C-Zellen nach Nahrungsaufnahme<br />

von den gastrointestinalen Hormonen Gastrin und Cholecystokinin stimuliert.<br />

Tetanie: Senkungen des Blutcalciumspiegels lösen eine Erhöhung der neuromuskulären Erregbarkeit<br />

aus. Schon leichte elektrische oder mechanische Reize (Beklopfen eines motorischen Nerven)<br />

bewirken eine Kontraktion der Skelettmuskulatur. Krämpfe können auch spontan auftreten. Tod<br />

durch Kontraktion der Atem- und Kehlkopfmuskulatur. Entscheidend für das Auftreten der<br />

tetanischen Krämpfe ist die Höhe des ionisierten Ca ++ im Blutplasma, das mit dem an Eiweiß<br />

gebundenem Ca im Gleichgewicht steht. Dieses Gleichgewicht ist abhängig vom Blut-pH. Bei<br />

zunehmendem Blut-pH (Alkalose) nimmt der Anteil von Ca ++ ab. Bei latenter Tetanie kann<br />

schon eine willkürliche Hyperventilation (Bewirkt Senkung des CO 2 -Partialdrucks im Blut und<br />

damit Alkalose) einen tetanischen Anfall auslösen (Hyperventilationstetanie).<br />

Hyperparathyreoidismus: Bei Geschwülsten der Nebenschilddrüse mit Überproduktion von<br />

Parathormon entsteht eine Hypercalcämie. Hierbei treten Kalkeinlagerungen in den Gefäßen und<br />

in der Niere auf (Nierensteinleiden).<br />

54<br />

Grenzbereiche des endokrinen Systems<br />

Enterohormone (syn. gastrointestinale Hormone): Verschiedene Stoffe, die für die Verdauungsfunktion<br />

von Bedeutung sind: Gastrin, Secretin, Entero-Oxyntin und Cholecystokinin (s. Funktion des<br />

Magen-Darm-Kanals).<br />

Gewebshormone: Stoffe, die nicht in speziellen endokrinen Organen, sondern „irgendwo im Gewebe“<br />

gebildet werden. Problematischer Begriff, da scharfe Abgrenzungen zu Enterohormonen und<br />

Neurotransmittern nicht möglich sind. Nachfolgend werden einige Stoffe erwähnt, deren<br />

Klassifizierung schwierig ist, und die gelegentlich noch als Gewebshormone bezeichnet werden:<br />

Prostaglandine: Wurden zunächst in den Samenblasen (produzieren zusammen mit der Prostata die als<br />

Träger der Spermien dienende Samenflüssigkeit) gefunden, inzwischen sind sie aber in nahezu<br />

allen Organen, so auch im Gehirn, nachgewiesen worden. Vielfältige Wirkungen der<br />

Prostaglandine: Z.B. Hemmung der Gelbkörperfunktion, Störung der Thrombozytenverklebung,<br />

Hemmung der Magensaftsekretion, Vermittlung der Wirkung von bakteriellen fiebererregenden<br />

Stoffen (Pyrogene).<br />

Serotonin: Wird an den Nervenendigungen bestimmter Hirnbezirke (Hypothalamus, Raphe-Kerne)<br />

freigesetzt. Kommt auch in Thrombozyten vor, wird bei Verletzungen freigesetzt und hat eine<br />

vasokonstriktorische Wirkung (Blutstillung).


Histamin: Entsteht beim Ablauf von Antigen-Antikörperreaktionen und löst einen Teil der allergischen<br />

Reaktionen (Hautrötung, Hautjucken, Quaddelbildung) aus. Auch in Hypophyse und<br />

Hypothalamus nachgewiesen (Neurotransmitter?).<br />

Bradykinin: Wird zusammen mit dem Schweiß freigesetzt und vermittelt Vasodilatation bestimmter<br />

Gefäßgebiete im Rahmen der Thermoregulation.<br />

Niere: Erythropoetin wird im juxtaglomerulären Apparat der Niere gebildet und regt die Erythropoese<br />

(Erythrozytenneubildung) an. Auf die Hormone Renin und Vitamin-D-Hormon sei nochmals<br />

hingewiesen.<br />

Thymus: Dieses hinter dem Brustbein gelegene Organ produziert eine Reihe von Peptiden. Man nimmt<br />

an, daß diese Peptide bei immunologischen Abwehrmechanismen eine Rolle spielen (vgl.<br />

Funktion des Blutes).<br />

Epiphyse (Pinealorgan oder Zirbeldrüse): Das Corpus pineale ist eine Ausstülpung des dritten<br />

Ventrikels. Produziert Melatonin, das eine Aggregation der Melaningranula in den Melanozyten<br />

der Haut bewirkt und so zu einer Entpigmentierung führt; somit Antagonist des in der<br />

Hypophyse gebildeten MSH. Melatonin soll auch die LHRH-Freisetzung hemmen und damit die<br />

Gonadotropinsekretion und die Aktivität der Keimdrüsen. Dieser Befund ist wichtig für das<br />

Verständnis der jahresperiodischen Fruchtbarkeit vieler Säuger. Beim Menschen soll die<br />

Sexualentwicklung vor der Pubertät durch Melatonin unterdrückt werden. Epiphysenzerstörung<br />

kann bei jugendlichen Menschen zu vorzeitiger Geschlechtsreifung (Pubertas praecox) führen.<br />

55<br />

Gehirnanatomie<br />

Literatur: Sobotta-Becher: Atlas der Anatomie des Menschen Bd III.<br />

Anatomische Gliederung:<br />

1 Telencephalon = Großhirn<br />

2 Diencephalon = Zwischenhirn<br />

3 Mesencephalon = Mittelhirn<br />

4 Metencephalon = Hinterhirn<br />

5 Medulla oblongata<br />

1 + 2 = Prosencephalon oder Vorderhirn<br />

3 + 4 + 5 = Hirnstamm = Truncus cerebri (physiologisch)<br />

4 + 5 = Rhombencephalon = Rautenhirn<br />

Telencephalon (Cerebrum): Hirnmantel, Stammganglien (Nucleus caudatus = Schweifkern und<br />

Nucleus lentiformis = Linsenkern, der wiederum aus Putamen und Pallidum besteht; N. caudatus<br />

und Putamen zusammen werden oft auch als Striatum bezeichnet), Riechhirn (Rhinencephalon),<br />

Balken (Corpus callosum), Gewölbe (Fornix) und Septum. Diese Strukturen zusammen bilden<br />

die paarige Großhirnhemisphäre.


Diencephalon: Thalamus und Hypothalamus.<br />

Mesencephalon: Hirnschenkel (Pedunculi cerebri), Tegmentum (Haube) und Vierhügelplatte (Lamina<br />

tecti oder Tectum).<br />

Metencephalon: Brücke (Pons) und Kleinhirn (Cerebellum).<br />

Medulla oblongata (Myelencephalon): = verlängertes Mark, zwischen Pons und Pyramidenkreuzung<br />

gelegen. Geht ohne scharfe Grenze in das Rückenmark über.<br />

Limbisches System: Funktionssystem, das sowohl Anteile der Großhirnrinde als auch<br />

Stammhirnanteile umfaßt. Wesentliche Strukturen: Gyrus cinguli, Hippocampus, Mandelkerne<br />

(Amygdala), Septum, Riechhirn, limbic midbrain area, Fornix, mediales Vorderhirnbündel, Teile<br />

des Hypothalamus.<br />

Formatio reticularis: Zieht sich durch den ganzen Hirnstamm bis zum Hypothalamus und stellt eine<br />

netzförmige, histologisch wenig gegliederte Nervenmasse dar. Stellenweise treten<br />

Zellverdichtungen auf, wie z.B. der Nucleus ruber. Es lassen sich vor allem 3 Aufgabengebiete<br />

unterscheiden:<br />

(1) Die Retikularisformation erhält Impulse über Kollateralen von allen Sinneskanälen, die<br />

verstärkt oder gehemmt werden können. Die zur Großhirnrinde oder zum limbischen Kortex<br />

weitergeleiteten Erregungen bewirken eine Aktivierung (ARAS = aufsteigendes reticuläres<br />

Aktivierungssystem).<br />

(2) Durch ihre extrapyramidalen Kerngruppen (z.B. Nucleus ruber und niger) gewinnt die<br />

Retikularisformation Einfluß auf die sensomotorischen Systeme des Rückenmarks. Dabei<br />

können reflexhemmende und reflexfördernde Areale unterschieden werden, die vornehmlich auf<br />

die Gamma-Motoneuronen in den Vorderhörnern einwirken (z.B. Tractus reticulospinalis).<br />

(3) In die Retikularisformation des Mittel- und Rautenhirns sind auch zahlreiche vegetative<br />

Kerngruppen eingelagert (z.B. Atmungszentrum, Kreislaufzentrum).<br />

Einteilung des Hirnmantels: Jede Großhirnhemisphäre unterteilt sich in vier Lappen (Lobus):<br />

Stirnlappen (L. frontalis), Scheitellappen (L. parietalis), Schläfenlappen (L. temporalis) und<br />

Hinterhauptlappen (L. occipitalis). Die Lappen werden durch Einschnitte (Sulcus) voneinander<br />

getrennt. Jeder Lappen besteht aus mehreren Windungen (Gyrus).<br />

Ventrikelsystem: Das Gehirn enthält im Innern vier Hohlräume, die Hirnkammern oder Ventrikel. Sie<br />

stehen untereinander und mit dem Zentralkanal des Rückenmarks in Verbindung. Zwei Ventrikel<br />

gehören dem Großhirn an und liegen paarig als Seitenventrikel in den Großhirnhemisphären. Der<br />

dritte Ventrikel ist unpaarig und gehört zum Zwischenhirn. Der vierte Ventrikel ist der Hohlraum<br />

des Rautenhirns. Alle Hirnkammern sind mit Flüssigkeit ausgefüllt, dem Liquor. Im Bereich des<br />

vierten Ventrikels steht diese Flüssigkeit in Kommunikation mit jener Flüssigkeit, die das Gehirn<br />

als ganzes umgibt.<br />

Hirnnerven: s. Schmidt, R.F. (Hrsg.) (1985 5 ). Grundriß der Sinnesphysiologie. Berlin: Springer (S.<br />

94). Nehmen Sie bitte auch den später folgenden Kommentar zur Literatur zur Kenntnis.<br />

Subcorticale vegetative „Zentren“:<br />

Inspirationszentrum: Ventral in der Retikularisformation der Medulla oblongata, beeinflußt reziprok<br />

des Exspirationszentrum.<br />

Exspirationszentrum: Dorsal in der Retikularisformation der Medulla oblongata, beeinflußt reziprok<br />

das Inspirationszentrum.<br />

56


Pneumotaktisches Zentrum: Retikularisformation der Pons, beeinflußt beide oben genannten Zentren.<br />

Pressorisches Kreislaufzentrum: Laterale Retikularisformation der Medulla oblongata, Reizung führt<br />

zu Blutdrucksteigerung.<br />

Depressorisches Kreislaufzentrum: Ventral in der Retikularisformation der Medulla oblongata,<br />

