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Mikrowelleneinflüsse auf Reaktionsfronten von Festkörperreaktionen

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A1<br />

Hesse<br />

Zwischenbericht zum Teilprojekt A 1<br />

Thema:<br />

<strong>Mikrowelleneinflüsse</strong> <strong>auf</strong> <strong>Reaktionsfronten</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Festkörperreaktionen</strong><br />

Leiter:<br />

Priv.-Doz. Dr. Dietrich Hesse<br />

und Dr. Stephan Senz<br />

Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik<br />

Weinberg 2<br />

06120 Halle/Saale<br />

Tel: (0345) 5582-741 / -704<br />

email: hesse@mpi-halle.de / senz@mpi-halle.de<br />

Eine Fortsetzung dieses Teilprojektes ist vorgesehen.<br />

1. Ausgangsfragestellung<br />

Ausgangspunkt dieses Teilprojekts waren die folgenden beiden Fragestellungen,<br />

die im Arbeits- und Ergebnisbericht 1996-1999 des Teilprojekts A1 im SFB 418<br />

<strong>auf</strong> Seite 33 als offene Fragen formuliert worden waren:<br />

i) Können die vorgestellten Mechanismen <strong>von</strong> Grenzflächenreaktionen, die an<br />

<strong>Reaktionsfronten</strong> <strong>von</strong> heterogenen <strong>Festkörperreaktionen</strong> abl<strong>auf</strong>en, durch<br />

äußere Einwirkungen, z.B. <strong>von</strong> elektrischen oder elektromagnetischen Feldern,<br />

beeinflußt werden, insbesondere <strong>von</strong> Mikrowellen?<br />

ii)<br />

Wie beeinflussen die Bedingungen im Anfang einer thermisch angeregten<br />

Reaktion die Prozesse an der Reaktionsfront? Welche Prozesse führen bei<br />

positiver Gitterfehlpassung an der Reaktionsfront zur Bildung <strong>von</strong> Verkippungsdomänen<br />

im Reaktionsprodukt?<br />

Die Fragestellung (i) hat <strong>auf</strong> dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion über<br />

Existenz oder Nichtexistenz eines besonderen „Mikrowelleneffekts“ allgemeineren


2 A1<br />

Hesse<br />

Charakter, der in den folgenden Fragen zusammengefaßt werden kann: Gibt es den<br />

sog. Mikrowelleneffekt, also eine intrinsische Wirkung der Mikrowellenstrahlung<br />

<strong>auf</strong> einen Sintervorgang bzw. <strong>auf</strong> eine Festkörperreaktion, z.B. mit der Auswirkung<br />

einer geänderten Phasensequenz der Reaktion? Oder sind die bisher – zumeist<br />

für den Sintervorgang <strong>von</strong> Keramiken – beschriebenen Wirkungen der<br />

Mikrowellenstrahlung lediglich <strong>auf</strong> Nebeneffekte und unbemerkte experimentelle<br />

Ungenauigkeiten zurückzuführen? Bei der Untersuchung dieser Fragestellung<br />

mußte zunächst ein relativ <strong>auf</strong>wendiger Versuchs<strong>auf</strong>bau erstellt werden. Außerdem<br />

konnte, wie bereits im Antrag erwähnt, bei dieser Fragestellung mit einer Reihe<br />

experimenteller Schwierigkeiten gerechnet werden. Dagegen war zu erwarten, daß<br />

die Fragestellung (ii) durch Anwendung der in der ersten Förderperiode erarbeiteten<br />

Methodik relativ problemfrei untersucht werden könnte, wenn ein geeignetes<br />

Modellsystem gefunden würde, das nach Möglichkeit auch eine praktische Relevanz<br />

haben sollte. Aufgrund dieser Gegebenheiten wurden beide Fragestellungen<br />

zeitlich annähernd parallel bearbeitet.<br />

2. Angewandte Methoden<br />

2.1. Vorbemerkung zur Untersuchung des Gleichfeld-Einflusses<br />

Einem Hinweis der Gutachter folgend wurde parallel zu den im Rahmen des SFB<br />

418 ausgeführten Arbeiten auch der Einfluß eines Gleichfeldes <strong>auf</strong> eine wohldefinierte<br />

topotaktische Festkörperreaktion untersucht. Jedoch wurde dabei <strong>auf</strong>grund<br />

der limitierten personellen und apparativen Gegebenheiten der Weg beschritten,<br />

mit zwei Arbeitsgruppen anderer Universitäten außerhalb des SFB 418 zusammenzuarbeiten,<br />

da diese bereits über einschlägige Erfahrungen und experimentell-apparative<br />

Grundlagen verfügten. Am System MgO/MgFe 2 O 4 wurde mit Frau Dr.<br />

Sybille Smolin aus der Arbeitsgruppe <strong>von</strong> Prof. Hermann Schmalzried (Institut für<br />

Physikalische Chemie und Elektrochemie der Universität Hannover) zusammengearbeitet,<br />

am System MgO/MgIn 2 O 4 mit Dr. Carsten Korte aus der Arbeitsgruppe<br />

<strong>von</strong> Prof. Jürgen Janek (Physikalisch-Chemisches Institut der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen). In beiden Fällen wurden die Proben unter Einfluß eines Gleichfeldes<br />

vom jeweiligen Kooperationspartner hergestellt (im zweiten Falle zum Teil<br />

während eines Arbeits<strong>auf</strong>enthaltes <strong>von</strong> Dr. Korte in der Arbeitsgruppe <strong>von</strong> Prof. C.<br />

Barry Carter an der Universität Minnesota/USA), während anschließend durch uns<br />

die TEM-Präparation und die (z.T. hoch<strong>auf</strong>lösenden) transmissionselektronenmikroskopischen<br />

Untersuchungen der <strong>Reaktionsfronten</strong> erfolgten. Die bei diesen<br />

Untersuchungen des Gleichfeld-Einflusses gewonnenen Ergebnisse werden unter<br />

3.1. nur summarisch vorgestellt, da sie nicht eigentlich im Rahmen des SFB 418


3 A1<br />

Hesse<br />

ausgeführt wurden. Gleichwohl haben diese Ergebnisse einen Erkenntnisgewinn<br />

erbracht, der auch im Kontext des vorliegenden Berichts <strong>von</strong> Bedeutung ist.<br />

2.2. Aufbau und Erprobung eines Monomode-Resonators für<br />

Mikrowellenexperimente<br />

2.2.1. Aufbau des Resonators<br />

Die ersten Versuche zum Mikrowelleneffekt wurden in Zusammenarbeit mit Prof.<br />

Abicht (Teilprojekt A4) in einem bei Professor Abicht vorhandenen Hybridofen,<br />

d.h. einem auch konventionell heizbaren Mikrowellenofen durchgeführt. Wie unter<br />

3.2. dargestellt, ließ sich im verwendeten Reaktionssystem MgO-TiO 2 hierbei kein<br />

Mikrowelleneffekt nachweisen. Der Hybridofen war vom Ofenbauer nicht speziell<br />

für die Mikrowellenanwendung optimiert worden und hatte hohe Verluste im Isoliermaterial,<br />

was zu einer relativ kleinen Feldstärke führte. Weiterhin war der<br />

Innenraum des Ofens groß im Vergleich zur Wellenlänge der Mikrowellen. Die<br />

Feldverteilung im Ofen besteht aus einer Überlagerung <strong>von</strong> mehreren Moden<br />

hoher Ordnung. Da die Probe grundsätzlich zu einer Störung der Feldverteilung<br />

führt, kann im Vergleich zum leeren Ofen die anwesende Probe zu einer Änderung<br />

der Verteilung der Mikrowellenenergie <strong>auf</strong> die verschiedenen Moden führen. Ferner<br />

kann sich während des Heizens die Feldverteilung am Ort der Probe ändern,<br />

weil Probeneigenschaften wie Dielektrizitätskonstante und elektrische Leitfähigkeit<br />

