Linzer Bibelsaat 103 (pdf 8 MB - Diözese Linz
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Das Psalmenbuch <strong><strong>Linz</strong>er</strong> <strong>Bibelsaat</strong> Nr. <strong>103</strong>/Dezember 2007<br />
Wie Psalmen durch das Leben tragen<br />
Beten ist mehr als ein wenig privates religiöses<br />
Wohlgefühl. Beten ist Sich-Hineinbegeben<br />
und Unterwegssein in einem großen<br />
Strom, der mit seiner Kraft, die von<br />
Gott ausgeht, nun schon nahezu drei Jahrtausende<br />
Psalmenbeter und -beterinnen<br />
zusammengeführt hat, ein Strom, der bis<br />
heute lebendig ist. Es ist eine höchst spannende<br />
und faszinierende Sache, anhand<br />
des großen biblischen Meditations- und<br />
Gebetbuches der Psalmen die Stationen<br />
des betenden Menschen näher zu verfolgen.<br />
Hat sich doch das kleine Gottesvolk<br />
Israel mit seinen Psalmen bereits eingereiht<br />
in die uralte, große Geschichte betender<br />
Menschen in seiner Nachbarschaft, im alten<br />
Zwischenstromland (Mesopotamien) und in<br />
Ägypten. Es hat dabei die Erfahrungen<br />
seines eigenen Lebens und Glaubens von<br />
nahezu 1000 Jahren immer wieder meditiert<br />
und ins Gebet gefasst.<br />
David, Salomo und andere Sänger<br />
Die Namen der Könige David, Salomo<br />
und anderer Sänger über diesen Psalmen<br />
stehen dabei stellvertretend für alles, was<br />
viele einzelne Menschen an äußerer und<br />
innerer Not vor ihren Gott getragen haben:<br />
- an Gottverlassenheit (Ps 22),<br />
- an scheinbar vergeblichem leidenschaftlichen<br />
Pochen an Gottes Tore (Ps 13),<br />
- an schmerzlichem Nachgrübeln über<br />
Leben mit Ungerechtigkeiten (Ps 73),<br />
- an Verlorenheit in Schuld und Sünde (Ps<br />
51; 130);<br />
- an unzerstörbarem Vertrauen: „Auf dich,<br />
o Herr, habe ich vertraut; lass mich niemals<br />
scheitern!“ (Ps 31,1-2; 71,1),<br />
- an Freude über die Gemeinschaft beim<br />
Pilgern zum Heiligtum (Ps 84; 122),<br />
SS 24<br />
- am festlichen Gottesdienst (Ps 42,5;<br />
118,19-29).<br />
Auch die Umbrüche und Katastrophen in<br />
der Geschichte der Gemeinschaft, ihr immer<br />
neues Hoffen auf Zukunft, auf einen Gesalbten<br />
und auf die Vollendung von Gottes<br />
Königtum sind zum Gebet geworden und<br />
sind es bis heute im gläubigen Judentum.<br />
Jesus, seine Mutter und die Apostel<br />
Jesus selber, seine Mutter und die Apostel<br />
haben sich in diesen gewachsenen, bewährten<br />
Strom gebeteten Glaubens in das<br />
Buch der Psalmen hinein begeben: Jesus<br />
hat mit Ps 110,1 „Es sprach der Herr zu<br />
meinem Herrn …“ auf seinen messianischen<br />
Anspruch aufmerksam gemacht; er ist<br />
nach den Evangelien im Anschluss an den<br />
Lobgesang der Psalmen zum Ölberg gegangen<br />
(Mk 14,26) und mit Worten aus Ps 22,2<br />
(Mt 27,46; Mk 15,34) und Ps 31,6 (Lk 23,46)<br />
in der Erfahrung äußerster Verlassenheit,<br />
aber auch letzten Vertrauens gestorben.<br />
Marias großer Lobgesang ist in der Sprache<br />
der Psalmen abgefasst (Lk 1,46-55).<br />
Die junge Kirche<br />
Die junge Kirche hat dieses Buch, das<br />
im Neuen Testament am öftesten zitiert<br />
wird, mit seinem Spannungsreichtum und<br />
seiner Wirklichkeitsnähe gegenüber manchem<br />
frommen Überschwang zum Kern<br />
ihres Gebetsschatzes gemacht. Große<br />
Psalmenbeter wie Athanasius im Osten,<br />
Ambrosius und Augustinus in der Kirche des<br />
Westens haben daraus gelebt und es für<br />
ihre Christengemeinden reich entfaltet und<br />
gepredigt. So sind die Psalmen auch das<br />
Meditationsbuch der Mönche der Kirche des<br />
Ostens und des Westens, aber auch das bis<br />
heute lebendige, große Gesangbuch geworden,<br />
das im gregorianischen Choral weiter<br />
klingt. Selbst die Laien wollten im „Psalter“<br />
des Rosenkranzes daran Anteil nehmen!