Reizung führt zu Blutdruckabfall.<br />

Schluckzentrum: Rostrales Drittel der Retikularisformation der Medulla oblongata, Koordination der<br />

Phasen des Schluckaktes und Erbrechen.<br />

Schlafzentrum: Massa intermedia des Thalamus und Retikularisformation des Mittelhirns, Ausfall<br />

führt zum Dauerwachzustand.<br />

Weckzentrum: Retikularisformation des Mittelhirns und viele andere Stellen des ARAS, Ausfall führt<br />

zum Dauerschlaf.<br />

Durstzentrum: Vorderer Hypothalamus, Reizung der Osmorezeptoren (durch Erhöhung der<br />

Salzkonzentration im Blut bzw. Extrazellulärraum) führt zu Durst und Ausschüttung von<br />

Adiuretin.<br />

Hungerzentrum: Ventro-lateraler Hypothalamus, Ausfall führt zur Verweigerung der<br />

Nahrungsaufnahme und zum Tod durch Verhungern.<br />

Sättigungszentrum: Ventro-medialer Hypothalamus, Ausfall führt zu extremer Fettsucht.<br />

Thermoregulationszentrum: Hinterer Hypothalamus, Ausfall führt zu Poikilothermie.<br />

Sexualzentrum: Medialer Hypothalamus, regelt die Abgabe der Releasing-Hormone für die<br />

gonadotropen Hormone aus dem HVL, Ausfall führt zu Hypogenitalismus.<br />

Wut-, Aggressions- und Fluchtzentren: Caudaler Hypothalamus; Reizung in diesem Bereich führt im<br />

Tierversuch zum Fauchen, Knurren, Bellen etc. mit Angriffen auf den Experimentator oder<br />

Fluchtversuch; Ausfall erzeugt Bewegungsunlust, Schlafsucht und Indifferenz im Verhalten; die<br />

vegetativen Reaktionen während des Abwehrverhaltens (Blutdruckzunahme, Abnahme der<br />

Darmbewegung, etc.) können durch die Änderung der Aktivität des Sympathikus erklärt werden.<br />

Bemerkungen zum Begriff „Zentrum“: Der Begriff soll hier nur zur didaktischen Vereinfachung<br />

verwendet werden. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die lokalisationistische<br />

Betrachtungsweise weitgehend überholt ist, d.h. eine eindeutige Zuordnung Funktion - Zentrum<br />

nicht haltbar ist. Vielmehr sind ähnliche Reaktionen bzw. Empfindungen häufig von vielen<br />

Stellen eines Funktionssystems durch Hirnreizung auslösbar.<br />

Wichtige Projektionsfelder der Großhirnrinde („Zentren“):<br />

Stirnlappen:<br />

Motorisches Projektionsfeld: Gyrus praecentralis, Ursprung der Pyramidenbahn, somatotopisch<br />

gegliedert (motorischer Homunkulus). Ausfall: Verlust der Willkürmotorik.<br />

Motorisches Sprachzentrum (Broca): Gyrus frontalis inferior. Ausfall: Motorische Aphasie = beim<br />

erhaltenen Sprachverständnis sind Spontansprechen und Nachsprechen gestört oder aufgehoben.<br />

Schreibzentrum: Gyrus frontalis medialis. Ausfall: Agraphie = Schreibstörung.<br />

Tertiäre motorische Rindenfelder: Pol des Frontallappens. Ausfall: Perseverationstendenz bzw.<br />

mangelnde Umstellfähigkeit, Zerfall von Verhaltensplänen, starke Auswirkung proaktiver<br />

Hemmung.<br />

Scheitellappen:<br />

Sensorisches Projektionsfeld: Gyrus postcentralis, Ende des Tractus thalamocorticalis<br />

(Hinterstrangbahn, lemniscales System), somatotopisch gegliedert (sensorischer Homunculus).<br />

Ausfall: Verlust der Oberflächensensibilität (Druck, Berührung, Temperatur).<br />

57


Lesezentrum: Gyrus angularis. Ausfall: Alexie = Leseunfähigkeit. Lesen von geschriebener oder<br />

gedruckter Schrift nicht möglich, dagegen können durch Abtasten der Buchstaben mit den<br />

Fingern Worte entziffert werden (optisches Sprachzentrum).<br />

Gustatorisches Projektionsfeld: Operculum parietale, Ende der Geschmacksbahn. Ausfall: Ageusie =<br />

Aufhebung des Geschmackvermögens.<br />

Hinterhauptlappen:<br />

Optisches Projektionsfeld: Calcarina-Rinde, Ende der Sehbahn. Ausfall: Rindenblindheit.<br />

Optische Assoziationsfelder: Gyri occipitalis superior, medialis und inferior. Ausfall: Optische<br />

Agnosie = Unfähigkeit, trotz guten Lichtsinns, genügender Sehschärfe, etc. einen optischen<br />

Gesamteindruck zu erfassen; gezeigte Gegenstände werden nicht erkannt.<br />

Schläfenlappen:<br />

Akustisches Projektionsfeld: Heschl'sche Querwindungen, Ende der Hörbahn. Ausfall: Rindentaubheit.<br />

Sensorisches Sprachzentrum (Wernicke): Gyrus temporalis superior. Ausfall: Sensorische Aphasie =<br />

bei ungestörter Spontansprache Aufhebung des Sprachverständnisses; Gehörtes wird nicht<br />

verstanden und kann nicht nachgesprochen werden.<br />

Zentrum für Informationsspeicherung (Gedächtnis): Hippocampus. Ausfall: Unfähigkeit, neues<br />

Material über mehr als eine Minute zu behalten, starke Auswirkung retroaktiver Hemmung.<br />

Olfaktorisches Projektionsfeld: Riechhirn (Hippocampus), Ende der Riechbahn. Ausfall: Anosmie =<br />

Aufhebung des Geruchsvermögens.<br />

58<br />

Störungen der Hirnfunktion bei Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns<br />

Literatur: Spoerri, T. (1975 8 ). Kompendium der Psychiatrie. Basel: Karger.<br />

Dörner, K. & Plog, U. (1982). Irren ist menschlich oder Lehrbuch der<br />

Psychiatrie/Psychotherapie. Rehburg-Loccum: Psychiatrie-Verlag.<br />

Weltgesundheitsorganisation (1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-<br />

10, Kapitel V (F). Herausgegeben von H. Dilling, W. Mombour & M.H. Schmidt. Huber: Bern.<br />

Vorbemerkung: Mit der ICD-10 wurde die Klassifikation der psychischen Störungen radikal verändert<br />

und die frühere Klassifikation aufgegeben. Auf eine Darstellung der Systematik kann hier<br />

verzichtet werden. Gleichwohl existieren in der Klinik eine Reihe von Begriffen und Syndromen,<br />

die man kennen sollte.<br />

Delir: Bewußtseinstrübung, Desorientiertheit, Halluzinationen, wahnhafte Ideen (z.B. Delirium<br />

tremens = bei Alkoholismus, Fieberdelirium).<br />

Dämmerzustand: traumhafte Bewußtseinseinengung (z.B. epileptischer Dämmerzustand).<br />

Benommenheit: Verschiedene Grade von Somnolenz (= krankhafte Schläfrigkeit) bis zum Koma (z.B.<br />

Infektionspsychosen).<br />

Durchgangssyndrome: kennzeichnen den Beginn bzw. Rückbildung einer hirnorganischen Schädigung<br />

(z.B. depressives Syndrom).


59<br />

Apallisches Syndrom: Nimmt eine Sonderstellung unter den Folgezuständen nach Hirntrauma ein.<br />

Funktionelle Trennung von Hirnstamm und Hirnmantel (= Pallium), bedeutet Dezerebration.<br />

Symptome: Rigor, Spastik, Krämpfe, orale Automatismen (z.B. Leerlaufsaugbewegungen).<br />

Körperliche Ursachen von Störungen der Hirnfunktion:<br />

Frühkindliche Hirnschäden: Ursachen: Intrauterin (z.B. mangelnde Sauerstoffversorgung),<br />

geburtstraumatisch (z.B. Stauung der Hirnnerven unter der Geburt mit Hirnödem), postnatal<br />

(meist Infektionskrankheiten). Symptome: Motorische Defekte, Intelligenzdefekte; bei<br />

leichtgradigen Schädigungen Stimmungslabilität, Distanzstörungen, Schwererziehbarkeit,<br />

Stottern, Enuresis. Leichte Schäden sind oft nur schwer diagnostisch zu sichern.<br />

Körperkrankheiten mit Hirnbeteiligung: Infektionskrankheiten (z.B. Pneumonie, Typhus),<br />

Herzkrankheiten (bedingen Hypoxie des Gehirns). Hierher gehören auch die endokrinen<br />

Psychosyndrome (= psychische Störungen bei Erkrankungen der endokrinen Drüsen, z.B.<br />

Hyperthyreose mit Übererregbarkeit, Unruhe und Stimmungsschwankungen).<br />

Ernährungsmängel: Hungerdystrophien (aufgrund von Eiweißmangel kommt es zu Ödemen) in<br />

Kriegszeiten, etc. können zu einer Funktionsstörung des Gehirns führen.<br />

Postoperative Störungen: Meist akut. Ursachen: Blutverlust, Elektrolytstörungen, Infektionen,<br />

Narkose, mangelhafte präoperative Vorbereitung (Angst, mangelnde Bearbeitung der<br />

Operationsfolgen).<br />

Akute und chronische Vergiftungen: Medikamente (z.B. Corticosteroide, Antibiotika,<br />

Tuberkulostatika), industrieübliche Lösungsmittel, Schwermetalle (vor allem Blei),<br />

Kohlenmonoxid und Leuchtgas, Drogenabhängigkeit, Alkoholismus. Alle genannten Ursachen<br />

können zu akuten oder chronischen Störungen der Hirnfunktion führen.<br />

Entzündliche Hirnkrankheiten: Früher vor allem die Syphilis (Lues), seit 1943 mit Penicillin gut zu<br />

behandeln, Tendenz in jüngster Zeit wieder steigend. Nach dem zeitlichen Ablauf unterscheidet<br />

man frühluische Meningitis (wenig auffällige Symptome), Lues cerebrospinalis (3 - 5 Jahre nach<br />

Infektion, Erweichungsherde im Gehirn durch Gefäßverschlüsse) und progressive Paralyse<br />

(chronische Encephalitis mit Rindenatrophie) oft zusammen mit Tabes dorsalis (Degeneration<br />

der Hinterwurzeln des Rückenmarks mit sensiblen Ausfallserscheinungen). - Heute praktisch<br />

wichtig die Meningitis (Hirnhautentzündung) oft kombiniert mit Encephalitis (Hirnentzündung).<br />

Ursachen: Viren, Bakterien, Mittelohrentzündung, offene Hirnverletzung. Symptome:<br />

Nackensteifigkeit, Kopfschmerzen, Bewußtseinstrübung. - Multiple Sklerose:<br />

Entmarkungsschäden im gesamten ZNS. Verlauf sehr wechselnd. Folgen: Sehschwäche,<br />

