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nachlesen. - Kultur macht Europa

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50 Lorenz Richter<br />

Die europaweite Veröffentlichung des Plakats im Juli 1959 erfolgte nur<br />

vier Monate nach der mühevoll errungenen Unterzeichnung der Verträge<br />

von Zürich und London. In diesen hatten sich die Premierminister Griechenlands,<br />

der Türkei, Großbritanniens und die Führer der beiden Volksgruppen<br />

Zyperns auf eine Kompromisslösung zur Zypernfrage geeinigt, die zum Teil<br />

blutig ausgefochten worden war. In dieser angespannten politischen Lage,<br />

und kurz vor der Verlautbarung des Beitrittsgesuchs der Türkei in die EWG<br />

am 31. Juli 1959, traf die europaweit publizierte, Partei ergreifende Darstellung<br />

osmanischer Gräueltaten einen empfindlichen Nerv der Türken; umso<br />

mehr als dass es ohne weiteres möglich war, Parallelen zwischen dem von<br />

Delacroix Dargestellten und den aktuellen Ereignissen auf der Insel Zypern<br />

zu ziehen. Ob tatsächlich keinerlei politische Absichten hinter der Wahl<br />

des Titelplakats für die 59er Ausstellung steckten, wie von britischer Seite<br />

beteuert wurde, soll hier nicht zur Diskussion stehen. 113 Dass aber den Ausstellungsmachern<br />

die aktuellen politischen Prozesse und die Parallelen zu<br />

dem Thema des gewählten Gemäldes entgangen waren, ist äußerst unwahrscheinlich.<br />

114<br />

Im Sommer 1959 erhielten die Pressekorrespondenten beim <strong>Europa</strong>rat<br />

Werbematerialien zur neuen Europäischen Kunstausstellung, darunter das<br />

besagte Titelplakat. Die Reaktion aus Istanbul folgte prompt. Die Wahl des<br />

Plakates entspreche absolut nicht den Zielen des <strong>Europa</strong>rats, so der türkische<br />

Repräsentant im <strong>Europa</strong>rat, und müsse sofort europaweit eingezogen<br />

werden. 115 Diesem Wunsch wurde nicht entsprochen, die nächste Auflage<br />

des Ausstellungskataloges erhielt lediglich ein anderes Titelblatt.<br />

Auf der nächsten Sitzung der <strong>Kultur</strong>experten, im Dezember 1959, gingen<br />

sowohl der türkische als auch der griechische Delegierte in ihren Forderungen<br />

weiter. Dem Generalsekretär müsste die Pflicht auferlegt werden,<br />

inhaltlich in die Organisation der Ausstellungen einzugreifen, da laut griechischem<br />

Delegierten »die Kunstausstellungen des <strong>Europa</strong>rats nicht ausschließlich<br />

künstlerischen Charakters [seien], sondern ein politisches Ziel<br />

beinhalten.« 116 Die Gegenantwort fiel deutlich aus. Robert Crivon, der als<br />

Chef der <strong>Kultur</strong>abteilung des Generalsekretariats seit 1953 die Ausstellungen<br />

betreut hatte, stellte mit Nachdruck heraus, dass weder er noch sonst<br />

ein Angestellter des Generalsekretariats die Rolle eines politischen Zensors<br />

113 Dos. 20019, 28. 10. 1959, AS/Bur(11)26, darin: Brief von Anthony Haighs an Robert<br />

Crivon vom 14. 10. 1959.<br />

114 Delacroix selbst hatte das Thema des Griechischen Unabhängigkeitskampfes<br />

auch deshalb ausgewählt, weil er öffentliche Reaktionen provozieren wollte – was<br />

ihm tatsächlich auch gelang. Harrison, Colin, »Delacroix, (Ferdinand-)​Eugène​<br />

(-Victor)«, in: Jane Turner (Hg.): The Dictionary of Art, Vol. 8, Cossiers to Diotti,<br />

London/New York 1996, S. 637–648, hier S. 647.<br />

115 Dos. 20019, 30. 7. 1959, Brief Mustafa Borovali an Lodovico Benvenuti.<br />

116 Original: »les expositions du Conseil de l’Europe ne sont pas purement artistiques,<br />

mais comportent un but politique.«

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