<strong>von</strong> der Probentemperatur abhängen. (Die Größenordnung der Feldstärke<br />

konnte zu 1000 V/m abgeschätzt werden.) Diese Nachteile des Hybridofens ließen<br />

es nicht zu, aus den Versuchen am System MgO-TiO 2 eindeutige Schlüsse zu ziehen.<br />

Demgegenüber konnte erwartet werden, daß sich eine definierte Feldverteilung in<br />

einem Monomode-Resonator erreichen läßt. Es wurde deshalb ein experimenteller<br />

Aufbau mit Monomode-Resonator erstellt (Abb. 1). Die Abmessungen des Resonators<br />

wurden passend für eine stehende Welle mit genügend wenigen Knoten<br />

festgelegt. Somit bleibt die Feldverteilung auch bei einer kleinen Störung durch die<br />

Probe erhalten. Ein Standard-Hohlleiter mit Innenabmessungen <strong>von</strong> 8,6 x 4,3 cm 2<br />

wird an einem Ende mit einem einstellbaren Kurzschlußschieber und am anderen<br />

Ende durch eine Blende abgeschlossen. Der dadurch entstehende Resonator<br />

schwingt bei der Frequenz 2,45 GHz im Mode TE012. Die Mikrowellenleistung<br />

bei 2,45 GHz wird in einem Magnetron erzeugt. Dar<strong>auf</strong> folgen ein Isolator, der die<br />

reflektierte Leistung in einen wassergekühlten Lastwiderstand führt, und eine Dreistift-Abstimmeinheit<br />

zur Anpassung des Wellenwiderstandes, vgl. Abb. 1. Der


4 A1<br />

Hesse<br />

eigentliche Resonator ist durch eine austauschbare Blende <strong>von</strong> der Abstimmeinheit<br />

abgetrennt. Die Kopplung des Resonators und damit auch die Leerl<strong>auf</strong>güte wird<br />

durch die Breite der Blendenöffnung eingestellt. Die Leerl<strong>auf</strong>güte bei kleiner Blendenöffnung<br />

lag bei etwa 3000. Wenn eine absorbierende Probe eingebracht wird,<br />

verkleinert sich die Güte. Bei einer Sinterung steigt die Absorption mit zunehmender<br />

Temperatur weiter an. Die Breite der Blendenöffnung muß jeweils passend zu<br />

den maximalen Verlusten in der Probe ausgewählt werden.<br />

Abb. 1: Fotografie des Mikrowellen<strong>auf</strong>baus mit Monomode-Resonator.<br />

2.2.2. Vorversuche mit polykristallinen Sinterkörpern<br />

Für Vorversuche und für Versuche im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Projekt<br />

A4 wurde der Monomode-Resonator zum Sintern <strong>von</strong> BaTiO 3 -Keramik verwendet.<br />

Die Wärmeisolation des Grünlings erfolgte durch ein Al 2 O 3 -Fasergewebe.<br />

Der Resonator wird durch Wärmeisolationsgewebe und Probe leicht verstimmt,<br />

was durch Verschieben des Kurzschlußschiebers um wenige Millimeter ausgeglichen<br />

werden konnte. Die Versuche wurden mit einer konstanten vorl<strong>auf</strong>enden Lei-


5 A1<br />

Hesse<br />

stung und einer Blendenöffnung <strong>von</strong> 2,5 cm durchgeführt. Dabei ergab sich eine<br />

starke Abhängigkeit <strong>von</strong> der vorl<strong>auf</strong>enden Leistung. Der BaTiO 3 -Grünling hatte<br />

Abmessungen <strong>von</strong> 4 x 16 x 25 mm 3 . Abb. 2 zeigt die nach dem Sintern für 5 min<br />

bei 500 W leicht geschrumpfte Probe. Wenn eine nur leicht höhere vorl<strong>auf</strong>ende<br />

Leistung <strong>von</strong> 700 W verwendet wurde, ergab sich eine sehr inhomogene Sinterung.<br />

Abb. 3 zeigt oben die Probe im Isolationsmaterial und darunter das während der<br />

Sinterung als Deckel verwendete Isolationsmaterial. Die Probe wurde an einer<br />

Stelle geschmolzen, wobei Temperaturen oberhalb <strong>von</strong> 1800 °C entstanden, die<br />

das Loch im Deckel aus Al 2 O 3 Gewebe bewirkten. Eine denkbare Ursache dieser<br />

sehr ungleichmäßigen Heizung ist das Zünden einer Mikrowellen-Plasmaentladung,<br />

die zwischen Probe und der Wand des Hohlraumresonators brannte.<br />

Abb. 2: Mikrowellengesinterte<br />

BaTiO 3 -Probe<br />

(helles Rechteck, Mitte),<br />

die in einen wärmeisolierenden<br />

Aufnehmer<br />

aus Al 2 O 3 -Fasergewebe<br />

eingelegt ist.<br />

Abb. 3:<br />

Oben: Zerstörte<br />

mikrowellengesinterte<br />

BaTiO 3 -Probe (helles<br />

Rechteck, Mitte) im<br />

wärmeisolierenden Aufnehmer<br />

aus Al 2 O 3 -Fasergewebe.<br />

Unten: Deckel des<br />

Proben<strong>auf</strong>nehmers mit<br />

eingebranntem Loch.


6 A1<br />

Hesse<br />

Eine elektrodenlose Plasmaentladung kann in Luft unter Normaldruck oberhalb<br />

einer Feldstärke <strong>von</strong> 3 MV/m brennen. Die Feldstärke kann lokal durch den Spitzeneffekt<br />

überhöht werden. Wenn die Probe oder eine Unebenheit der Resonatorwand<br />

Elektronen emittieren, kann auch mit diesen Elektronen eine Entladung brennen.<br />

Auch im Innern eines dielektrischen Festkörpers kann ein Mikrowellenplasma<br />

brennen, wenn gasgefüllte oder evakuierte Hohlräume vorhanden sind. Die Leistungsdichte<br />

im Resonator ist im Vergleich zur vorl<strong>auf</strong>enden Welle im Hohlleiter<br />

um den Faktor Q, die Güte, größer. Da das Quadrat der elektrischen Feldstärke zur<br />

Leistungsdichte proportional ist, steigt im Resonator auch die elektrische Feldstärke<br />

an. Ein mit Luft bei Normaldruck gefüllter Standard-Hohlleiter kann bei 2,5<br />

GHz eine Pulsleistung <strong>von</strong> bis zu 15 MW ohne Gasentladung transportieren. Während<br />

unserer Experimente wurden Plasmaentladungen schon bei wesentlich kleineren<br />

Leistungsdichten beobachtet.<br />

2.2.3. Einsatz <strong>von</strong> Einkristallen; Temperaturmessung<br />

Für die eigentlichen Experimente wurden Einkristalle verwendet. Die in der Literatur<br />

als Evidenz für einen nichtthermischen Mikrowelleneffekt diskutierten,<br />

erreichbaren Temperaturverschiebungen liegen typischerweise bei nur 50 bis<br />

100 K. Entsprechend wird beim Sintern polykristalliner Proben mit Mikrowellenheizung<br />

eine bestimmte Dichte der Probe bei einer kleineren gemessenen Temperatur<br />

erreicht. Angesichts dieser relativ kleinen Effekte ist es für eine experimentelle<br />

Unterscheidung des bekannten Effektes der Absorption der Mikrowellenstrahlung<br />

in einem verlustbehafteten Dielektrikum (mit dem Resultat einer Proben<strong>auf</strong>heizung)<br />

<strong>von</strong> dem in der Literatur diskutierten nichtthermischen Mikrowelleneffekt<br />

günstig, Proben mit definierter und ausreichend schwacher Kopplung an das<br />

elektromagnetische Feld zu verwenden. Aus folgenden Gründen sind dafür Einkristalle<br />

besser geeignet als polykristalline Sinterkörper.<br />

Typische Sintervorgänge werden mit porösen polykristallinen Grünkörpern durchgeführt.<br />

In diesem Fall treten <strong>von</strong> Ort zu Ort starke Schwankungen der (Korn- und<br />

Poren-)Geometrie und der elektrischen Leitfähigkeit <strong>auf</strong>. Da die Mikrowelle in die<br />

Probe eindringt und lokal ankoppelt, ergibt sich mithin eine zufällige Verteilung<br />

der lokalen Wärmeproduktion. Die erreichbaren Heizraten liegen oberhalb <strong>von</strong><br />

1000 K/s. Selbst wenn die mittlere Temperatur der Probe genügend schnell und<br />

ausreichend präzise gemessen werden kann, muß angesichts der genannten<br />

Umstände immer mit der Möglichkeit <strong>von</strong> kurzzeitigen lokalen Überhitzungen<br />

gerechnet werden. Bereits dieser Aspekt spricht für Versuche mit Einkristallen.