Lähmungen, Blasenstörungen.<br />

Traumatische Hirnschäden: Bei der Commotio (Hirnerschütterung) anatomisch nicht faßbare<br />

Hirnschädigung ohne Dauerfolgen; meist durch stumpfe Gewalteinwirkung. Symptome:<br />

Bewußtlosigkeit (kurzdauernd), retrograde und anterograde Amnesie (keine Erinnerung an eine<br />

kurze Zeit vor und nach dem Unfall), Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Durchgangssyndrom.<br />

Contusio (Hirnquetschung) anatomisch faßbar mit Rindenprellungsherd am Ort der<br />

Gewalteinwirkung und am Gegenpol (contre-coup), Hirnödem und Zirkulationsstörungen.<br />

Symptome: Längere Bewußtlosigkeit, längere Amnesie, Krämpfe, Blutungen aus<br />

Schädelöffnungen, akut-organisches Psychosyndrom („Contusionspsychose“). Als Folge häufig


traumatische Epilepsie.<br />

Hirnhautblutungen: Beim Epiduralhämatom Blutansammlung zwischen Hirnhaut und<br />

Schädelkalotte durch Verletzung der Meningealarterien, beim subduralen Hämatom venöse<br />

Sickerblutung (weniger dramatisch). Auslösendes Trauma bei vorgeschädigten Gefäßen oft<br />

gering, typisch das sog. „freie Intervall“ nach der Initialsymptomatik, danach schnelle<br />

Verschlechterung des Zustandes. Kompression einer Hirnhälfte mit Einklemmen des<br />

Hirnstamms durch die Blutung (Kreislauf- und Atemzentrum in der Medulla oblongata!).<br />

Therapie: Schädeltrepanation.<br />

Hirntumoren: Diese raumfordernden Prozesse bedingen Herdsymptome (unterschiedliche Ausfälle, s.<br />

„Großhirnzentren“) bzw. Massenverschiebungen (Einklemmen des Hirnstamms). Symptome:<br />

Kopfschmerzen, häufig epileptische Anfälle, Persönlichkeitsveränderungen.<br />

Hirngefäßkrankheiten: Synonyme Cerebralsklerose, Hirnarteriosklerose. Häufigste Ursache von<br />

Störungen der Hirnfunktion, vor allem im Alter. Es kommt zu Ischämie mit Zerfall von<br />

Hirnsubstanz. Symptome: Schwindel, Ohrensausen, Schlafumkehr, Verwirrtheitszustände. Meist<br />

erhöhter Blutdruck. In diesem Zusammenhang auch häufig apoplektischer Insult (Schlaganfall).<br />

Hirngewebskrankheiten: Hirnatrophische Prozesse verschiedener, hier nicht spezifizierter Ursache.<br />

Folge: Präsenile und senile Demenz. Symptome: Merkschwäche (Altgedächtnis intakt),<br />

Wortfindungsstörungen, Urteilsschwäche, Desorientiertheit.<br />

Epilepsie: Charakterisiert durch wiederholte Anfälle, psychische Veränderungen und pathologische<br />

Abläufe im EEG. Zwei Hauptformen: Genuine Epilepsie (erbliche Belastung scheint<br />

Hauptursache zu sein) und symptomatische Epilepsie (z.B. Hirntumor, traumatische<br />

Hirnschädigung).<br />

Kleinere epileptische Anfälle: Bevorzugt in einem bestimmten kindlichen oder jugendlichen<br />

Lebensalter, gebunden an verschiedene Reifungsstadien des Gehirns. Z.B. Blitz-Nick-Salaam-<br />

Krämpfe (BNS, in den ersten 3 Lebensjahren; Vorwärtsbewegung des Kopfes, Einschlagen der<br />

Arme; Bewußtseinstrübung; meist als Folge einer frühkindlichen Hirnschädigung) und<br />

Pyknolepsie (= Petit Mal, 6. - 10. Lebensjahr; indifferente Absence; kein Hinstürzen; gehört zur<br />

genuinen Epilepsie).<br />

Großer epileptischer Anfall (= Grand Mal): Häufig durch Aura (halluzinatorische<br />

Wahrnehmungen) eingeleitet; Hinstürzen mit Verletzungsgefahr, tonische Krampfstadien gefolgt<br />

von rhythmisch klonischen Zuckungen, Terminalschlaf.<br />

Allgemeine psychische Veränderungen: Im Denken und Handeln langsam, umständlich,<br />

weitschweifig, affektiv monoton mit Neigung zu explosiven Ausbrüchen, Neigung zu<br />

überwertigen Ideen.<br />

60<br />

Physiologische Grundlagen von Drogenabhängigkeit und Alkoholismus<br />

Literatur: Spoerri (s.o.), Dörner & Plog (s.o.), WHO (s.o.) und Bösel, R. (1981). Physiologische<br />

Psychologie. Berlin: de Gruyter.


Drogenabhängigkeit (WHO): Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung durch ein<br />

zentralnervös wirkendes Mittel, der zu seelischer oder seelischer und körperlicher Abhängigkeit<br />

von diesem Mittel führt und der das Individuum und/oder die Gesellschaft schädigt.<br />

Die ICD-10 listet die folgenden Störungen auf:<br />

F 1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen<br />

F 10 Störungen durch Alkohol<br />

F 11 Störungen durch Opioide<br />

F 12 Störungen durch Cannabinoide<br />

F 13 Störungen durch Sedativa oder Hypnotika<br />

F 14 Störungen durch Kokain<br />

F 15 Störungen durch andere Stimulantien einschließlich Koffein<br />

F 16 Störungen durch Halluzinogene<br />

F 17 Störungen durch Tabak<br />

F 18 Störungen durch flüchtige Lösungsmittel<br />

F 19 Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper<br />

Substanzen<br />

Hier sollen nur ein paar besonders wichtige Störungen genannt werden.<br />

Typ Morphin: Opium, gewonnen aus den Kapseln des Schlafmohns, besteht aus einer Mischung<br />

verschiedener Opiatsubstanzen. Hauptwirkstoff ist das Morphin. Härteste Droge ist das Heroin,<br />

andere Opiate in Hustenmitteln (Kodein). Wirkort: Limbisches System, neuronale Schmerzfilter<br />

des Rückenmarks (Afferenzen von Schmerzrezeptoren werden nicht weitergeleitet). Wirkung:<br />

Euphorie, nach 1 - 4 Std. Verstimmungszustand. Starke Dosissteigerung erforderlich durch<br />

Toleranz (= zelluläre Gewöhnung, beschleunigter Abbau, verzögerte Resorption), starke<br />

Entzugssymptome (Bauch- und Gliederschmerzen). Folgen: Beschaffungskriminalität, Hepatitis<br />

und AIDS (verunreinigte Spritzen), Infektionsanfälligkeit, Tod durch Überdosierung.<br />

Rückfallquote oft 100 %. Chance nur in Therapieketten unter rigoroser Aufsicht.<br />

Typ Cocain: Vorkommen in den Blättern des Coca-Strauches. Konsum durch Kauen der Blätter (=<br />

Cocaismus, bei peruanischen Indianern; relativ ungefährlich, da nur eine anregende Substanz<br />

aufgenommen wird) und Spritzen bzw. Schnupfen (= Cocainismus, hierbei wird Cocain<br />

wirksam). Cocain erzeugt starke Abhängigkeit, hohe Dosissteigerung. Anstieg unspezifischer<br />

Aktivierung durch die Formatio reticularis. Wirkung: Bei erster Dosis Angstzustand; später<br />

anregend mit subjektivem Gefühl der Leistungssteigerung, nach ca. 60 Minuten Mißmut mit<br />

Depressionen. Abstinenzsymptome: Schlaflosigkeit, Herzklopfen, Angstsymptome.<br />

Typ Cannabis: Vorkommen in den Blütenspitzen von Hanfpflanzen. Harz der Blütenspitzen =<br />

Haschisch, getrocknete Blüten und Blätter = Marihuana. Beides kann geraucht werden. Wirkstoff<br />

Cannabinol. Wirkung auf das limbische System und die Formatio reticularis.<br />

Wahrnehmungseinschränkung mit Übersteigerung einzelner Reize (Illusionen), euphorische<br />

Grundstimmung, Dauer des Rauschzustandes ca. 2 Std. Körperliche Gefahren: Entzündung von<br />

Mund, Hals und Bindehaut durch Austrocknen, Kreislaufbelastung, hoher Teergehalt der<br />

Hanfblätter, Zyklusstörungen, Störungen der Spermienproduktion. Cannabis wird häufig als<br />

Einstiegsdroge angesehen.<br />

Typ Amphetamin: Alle Weckamine sind mit Amphetamin und dieses wiederum mit Adrenalin<br />

chemisch verwandt. Gehandelt werden Weckamine (z.B. Captagon) und Appetitzügler (z.B.<br />

Ritalin). Wirkung: Stimulation der Formatio reticularis mit Erregung des Cortex, Unterdrückung<br />

61


der Müdigkeit, Erhöhung der Aufmerksamkeit, Unterdrückung des Hungers. Je nach Dosis<br />

Wirkung zwischen 1 - 8 Std., gefolgt von bleierner Müdigkeit. Leistungen quantitativ<br />

beeindruckend, qualitativ unterdurchschnittlich. Hohe Toleranz, die starke Dosissteigerungen<br />

nötig macht. Mißbrauch führt zu Schlaflosigkeit und Verfolgungsvorstellungen.<br />

Typ Barbiturate/Alkohol: Barbiturate, Analgetika und Alkohol haben ähnliche Intoxikations- und<br />

Abstinenzsymptome. Alkohol wirkt wie andere Beruhigungsmittel unspezifisch dämpfend im<br />

ZNS. An den Neuronen wird durch Hyperpolarisation die Erregungsschwelle heraufgesetzt. Bei<br />

geringen Dosen: Hautrötung, aufsteigende Wärme, Wohlbefinden, Störung der Augenmotorik.<br />

Bei höheren Dosen: Störungen der Sprachmotorik, motorische Koordinationsstörungen,<br />

Aufmerksamkeitsmängel, herabgesetzte Schmerzempfindung. Bei mehr als 2 %o: Reduktion der<br />

corticalen Selbstkontrolle, Störung von Atem- und Kreislaufzentren, Koma. Folgen des<br />

chronischen Alkoholkonsums: Abbau von Hirnsubstanz durch Einschränkung der O 2 -<br />

Versorgung, Leberschäden, Herzschäden, Alkoholpsychosen (Delirium tremens,<br />

Alkoholhalluzinose, Korsakow-Syndrom). Delirium tremens: Bewußtseinstrübung,<br />

Desorientiertheit, Bewegungsdrang, Halluzinationen („weiße Mäuse“), Tremor; Behandlung mit<br />

Distraneurin. Alkoholhalluzinose: Gehörshalluzination bei ungestörtem Bewußtsein. Korsakow-<br />

Syndrom: Merkfähigkeitsstörungen, Desorientiertheit, Neigung zu Konfabulationen, entwickelt<br />

sich aus dem Delirium tremens.<br />

Typ Halluzinogene: Chemische Grundstruktur aller Halluzinogene ist der Indolring. Vorkommen: LSD<br />

