Politik und Kultur - Deutscher Kulturrat
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STAATSZIEL KULTUR / EUROPA<br />
politik <strong>und</strong> kultur • März – April 2007 • Seite 22<br />
Fortsetzung von Seite 21<br />
<strong>Kultur</strong> kann der Staat...<br />
der Länder folgt bzw. zu folgen hat.<br />
Das Gleiche gilt für eine Staatszielbestimmung<br />
Sport. Im Übrigen steht<br />
das Gr<strong>und</strong>gesetz auch in seiner geltenden<br />
Fassung von heute den Regelungsbereichen<br />
von <strong>Kultur</strong> <strong>und</strong><br />
Sport nicht etwa indifferent gegenüber.<br />
Vor allem für den Bereich der<br />
<strong>Kultur</strong> <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong>politik finden sich<br />
im Gr<strong>und</strong>gesetz bereits heute eine<br />
ganze Reihe von speziellen Regelungen.<br />
Für den Sport findet sich im<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz allerdings keine ausdrückliche<br />
Regelung.<br />
Staatsaufgabe <strong>Kultur</strong><br />
Die Pflege der <strong>Kultur</strong> ist nach ganz<br />
allgemeiner Auffassung eine ebenso<br />
allgemeine wie gültige Staatsaufgabe.<br />
Jede Form kulturellen Schaffens<br />
oder Wirkens stellt allerdings keine<br />
staatliche Eigenzuständigkeit dar;<br />
<strong>Kultur</strong> kann der Staat nicht machen,<br />
er kann sie nur pflegen. In diesem<br />
Sinne ist <strong>Kultur</strong> ein genuin-gesellschaftlicher<br />
(Freiheits-)Tatbestand,<br />
der auf der anderen Seite aber der<br />
staatlichen Pflege <strong>und</strong> Förderung in<br />
vielfältiger Weise bedarf. Andererseits<br />
obliegt dem Staat in aller Regel<br />
die Pflicht zur kulturpolitischen<br />
Neutralität, weil nur dies die für jede<br />
Form kulturellen Schaffens oder Wirkens<br />
notwendige Freiheit von Bürger<br />
<strong>und</strong> Gesellschaft wahrt. <strong>Kultur</strong> begründet<br />
kulturelle Identität. Sie ist<br />
die Basis eines jeden Verfassungsstaates<br />
<strong>und</strong> einer jeden <strong>Kultur</strong>nation.<br />
In diesem Sinne nennt kulturelle<br />
Identität von vornherein ein ungeschriebenes<br />
Verfassungsprinzip<br />
bzw. eine immanente Verfassungsvoraussetzung,<br />
d.h. eine Voraussetzung,<br />
die eine Verfassung nicht<br />
selbst schaffen kann, die vielmehr<br />
jeder verfassungsstaatlichen Ordnung<br />
in entsprechend identitätsstiftender<br />
Weise vorausgeht. In diesem<br />
Sinne nennt kulturelle Identität <strong>und</strong><br />
damit auch im weiteren Sinne kulturelles<br />
Schaffen bzw. Wirken<br />
zunächst eine vor- bzw. außerrechtliche<br />
Gegebenheit, die andererseits<br />
aber auch von der Verfassung vorausgesetzte<br />
wie der Verfassung in<br />
ungeschriebener Form immanente<br />
Kernidentitäten begründet. Eine<br />
Staatszielbestimmung <strong>Kultur</strong> bzw.<br />
<strong>Kultur</strong>staatlichkeit hat in diesem<br />
Sinne keine tatbestandlich konstituierende<br />
Qualität. Sie kann andererseits<br />
aber verfassungsrechtlich bestätigende<br />
<strong>und</strong> gerade pflege- <strong>und</strong><br />
förderungspolitisch stärkende Wirkung<br />
entfalten. Dies gilt ebenso hinsichtlich<br />
der Bewahrung des kulturellen<br />
Erbes wie hinsichtlich der<br />
Wahrung <strong>und</strong> Stärkung des kulturellen<br />
Bewusstseins damit auch der<br />
kulturellen Identität. <strong>Kultur</strong>elle Identität<br />