7 A1<br />

Hesse<br />

Einkristalle haben im Vergleich zu porösen Keramiken eine deutlich höhere Wärmeleitung<br />

– ein Umstand, der gegen lokale Überhitzungen wirkt. Weiterhin ist die<br />

Mikrowellenabsorption in Einkristallen wesentlich kleiner als in einer typischen<br />

Keramik. Wenn die Probe nur schwach absorbiert, können höhere Feldstärken verwendet<br />

werden, und ein nichtthermischer Mikrowelleneffekt sollte leichter nachweisbar<br />

sein.<br />

Einkristalle aus MgO sind mit hoher Reinheit und entsprechend kleinen Mikrowellenverlusten<br />

erhältlich und auch beim Heizen an Luft stabil. Die Temperatur<br />

der Kristalle sollte durch ein in eine Bohrung eingeführtes Thermoelement gemessen<br />

werden können. Eine pyrometrische Messung kommt aus folgenden Gründen<br />

kaum infrage. Die zur Verfügung stehenden Pyrometer verwenden Siliziumdetektoren<br />

und sind damit bei solchen Wellenlängen empfindlich, für die erst ab etwa<br />

1000 °C eine ausreichende Strahlungsintensität emittiert wird. Die MgO-Kristalle<br />

sind in einem großen Wellenlängenbereich vom mittleren Infrarot bis ins nahe UV<br />

transparent und haben dementsprechend bei der Meßwellenlänge <strong>von</strong> etwa 1000<br />

nm einen kleinen Emissionsfaktor. Die höchste Genauigkeit einer Pyrometermessung<br />

läßt sich erreichen, wenn die Strahlung vom Boden einer genügend tiefen<br />

Sackbohrung in einem undurchsichtigen Körper nachgewiesen wird. Der Meßfleck<br />

der vorhandenen Pyrometer hat einen Durchmesser <strong>von</strong> mehreren Millimetern und<br />

ist damit größer als die Dicke der Einkristalle. Außerdem müßte die Innenwand der<br />

Sackbohrung mit einer thermisch stabilen und nicht reagierenden undurchsichtigen<br />

Schicht versehen werden, die auch nur schwach im Mikrowellenbereich absorbiert.<br />

In unseren Phasenbildungsexperimenten wurde die Temperatur des MgO-Einkristalls<br />

durch ein in eine Bohrung gestecktes Mantelthermoelement gemessen. Der<br />

Mantel bestand aus Platin und war in ein Blech eingelötet, welches an der Wand<br />

des Resonators verschraubt wurde. Somit war das eigentliche Thermoelement<br />

gegen das elektromagnetische Feld im Resonator abgeschirmt. Mit einer vorl<strong>auf</strong>enden<br />

Leistung <strong>von</strong> 400 W wurde nur eine schwache Erwärmung des Einkristalls<br />

<strong>auf</strong> 150 °C erzielt. Eine geringfügig höhere Leistung <strong>von</strong> 500 W führte zum Zünden<br />

einer Mikrowellenentladung zwischen der Thermoelementspitze und dem umgebenden<br />

Einkristall. Das Thermoelement wurde dabei <strong>auf</strong> über 1500 °C <strong>auf</strong>geheizt.<br />

Nach wenigen Sekunden zerbrach der Einkristall in zwei Teile. Die Spitze<br />

des Thermoelementes war geschmolzen. Die gesamte Schicht war mit Teilen des<br />

Substrats zu einer Mischung der beiden Phasen MgTiO 3 und Mg 2 TiO 4 reagiert. Die<br />

Potentialdifferenz zwischen Thermoelementmantel und Einkristall entsteht offenbar<br />

durch die entlang des Mantels zur Resonatorwand fließenden Ströme. Der 2 cm<br />

in den Resonator hineinragende Mantel verhält sich dabei wie eine Induktivität.<br />

Der Abstand zwischen Mantelspitze und Einkristall betrug etwa 0.2 mm.


8 A1<br />

Hesse<br />

Um das Zünden einer Mikrowellenladung zu behindern, wurde versucht, den Hohlraum<br />

mit MgO-Pulver auszufüllen, was jedoch wegen der schlechten Zugänglichkeit<br />

des Spitzenbereichs keine Verbesserung brachte. Somit konnten Reaktionsversuche<br />

bei höheren Feldstärken nicht durchgeführt werden. Die vorl<strong>auf</strong>ende Leistung<br />

<strong>von</strong> 500 W führt zu einer maximalen Feldstärke <strong>von</strong> 17 kV/m für die vorl<strong>auf</strong>ende<br />

Welle und im Resonator zu einer Feldstärke <strong>von</strong> 0.8 MV/m bei einer Güte<br />

<strong>von</strong> 3000. Die Entladung zwischen Thermoelementspitze und umgebendem Einkristall<br />

brennt, wenn die Resonator-Feldstärke durch einen Spitzeneffekt um einen<br />

Faktor leicht oberhalb <strong>von</strong> 3 überhöht wird. Insgesamt haben die Schwierigkeiten,<br />

die Temperatur der Probe genau zu messen, die Experimente sehr erschwert.<br />

2.3. Herstellung der Reaktionsproben<br />

Die Herstellung der Reaktionsproben zu beiden Fragestellung (i) und (ii) erfolgte<br />

ganz analog zu der Vorgehensweise, die im Bericht 1996-1999 des Teilprojekts A1<br />

im SFB 418 <strong>auf</strong> den Seiten 10 bis 12 ausführlich beschrieben ist. Sie läßt sich wie<br />

folgt zusammenfassen: Auf die (100)-Oberflächen <strong>von</strong> Einkristallen eines<br />

bestimmten binären Oxids, z.B. MgO oder ZrO 2 , wurden unter wohlkontrollierten<br />

Bedingungen (z.T. epitaktische) dünne Schichten eines anderen binären Oxids,<br />

z.B. TiO 2 oder La 2 O 3 , mit einer bestimmten Dicke <strong>auf</strong>gedampft, in der Regel mittels<br />

der Elektronenstrahlverdampfung im Hochvakuum. Dann wurden in diesen<br />

Proben bei verschiedenen Temperaturen und für unterschiedliche Zeiten <strong>Festkörperreaktionen</strong><br />

angeregt, entweder thermisch oder durch Mikrowellenanregung,<br />

oder auch durch beide Anregungsarten nacheinander bzw. gleichzeitig. Zur Fragestellung<br />

(i) wurden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe <strong>von</strong> Prof. Abicht<br />

(Fachbereich Chemie, Projekt A4) auch Sintervorgänge untersucht. Die Herstellung<br />

der dafür nötigen Proben ist im Bericht des Projekts A4 beschrieben. Für die<br />

Untersuchung der Fragestellung (ii) erwies es sich als nützlich, vor allem auch die<br />

schon während des Abscheidens der Schicht abl<strong>auf</strong>ende Reaktion zwischen dem<br />