(1943 synthetisiert), Mescalin (mexikanisches Kaktusgift). Wirkung auf das limbische System<br />

und die Formatio reticularis. Nach Injektion von LSD bzw. Aufnahme durch den Mund tritt<br />

zunächst eine Katerphase mit Brechreiz auf, später tritt der „psychedelische Zustand“ mit Farbund<br />

Formvisionen ein. Diese Halluzinationen sind stimmungsabhängig; es handelt sich um eine<br />

Neubewertung von Sinneseindrücken. Keine Abstinenzerscheinungen, keine körperliche<br />

Abhängigkeit, keine eindeutigen körperlichen Schäden. Allerdings ist die Auslösung<br />

psychotischer Phasen (Typ Schizophrenie) möglich.<br />

Typ Khat: Vorkommen in der Khat-Pflanze (Äthiopien). Wird als Tee genossen. Pharmakologisch mit<br />

den Weckaminen verwandt. Ähnliche Symptomatik wie beim Amphetamin, jedoch schwächer.<br />

62<br />

Physiologisch-biochemische Wirkungen von Psychopharmaka<br />

Literatur: Linden, M. & Manns, M. (1977). Psychopharmakologie für Psychologen. Salzburg: Müller.<br />

Psychotrope Pharmaka: „Psychopharmaka im weiteren Sinne“. Es handelt sich um Substanzen, die<br />

eine obligatorische Wirkung auf die Psyche haben. Die folgende Einteilung entspricht der<br />

Hauptwirkung:<br />

(01) Analgetika = Schmerzmittel: Schmerzhemmend, entzündungshemmend.


(02) Hypnotika = Schlafmittel: In geringen Dosen sedativ-beruhigend, in mittleren Dosen<br />

schlaffördernd, in hohen Dosen narkotisch = betäubend.<br />

(03) Narkotika = Narkosemittel: Bewirken reversiblen Bewußtseinsverlust, Schmerzfreiheit,<br />

Erschlaffung der Muskulatur.<br />

(04) Antiemetika = Anti-Brechmittel: Verhindern Erbrechen in Zusammenhang mit<br />

Bewegungskrankheiten (Kinetosen).<br />

(05) Antiepileptika: Setzen die Krampfschwelle des ZNS herauf.<br />

(06) Analeptika: Wirken zentral erregend, z.B. Anregung des Atemzentrums, in höheren Dosen<br />

Krampfgifte.<br />

(07) Psychoanaleptika: Allgemeine Anregung psychischer Funktionen, z.B. Amphetamin, Coffein.<br />

(08) Euphorika: Erhöhen die Stimmungslage.<br />

(09) Psychodysleptika = Psychotomimetika = Halluzinogene: Erzeugen psychoseähnliche Zustände mit<br />

Halluzinationen (z.B. LSD).<br />

(10) Antidepressiva: Zur Therapie bei Depressionen.<br />

(11) Neuroleptika = Major tranquilizer: Zur Behandlung psychischer Zustände vorwiegend aus dem<br />

schizophrenen Formenkreis.<br />

(12) Tranquilizer = Sedativa = Minor tranquilizer: Dämpfung von Angst- und Spannungszuständen.<br />

Antidepressiva, Neuroleptika und Tranquilizer bilden die Gruppe der „Psychopharmaka im<br />

engeren Sinne“, die vorwiegend in der Psychiatrie eingesetzt werden.<br />

Neuroleptika: Beeinflussen schizophrene Zustandsbilder positiv. Substanzklassen: Butyrophenon-<br />

Derivate (z.B. Haldol, vorrangig antipsychotische Wirkung bei geringer Sedierung) und<br />

Phenothiazin-Derivate (z.B. Psyquil; diese Derivate lassen sich in 3 chemische Untergruppen<br />

gliedern, die je nach Seitenkette mehr sedierend oder mehr antipsychotisch wirken).<br />

Wirkungsmechanismus: Phenothiazine und Butyrophenone führen zu einer Verminderung von<br />

Dopamin (Vorstufe von Adrenalin und Noradrenalin, dient selbst auch als Transmitter) an den<br />

Dopamin-Rezeptoren der subsynaptischen Membran durch Blockierung der Rezeptoren.<br />

Allerdings ist noch offen, ob dieser Mechanismus die psychischen Wirkungen erklären kann.<br />

Fest steht jedoch, daß die Neuroleptika die Wirkungen von Psychodysleptika (LSD im Rahmen<br />

der sog. Modellpsychose) antagonistisch beeinflussen.<br />

Nebenwirkungen: Extrapyramidale Symptome: Störungen des Bewegungsablaufs, Erhöhung des<br />

Muskeltonus (neuroleptisch bedingter Parkinsonismus); vegetative Symptome:<br />

Blutdrucksenkung, Übelkeit.<br />

Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva (chemische Formel besteht aus 3 Ringen, wichtigste<br />

Gruppe, Beispiel Laroxyl), tetrazyklische Antidepressiva (4 Ringe, Beispiel Ludiomil),<br />

Monoaminooxydase-Hemmer (Beispiel Jatrosom) und Lithiumsalze. Trizyklische und<br />

tetrazyklische Antidepressiva haben vor allem stimmungsaufhellende Wirkung (Thymoleptika),<br />

MAO-Hemmer wirken vorwiegend antriebssteigernd (Thymeretika).<br />

Wirkungsmechanismus: Diskutiert wird die Aminmangel-Hypothese. Antidepressiva verhindern<br />

den Abbau der aus den praesynaptischen Speichern freiwerdenden Neurotransmitter. MAO-<br />

Hemmer blockieren dabei die Mono-Amin-Oxydase, die die Neurotransmitter abbaut; die<br />

trizyklischen Antidepressiva blockieren den Rücktransport der Neurotransmitter aus dem<br />

synaptischen Spalt in die Speicher. Dadurch steigt die Konzentration der Neurotransmitter im<br />

synaptischen Spalt.<br />

Nebenwirkungen: Psychische Nebenwirkungen: Erhöhung der Suizidalität vor allem bei primär<br />

antriebssteigernden Antidepressiva. Vegetative Symptome: Störung der Speichelsekretion.<br />

63


Tranquilizer: Indikation bei neurotischen Störungen mit deutlicher Angstkomponente (z.B.<br />

Gespanntheit, Angst, Unruhe, hypochondrische Beschwerden, Phobien etc.). Wichtigste Gruppe<br />

die Benzodiazepine (z.B. Librium, Valium).<br />

Wirkungsmechanismus: Wirkungsort das limbische System, das für die affektive Färbung des<br />

Gesamtverhaltens verantwortlich ist. Spontanaktivität des limbischen Systems bleibt<br />

unbeeinflußt, überschießende Erregung wird jedoch abgebremst.<br />

Nebenwirkungen: Schwindel, Benommenheit, Übelkeit. Abhängigkeit ist bei chronischer<br />

Einnahme möglich.<br />

64<br />

Überblick über den Stoff der Vorlesung im Winter-Semester<br />

Entsprechend dem Vorlesungsmanuskript:<br />

Definition der Biologischen Psychologie;<br />

Anatomischer Aufbau des menschlichen Organismus;<br />

Zellen, Gewebe und Organe;<br />

Menschliche Ontogenese;<br />

Grundlagen der Humangenetik und Erbpsychologie;<br />

Grundlagen der Verhaltensbiologie;<br />

Funktion des Blutes;<br />

Funktion des Herzens;<br />

Gefäßsystem;<br />

Atmung;<br />

Energiehaushalt;<br />

Wärmehaushalt;<br />

Ernährung;<br />

Funktion des Magen-Darm-Kanals;<br />

Nierenfunktion<br />

Allgemeine Endokrinologie;<br />

Hypothalamisch-hypophysäres System;<br />

Nebennierenrinde und Glucocorticoide;<br />

Hormone der Schilddrüse;<br />

Keimdrüsen und Sexualhormone;<br />

Sympathico-adrenales System;<br />

Pankreashormone und Blutzuckerregelung;<br />

Hormonale Regulation des Mineralhaushaltes;<br />

Grenzbereiche des endokrinen Systems.<br />

Literatur:<br />

Schmidt, R.F. (Hrsg.) (1987 6) . Grundriß der Neurophysiologie. Berlin: Springer.<br />

Schmidt, R.F. (Hrsg.) (1985 5) Grundriß der Sinnesphysiologie. Berlin: Springer<br />

Beide Bücher sind vergriffen und werden nicht mehr aufgelegt. Ersetzt wurden sie durch:<br />

Schmidt, R.F., (Hrsg.) (1998) Neuro- und Sinnesphysiologie. Berlin: Springer.


Die alten Bücher sind didaktisch wesentlich besser, vor allem die Abbildungen. Zudem werden<br />

grundlegende Tatsachen, z.B. die Hirnnerven, nicht mehr vernünftig abgehandelt. Wer sich die<br />

alten Bücher noch besorgen kann, sollte danach lernen.<br />

Aufbau des Nervensystems:<br />

Die Nervenzellen: Neurone; Synapsen; Effectoren; Rezeptoren.<br />

Stütz- und Ernährungsgewebe: Aufgaben der Gliazellen; Interstitium.<br />

Die Nerven: Die Nervenfasern; Funktionelle Klassifikation der Nervenfasern; Klassifikation der<br />

Nerven; axonaler Transport.<br />

Erregung von Nerv und Muskel:<br />

Das Ruhepotential: Messung des Membranpotentials; Ursache des Ruhepotentials;<br />

Konzentrationsverteilung der Ionen; Die K + -Ionen und das Ruhepotential; Beteiligung der Cl - -<br />

Ionen am Ruhepotential.<br />

Ruhepotential und Na + -Einstrom: Abhängigkeit des Ruhepotentials von der Kaliumkonzentration; Die<br />

Membranleitfähigkeit für K + und Na + ; Instabilität des Ruhepotentials bei passiven Ionenstömen.<br />

Die Natriumpumpe: Messung des aktiven Transportes; Die gekoppelte Na + -K + -Pumpe; Übersicht über<br />

die Ionenströme durch die Membran.<br />

Das Aktionspotential: Zeitverlauf der Aktionspotentiale; Auslösung des Aktionspotentials und<br />

Erregung; Definition des Aktionspotentials; Die Ionenverschiebungen während des<br />

Aktionspotentials; Ionenumsätze während des Aktionspotentials; Das Aktionspotential im Na + -<br />

Mangel.<br />

Kinetik der Erregung: Änderungen der Membranleitfähigkeiten nach einer Depolarisation;<br />

Refraktärphasen nach dem Aktionspotential; Der Membrankanal für Na + .<br />

Elektrotonus und Reiz: Unter- und überschwellige Reize; Minimaler Reizstrom und Reizzeit.<br />

Fortleitung des Aktionspotentials: Leitungsgeschwindigkeit des Aktionspotentials; Mechanismus der<br />

Fortleitung; Faktoren die die Leitungsgeschwindigkeit beeinflussen, saltatorische Leitung.<br />