begründet, wie bereits erwähnt,<br />
die Gr<strong>und</strong>lagen der wiederum identitätsstiftenden<br />
<strong>und</strong> -wahrenden<br />
<strong>Kultur</strong>nation – ein Tatbestand, den<br />
mit Recht auch das europäische Gemeinschaftsrecht<br />
heute ausdrücklich<br />
aufgreift (vgl. Art. 133, 151 EGV).<br />
Staatszielbestimmung<br />
<strong>Kultur</strong>?<br />
In diesem Sinne <strong>und</strong> mit dieser Maßgabe<br />
erscheint die Aufnahme einer<br />
Staatszielbestimmung <strong>Kultur</strong> in das<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz nicht sinnwidrig; ungeachtet<br />
der Tatsache, dass es hinsichtlich<br />
der kulturpolitischen Verantwortung<br />
des Staates keiner solchen<br />
Staatszielbestimmung ausdrücklich<br />
bzw. zusätzlich bedarf. Dabei muss<br />
allerdings klar sein, dass die Wesensmerkmale<br />
der (bloßen) Staatszielbestimmung,<br />
wie sie oben dargelegt<br />
wurden, gewahrt bleiben. Aus einer<br />
solchen Staatszielbestimmung folgen<br />
namentlich keine bestimmten politischen<br />
Programmatiken, folgen keine<br />
(einklagbaren) Förderungsansprüche<br />
<strong>und</strong> keine Kompetenzbegründungen<br />
bzw. gar Kompetenzverschiebungen<br />
im Verhältnis von B<strong>und</strong>, Ländern <strong>und</strong><br />
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wird eine Formulierung durchaus gerecht,<br />
wie sie von der Enquete-Kommission<br />
„<strong>Kultur</strong> in Deutschland“ vorgeschlagen<br />
worden ist: „Der Staat<br />
schützt <strong>und</strong> fördert die <strong>Kultur</strong>“.<br />
Staatszielbestimmung<br />
Sport?<br />
Sport stellt einen außerordentlich<br />
differenzierten gesellschaftlichen,<br />
freiheitlichen Gesamttatbestand dar,<br />
dem keine staatliche Verantwortung<br />
korrespondiert, wie sie für den Bereich<br />
der <strong>Kultur</strong> ebenso festzustellen<br />
wie vorauszusetzen war. Der Staat<br />
fördert den Sport zwar vielfältig; <strong>und</strong><br />
solche Förderung ist auch ebenso<br />
vielfältig notwendig. Ungeachtet dessen<br />
kann aber nicht davon gesprochen<br />
werden, dass die Förderung des<br />
Sports eine insgesamt staatliche Verantwortung<br />
darstellt. Sport ist Spiel,<br />
Sport ist unendlich vielfältig <strong>und</strong><br />
Sport basiert vor allem auf freiheitlich-bürgerlicher<br />
Spontaneität oder<br />
Freiwilligkeit. In diesem Sinne unterscheidet<br />
sich der Sport elementar<br />
vom Bereich der <strong>Kultur</strong>. Der Sport findet<br />
in vielfältigster Form statt – vom<br />
Breitensport bis zum Leistungssport.<br />
Der Sport stellt im Bereich des Breiten-<br />
<strong>und</strong> Amateursports freiwilliges<br />
individuelles Verhalten dar; er stellt<br />
auf der anderen Seite im Bereich des<br />
Leistungs- <strong>und</strong> Profisports auch gewerbliche<br />
Betätigung <strong>und</strong> einen wesentlichen<br />
Beitrag zur allgemeinen<br />
Unterhaltung dar. In diesem Sinne<br />
gibt es keinen einheitlichen bzw. juristisch<br />
geschlossenen Tatbestand<br />
„des Sports“. Staatliche Förderungspflichten<br />
lassen sich demgemäß auch<br />
nicht in entsprechend tatbestandlich-allgemeiner<br />
Form begründen.<br />
Staatliche Förderungs- oder Pflegepflichten<br />
finden sich ausschließlich<br />
bzw. vorrangig dort, wo es z.B. um<br />
den Bereich der Ges<strong>und</strong>heit geht (Behindertensport!)<br />
oder wo es um die<br />