La 2 O 3 -Dampf und dem ZrO 2 -Substrat zu untersuchen, um die Frühstadien der<br />

Reaktion zu erfassen.<br />

2.4. Röntgendiffraktometrie (XRD), energiedispersive Röntgenmikroanalyse<br />

(EDX) und Elektronen-Feinbereichsbeugung (SAED)<br />

Nach erfolgter Reaktion wurde zur genaueren Analyse der im Verl<strong>auf</strong>e der Reaktionen<br />

gebildeten Phasen in der Regel eine Kombination <strong>von</strong> EDX (im SEM und<br />

TEM) und XRD eingesetzt. Letztere wurde auch zur Analyse der Textur, sowie der


9 A1<br />

Hesse<br />

gegenseitigen bzw. <strong>auf</strong> das Einkristallsubstrat bezogenen kristallographischen Orientierungen<br />

der wachsenden Phasen herangezogen. Hierbei wurden die XRD-<br />

Dünnschicht-Röntgendiffraktometrie (Θ und 2Θ entkoppelt) bzw. die Vierkreisdiffraktometrie<br />

und die XRD-Texturanalyse angewendet. Daneben wurde auch die<br />

Elektronen-Feinbereichsbeugung (SAED) im Transmissionselektronenmikroskop<br />

herangezogen.<br />

2.5. Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie (SEM/TEM),<br />

Rasterkraftmikroskopie (AFM)<br />

Die Morphologie der gebildeten Phasen wurde mit der Rasterelektronenmikroskopie<br />

untersucht. Zur Abbildung der im Frühstadium der Reaktion im Falle der Fragestellung<br />

(ii) gebildeten sehr kleinen Inseln und zur genaueren Untersuchung<br />

ihrer Morphologie und der des umgebenden Substratbereichs erwies es sich als<br />

nötig, die AFM im Tapping-Mode anzuwenden. Im Zusammenwirken mit der<br />

Elektronen-Feinbereichsbeugung stellte die Transmissionselektronenmikroskopie<br />

(TEM), darunter auch die hoch<strong>auf</strong>lösende TEM (HRTEM), eine ebenso wichtige<br />

Methode zur Analyse der Phasen, ihrer Orientierung, Morphologie und Defektstruktur<br />

dar. Die HRTEM war die Hauptuntersuchungsmethode zur Analyse der<br />

Struktur der <strong>Reaktionsfronten</strong>. Die AFM-Untersuchungen wurden in einem Mikroskop<br />

vom Typ Digital Instruments Dimension 500 unter Einsatz <strong>von</strong> Si-Spitzen<br />

ausgeführt. Der Kegelwinkel und der Krümmungsradius der Spitzen betrugen etwa<br />

20° bzw. 10 nm. Die TEM-Untersuchungen bei mittleren Vergrößerungen erfolgten<br />

im Mittelspannungselektronenmikroskop CM20T der Fa. Philips bei einer<br />

Beschleunigungsspannung <strong>von</strong> 200 kV (Punkt<strong>auf</strong>lösungsvermögen 0,27 nm). Die<br />

HRTEM-Untersuchungen erfolgten im Hoch<strong>auf</strong>lösungselektronenmikroskop 4010<br />

der Fa. JEOL bei einer Beschleunigungsspannung <strong>von</strong> 400 kV (Punkt<strong>auf</strong>lösungsvermögen<br />

0,14 nm). Die HRTEM-Aufnahmen wurden teils mit einer Kamera, teils<br />

<strong>auf</strong> Negativen registriert, wobei in letzterem Falle häufig eine nachträgliche Bilddigitalisierung<br />

über einen Flachbild-Scanner und danach eine Bildspeicherung und<br />

-verarbeitung erfolgten.<br />

2.6. HRTEM-Bildverarbeitung<br />

Zur Bildverarbeitung wurde hauptsächlich ein kommerzielles Programm (Digital<br />

Micrograph der Fa. Gatan) verwendet, das <strong>auf</strong> einem Macintosh-Rechner vom Typ<br />

G4 lief. Es wurden insbesondere Fourier-Analysen ausgewählter Bereiche <strong>von</strong><br />

HRTEM-Aufnahmen ausgeführt. Durch Setzen geeigneter Filter im Fourier-Raum


10 A1<br />

Hesse<br />

wurden bestimmte Raumfrequenzen ausgewählt, die dann in einem durch inverse<br />

Fourier-Transformation erzeugten Bild im Realraum selektiv sichtbar gemacht<br />

werden konnten. Auf diese Weise konnten Strukturen im Bild hervorgehoben werden,<br />

die ohne Fourier-Filterung nur schwer erkennbar waren. Dabei wurde dar<strong>auf</strong><br />

geachtet, keine Artefakte zu erzeugen und das Ergebnis der Bildverarbeitung<br />

immer einer kritischen Diskussion anhand der Originalabbildung zu unterwerfen.<br />

2.7. TEM-Probenpräparation<br />

Für die TEM-Probenpräparation wurden in der Regel Standardmethoden verwendet.<br />

Planarproben wurden durch Schleifen, einseitiges Muldenschleifen und<br />

anschließendes einseitiges Ionenabdünnen hergestellt. Dabei erfolgten die Abdünnschritte<br />

grundsätzlich <strong>von</strong> der Substratseite her und die Schicht war <strong>auf</strong> geeignete<br />

Weise vor dem abtragenden Medium geschützt. Querschnittsproben wurden mit<br />

der üblichen „Face-to-face“-Technik gewonnen. Die Face-to-face-Proben wurden<br />

vor dem Ionenabdünnen entweder mittels Muldenschleifens oder aber durch planares<br />

Feinschleifen <strong>von</strong> Hand (nach Aufkleben <strong>auf</strong> einen Kupfer- oder Molybdänring)<br />

<strong>auf</strong> die nötige Dicke <strong>von</strong> ca. 30 µm geschliffen.<br />

3. Ergebnisse und ihre Bedeutung<br />

3.1. Gleichfeld-Einfluß <strong>auf</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong><br />

An Proben, die <strong>von</strong> Frau Dr. Smolin in der Arbeitsgruppe <strong>von</strong> Prof. Schmalzried<br />

(U Hannover) im Rahmen der Arbeiten zu ihrer Dissertation [1,2] hergestellt wurden,<br />

sind ausgewählte Aspekte der Bildung <strong>von</strong> MgFe 2 O 4 -Ausscheidungen infolge<br />

der inneren Oxidation <strong>von</strong> (Mg,Fe)O-Mischkristallen unter Gleichfeldeinfluß <strong>von</strong><br />

uns elektronenmikroskopisch untersucht worden. Unter dem Einfluß des Gleichfeldes<br />

finden in diesen anfänglich homogenen Mischkristallen bei hohen Temperaturen<br />

um 1000 °C mehrere Prozesse statt, die miteinander wechselwirken und insgesamt<br />

ein komplexes Wirkungsgefüge entstehen lassen. Da Mg- und Fe-Ionen<br />

unterschiedliche Beweglichkeiten besitzen, entmischen sich die anfänglich homogenen<br />

Mischkristalle partiell infolge der unter der Wirkung des Gleichfeldes einsetztenden<br />

Transportvorgänge. Als Folge der dadurch bewirkten ortsabhängigen<br />

Zusammensetzung werden auch die Transportkoeffizienten ortsabhängig. Bei konstantem<br />

Gleichstrom-Durchgang ändern sich folglich die Anteile der ionischen und<br />

elektronischen Teilstromdichten <strong>von</strong> Ort zu Ort, was am Ende wegen der notwendigen<br />

Massenerhaltung zu Zersetzungsreaktionen im Kristallinneren und zur Bil-


11 A1<br />

Hesse<br />

dung <strong>von</strong> MgFe 2 O 4 -Ausscheidungen führt. Die dadurch bewirkte noch stärkere<br />