Synaptische Übertragung:<br />

Die Neuromuskuläre Endplatte: Beispiel einer chemischen Synapse: Bauelemente chemischer<br />

Synapsen; Die Endplatte; Nachweis des Endplattenpotentials; Mechanismus der<br />

neuromuskulären Übertragung; Die Natur des Endplattenpotentials; Das Schicksal des<br />

Acetylcholins; Neuromuskuläre Blockade.<br />

Die Quantennatur der chemischen Übertragung: Miniatur-Endplattenpotentiale; Freisetzung in<br />

Quanten; Steuerung der Überträgersubstanzfreisetzung durch das praesynaptische<br />

Aktionspotential; Beteiligung des Calciums; Verallgemeinerung der Quantenhypothese.<br />

Zentrale erregende Synapsen: Erregende postsynaptische Potentiale. EPSP; Ionenmechanismus des<br />

EPSP; Die Auslösung des Aktionspotentials; Elektrische Synapsen.<br />

Zentralnervöse hemmende Synapsen: Inhibitorische postsynaptische Potentiale im Motoneuron;<br />

Ionenmechanismus des IPSP; Hemmende Wirkungen des IPSP; Praesynaptische Hemmung.<br />

Überträgerstoffe chemischer Synapsen: Allgemeine Gesichtspunkte; Acetylcholin als<br />

Übertägersubstanz im Nervensystem; Adrenerge Überträgersubstanzen; Aminosäuren als<br />

Überträgersubstanzen.<br />

65


Überblick über den Stoff der Vorlesung im Sommer-Semester<br />

66<br />

Entsprechend dem Vorlesungsmanuskript:<br />

Gehirnanatomie<br />

Literatur:<br />

Schmidt, R.F. (Hrsg.) (1987 6 ) Grundriß der Neurophysiologie. Berlin: Springer (siehe Bemerkung<br />

oben).<br />

Aufbau des Nervensystems:<br />

Der Aufbau des Rückenmarks: Aufbau der Rückenmarkssegmente; Rückenmarkswurzeln.<br />

Physiologie kleiner Neuronenverbände, Reflexe:<br />

Typische neuronale Verschaltungen: Divergenz; Konvergenz; Zeitliche und räumliche Bahnung;<br />

Occlusion; Einfache hemmende Schaltkreise; Fördernde Mechanismen: positive Rückkopplung<br />

und synaptische Potenzierung.<br />

Der monosynaptische Reflexbogen: Definition des Reflexbegriffs; Die Muskelspindel; Der<br />

monosynaptische Dehnungsreflex; Funktion der intrafusalen Muskelfasern.<br />

Polysynaptische motorische Reflexe: Beispiele polysynaptischer motorischer Reflexe; Eigenschaften<br />

polysynaptischer Reflexe; Motorische und vegetative polysynaptische Reflexe; Angeborene und<br />

erworbene Reflexe.<br />

Der Muskel:<br />

Die Kontraktion des Muskels: Isotonische und isometrische Kontraktion; Zeitverlauf der<br />

Einzelzuckung; Feinstruktur des Skelettmuskels; Verschiebungen der Aktin- und<br />

Myosinfilamente während der Kontraktion; Molekularer Mechanismus der Kontraktion;<br />

Herzmuskulatur und glatte Muskulatur.<br />

Abhängigkeit der Muskelkontraktion von Faserlänge und Verkürzungsgeschwindigkeit:<br />

Ruhedehnungskurve; Die Kurve der isometrischen Kontraktionsmaxima; Kontraktionskraft und<br />

Verkürzungsgeschwindigkeit; Summation von Einzelzuckungen, Tetanus; Mechanismus der<br />

Summation.<br />

Regulation der Kontraktion eines Muskels: Summation der Kontraktion mehrerer Fasern; Erzeugung<br />

der maximalen Muskelkraft; Die motorische Einheit, das Elektromyogramm.<br />

Motorische Systeme:<br />

Spinale Motorik I: Aufgaben der Muskelspindeln und Sehnenorgane: Aufbau und Lage von<br />

Muskelspindel und Sehnenorgan; Entladungsmuster der Muskelspindeln und Sehnenorgane;<br />

Dehnungsreflex und reziproke antagonistische Hemmung; Aufgaben der Gamma-Schleife;<br />

Segmentale Verschaltung der Ib-Fasern, Aufgaben der Golgi-Organe.<br />

Spinale Motorik II: Polysynaptische motorische Reflexe: Flexorreflex und gekreuzter Extensorreflex;<br />

Intersegmentale Reflexbögen; Leistungen des isolierten Rückenmarks.<br />

Funktionelle Anatomie supramedullärer motorischer Zentren: Supraspinale motorische Zentren,<br />

Benennung, Lage im ZNS; Der Tractus cortico-spinalis; Corticale motorische Efferenzen zum<br />

Hirnstamm.


Reflektorische Kontrolle der Körperstellung im Raum: Anteile des Hirnstammes und ihre Zuflüsse;<br />

Querschnittsdurchtrennungen im Hirnstamm; Motorische Leistungen des decerebrierten Tieres,<br />

Haltereflexe; Motorische Leistungen des Mittelhirntieres, Stellreflexe; Statische und<br />

statokinetische Reflexe.<br />

Funktionen der Basalganglien, des Kleinhirns und des motorischen Cortex: Die Rolle der<br />

Basalganglien; Die Rolle des Kleinhirns; Pathophysiologie der Basalganglien; Pathophysiologie<br />

des Kleinhirns; Die Rolle des motorischen Cortex; Pathophysiologie des motorischen Cortex und<br />

seiner Efferenzen; Handlungsantrieb und Bewegungsentwurf.<br />

Vegetatives Nervensystem:<br />

Funktionelle Anatomie des peripheren vegetativen Nervensystems: Peripherer Sympathicus; Peripherer<br />

Parasympathicus; Darmnervensystem; Viscerale Afferenzen.<br />

Acetylcholin, Noradrenalin und Adrenalin: Acetylcholin, nicotinerge und muscarinerge Übertragung;<br />

Noradrenalin, Adrenalin, α-ß-Rezeptoren-Konzept; Nebennierenmark; Sonstige<br />

Überträgersubstanzen im peripheren vegetativen Nervensystem.<br />

Glatter Muskel: Myogene Aktivität, Reaktion auf Dehnung, Acetylcholin und Adrenalin: Myogene<br />

Aktivität; Zeitverlauf der Kontraktion der glatten Muskulatur; Kraftentwicklung glatter Muskeln<br />

auf Dehnung; Neuromuskuläre Übertragung im glatten Muskel.<br />

Antagonistische Wirkungen von Sympathicus und Parasympathicus auf vegetative Effectoren:<br />

Vegetative Beeinflussung des Herzens; Beeinflussung der Darmmuskulatur durch das vegetative<br />

Nervensystem.<br />

Zentralnervöse Regulation: Spinaler Reflexbogen, Blasenregulation: Der spinale vegetative<br />

Reflexbogen; Segmentale Verschaltung vegetativer Efferenzen mit visceralen und somatischen<br />

Afferenzen; Neuronale Regulation der Harnblasenentleerung.<br />

Zentralnervöse Regulation: Arterieller Blutdruck, Regulation der Muskeldurchblutung: Regelung des<br />

arteriellen Blutdruckes; Regelung der Organdurchblutung während Muskelarbeit.<br />

Der Hypothalamus. Die Regulation von Körpertemperatur, Osmolarität des Extracellulärraumes und<br />

endokrinen Drüsen: Anatomie des Hypothalamus; Regulation der Körpertemperatur; Regelung<br />

der endokrinen Drüsen durch den Hypothalamus; Regelung der Osmolarität (des Wassergehaltes)<br />

des Extracellulärraumes.<br />

Literatur:<br />

Vaitl, D. (1978). Entspannungstechniken. In: L.J. Pongratz (Hrsg.), Klinische Psychologie (= K.<br />

Gottschaldt et al. (Hrsg.) Handbuch der Psychologie) Band 8/2 (S. 2104-2143). Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

VNS und Entspannungstechniken:<br />

Folgen einer Stimulation der trophotropen Zonen im Hypothalamus;<br />

Physiologische Veränderungen während der Entspannungsreaktion;<br />

Physiologische Veränderungen beim autogenen Training (Unterstufen-Übung);<br />

Klinische Einsatzmöglichkeiten des autogenen Trainings;<br />

Wirkung der transzendentalen Meditation auf das EEG.<br />

67


68<br />

Literatur:<br />

Birbaumer, N. & Schmidt, R.F. (2002 5 ). Biologische Psychologie. Berlin: Springer.<br />

Methoden der Biologischen Psychologie:<br />

Elektro- (EEG) und Magnetenzephalogramm (MEG): Geschichte und Definition; EEG-Rhythmen; Die<br />

Regularität der EEG-Wellen; Synchronisation und Spontan-EEG; Postinhibitorische Endladung<br />

thalamischer Neurone; Frequenzspektren und Amplitude; Fourier-Analyse; Interpretation des<br />

EEGs; Klinisches EEG.<br />

Ereigniskorrelierte Hirnpotentiale (EKP): Definition; Mittelungstechnik; Identifikation der<br />

Komponenten; Exogene und endogene Komponenten; Skopeutische Verarbeitung;<br />

Komponenten und Topographie; Informationsverarbeitung und EKP.<br />

Bewußtsein und Aufmerksamkeit:<br />

Psychologie der Bewußtseinsformen: Heterogene Bewußtseinsprozesse; Bewußtsein als<br />

Schwellenregulation; Bewußtsein und Kurzzeitgedächtnis; Begrenzte Aufmerksamkeit und<br />

Bewußtsein; Subliminale Wahrnehmung; Arbeitsgedächtnis; Flaschenhalstheorien; Kritik der<br />

Filtertheorie; Orientierung und Habituation; Habituation; Allgemeine Kennzeichen von<br />

Habituation; Automatische und kontrollierte Verarbeitung; Willentliche Anstrengung;<br />

Ressourcen-Zuordnung.<br />

Neuropsychologie der Bewußtseinsformen: Geschichte der Split-brain-Forschung; Aktiver<br />

Übertragungsmechanismus; Zwei getrennte Willensimpulse; Zwei Bewußtseinsprozesse; LP und<br />

kontrollierte Aufmerksamkeit; Ressourcen-Bereitstellung; LP und die Entstehung bewußter<br />

Willenshandlungen.<br />

Unspezifische Aktivierungssysteme: Aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem (ARAS);<br />

Neurophysiologie tonischer und phasischer Aktivierung; Thalamokortikales „Gating“.<br />

Psychophysiologie selektiver Aufmerksamkeit: Anatomie des LCCS; Funktion und Dynamik des<br />

LCCS.<br />

Literatur:<br />

Fahrenberg, J. (1979 2 ). Psychophysiologie. In: K.P. Kisker et al. (Hrsg.), Psychiatrie der Gegenwart,<br />

Bd. I/1. (S. 109-125). Berlin: Springer.<br />

Aktivierungstheorien: Synergismenlehre von Hess; Organismische Aktivations-Theorie von Duffy;<br />