Bekämpfung von Mißbräuchen geht<br />
(z.B. Verhinderung von Doping im<br />
Leistungssport). Solche staatlichen<br />
Verantwortlichkeiten basieren aber<br />
nicht im Sport als solchem, sondern<br />
sind instrumentaler Art (Sport als Ges<strong>und</strong>heitspflege)<br />
oder basieren in der<br />
Bekämpfung bestimmter (ges<strong>und</strong>heitsschädlicher)<br />
Mißbräuche (Dopingbekämpfung<br />
etc.).<br />
Problematik einer Staatszielbestimmung<br />
Sport<br />
Aus diesen vorgenannten Gründen<br />
ergeben sich erhebliche Probleme<br />
hinsichtlich einer Staatszielbestimmung<br />
Sport, wie sie teilweise gefordert<br />
wird. Alle entsprechenden Vorschläge<br />
operieren mit einem Bild „des Sports“,<br />
Europa <strong>und</strong> die <strong>Kultur</strong><br />
wie er in dieser einheitlichen <strong>und</strong> damit<br />
auch justitiablen Form tatsächlich<br />
nicht gegeben ist. Eine Staatszielbestimmung<br />
Sport ist demgemäß nach<br />
meiner Auffassung nicht zu empfehlen.<br />
Der Staat verfügt zwar über Verantwortlichkeiten<br />
im Bereich des<br />
Sports <strong>und</strong> der Staat ist mit Sicherheit<br />
auch aufgerufen, bestimmte sportliche<br />
Betätigungen zu fördern <strong>und</strong> zu<br />
pflegen. Aber dies ist stets eine Frage<br />
des Einzelfalls bzw. hängt konkret<br />
davon ab, welchem anderweitigen<br />
Zweck eine sportliche Betätigung<br />
jeweils dient. Mit Sicherheit kann<br />
beispielsweise nicht in allgemeiner<br />
Form davon gesprochen werden, dass<br />
der Staat hinsichtlich des Leistungs<strong>und</strong><br />
Profisports eine Verpflichtung zur<br />
Pflege oder Förderung besitzt. Ungeachtet<br />
der Tatsache, dass der Staat in<br />
diesen Bereichen heute vielfältig tätig<br />
ist, muss die Entscheidung darüber,<br />
ob <strong>und</strong> inwieweit der Staat auch in solchen<br />
Sportfeldern tätig wird, in der<br />
ausschließlichen Zuständigkeit des<br />
Gesetzgebers <strong>und</strong> seines politischen<br />
Ermessens verbleiben.<br />
Der Verfasser ist Professor an der<br />
Ludwigs-Maximilians-Universität<br />
München. Er gehörte als Mitglied<br />
des Deutschen B<strong>und</strong>estags der<br />
Gemeinsamen Verfassungskommission<br />
des Jahres 2002 an.<br />
Spotlight auf die deutsche Präsidentschaft • Von Barbara Gessler<br />
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Nun ist sie also in vollem Gange,<br />
die EU-Präsidentschaft Deutschlands.<br />
Die Mitglieder der Kommission<br />
geben sich nicht nur, aber<br />
schwerpunktmäßig, in Berlin die<br />
Klinke in die Hand <strong>und</strong> nicht nur die<br />
Beamten der Ministerien sind dabei,<br />
große Veranstaltungen <strong>und</strong> normale<br />
Arbeitssitzungen zu organisieren.<br />
Die Europäische Union steht an<br />
diesem Anfang des Jahres 2007<br />
aber auch deshalb besonders im<br />
Rampenlicht, da alle mehrjährigen<br />
Programme neu beginnen, nicht nur<br />
die Programme KULTUR, das offiziell<br />
am 3. März in Brüssel mit dem zuständigen<br />
Kommissar Jan Figel’ gelauncht<br />
wird, oder MEDIA 2007, das<br />
auf der Berlinale durch Kommissarin<br />
Viviane Reding gestartet wurde,<br />
sondern auch die richtigen Haushaltsschwergewichte<br />
wie Regional<strong>und</strong><br />
Landwirtschaftsfonds, das Programm<br />
zum Lebenslangen Lernen<br />
oder das 7. Forschungsrahmenprogramm.<br />
Bei allen diesen Programmen<br />
stehen die Bemühungen, auf<br />