Inhomogenität der Kristalle verstärkt wiederum den Entmischungsvorgang, so daß<br />

sich dieser und die elektrochemisch erzwungene, innere Oxidation (Bildung <strong>von</strong><br />

Spinellausscheidungen) gegenseitig verstärken [1,2]. Bei bestimmten Bedingungen<br />

entsteht ein periodisches Ausscheidungsmuster, das sich makroskopisch durch<br />

Streifen unterschiedlicher Färbung (braun/farblos) äußert und lichtmikroskopisch<br />

(auch im in situ-Polarisationsexperiment) abgebildet und untersucht werden kann.<br />

Die submikroskopischen morphologischen Charakteristika dieses Ausscheidungsmusters<br />

standen im Mittelpunkt der TEM-Untersuchungen.<br />

Abb. 4: 220-Spinell-<br />

Dunkelfeldabbildung<br />

eines Ausschnitts aus<br />

einem braunen Streifen<br />

in einer gleichfeld-behandelten<br />

(Mg,Fe)O-<br />

Probe. Mg 2 FeO 4 -Ausscheidungen<br />

unterschiedlicher<br />

Form und<br />

Größe sind hell abgebildet.<br />

Die hinzugefügte<br />

weiße Linie bezeichent<br />

in etwa die<br />

Längsrichtung der<br />

periodischen braun/<br />

farblosen Streifen.<br />

Abb. 4 - ein im (220)-Spinellreflex <strong>auf</strong>genommenes Dunkelfeld - zeigt einen charakteristischen<br />

Ausschnitt aus einem periodischen Ausscheidungsmuster. Die im<br />

Lichtmikroskop sichtbaren, makroskopischen Streifen [2] verl<strong>auf</strong>en parallel zu der<br />

eingezeichneten weißen Linie. Der untersuchte Probenbereich befand sich in einem<br />

Streifen brauner Farbe. EDX-Untersuchungen hatten Streifen brauner Farbe als<br />

eisenreich gegenüber farblosen Streifen gekennzeichnet. Etwa parallel zur weißen<br />

Linie verl<strong>auf</strong>en ungefähr mittig zwei Bänder größerer Spinellausscheidungen. Das<br />

erste Band <strong>von</strong> links besteht aus ca. 250 nm großen, individuellen Ausscheidungen,<br />

das zweite aus etwas kleineren, ca. 100 nm großen Ausscheidungen, welche<br />

längs <strong>von</strong> Linien bzw. Kurven <strong>auf</strong>gereiht sind. Diese Aufreihung weist <strong>auf</strong> die<br />

Rolle <strong>von</strong> Versetzungen als Keimbildungszentren für die Ausscheidung hin. (Die


12 A1<br />

Hesse<br />

Unterbrechungen des Linienzuges dürften dar<strong>auf</strong> zurückzuführen sein, daß einzelne<br />

Abschnitte der Versetzung sich ursprünglich außerhalb der durch die TEM-<br />

Abdünnung gewonnenen sehr dünnen Kristallplatte befanden und daher beim<br />

Abdünnen weggefallen sind.) Rechts <strong>von</strong> diesem Band befindet sich ein breites<br />

Band sehr kleiner, quadratisch erscheinender Spinellausscheidungen, welche nur<br />

ca. 25 bis 30 nm groß sind. Die drei Bänder sind untereinander durch ca. 350 nm<br />

bis 500 nm breite Zonen getrennt, welche frei <strong>von</strong> Ausscheidungen sind. Links <strong>von</strong><br />

dem ersten Band großer Ausscheidungen befindet sich eine ausscheidungsfreie<br />

Zone, welche mehrere Mikrometer breit ist. (Auch rechts <strong>von</strong> dem Band kleiner<br />

Ausscheidungen befindet sich eine solche breite ausscheidungsfreie Zone, die in<br />

diesem Bild nicht zu sehen ist.) Alle untersuchten Ausscheidungen besitzen die<br />

Abb. 5: Hellfeldabbildung einer kleinen,<br />

oktaedrisch geformten MgFe 2 O 4 -Ausscheidung<br />

in einer gleichfeldbehandelten (Mg,Fe)O-Probe.<br />

Die Streifen sind Dickenkonturen.<br />

gleiche kristallographische cube-on-cube-<br />

Orientierung zum Magnesiowüstit. Während<br />

die kleinen Spinellausscheidungen ausweislich<br />

der HRTEM-Untersuchungen kohärent in die<br />

umgebende Magnesiowüstit-Umgebung eingefügt<br />

sind und eine regelmäßige Oktaederform<br />

besitzen (Abb. 5, Hellfeld), sind die<br />

größeren Ausscheidungen oft <strong>von</strong> unregelmäßiger, z.T. sogar dendritischer Form<br />

und besitzen eine semikohärente Grenzfläche zur Magnesiowüstit-Matrix, was<br />

Abb. 6: Hellfeldabbildung<br />

einer MgFe 2 O 4 -<br />

Ausscheidung in einer<br />

gleichfeldbehandelten<br />

(Mg,Fe)O-Probe. Eine<br />

Schar des Versetzungsnetzwerks<br />

an der<br />

MgFe 2 O 4 /(Mg,Fe)O-<br />

Grenzfläche, sowie<br />

Teile emittierter prismatischer<br />

Versetzungsschleifen<br />

sind zu erkennen.


13 A1<br />

Hesse<br />

regelmäßig durch ein Netzwerk <strong>von</strong> Grenzflächenversetzungen angezeigt wird.<br />

Abb. 6 (Hellfeld) zeigt eine Schar dieses Netzwerkes an einer unregelmäßig<br />

geformten Spinellausscheidung, zusammen mit etlichen, <strong>von</strong> der Ausscheidung in<br />

die Magnesiowüstit-Matrix emittierten Gleitversetzungen. Es sind auch tropfenförmige<br />

Ausscheidungen gefunden worden, deren Längsachse (Symmetrieachse)<br />

in etwa längs der makroskopischen Feldrichtung lag, vgl. [2]. In anderen Proben<br />

konnte ein sehr regelmäßiges Muster <strong>von</strong> Spinell-Ausscheidungen, welche Versetzungen<br />

über große Längen kontinuierlich bedecken, nachgewiesen werden.<br />

Abb. 7: 220-Spinell-<br />

Dunkelfeldabbildung<br />

dreier kontinuierlich <strong>von</strong><br />

Spinell bedeckter Versetzungen<br />

nahe eines Versetzungsknotens.<br />

Die<br />

hellen Bereiche sind<br />

MgFe 2 O 4 , die dunklen<br />

Linien zwischen den hellen<br />

Bereichen sind Kationenantiphasengrenzen.<br />

Zu<br />

beachten sind die sehr<br />

kleinen Spinellausscheidungen<br />

im rechten Bereich<br />

der Abbildung.<br />

Abb. 7 zeigt als Beispiel eine 220-Dunkelfeldabbildung eines Versetzungsknotens<br />

mit drei abgehenden Versetzungen. Die Versetzungen selbst sind in dieser 220-<br />

Spinell-Dunkelfeldabbildung nicht erkennbar, konnten aber mit anderen Abbildungsbedingungen<br />

nachgewiesen werden. Alle drei Versetzungszweige sind längs<br />

ihres gesamten (auch außerhalb des Bildausschnittes nachgewiesenen) Verl<strong>auf</strong>s<br />

<strong>von</strong> einer kontinuierlichen Spinellzone in Form einer Schnur oder eines Zylinders<br />

mit rauher Oberfläche bedeckt. Diese "Spinellschnur" ist 50 bis 65 nm dick und<br />

besteht aus einzelnen, ca. 50 bis 120 nm langen Abschnitten, welche durch Kationenantiphasengrenzen<br />

getrennt sind. Dies deutet <strong>auf</strong> eine etwa gleichzeitige<br />

Nukleation vieler <strong>von</strong>einander unabhängiger Spinellkeime längs der Versetzung<br />

hin. Jeder Keim ist anschließend längs der Versetzungslinie weitergewachsen, bis<br />

er die beiden benachbarten Keime berührt hat. Infolge des annähernd doppelt so<br />

großen Gitterparameters des MgFe 2 O 4 -Spinells gegenüber dem (Mg,Fe)O-Wüstit<br />

gibt es für einen Spinellkeim mehrere räumliche Lagen, die er im Magnesiowüstit-


14 A1<br />

Hesse<br />

Gitter einnehmen kann, wodurch längs der Berührungsflächen unterschiedlicher<br />