Zweifaktorielles Modell der biologischen Basis der Persönlichkeit von Eysenck; Prinzip der<br />

richtungsabhängigen funktionalen Fraktionierung von Lacey.<br />

Streßtheorien: Streßkonzept von Selye; Notfallfunktion von Cannon; Streß-Schwellenmodell von<br />

Cofer und Appley; Kognitives Streßmodell von Lazarus.<br />

Spezifitätsproblem: Individualspezifische Reaktionsmuster; Stimulusspezifische Reaktionsmuster.<br />

Literatur:<br />

Birbaumer, N. & Schmidt, R.F. (1999 4 ). Biologische Psychologie. Berlin: Springer.<br />

Zirkadiane Periodik, Schlaf und Traum:


Schlaf und Traum: Die Klassifikation der Schlafstadien; Verlauf einer Nacht; Tiefschlaf vor<br />

Traumschlaf; Augenbewegungen; Motorische Begleiterscheinungen des REM-Schlafes;<br />

Weckschwelle und Zustand sensorischer Systeme; Evolution; Ontogenie.<br />

Psychophysiologie der Schlafstadien: Schlafdeprivation; REM-Schlaf-Entzug; Psychisches Erleben<br />

während REM- und NREM-Schlaf; Traumberichte innerhalb einer Nacht; Methodische<br />

Probleme der Schlaf-Gedächtnisforschung; „Lernen im Schlaf“; Lernen im Schlaf beim<br />

Menschen; Psychoanalyse.<br />

Schlafstörungen: Primäre Schlafstörungen; Idiopathische Insomnia; Verzögertes Einschlafen; Drogen-<br />

Insomnia; Insomnia bei Verhaltensstörungen; Schlaf-Apnoe; Somnambulismus und andere<br />

Störungen des SWS.<br />

Plastizität, Lernen, Gedächtnis:<br />

Psychologie von Lernen und Gedächtnis: Gedächtnissysteme; Implizites versus explizites Lernen und<br />

Gedächtnis; Assoziatives und nicht-assoziatives Lernen; Akquisition (Aneignung) der<br />

klassischen Konditionierung; Eigenschaften der klassischen Konditionierung; Ablauf der<br />

instrumentellen (operanten) Konditionierung; Primäre Verstärker; Sekundäre Verstärker;<br />

Eigenschaften instrumentellen Lernens; Vergleich zwischen klassischer und instrumenteller<br />

Konditionierung; Allgemeines Modell des Wissensgedächtnis; Perzeptive Repräsentation im<br />

sensorischen Speicher; Elaboriertes Speichern und Erinnern; Merken im Kontext.<br />

Entwicklung des Nervensystems: Lernen und Wachstum; Apoptose (Zelltod); Synaptisches Überleben;<br />

Physiologische Plastizität.<br />

Assoziative neuronale Plastizität: D.O. Hebbs synaptische Theorie spezifischer Gedächtnisinhalte;<br />

Reverberatorisches Kreisen; Erregungskreise, Lernen und Wiedergabe von Information; Die<br />

Bedeutung von Oszillationen.<br />

Zelluläre Korrelate von Lernen: Die Konsolidierungshypothese und Proteine; Hemmung der<br />

Proteinbiosynthese (Proteinbiosyntheseinhibition, PSI) und Gedächtnisbildung.<br />

Neuropsychologie der Konsolidierung: Korsakoff Syndrom; Der Fall H.M.; Der Hippokampus und<br />

Konsolidierung im LZG; Zerebellum und Hippokampus als „Lernmaschinen“; Zwei Formen von<br />

Lernen.<br />

Motivation:<br />

Grundbegriffe der Motivation: Trieb; Homöostatische und nichthomöostatische Triebe; Verstärkung;<br />

Charakteristische Eigenschaften von Verstärkung; Interaktion von Trieb und Verstärkung;<br />

Anreizmotivation (incentive motivation); Anreize (incentives); Instinktives und motiviertes<br />

Verhalten.<br />

Durst und Hunger: Bedingungen für das Auftreten einer Durstempfindung; Präresorptive und<br />

resorptive Durststillung; Durstschwelle; Die glukostatische Theorie; Konditionierte<br />

Nahrungsaufnahme; Thermostatische Hypothese; Lipostatische Hypothese; Faktoren der<br />

präresorptiven Sättigung; Faktoren der resorptiven Sättigung; Hypothalamus und Hunger;<br />

Hypothalamus und Sättigung.<br />

Neurobiologie süchtigen Verhaltens: Intrakranielle Selbstreizung (ICSS) und Belohnung: positive<br />

Verstärkung im Tierversuch; Anatomie von ICSS.<br />

69


Emotionen:<br />

Psychophysiologie von Gefühlen: Gefühlsdimensionen; Abgrenzung zwischen Gefühlen und<br />

Stimmungen; Kommunikative Bedeutung von Gefühlen; Die Rolle motorisch-verhaltensmäßiger<br />

Ausdrucksreaktionen für Gefühle; Die Rolle des autonomen Nervensystems für Gefühle: Die<br />

James-Lange-Kontroverse; Die Rolle kognitiver Prozesse für Gefühle.<br />

Vermeidung (Furcht und Angst): Lernen von Angst; Zwei-Prozeß Theorie der Angstentstehung; Drei<br />

Emotionssysteme; Psychopharmaka und das Verhaltenshemmungssystem; Psychologische<br />

Therapie der Angst.<br />

Trauer - Depression: Trauer; Diagnose der Depression; Soziale und psychologische Faktoren; Genetik<br />

der Depression; Zirkadiane Periodik; Biogene Amine; Antidepressiva und die Bewältigung von<br />

Angst und Hilflosigkeit; Therapie der Depression.<br />

Aggression: Arten von Aggression; Gemeinsamkeiten aggressiven Verhaltens; Sexualhormone;<br />

Verhalten von Soziopathen; Psychophysiologie; Soziopathie und septo-hippokampisches<br />

Hemmsystem; Prävention und Behandlung.<br />

Verhaltensmedizin und Biofeedback: die Anwendung der Gefühlsphysiologie und -psychologie auf<br />

Krankheit: Verhaltensmedizin; Verhaltensmedizin der Skoliose; Kurarisierungsversuche<br />

Kognitive Prozesse (Denken):<br />

Zerebrale Asymmetrie: Das 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts; Das 20. Jahrhundert; Ontogenetische<br />

Entwicklung von Lateralität; Bedeutung auditorischer Erfahrung; Dominanzanalyse mit dem<br />

Wada-Test; Händigkeit; Begabung und Linkshändigkeit; Sensomotorische Funktionen.<br />

Evolution und Neurophysiologie der Sprache und ihre Störungen: Evolutionäre Aspekte; Spracherwerb<br />

bei nicht-humanen Primaten.<br />

Sprechen und Störungen der Sprache: Aphasien und Lateralisation des Gehirns; Broca- und Wernicke-<br />

Region; Lokalisation der Aphasien; Broca-Aphasie; Wernicke-Aphasie.<br />

Die Assoziationsareale des Neocortex: Anatomie; Ideomotorische und konstruktive Apraxie; Visuellräumliche<br />

Funktionen; Kontralateraler Neglekt; Neglekt und Aufmerksamkeit;<br />

Kurzzeitgedächtnis (KZG); Zeitliche Kontiguität; Handlungspläne und korrolare Entladungen;<br />

Der Zerfall von Verhaltensplänen; Psychochirurgie und frontale Leukotomie;<br />

Pseudopsychopathie; Funktionen des Temporallappens; Visuelle Unterscheidung; Akustische<br />

Unterscheidung und Sprache.<br />

70<br />

Literatur:<br />

Schmidt, R.F. (Hrsg.) (1985 5 ). Grundriß der Sinnesphysiologie. Berlin: Springer (siehe Bemerkung<br />

oben).<br />

Allgemeine Sinnesphysiologie, Psychophysik:<br />

Grundbegriffe der allgemeinen Sinnesphysiologie: Sinnesorgane; Modalität, Qualität, spezifische<br />

Sinnesreize; Quantität, Schwelle; Sinneseindruck, Wahrnehmung; Abbildungsverhältnis von<br />

Phänomen und Wahrnehmung, objektive und subjektive Sinnesphysiologie.<br />

Messung der Intensität von Empfindungen, Psychophysik: Eigenmetrik; Schätzung des Vielfachen<br />

einer Empfindungsintensität; Intermodaler Intensitätsvergleich; Eigenmetrik mit Hilfe von<br />

Unterschiedsschwellenschritten.


71<br />

Räumliche, zeitliche und affektive Aspekte der Empfindungen: Raumdimension der Empfindung;<br />

Kontrast; Zeitdimension der Empfindung.<br />

Neurophysiologie sensorischer Systeme:<br />

Transformation von Reizen in Rezeptoren: Der adäquate Reiz, Einteilung der Rezeptoren; Das<br />

Rezeptorpotential; Der Transduktionsprozeß, primäre und sekundäre Sinneszellen; Das<br />

Rezeptorpotential als Generator für fortgeleitete Aktionspotentiale; Adaptation; Die<br />

Transformation von Reizintensität in Entladungsfrequenz.<br />

Sensorischen Funktionen des Zentralnervensystems - Übersicht: Periphere Nerven, Spinalnerven,<br />

Hinterwurzeln und ihre Innervationsgebiete; Die Gehirnnerven; Zentrale Stationen der Sensorik;<br />

Anatomie des spezifischen Systems der Somatosensorik; Anatomie des unspezifischen Systems.<br />

Eigenschaften und Arbeitsweise sensorischer Neurone und Neuronenverbände: Laterale Inhibition;<br />

Descendierende Hemmung; Das rezeptive Feld; Reizstärke-Reizantwort-Beziehungen,<br />

Unterschiedsschwellen.<br />

Somatosensorik: Rückenmark, aufsteigende Bahnen und Hirnstamm: Verschaltung der Afferenzen im<br />

Hinterhorn; Aufsteigende Bahnen des Rückenmarks; Trigeminuskerne und ihre aufsteigenden<br />

Bahnen; Die Formatio reticularis.<br />

Somatosensorik: Thalamus und Cortex: Der spezifische Thalamuskern der Somatosensorik;<br />

Somatosensorische Projektionsareale des Cortex; Das spezifische thalamo-corticale System und<br />

die bewußte Sinneswahrnehmung; Assoziationsfelder des Cortex; Extralemniscales System und<br />

bewußte Wahrnehmung.<br />

Somatoviscerale Sensibilität:<br />

Mechanorezeption: Empfindungsschwelle und Intensitätsfunktion mechanischer Hautreizung;<br />

Räumliches Auflösungsvermögen; Druckrezeptoren (Intensitätsdetektoren);<br />

Berührungsrezeptoren (Geschwindigkeitsdetektoren); Vibrationsrezeptoren<br />

(Beschleunigungsdetektoren); Mechanosensible freie Nervenendigungen der Haut.<br />

Tiefensensibilität: Qualitäten der Tiefensensibilität; Rezeptoren der Tiefensensibilität; Zentrale<br />

Integration; Körperschema und Körperstellung.<br />

Thermorezeption: Statische Temperaturempfindungen; Dynamische Temperaturempfindungen; Kaltund<br />

Warmrezeptoren; Rezeptorfunktion und Thermorezeption; Sonderformen der<br />

Temperaturempfindung.<br />

Viscerale Sensibilität: Cardiovasculäres System; Gastro-Intestinal System; Renales System.<br />

Nociception und Schmerz:<br />

Schmerzqualitäten und Schmerzkomponenten: Schmerzqualitäten.<br />

Neurophysiologie und Psychophysik des Schmerzes: Nociceptoren; Zentrale Weiterleitung und<br />

Verarbeitung; Schmerzadaptation.<br />

Pathophysiologie des Schmerzes: Spezielle und abnorme Schmerzformen: Projizierter Schmerz;<br />

Neuralgie; Kausalgie; Übertragener Schmerz; Störungen der zentralen Schmerzverarbeitung.<br />

Schmerzbeeinflussung und Schmerztherapie: Pharmakologische Schmerzbehandlung; Physikalische<br />

Schmerzbehandlung; Psychologische Methoden der Schmerzbekämpfung.