europäischer Ebene zu nachhaltigem<br />
Wachstum <strong>und</strong> Beschäftigung<br />
beizutragen, im Vordergr<strong>und</strong>. Der<br />
Frühjahrsgipfel wird sich traditionell<br />
diesem Thema widmen <strong>und</strong> zum<br />
ersten Mal gehört ein solches Thema<br />
wie Investition in die Köpfe, also Europas<br />
Wettbewerbsfähigkeit durch<br />
bessere Bildung zu erhöhen, gleichrangig<br />
dazu. Auf den direkten <strong>und</strong><br />
indirekten Beitrag der Kreativen zur<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen in einem<br />
Sektor, dessen Potenzial noch<br />
zu wenig gewürdigt <strong>und</strong> genutzt<br />
wird, wird dieses Jahr zu mehreren<br />
Gelegenheiten die Aufmerksamkeit<br />
gelenkt. Im Februar haben sich die<br />
<strong>Kultur</strong>minister in ihrem informellen<br />
Treffen in Berlin darüber ausgetauscht,<br />
eine der drei großen Konferenzen<br />
der deutschen Präsidentschaft<br />
Anfang Mai wird sich sektorenspezifisch<br />
<strong>und</strong> konkret damit beschäftigen.<br />
Die Überlegungen dazu<br />
sollen in eine Mitteilung über die<br />
Rolle der <strong>Kultur</strong> in Europa einmünden,<br />
die die Bedeutung des kulturellen<br />
Bereichs für die europäische Integration<br />
<strong>und</strong> Wirtschaft erstmals<br />
umfassend honorieren sollen. Auch<br />
hier soll Anfang Juni eine breite Diskussion<br />
im Rahmen einer Konferenz<br />
in Berlin inhaltlich Relevantes aus<br />
dem <strong>Kultur</strong>bereich selbst beitragen.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt der<br />
kommenden Monate wird ohne Zweifel<br />
das Inkrafttreten der UNESCO-<br />
Konvention zum Schutz <strong>und</strong> zur Förderung<br />
der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen<br />
vermutlich im März<br />
sein, das die deutsche Präsidentschaft<br />
ebenfalls mit einer großen Konferenz<br />
in Essen Ende April begleiten <strong>und</strong> damit<br />
gleichzeitig zum konkreten Umsetzungsprozess<br />
beitragen will.<br />
Gleichzeitig begann im Januar das<br />
Europäische Jahr der Chancengleichheit,<br />
das als horizontale Aktivität<br />
darauf aufmerksam machen<br />
soll, dass der Gr<strong>und</strong>satz der Nichtdiskriminierung<br />
in Europa auch<br />
ohne eine rechtlich verbindliche<br />
Gr<strong>und</strong>rechtecharta einen Felsen der<br />
europäischen Einigung darstellt.<br />
Darauf zu schauen, auf welchen Werten<br />
dieses Europa beruht, wird<br />
besonders Ende März auf der Tagesordnung<br />
stehen, wenn die „Berliner<br />
Erklärung“ anlässlich des 50. Geburtstags<br />
der Römischen Verträge<br />
nicht nur zurückblickt, sondern auch<br />
die Chancen <strong>und</strong> Möglichkeiten für<br />
die Bürger <strong>und</strong> insbesondere auch für<br />
die Jugend durch die europäische Einigung<br />
erneut politisch glaubhaft<br />
zum Ausdruck gebracht werden sollen.<br />
Dass sich <strong>Kultur</strong>schaffende auch<br />
weiterhin an dem Dialog über Europa<br />
<strong>und</strong> an seiner Ausformierung beteiligen<br />
sollen, wird in diesem Jahr<br />
möglicherweise nötiger, aber auch<br />
möglicher sein denn je, schließlich<br />
hat sich ja die deutsche Präsidentschaft<br />
als oberstes Ziel gesetzt, den<br />
ins Stocken geratenen Verfassungsprozess<br />
wieder auf den Weg zu bringen.<br />
Die Verfasserin ist Leiterin der Vertretung<br />
der EU-Kommission in Bonn