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nachlesen. - Kultur macht Europa

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40 Lorenz Richter<br />

wie »Venezianische Kunst«, »Kirchliche Kunst Bayerns« oder »Französische<br />

und italienische Genremalerei« auch regionale und nationale Strömungen<br />

der Zeit offen. 83 Die insgesamt 34 Räume der Rokoko-Schau hätten es vermocht,<br />

so das »Echo der Zeit«, »sowohl die Gemeinschaftlichkeit der europäischen<br />

<strong>Kultur</strong> wie auch die nationalen Charaktere sichtbar« zu machen. 84<br />

Mit dem Ansatz, nationale Strömungen gesondert aufzuzeigen, dienten die<br />

Ausstellungsmacher durchaus dem erklärten Ziel der Ausstellungsreihe, ein<br />

übernationales, europäisches Bewusstsein zu schaffen. Die Konstruktion<br />

einer übernationalen Identität − über diverse nationale Identitäten − bildete<br />

schließlich keinen Widerspruch: »Die Identität, die alleine die geistige<br />

Grundlage des vereinigten <strong>Europa</strong> bilden kann, unterscheidet sich formell<br />

überhaupt nicht von irgendeiner der einzelnen nationalen Identitäten, auf<br />

denen die ihm zugehörigen Nationalstaaten beruhen. Wäre <strong>Europa</strong> doch<br />

auch nichts anderes als ein Vielvölkerstaat, wie beinahe alle europäischen<br />

Staaten, würde es dadurch doch ebenso wenig wie diese daran gehindert,<br />

sich als eine, alle anderen einschließende, in diesem Falle also europäische<br />

Nation zu verstehen.« 85<br />

Der »größte Verdienst« der Ausstellung sei es laut Presse aber gewesen,<br />

dass sie sich nicht auf die Präsentation des konventionellen Bildes des Rokoko<br />

beschränkt hätte, das in den Kritiken mit Schlagworten wie »Leichtfertigkeit«,<br />

»Grazie«, »Charme«, »Lebenskunst«, »Selbstverliebtheit« beschrieben<br />

wurde. 86 In den Augen mehrerer Kritiker gelang es ihr vielmehr, hinter die<br />

Fassade des schönen Scheins zu blicken und damit eine neue Perspektive<br />

auf das Rokoko zu eröffnen. 87 Die Organisatoren zeigten eine differenzierte<br />

und spannungsgeladene <strong>Kultur</strong>, obwohl sie mittels einer anderen Auswahl<br />

83 Vgl. dazu die Auflistung der Ausstellungsthemen in: Das Jahrhundert des Rokoko.<br />

Ausstellung unter den Auspizien des <strong>Europa</strong>rats in der Residenz zu München, in:<br />

Bulletin Nr. 120, 8. 7. 1958, S. 1266–1268, hier S. 1268.<br />

84 Philipp Baude: Europäisches Rokoko. Kunst und <strong>Kultur</strong> des 18. Jahrhunderts in<br />

München, in: Echo der Zeit, 6. 7. 1958; S. auch: Die Überwindung der Schwerkraft.<br />

Münchens Jubiläumsausstellung ›Europäisches Rokoko‹, in: Sonntagsblatt v.<br />

31. 8. 1958.<br />

85 Kurt Hübner: Geistige Grundlagen eines Vereinigten <strong>Europa</strong>, in: Gerhard Seifert<br />

(Hg.): Vereinigtes <strong>Europa</strong> und nationale Vielfalt – Ein Gegensatz? Hamburg 1994,<br />

S. 11–25, hier S. 21.<br />

86 Gerhard Schön: Europäisches Rokoko. Zur 4. Ausstellung des <strong>Europa</strong>rats in München,<br />

in: Badische Zeitung v. 21. 6. 1958.<br />

87 Richard Biedrzynski: Das geschminkte Zeitalter/Zur großen Rokoko-Ausstellung<br />

in München, in: Stuttgarter Zeitung v. 16. 6. 1958; Erich Pfeiffer-Belli: Üppiger<br />

Abschied des feudalen <strong>Europa</strong>. Das übliche Bild vom Rokoko stimmt nicht –<br />

Münchens schönste Geburtstagsgabe: eine Ausstellung, in: Die Welt v. 19. 6. 1958;<br />

Gerhard Schön: Europäisches Rokoko. Zur 4. Ausstellung des <strong>Europa</strong>rats in München,<br />

in: Badische Zeitung v. 21. 6. 1958; Rudolf Goldschmitt: Geschminktes und<br />

ungeschminktes Rokoko. Zur Münchener Ausstellung ›Kunst und <strong>Kultur</strong> des 18.<br />

Jahrhunderts‹, in: Der Tagesspiegel v. 3. 7. 1958.

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