Physiologie des Sehens:<br />

Das Auge: Das optisches System des Auges; Regelprozesse im dioptrischen Apparat;<br />

Pupillenreaktionen; Refraktionsanomalien; Die Netzhaut.<br />

Psychophysiologie der visuellen Wahrnehmung: Das Eigengrau; Graustufen; Simultankontrast; Der<br />

successive Hell-Dunkelkontrast, Nachbilder; Die Sehschärfe; Der blinde Fleck; Photopisches<br />

und skotopisches Sehen; Der zeitliche Verlauf der Hell-Dunkeladaptation, Blendung; Die<br />

zeitlichen Eigenschaften der visuellen Wahrnehmung; Das Farbensehen; Weiß und Schwarz als<br />

Farbe; Binocularsehen; Gestaltwahrnehmung.<br />

Neurophysiologie des Sehens: Der photochemische Primärprozeß; Das Rezeptorpotential;<br />

Neurophysiologie retinaler Ganglienzellen; Neurophysiologie des Simultankontrastes; Die<br />

Reaktion retinaler Ganglienzellen auf farbige Lichtreize; Die Projektion der Netzhaut in das<br />

Zentralnervensystem; Die Signalverarbeitung im Corpus geniculatum laterale; Die Neurone des<br />

visuellen Cortex.<br />

Augenbewegungen und sensorisch-motorische Integration beim Sehen: Konjugierte<br />

Augenbewegungen, Vergenzbewegungen; Die zeitlichen Eigenschaften der Augenbewegungen;<br />

Die Blickmotorik; Augenbewegungen und visuelle Wahrnehmung, Nystagmus;<br />

Augenbewegungen beim freien Sehen.<br />

Physiologie des Hörens:<br />

Anatomischer Aufbau des Ohres.<br />

Die Leistungen des Hörsystems: Physikalische Eigenschaften der Schallreize; Schallereignis und<br />

subjektive Hörempfindung: Technische Verfahren zur Beurteilung von Lärm; Akustische<br />

Raumorientierung.<br />

Die Aufgaben des Mittelohres und des Innenohres: Aufgaben des Mittelohres; Schallaufnahme im<br />

Innenohr, Ortstheorie; Reizaufnahme durch die Haarzellen; Unterscheidung zwischen Mittelohrund<br />

Innenohrschwerhörigkeit.<br />

Der Nervus acusticus und die höheren Stationen der Hörbahn: Erregungsbedingungen der<br />

Hörnervenfasern; Verlauf der Hörbahn.<br />

Physiologie des Gleichgewichtssinnes:<br />

Anatomischer Aufbau und Physiologie des peripheren Organs: Rezeptoren des Gleichgewichtsorgans<br />

und ihre Erregungsbedingungen; Aufbau und Aufgaben der Statolithen- und Bogengangsorgane.<br />

Die zentralnervösen Verschaltungen und die Leistungen des Gleichgewichtssinnes: Zentrale<br />

Verbindungen der Rezeptoren des Gleichgewichtsorgans; Statische und statokinetische Reflexe,<br />

Vestibulärer Nystagmus.<br />

Entsprechend dem Vorlesungsmanuskript:<br />

Störungen der Hirnfunktion bei Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns;<br />

Physiologische Grundlagen von Drogenabhängigkeit und Alkoholismus;<br />

Physiologisch-biochemische Wirkungsmechanismen von Psychopharmaka.<br />

72


Hinweise zur Prüfung:<br />

73<br />

Prüfungsgebiet in der 2 stündigen Klausur ist die Vorlesung im WS und SS. Der Inhalt wurde<br />

vorstehend umrissen. Pro Doppelstunde wird im Durchschnitt 1 Frage gestellt, so daß sich für die<br />

Gesamtklausur 52 Fragen ergeben. Die Prüfungsfragen verteilen sich in etwa auf den Prüfungsstoff wie<br />

folgt:<br />

Anatomischer Aufbau des Organismus 1<br />

Zellen, Gewebe und Organe 1<br />

Menschliche Ontogenese 3<br />

Humangenetik und Erbpsychologie 2<br />

Verhaltensbiologie 2<br />

Blut 1<br />

Herz und Gefäßsystem 3<br />

Atmung 1<br />

Energie- und Wärmehaushalt 1<br />

Ernährung und Magen-Darm-Kanal 2<br />

Nierenfunktion und Wasserhaushalt 1<br />

Hormonphysiologie 6<br />

Elektrophysiologie 3<br />

Anatomie des ZNS und Rückenmarks 1<br />

Reflexphysiologie 1<br />

Muskel und motorische Systeme 3<br />

Vegetatives Nervensystem und Entspannungstechniken 3<br />

EEG und EKP 1<br />

Bewußtsein und Aufmerksamkeit 2<br />

Aktivierungs- und Stresstheorien, Spezifitätsproblem 1<br />

Schlaf und Traum 1<br />

Plastizität, Lernen und Gedächtnis 2<br />

Motivation, Emotion und kognitive Prozesse 2<br />

Sinnesphysiologie 7<br />

Störungen der Hirnfunktion, Drogen und Psychopharmaka 1


Übungsklausur Biologische Psychologie<br />

74<br />

Aufgabentypen:<br />

(1) Einfachauswahl: Auf eine Frage oder unvollständige Aussage folgen 5 mit A - E gekennzeichnete<br />

Antworten oder Ergänzungen, von denen eine einzige ausgewählt werden soll, und zwar<br />

entweder die einzig richtige<br />

oder die beste von mehreren möglichen<br />

oder wenn es besonders gekennzeichnet ist, die nicht<br />

zutreffende.<br />

(2) Zuordnungsaufgaben - Aufgabengruppen mit gemeinsamem Antwortangebot: Jede dieser<br />

Aufgabengruppen besteht aus<br />

(a) einer Liste mit numerierten Begriffen, Fragen oder Aussagen (Liste 1 = Aufgabengruppe)<br />

(b) einer Liste von 5 durch die Buchstaben A - E gekennzeichneten Antwortmöglichkeiten (Liste<br />

2)<br />

Zu jeder numerierten Aufgabe der Liste 1 soll aus der Liste 2 die eine Antwort A - E ausgewählt<br />

werden, die für zutreffend gehalten wird oder von der man meint, daß sie im engsten<br />

Zusammenhang mit dieser Aufgabe steht. Man sollte beachten, daß jede Antwortmöglichkeit A - E<br />

auch für mehrere Aufgaben der Liste 1 die Lösung darstellen kann.<br />

(3) Kausale Verknüpfung: Dieser Aufgabentyp besteht aus drei Teilen:<br />

Teil 1: Aussage 1<br />

Teil 2: Aussage 2<br />

Teil 3: Kausale Verknüpfung (weil)<br />

Jede der beiden Aussagen kann unabhängig von der anderen richtig oder falsch sein. Wenn beide<br />

Aussagen richtig sind, so kann die Verknüpfung durch „weil“ richtig oder falsch sein.<br />

Der richtige Lösungsbuchstabe soll nach Prüfung der einzelnen Teile dem nachfolgenden<br />

Lösungsschema entnommen werden.<br />

Antwort Aussage 1 Aussage 2 Verknüpfung<br />

A richtig richtig richtig<br />

B richtig richtig falsch<br />

C richtig falsch -<br />

D falsch richtig -<br />

E falsch falsch -<br />

(4) Aussagenkombinationen: Bei diesem Aufgabentyp werden mehrere durch eingeklammerte Zahlen<br />

gekennzeichnete Aussagen gemacht. Die zutreffende Lösung soll unter den 5 vorgegebenen<br />

Aussagekombinationen A - E ausgewählt werden.<br />

(5) Freie Aufgabenbeantwortung: Schilderung bestimmter Sachverhalte in Stichworten, Aufzählungen,<br />

Anfertigung von Diagrammen.


(01) Im Serum eines Patienten mit der Blutgruppe 0 agglutinieren die Erythrozyten eines Spenders mit<br />

der Blutgruppe<br />

(1) A<br />

(2) B<br />

(3) AB<br />

(A) keine der Aussagen ist richtig<br />

(B) nur 1 ist richtig<br />

(C) nur 2 ist richtig<br />

(D) nur 3 ist richtig<br />

(E) 1 - 3 = alle sind richtig<br />

75<br />

(02) Welche Aussage trifft zu?<br />

Die Wirkung des Parasympathikus am Ventrikelmyocard ist<br />

(A) negativ chronotrop<br />

(B) negativ dromotrop<br />

(C) negativ inotrop<br />

(D) negativ bathmotrop<br />

(E) physiologisch bedeutungslos<br />

(03) Welche der folgenden Summen entspricht dem Lungenvolumen am Ende einer normalen<br />

Inspiration?<br />

(A) Residualvolumen + Inspirationskapazität<br />

(B) Residualvolumen + Atemvolumen<br />

(C) Funktionelle Residualkapazität + Atemvolumen<br />

(D) Exspiratorisches Reservevolumen + Inspiratorisches Reservevolumen<br />

(E) Residualvolumen + Exspiratorisches Reservevolumen<br />

(04) Ordnen Sie den in Liste 1 genannten Nährstoffen ihre physiologischen Brennwerte (Liste 2!) zu!<br />

Liste 1 Liste 2<br />

1 ..... Kohlenhydrat (A) 4,1 kcal/g<br />

(B) 5,6 kcal/g<br />

2 ..... Fett (C) 4,1 cal/g<br />

(D) 9,3 kcal/g<br />

3 ..... Eiweiß (E) 9,3 cal/g


76<br />

(05) Die Zusammensetzung des Primärharns unterscheidet sich vom Plasma vor allem durch das<br />