Keime Gitterfehler, sog. Kationenantiphasengrenzen, entstehen können (aber nicht<br />

müssen). Die "Spinellschnüre" sind <strong>von</strong> einer hier ca. 50 nm breiten ausscheidungsfreien<br />

Zone umgeben, außerhalb derer sich wiederum sehr kleine (nur 5 bis<br />

10 nm große) Ausscheidungen hoher räumlicher Anzahldichte befinden.<br />

Ein grundsätzlich vergleichbares Muster an morphologischen Details ist auch in<br />

den <strong>von</strong> Dr.Korte in der Arbeitsgruppe <strong>von</strong> Prof. Janek (U Gießen) hergestellten<br />

MgO/MgIn 2 O 4 -Proben gefunden worden, obwohl sich die Ausgangssituation in<br />

diesem Falle stark <strong>von</strong> dem der homogenen (Mg,Fe)O-Proben des obigen Falles<br />

unterschied: Hier wurden <strong>auf</strong> reine MgO-Kristalle zunächst dünne In 2 O 3 -Schichten<br />

<strong>auf</strong>gebracht, welche dann bei 1350 °C der Wirkung eines elektrischen Gleichfeldes<br />

ausgesetzt wurden. Die einsetzende Spinellbildungsreaktion führt hier zur Ausbildung<br />

einer ca. 2 µm dicken MgIn 2 O 4 -Schicht, die aber teilweise <strong>von</strong> rauher, wenig<br />

regelmäßiger Schichtmorphologie ist, vgl. [3]. Unsere TEM-Querschnittsuntersuchungen<br />

der MgIn 2 O 4 /MgO-Grenzfläche, die noch nicht abgeschlossen sind, zeigen<br />

unterhalb dieser Grenzfläche im MgO-Kristall überraschenderweise eine<br />

bandartige Zonenstruktur <strong>von</strong> kleinen Spinell-Ausscheidungen (Abb. 8). Unmittelbar<br />

unterhalb der Grenzfläche findet sich zunächst eine ausscheidungsfreie Zone<br />

Abb. 8: Querschnitts-Hellfeldabbildung einer MgIn 2 O 4 -Schicht (links, dunkel) und<br />

des schichtnahen MgO-Substratbereichs mit kleinen Spinellausscheidungen


15 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 9: 220-Spinell-<br />

Dunkelfeldabbildung<br />

der kleinen Spinellausscheidungen<br />

dendritischer<br />

Form, die in einer<br />

Zone unterhalb der<br />

MgIn 2 O 4 -Schicht im<br />

MgO-Substrat vorliegen<br />

(vgl. Abb. 8).<br />

<strong>von</strong> etwa 2 µm Dicke, der eine aus kleinen Spinellausscheidungen dendritischer<br />

Form bestehende Zone folgt. Diese Zone ist ca. 2 µm dick und besteht aus ca.<br />

100 nm großen Ausscheidungen überwiegend dendritischer Form (vgl. Abb. 9).<br />

Nach einer weiteren ausscheidungsfreien Zone folgt dann ein Band <strong>von</strong> mit Spinellausscheidungen<br />

dekorierten Versetzungen.<br />

Trotz der sehr unterschiedlichen Ausgangssituation finden sich mithin in beiden<br />

Fällen Ausscheidungsmuster <strong>auf</strong> der submikroskopischen Skala mit (periodischem<br />

oder quasiperiodischem) Zonencharakter. Es werden (i) Zonen großer Spinellausscheidungen<br />

(MgFe 2 O 4 ) bzw. einer nahezu kontinuierlichen Spinellschicht<br />

(MgIn 2 O 4 ), (ii) Zonen mit Versetzungen, welche <strong>von</strong> Spinellausscheidungen dekoriert<br />

sind, sowie (iii) Zonen individueller kleiner Spinellausscheidungen beobachtet.<br />

Diese Zonen wechseln sich in Feldrichtung ab und sind jeweils <strong>von</strong> mehr oder<br />

weniger dicken ausscheidungsfreien Zonen getrennt. Es liegt nahe, das eingangs<br />

skizzierte Wechselspiel zwischen Entmischung und innerer Oxidation unter der<br />

Randbedingung einer durch das elektrische Gleichfeld gegebenen zusätzlichen treibenden<br />

Kraft, das ohnehin für die Zonenstruktur <strong>auf</strong> makroskopischer Skala verantwortlich<br />

ist, auch für die Zonenstruktur <strong>auf</strong> der Submikrometerskala verantwortlich<br />

zu machen. Genauere Deutungen und Modelle bleiben den weiteren<br />

Untersuchungen und Diskussionen, vor allem seitens der Arbeitsgruppen in Hannover<br />

bzw. Gießen, vorbehalten. Im Kontext dieses Berichts ist für uns wichtig,<br />

daß wir mit diesen Arbeiten vor allem das komplexe Gefüge <strong>von</strong> Prozessen ken-


16 A1<br />

Hesse<br />

nengelernt haben, welches sich bei Anwendung eines elektrischen Feldes <strong>auf</strong> Reaktionssysteme<br />

mit diffundierenden Spezies unterschiedlicher Beweglichkeit ausbilden<br />

kann.<br />

3.2. Mikrowellen-Einfluß <strong>auf</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong><br />

Für die Versuche wurde das System MgO-TiO 2 ausgewählt. MgO-Einkristalle mit<br />

polierten (001)-Oberflächen wurden in einem Hochvakuumpumpstand mit etwa<br />

100 nm dicken TiO 2 -Schichten bedampft. Dabei bildet sich je nach Verdampfungsmaterial,<br />

Sauerstoffhintergrunddruck und Substrattemperatur eine amorphe<br />

oder kristalline Schicht. Es gibt eine Reihe <strong>von</strong> Titanoxidphasen mit verschiedenen<br />

Sauerstoffgehalten, vom TiO bis zum TiO 2 . Letzteres kann in den Kristallmodifikationen<br />

Rutil, Anatas und Brookit kristallisieren. Bei unseren Versuchen entstanden<br />

neben amorphem Oxid die kristallinen Phasen Ti 4 O 7 und TiO 2 (Anatas). Beim<br />

Aufheizen an Luft können nun gleichzeitig mehrere Prozesse in der Schicht abl<strong>auf</strong>en,<br />

nämlich (i) die Kristallisation des amorphen Oxids, (ii) die Sauerstoff<strong>auf</strong>nahme<br />

<strong>von</strong> Ti 4 O 7 und (iii) die Umwandlung <strong>von</strong> Anatas zur Hochtemperaturphase<br />

Rutil. Weiterhin besteht die Möglichkeit einer chemischen Reaktion der<br />

Schicht mit dem MgO-Substrat, wobei ab etwa 550 °C die Produkte MgTiO 3 und<br />

Mg 2 TiO 4 (Spinell) entstehen können, wie wir aus früheren Untersuchungen mit<br />

thermisch ausgelösten Reaktionen wissen.<br />

Die ersten Mikrowellenheizversuche wurden in Zusammenarbeit mit Prof. Abicht<br />

durchgeführt. Dort stand ein Hybridofen zur Verfügung, in dem Proben sowohl<br />

konventionell durch Heizwendeln, als auch durch die Einspeisung <strong>von</strong> bis zu 5 kW<br />

