nachlesen. - Kultur macht Europa
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24 Lorenz Richter<br />
Prinzip benannt, das für die Kunstausstellungen prägend werden sollte. In<br />
seiner Präambel fand die damals wie heute teils phrasenhaft verwendete<br />
Idee der »Einheit in Vielheit« als Merkmal der europäischen <strong>Kultur</strong> ihren<br />
Eingang. 16 »European culture (…) is one and varied«, lautete der Wortlaut<br />
der Präambel von 1949. 17 Die Vielgestaltigkeit erkläre sich dabei aus den<br />
unterschiedlichen nationalen Historien, die Einheit aus den freiheitlichen<br />
Werten: <strong>Europa</strong> verstanden als Wertegemeinschaft. Innerhalb der Vorbereitungsphasen<br />
für die Kunstausstellungen wurde das Element der Vielgestaltigkeit<br />
immer wieder problematisiert, hatten diese Veranstaltungen doch<br />
die Vorgabe, die kulturelle Einheit <strong>Europa</strong>s zu visualisieren.<br />
Der nächste Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen<br />
<strong>Kultur</strong>politik wurde am 5. Mai 1955 mit dem Europäischen <strong>Kultur</strong>abkommen<br />
begangen. 18 Während die Satzung des <strong>Europa</strong>rats das Ziel seiner <strong>Kultur</strong>politik<br />
definierte – mithin das gemeinsame Erbe zu fördern und zu<br />
schützen –, setzte das <strong>Kultur</strong>abkommen die rechtliche Grundlage dafür.<br />
Erarbeitet hatte das Abkommen das »Komitee der <strong>Kultur</strong>experten«, eine<br />
Gruppe von Regierungsvertretern innerhalb des <strong>Europa</strong>rats, die sich für<br />
das kulturelle Programm – so auch die Kunstausstellungen – verantwortlich<br />
zeichneten. Auf die Organisation der Europäischen Kunstausstellungen<br />
hatte das <strong>Kultur</strong>abkommen konkrete Auswirkungen; etwa dadurch, dass die<br />
zukünftigen Vertragsparteien nicht zwangsläufig Mitglieder des <strong>Europa</strong>rats<br />
zu sein hatten. Daraus resultierte, dass auch Nichtmitglieder des <strong>Europa</strong>rats<br />
nationale Vertreter zu den Sitzungen des Komitees der <strong>Kultur</strong>experten schicken<br />
konnten. 19 Es stand also allen Signatarstaaten des <strong>Kultur</strong>abkommens<br />
16 Vgl. dazu u. a. Olaf Schwenke: Das <strong>Europa</strong> der <strong>Kultur</strong>en – <strong>Kultur</strong>politik in <strong>Europa</strong>.<br />
Dokumente, Analysen und Perspektiven – von den Anfängen bis zur Grundrechtecharta,<br />
Bonn 2001, S. 49; Judith Kruse: Europäische <strong>Kultur</strong>politik am Beispiel<br />
des <strong>Europa</strong>rats, Münster/Hamburg 1993, S. 35; Michael Essig: Europäische Identitätsfindung.<br />
Das Reich als europäische Vision, Hildesheim/Zürich/New York 1999,<br />
S. 59. Werner Weidenfeld schreibt dazu: »Die Einheit in der Vielheit – diese pauschale<br />
Erklärung mußte immer wieder über Einwände und Widersprüche hinweghelfen.<br />
Als sonderlich tragfähig hat sich eine solch trübe Dialektik allerdings nie<br />
erwiesen. Die Fragen sind geblieben«, Werner Weidenfeld: <strong>Europa</strong> – aber wo liegt<br />
es? in: ders. (Hg.): Die Identität <strong>Europa</strong>s, München 1985, S. 13–41, hier S. 13.<br />
17 Council of Europe. Consultative Assembly: Ordinary Sessions. Documents – Working<br />
papers. Strasbourg 1949: Document Nr. 101, Recommendations to the Committee<br />
of Ministers, (im Folgenden als »Document 101« zitiert).<br />
18 In Übereinstimmung mit der amtlichen Übersetzung Deutschlands wird im<br />
Folgenden der Terminus »Europäisches <strong>Kultur</strong>abkommen« verwendet. Andere<br />
Quellen sprechen von der »Europäischen <strong>Kultur</strong>konvention«. Beide Begriffe sind<br />
synonym zu verstehen.<br />
19 Carstens, S. 214: »Die europäische <strong>Kultur</strong>konvention bestimmt ausdrücklich, daß<br />
jeder Nichtmitgliedstaat, der der Konvention beitritt, einen oder mehrere Vertreter<br />
zu den Sitzungen des Ausschusses der <strong>Kultur</strong>sachverständigen entsenden<br />
kann. Da die <strong>Kultur</strong>konvention hinsichtlich der Rechte und Befugnisse dieser Ver-