Fehlen größerer Eiweißmoleküle,<br />

weil<br />

im distalen Tubulus Glukose, Aminosäuren und filtriertes Protein fast vollständig resorbiert<br />

werden.<br />

Antwort Aussage 1 Aussage 2 Verknüpfung<br />

A richtig richtig richtig<br />

B richtig richtig falsch<br />

C richtig falsch -<br />

D falsch richtig -<br />

E falsch falsch -<br />

(06) Das Ruhemembranpotential einer Nervenmembran<br />

(1) ist mit dem K + -Gleichgewichtspotential identisch<br />

(2) weicht nur unerheblich vom K + -Gleichgewichtspotential ab<br />

(3) hat aktiven Na + -K + -Transport zur Voraussetzung<br />

(4) ändert sich periodisch („slow waves“) aufgrund einer elektrogenen Na + Pumpe<br />

(5) ist unabhängig von der extrazellulären K + -Konzentration<br />

(A) nur 1 ist richtig<br />

(B) nur 4 ist richtig<br />

(C) nur 2 und 3 sind richtig<br />

(D) nur 4 und 5 sind richtig<br />

(E) nur 2, 3 und 5 sind richtig<br />

(07) Welche Aussage trifft nicht zu?<br />

Das Endplattenpotential (EPP) bei der neuromuskulären Erregungsübertragung)<br />

(A) wird durch Acetylcholin ausgelöst<br />

(B) wird unter Einwirkung von Curare vermindert<br />

(C) entsteht nach dem Eintreffen eines Nervenaktionspotentials in der Endplatte<br />

(D) wird durch Blockade der Cholinesterase verstärkt<br />

(E) ist normalerweise unterschwellig für die Auslösung eines Muskelaktionspotentials<br />

(08) Folgende hormonproduzierende Organe sind lebensnotwendig und müssen bei einem Ausfall<br />

mittels einer Substitutionstherapie behandelt werden:<br />

(1) Nebennierenrinde<br />

(2) Nebenschilddrüse<br />

(3) Hypophyse<br />

(4) Pankreas<br />

(5) Hypothalamus<br />

(A) nur 5 ist richtig<br />

(B) nur 1 und 5 sind richtig<br />

(C) nur 1, 3 und 5 sind richtig<br />

(D) nur 2, 3 und 4 sind richtig


77<br />

(E) 1 - 5 = alle sind richtig<br />

(09) Ordnen Sie den in Liste 1 genannten Hormonen ihre Bildungsorte (Liste 2) zu!<br />

Liste 1 Liste 2<br />

1 ... Adiuretin (A) Nebenschilddrüse<br />

(B) Nebennierenmark<br />

2 ... ACTH (C) Zona glomerulosa<br />

(D) Hypophyse<br />

3 ... Gonadotropine (e) Hypothalamus<br />

(10) Welches der folgenden Symptome gehört nicht zum Cushing-Syndrom?<br />

(A) Stammfettsucht<br />

(B) Striae am Bauch infolge verstärkter Gluconeogenese<br />

(C) erhöhte Infektanfälligkeit<br />

(D) erhöhter Blutdruck<br />

(E) eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate<br />

(11) Wie entsteht Riesenwuchs?<br />

(1) durch Überproduktion von GH in der Kindheit<br />

(2) durch verfrühte Pubertät<br />

(3) durch verspäteten Epiphysenschluß<br />

(4) durch Überschuß an Parathormon in der fetalen Entwicklung<br />

(5) durch Überschuß an Thyroxin<br />

(A) nur 1 ist richtig<br />

(B) nur 3 ist richtig<br />

(C) nur 1 und 3 sind richtig<br />

(D) nur 2 und 3 sind richtig<br />

(E) 1 - 5 = alle sind richtig<br />

(12) Ordnen Sie den in Liste 1 genannten Strukturen des ZNS die entsprechenden Hirnteile zu!<br />

Liste 1 Liste 2<br />

1 ..... Kreislaufzentrum (A) Telencephalon (Großhirn)<br />

(B) Medulla oblongata (Nachhirn)<br />

2 ..... Hypothalamus (C) Metencephalon (Hinterhirn)<br />

(D) Diencephalon (Zwischenhirn)<br />

3 ..... Vierhügelplatte (E) Mesencephalon (Mittelhirn)


78<br />

(13) Welche der folgenden Aussagen trifft für den Flexorreflex zu?<br />

(1) reine Reflexzeit von 0,6 sec<br />

(2) nicht segmental (mehrere Segmente)<br />

(3) monosynaptisch<br />

(4) durch Aktivität der Muskelspindel ausgelöst<br />

(5) funktioniert nur an den oberen Extremitäten<br />

(A) nur 1 ist richtig<br />

(B) nur 1, 2 und 3 sind richtig<br />

(C) nur 2, 4 und 5 sind richtig<br />

(D) nur 2 ist richtig<br />

(E) keine Aussage trifft zu<br />

(14) Nennen Sie die Überbegriffe für die folgenden Pharmaka und Drogen:<br />

(A) Valium (R) ....................<br />

(B) Barbiturate ....................<br />

(C) Haldol (R) ....................<br />

(D) Mescalin ....................<br />

(E) Amphetamine ....................<br />

(15) Wo werden hohe Schallwellen absorbiert?<br />

(1) in der Nähe des ovalen Fensters<br />

(2) im Macula-Organ<br />

(3) im Corti'schen Organ<br />

(4) am Helicotrema<br />

(5) in den Bogengängen<br />

(A) nur 1 ist richtig<br />

(B) nur 1 und 3 sind richtig<br />

(C) nur 2, 3 und 4 sind richtig<br />

(D) nur 3 und 4 sind richtig<br />

(E) 1- 5 = alle sind richtig<br />

(16) Wodurch ist das hohe Auflösungsvermögen des Gesichtssinns bedingt?<br />

(A) durch die genaue sphärische Krümmung von Linse und Hornhaut<br />

(B) durch die Struktur des Glaskörpers<br />

(C) durch die Organisation des rezeptiven Feldes in der Retina und das Prinzip der lateralen<br />

Hemmung<br />

(D) durch die hohe Konvergenz im Bereich der Stäbchen<br />

(E) durch den Astigmatismus


79<br />

(17) Welche der folgenden akustischen Skalen ist wirklich eigenmetrisch?<br />

(A) die Dezibel-Skala<br />

(B) die Schalldruck-Skala<br />

(C) die sone-Skala<br />

(D) die phon-Skala<br />

(E) keine der genannten Skalen<br />

(18) Ordnen Sie den in Liste 1 genannten Autoren die entsprechenden Aktivierungstheorien (Liste 2)<br />

zu!<br />

Liste 1 Liste 2<br />

1 ..... Berlyne (A) Synergismenlehre (ergotrop-trophotrop)<br />

(B) organismische Aktivationstheorie<br />

2 ..... Lindsley (C) reticulo-corticale Aktivationstheorie<br />

(D) Erregungspotential-Verstärkungs-Funktion<br />

3 ..... Hess (E) Prinzip der richtungsabhängigen<br />

funktionalen Fraktionierung<br />

(19) Zur Orientierungsreaktion gehören:<br />

(1) steigende Atemfrequenz<br />

(2) Ansteigen des Hautwiderstandes<br />

(3) Senkung der Reizschwelle für ankommende Stimuli<br />

(4) Erweiterung der Fingergefäße<br />

(5) biphasischer Verlauf der Herzfrequenz<br />

(A) nur 1 und 4 sind richtig<br />

(B) nur 1, 2 und 5 sind richtig<br />

(C) nur 1, 3 und 5 sind richtig<br />

(D) nur 2, 3 und 4 sind richtig<br />

(E) 1 - 5 = alle sind richtig<br />

(20) Welche Aussage für den REM-Schlaf trifft nicht zu?<br />

(A) Erniedrigung der Herzfrequenz<br />

(B) schnelle, richtungslose Bewegungen des Augapfels<br />

(C) Erektion des Penis<br />

(D) Erhöhung der Atemfrequenz<br />

(E) Erniedrigte Entladung im EMG des Kopfbereichs


80<br />

(21) Vermehrte Sympathikuserregung führt zu<br />

(1) Pupillenverengung<br />

(2) Konstriktion der Hautgefäße<br />

(3) Konstriktion der Bronchialmuskeln<br />

(4) vermehrter Salzsäuresekretion im Magen<br />

(A) nur 1 ist richtig<br />

(B) nur 2 ist richtig<br />

(C) nur 1 und 2 sind richtig<br />

(D) nur 2 und 4 sind richtig<br />

(E) 1 - 4 = alle sind richtig<br />

(22) Welche Aussage trifft für das Parkinson-Syndrom nicht zu?<br />

(A) Dopaminmangel in den Basalganglien<br />

(B) Hypotonus der Muskulatur<br />

(C) Ruhetremor<br />

(D) Akinese<br />

(E) mimische Starre<br />

(23) Welche der genannten motivationalen Zustände rechnet man zu den nicht-homöostatischen<br />

Triebmechanismen?<br />

(1) sexuelle Erregung<br />

(2) Durst<br />

(3) Explorationsverhalten<br />

(4) Schlaf<br />

(5) Hunger<br />

(A) nur 1 und 3 sind richtig<br />

(B) nur 1 und 4 sind richtig<br />

(C) nur 1, 3 und 5 sind richtig<br />

(D) nur 2, 3 und 5 sind richtig<br />

(E) keine Aussage trifft zu<br />

(24) Phobisches Verhalten entsteht meist auf der Basis aktiven Vermeidens,<br />

weil<br />

aktives Vermeiden negativ verstärkt wird.<br />

Antwort Aussage 1 Aussage 2 Verknüpfung<br />

A richtig richtig richtig<br />

B richtig richtig falsch<br />

C richtig falsch -<br />

D falsch richtig -<br />

E falsch falsch -


81<br />

(25) Eine bedingte Reaktion kann immer nur von ein und demselben Reiz ausgelöst werden,<br />

weil<br />

die Verbindung nicht auf ähnliche Reize generalisiert.<br />

Antwort Aussage 1 Aussage 2 Verknüpfung<br />

A richtig richtig richtig<br />

B richtig richtig falsch<br />

C richtig falsch -<br />

D falsch richtig -<br />

E falsch falsch -<br />

(26) Das Erlernen des Hebeldrucks ist ein Vorgang<br />

(A) des bedingten Reflexes<br />

(B) des klassischen Konditionierens<br />

(C) des operanten Konditionierens<br />

(D) des Lernens von Signalen<br />

(E) des mechanischen Lernens<br />

Lösungsschlüssel:<br />

(01) E<br />

(02) E<br />

(03) C<br />

(04) 1A, 2D, 3A<br />

(05) C<br />

(06) C<br />

(07) E<br />

(08) E<br />

(09) 1E, 2D, 3D<br />

(10) E<br />

(11) C<br />

(12) 1B, 2D, 3E<br />

(13) D<br />

(14) (A) Tranquilizer, (B) Hypnotika/Schlafmittel, (C) Neuroleptica<br />

(D) Halluzinogene, (E) Psychoanaleptica/Aufputschmittel<br />

(15) B<br />

(16) C<br />

(17) C<br />

(18) 1D, 2C, 3A<br />

(19) C<br />

(20) A<br />

(21) B<br />

(22) B<br />

(23) A<br />

(24) D

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