Mikrowellenleistung bei einer Frequenz <strong>von</strong> 2,45 GHz geheizt werden können. Die<br />

verwendeten Einkristalle haben bei Zimmertemperatur nur sehr kleine<br />

dielektrische Verluste und konnten in diesem Ofen daher nicht unter alleiniger<br />

Benutzung der Mikrowellenleistung <strong>auf</strong> die erforderliche Temperatur oberhalb <strong>von</strong><br />

550°C erwärmt werden. Um eine bessere Vergleichbarkeit der Resultate zu ermöglichen,<br />

wurde jeweils ein MgO-Einkristall <strong>von</strong> 10 x 10 x 2 mm 3 mit TiO 2<br />

beschichtet und danach halbiert. In jede der Hälften wurde mit einem Ultraschallbohrer<br />

ein 6 mm tiefes Loch gebohrt. Die Probe wurde <strong>auf</strong> die Spitze eines Mantelthermoelementes<br />

gesteckt. Damit war eine direkte Messung der Probentemperatur<br />

im Ofen möglich.<br />

Die Proben wurden zuerst mit der konventionellen Heizung <strong>auf</strong> eine Starttemperatur<br />

oberhalb <strong>von</strong> 500°C geheizt und dann die Mikrowellenleistung dazugeschaltet.<br />

Ausgehend <strong>von</strong> 578°C wurden mit zusätzlicher Mikrowellenheizung 600°C er-


17 A1<br />

Hesse<br />

reicht. Zum Vergleich wurde die andere Hälfte bei 600°C nur mit konventioneller<br />

Heizung getempert. Die Untersuchung im Röntgendiffraktometer zeigte keine Veränderung<br />

der Anatas-Schicht, weder eine Phasenumwandlung noch eine Reaktion<br />

mit dem Substrat. Die Anatas-Schicht wuchs hauptsächlich mit der Orientierung<br />

[001](100)Anatas || [001](100)MgO (1)<br />

<strong>auf</strong> dem MgO-Kristall. Zusätzlich traten auch schwächere Anteile mit<br />

(2 5 10 )Anatas || (100)MgO <strong>auf</strong>. (2)<br />

Die Polfigur in Abb. 10 zeigt das orientierte Wachstum <strong>von</strong> Anatas; der benutzte<br />

Wert für 2θ betrug 25,3°.<br />

Abb. 10: Polfigur einer<br />

orientiert <strong>auf</strong> MgO <strong>auf</strong>gewachsenen<br />

Schicht aus<br />

Anatas (TiO 2 ) nach der<br />

Mikrowellenbehandlung<br />

im Hybridofen.<br />

Eine Ti-O Schicht aus amorphem Oxid und nanokristallinem Ti 4 O 7 wurde bei<br />

650°C bzw. 705°C in Rutil umgewandelt, gleichzeitig bildeten sich erste Körner<br />

der Reaktionsphasen MgTiO 3 und Mg 2 TiO 4 . Unabhängig da<strong>von</strong>, ob nur konventionell<br />

oder zusätzlich auch mit Mikrowelle geheizt wurde, bildeten sich dieselben<br />

Phasen mit identischer Orientierung zum Substrat. Für Rutil konnten drei Orientierungen<br />

identifiziert werden:<br />

[34 0](430)Rutil || [011](100)MgO (dominant)<br />

[130](310)Rutil || [011](100)MgO (sekundär) (3)<br />

(110)Rutil || (100)MgO (Fasertextur)<br />

Die Reaktionsphasen MgTiO 3 und Mg 2 TiO 4 wuchsen beide topotaktisch, mit im<br />

Vergleich zu den unreagierten Oxiden schärferen Maxima in den Polfiguren. Die<br />

Orientierungsbeziehungen ergaben sich zu


18 A1<br />

Hesse<br />

[110](114)MgTiO 3 || [011](100)MgO<br />

[001](100)Mg 2 TiO 4 || [001](100)MgO. (4)<br />

Aus der Intensität der charakteristischen Röntgenreflexe (111) Mg 2 TiO 4 und (003)<br />

MgTiO 3 der beiden Reaktionsprodukte wurde ein größerer Anteil <strong>von</strong> Mg 2 TiO 4<br />

nach einer Reaktion bei 650°C und <strong>von</strong> MgTiO 3 bei 705°C beobachtet. Abb. 11<br />

zeigt Ausschnitte aus θ-2θ-Messungen für die <strong>auf</strong> 650°C bzw. 705°C geheizten<br />

Proben, wobei die Eulerwiegen-Winkel für Netzebenen parallel zur Substratebene<br />

Zählrate [1/s]<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

orientiert parallel zu MgO(111)<br />

(111) Mg 2<br />

TiO 4<br />

(003) MgTiO 3<br />

MW 650°C<br />

MW 705°C<br />

th 650°C<br />

th 705°C<br />

Abb. 11: Röntgendiffraktometrische<br />

θ−2θ-Messungen<br />

an zwei im<br />

Hybridofen mikrowellengeheizten<br />

und an zwei<br />

thermisch geheizten<br />

Ti-O/MgO-Proben.<br />

40<br />

20<br />

0<br />

17,0 17,5 18,0 18,5 19,0 19,5 20,0<br />

2θ [°]<br />

(111)MgO optimiert waren. Die Zählrate war relativ klein, weil nur ein kleiner Teil<br />

der Schicht reagiert hatte. Die bevorzugte Nukleation <strong>von</strong> Spinellkörnern trat allerdings<br />

unabhängig <strong>von</strong> der Heizmethode bei tieferen Temperaturen <strong>auf</strong>. Ein polykristalliner<br />

Film aus Ti 4 O 7 ohne Vorzugsorientierung wandelte sich während des<br />

Heizens <strong>auf</strong> 620°C in Rutil um. Außerdem entstand Mg 2 TiO 4 . Auch bei dieser<br />

Temperatur wurde kein Unterschied zwischen konventionellem und gemischtem<br />

Heizen festgestellt.<br />

Der Hybridofen ist ein konventioneller Laborofen, <strong>auf</strong> den die Herstellerfirma<br />

zusätzlich noch drei Magnetrons montiert hatte, die ihre Mikrowellenleistung<br />

durch die Wärmeisolation des Ofens in das Innere strahlten. Durch das Wärmeisolationsmaterial<br />

und die Heizwendeln traten relativ hohe Mikrowellenverluste <strong>auf</strong>,<br />

und im Ofen konnte nur eine kleine Feldstärke <strong>von</strong> etwa 1000 V/m erzielt werden.<br />

Zur Erzielung <strong>von</strong> höheren Feldstärken wurde, wie unter 2.2.1. beschrieben, ein<br />

Monomode-Resonator <strong>auf</strong>gebaut. Dieser Monomode-Resonator erlaubte zwar das<br />

Sintern <strong>von</strong> BaTiO 3 Keramik ohne Sinteradditive, jedoch konnten die Einkristalle


19 A1<br />

Hesse<br />

wegen ihrer sehr kleinen Mikrowellenverluste bei tiefen Temperaturen damit leider<br />

nicht <strong>auf</strong> eine für die Reaktion ausreichende Temperatur geheizt werden.<br />

3.3. Die Reaktionsfront im Anfangsstadium der Reaktion: Bildung verkippter<br />

Domänen als Folge der Bildung <strong>von</strong> Grenzflächenversetzungen; Reaktionskinetik<br />

und Morphologie der Ausgangs-Grenzfläche<br />

Zur Analyse der im Anfangsstadium einer thermisch ausgelösten topotaktischen<br />

Festkörperreaktion wirkenden Mechanismen - insbesondere der Bildung der fehlpassungsausgleichenden<br />

Grenzflächenversetzungen, welche ihrerseits die an der<br />

Grenzfläche abl<strong>auf</strong>enden Reaktionsmechanismen mitbestimmen - erwies sich die<br />

Reaktion<br />

2 ZrO 2 + La 2 O 3 → La 2 Zr 2 O 7 (5)<br />

als besonders geeignet. Wie die Versuche gezeigt haben, verläuft diese Reaktion<br />

