Cannstatter Volksfestzeitung 2008
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24 ::: <strong>Cannstatter</strong> <strong>Volksfestzeitung</strong> <strong>2008</strong><br />
Stuttgarts Brauereien leisten sich ein traditionelles Renommee<br />
Schaffen wie<br />
ein Brauereigaul<br />
Zu den schönsten Bräuchen des <strong>Cannstatter</strong> Volksfestes gehören die<br />
herrlichen Brauereigespanne, die jeden Tag vor den großen Brauereizelten<br />
stehen. Sie erinnern an die Zeiten, als das Bier noch mit dem Pferdewagen<br />
ausgeliefert wurde.<br />
Noch bis in die Sechziger-<br />
Jahre hinein besaßen<br />
die Brauereien Dinkelacker<br />
und Schwaben Bräu eigene<br />
Pferde und Stallungen und<br />
beschäftigten sogar eigene Sattler<br />
und Hufschmiede“, erzählt<br />
Helmar Sternagel, der den Einsatz<br />
der Gespanne beim Volksfest<br />
koordiniert. „Heute werden<br />
die Pferde für die Dauer des<br />
Volksfestes gemietet.“ Im provisorischen<br />
Stall in Stuttgart-<br />
Heslach herrscht am frühen<br />
Morgen schon geschäftiges<br />
Treiben. Zwölf edle<br />
Kaltblüter wollen<br />
auf ihren<br />
Einsatz vorbereitet<br />
werden. Die<br />
Rappen für das Schwaben<br />
Bräu-Gespann stellt Baptist Falter<br />
aus Poschetsried im Bayerischen<br />
Wald, die Schimmel für<br />
das Dinkelacker-Gespann Peter<br />
Müller aus Alfdorf im Welzheimer<br />
Wald.<br />
Der Tag beginnt um fünf Uhr<br />
mit dem Füttern der Pferde.<br />
Heu und Gras stehen auf dem<br />
Speiseplan, dazu Rübenschnitzel<br />
und Hafer, der die nötige<br />
Kraft gibt. Obwohl die 46 Fässer<br />
leer sind, bringt so ein Bierwagen<br />
immerhin gut fünf Tonnen<br />
auf die Waage. Für den perfekten<br />
Auftritt werden die Pferde<br />
zuvor geduscht, abgestreift<br />
und gestriegelt. Etwas Shampoo<br />
macht das Fell der Schimmel<br />
besonders weich und weiß.<br />
Das Tüpfelchen auf dem „i“ bilden<br />
die glänzenden, mit Huffett<br />
gebürsteten Hufe. Die wertvollen<br />
Geschirre, wie zum Beispiel<br />
das Sechsergespann, sind<br />
Brauereibesitz.<br />
Massige Gäule<br />
Bis die beiden Sechsergespanne<br />
angeschirrt sind, dauert es<br />
einige Zeit, doch pünktlich um<br />
neun Uhr wird zum Aufbruch<br />
gerufen. Ich fahre die erste<br />
Wegstrecke mit dem Schwaben<br />
Bräu-Gespann. Ein Kutschbock,<br />
sechs Männer, inzwischen<br />
in zünftiger Tracht, und<br />
ich – wie haben wir da alle<br />
Platz? Doch es geht, ich darf in<br />
die Mitte, zwei der Begleiter setzen<br />
sich auf Fässer, die anderen<br />
stehen auf den Trittbrettern<br />
links und rechts, bereit, unterwegs<br />
in kritischen Situationen<br />
schnell abzusteigen. Ein<br />
Schnalzer, und mit einem Ruck<br />
setzt sich der schwere Wagen in<br />
Bewegung. 12,5 Kilometer Wegstrecke<br />
liegen vor uns, quer<br />
durch die Stadt zum <strong>Cannstatter</strong><br />
Wasen. Mir fällt auf, dass<br />
nur die Schimmel einen Maulkorb<br />
tragen und ich frage, ob sie<br />
lebhafter seien, als die Rappen.<br />
„Nein“, erfahre ich, „das ist einfach<br />
Tradition. Die Tiere mussten<br />
während des Bierauslieferns<br />
lange vor den Lokalen stehen,<br />
der Maulkorb sorgte dafür,<br />
dass sie in dieser Zeit nichts anstellen<br />
konnten.“ Früher bevorzugten<br />
die Brauereien Dinkelacker<br />
und Schwaben Bräu belgisches<br />
Kaltblut, heute sind es<br />
französische Percheronpferde,<br />
die trotz ihrer massigen Größe<br />
durch ihren eleganten Gang beeindrucken.<br />
Eineinhalb- bis<br />
zweijährig werden sie von den<br />
großen Weiden der Normandie<br />
gekauft und dann sorgfältig<br />
ausgebildet, Baptist Falter und<br />
Peter Müller züchten aber auch<br />
selbst. Und was machen die<br />
Pferde außerhalb der Zeit des<br />
<strong>Cannstatter</strong> Volksfestes? Baptist<br />
Falter, der eine Landwirtschaft<br />
und eine Pension betreibt,<br />
wirkt mit seinen Percheronrappen<br />
auch bei anderen<br />
Umzügen mit, Peter Müller<br />
bietet in Alfdorf Planwagen-