nachlesen. - Kultur macht Europa
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26 Lorenz Richter<br />
den. Kuypers drängte in seinem Brief darauf, die Zeit der »tastenden Versuche«<br />
in der Arbeit des <strong>Europa</strong>rats unbedingt abzukürzen. 22 Er berichtete<br />
dem Generalsekretär von seiner »kleinen Idee«, eine Serie großer europäischer<br />
Kunstausstellungen zu realisieren, welche die bedeutenden transnationalen<br />
Epochen europäischer <strong>Kultur</strong> inszenieren sollten. Dabei denke er<br />
an das romantische, das neoklassizistische oder etwa das barocke <strong>Europa</strong>. 23<br />
Nicht nur Werke der Malerei sollten präsentiert werden, sondern alle Arten<br />
von Objekten, die zum kulturellen Erbe <strong>Europa</strong>s gehörten, wie Bücher, Teppiche,<br />
Dokumente, etc. Als erste dieser Ausstellungen sollte von Belgien die<br />
Veranstaltung »L’Europe humaniste« in Brüssel organisiert werden.<br />
Kuypers erhoffte sich von diesen »spektakulären« Schauen, dass sie<br />
sowohl die obere Bildungsschicht als auch die Massen ansprechen würden.<br />
Er griff damit ein Problem auf, das dem <strong>Europa</strong>rat damals durchaus bekannt<br />
war: Die Idee der Einheit <strong>Europa</strong>s war primär den geistigen Eliten bewusst,<br />
Intellektuellen und Politikern − Menschen also, die nicht den europäischen<br />
Durchschnittsbürger repräsentierten. 24 Kuypers’ Vorhaben, auch »den<br />
Mann von der Straße« für den europäischen Gedanken zu begeistern, sollte<br />
das gesamte Ausstellungskonzept durchziehen – von Veranstaltung zu Veranstaltung<br />
mit wechselndem Erfolg.<br />
Die Resonanz auf den Brief war innerhalb des <strong>Europa</strong>rats positiv: Noch<br />
im Oktober 1952 brachte das Komitee der <strong>Kultur</strong>experten den Plan für die<br />
»Europäischen Kunstausstellungen« auf den Weg. Die schriftliche Begründung<br />
für diesen Beschluss avancierte in den kommenden Jahren zur stets<br />
wiederholten Parole, die das Ausstellungsziel sowohl innerhalb des Rates als<br />
auch für die europäische Öffentlichkeit erklären sollte: 25 »Feeling it desirable<br />
to try to catch the imagination of the general educated public, if not the<br />
broad masses of the people, by means of a spectacular display of European<br />
unity, the Belgian delegation proposes the organisation of a series of large<br />
22 Alle folgenden Zitate Kuypers’ aus: Dos. 20015–1, 24. 9. 1952, Brief von Julien Kuypers<br />
an Camille Paris.<br />
23 Tatsächlich fanden diese, von Julien Kuypers anempfohlenen Ausstellungen im<br />
Laufe von zwei Jahrzehnten alle statt. In der Reihenfolge ihrer Erwähnung: 1954<br />
in Brüssel, 1959 in London, 1972 in London und 1957 in Rom, letzteres um die<br />
Epochen Realismus und Klassizismus thematisch erweitert.<br />
24 Zur Sichtweise dieses Problems in den 1950er Jahren: Max von Beloff: <strong>Europa</strong> und<br />
die Europäer. Eine internationale Diskussion, Köln 1959, S. 219 f. Aufschlussreich<br />
ist dazu auch Wilhelm Karbe: Politik des Reisens? Eine Untersuchung über die<br />
Bedeutung von Auslandsreisen für die Schaffung eines <strong>Europa</strong>bewußtseins. Teil 2:<br />
›Austausch‹ und <strong>Europa</strong>bewußtsein, in: <strong>Europa</strong>-Archiv 7 (1954), S. 6461–6468,<br />
insb. S. 6462 u. S. 6467.<br />
25 Vgl. etwa Dos. 20010–1, ohne Datum, [nach dem 1. 4. 1957], Aktennummer<br />
A 34.179, »Publicity aspects of European Exhibitions«, S. 1.