<strong>auf</strong> (001)-Oberflächen <strong>von</strong> ZrO 2 -Einkristallen, deren kubische Kristallstruktur<br />

mittels eines 7,5 bis 9 %-igen Y 2 O 3 -Zusatzes stabilisiert ist (YSZ - Yttria-Stabilized<br />

Zirconia), bei Reaktionstemperaturen <strong>von</strong> 1100 °C topotaktisch. YSZ-Einkristallsubstrate<br />

mit polierter (001)-Oberfläche wurden bei einer Substrattemperatur<br />

<strong>von</strong> 1100 °C einem Lanthanoxiddampf ausgesetzt, der durch einen Elektronenstrahlverdampfer<br />

erzeugt worden war. Die folgende kristallographische Orientierungsbeziehung<br />

zwischen dem Ausgangsprodukt ZrO 2 (Index YSZ) und dem Endprodukt<br />

La 2 Zr 2 O 7 (Index LZO) gilt annähernd für alle <strong>von</strong> uns untersuchten Fälle,<br />

wobei das Attribut "annähernd" im L<strong>auf</strong>e der Untersuchungen quantitativ und qualitativ<br />

genauer spezifiziert werden konnte (s.u.):<br />

(001) LZO || (001) YSZ; [100] LZO || [100] YSZ (6)<br />

Der kubische Gitterparameter des YSZ beträgt a YSZ = 0.51 nm. La 2 Zr 2 O 7 kristallisiert<br />

in der kubischen Pyrochlorstruktur und besitzt einen Gitterparameter <strong>von</strong><br />

a LZO = 1.08 nm. Somit beträgt die Gitterfehlpassung an der La 2 Zr 2 O 7 /ZrO 2 -Reaktionsfront,<br />

bezogen <strong>auf</strong> den doppelten Wert des YSZ-Gitterparameters<br />

f = 200 · (a LZO - 2a YSZ ) / (a LZO + 2a YSZ ) = + 5,7 %. (7)<br />

An der La 2 Zr 2 O 7 /ZrO 2 -Reaktionsfront liegt daher eine große Gitterfehlpassung mit<br />

positivem Vorzeichen vor, d.h. es liegt ein Fall vor, der weitgehend analog zu der<br />

in der ersten Antragsperiode des SFB 418 untersuchten topotaktischen Bildung des<br />

MgIn 2 O 4 - und Mg 2 SnO 4 -Spinells <strong>auf</strong> MgO-Einkristallen mit Gitterfehlpassungen<br />

positiven Vorzeichens ist (an der MgIn 2 O 4 /MgO-Reaktionsfront <strong>von</strong> + 4,7 % und


20 A1<br />

Hesse<br />

an der Mg 2 SnO 4 /MgO-Front <strong>von</strong> + 2,5 %) [4-8]. Bei diesen beiden Spinellbildungsreaktionen<br />

wurde seinerzeit beobachtet, daß - abhängig <strong>von</strong> der Burgersgeometrie<br />

der Grenzflächenversetzungen - sich entweder ein ohne Sauerstoffdiffusion<br />

auskommender Grenzflächenreaktionsmechanismus, der das konservative Gleiten<br />

der Grenzflächenversetzungen in Reaktionsrichtung einschließt, ausbildet, oder<br />

aber ein Mechanismus, bei dem sich die Grenzflächenversetzungen über einen<br />

nichtkonservativen Kletterprozeß bewegen und der deshalb die Beteiligung einer<br />

Sauerstoffdiffusion einschließt. Der Grund für diesen Zusammenhang zwischen<br />

Grenzflächenreaktionsmechanismus und Burgersgeometrie der Grenzflächenversetzungen<br />

liegt in der Notwendigkeit, daß sich die Grenzflächenversetzungen<br />

zusammen mit der fortschreitenden Reaktionsfront mitbewegen müssen, die Reaktionsfront<br />

also zugleich eine chemische und eine kristallographische Grenzfläche<br />

darstellt. Manche der beobachteten Burgersgeometrien führten phänomenologisch<br />

zu Verkippungen des Spinellgitters, welche im übrigen bei Gitterfehlpassungen<br />

negativen Vorzeichens nie beobachtet worden waren. Die Frage, wie diese beobachteten<br />

Verkippungen des Spinellgitters und die damit zusammenhängenden<br />

Grenzflächenversetzungen sich im Anfangsstadium der Reaktion ausbilden, konnte<br />

damals nicht beantwortet werden, stand aber nun im Mittelpunkt der neuen Untersuchungen<br />

zur La 2 Zr 2 O 7 -Bildung. Diese schließen insofern nahtlos an die Untersuchungen<br />

der Spinellbildung der ersten Antragsperiode an.<br />

Die Reaktion (5) ist auch unter praktischen Gesichtspunkten <strong>von</strong> einiger Bedeutung.<br />

Hochtemperatur-Brennstoffzellen (SOFCs - Solid Oxide Fuel Cells), die <strong>auf</strong><br />

einem - für Sauerstoffionen leitfähigen - YSZ-Festelektrolyten und lanthanhaltigen<br />

LaCoO 3 -, LaFeO 3 - oder LaMnO 3 -Perowskitelektroden basieren, verlieren ihre<br />

Funktionsfähigkeit <strong>auf</strong>grund einer Festkörperreaktion zwischen Elektrode und<br />

Festelektrolyt. Diese Festkörperreaktion kann <strong>auf</strong>grund der hohen Betriebstemperatur<br />

der Brennstoffzelle <strong>von</strong> rund 1000 °C abl<strong>auf</strong>en. Das Hauptreaktionsprodukt<br />

ist eine La 2 Zr 2 O 7 -Blockierungsschicht, die sich nach der Summenreaktion (5) bildet,<br />

und die für den Verlust der Funktionsfähigkeit verantwortlich gemacht wird<br />

[9-14]. Etliche Autoren, z.B. [14], beschreiben eine besondere Induktionsperiode<br />

der La 2 Zr 2 O 7 -Bildung, deren Natur aber nicht <strong>auf</strong>geklärt ist. Es kann angenommen<br />

werden, daß das Verständnis dieser Induktionsperiode, d.h. der Frühstadien der<br />

Reaktion (5), ein Schlüssel für die Bemühungen sein dürfte, den Degradationsprozeß<br />

<strong>von</strong> Hochtemperatur-Brennstoffzellen so gut zu verstehen, daß Maßnahmen<br />

gegen ihn getroffen werden können.


21 A1<br />

Hesse<br />

Unsere experimentellen Untersuchungen der Frühstadien der Reaktion (5) wurden<br />

<strong>auf</strong> Substraten bzw. Substratregionen <strong>von</strong> dreierlei Morphologien ausgeführt:<br />

(i) Ebene, glatte Substratregionen [15];<br />

(ii) Substrate mit zahlreichen Löchern submikroskopischer Abmessungen [16];<br />

(iii) Substratregionen mit Oberflächenstufen [17].<br />

Hierzu wurden YSZ(100)-Substrate zweier unterschiedlicher Hersteller benutzt.<br />

Beide zeigten <strong>von</strong> hauptsächlich mono- und biatomar hohen Stufen (der Höhe<br />

0,5 nm bzw. 1,0 nm) getrennte ebene Substratterrassen. Während aber die Kristalle<br />

des einen Herstellers glatte Terrassen zeigten, wiesen diejenigen des anderen Herstellers<br />

<strong>auf</strong> den Terrassen Löcher submikroskopischer Abmessungen hoher Flächendichte<br />

<strong>auf</strong>, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte, vgl. [16]. Aus dem<br />

Vergleich der Prozesse, die beim Anfangsstadium der Reaktion (5) <strong>auf</strong> ZrO 2 -Substraten<br />

bzw. Substratregionen dieser drei Morphologien abl<strong>auf</strong>en, konnten vor<br />

allem Rückschlüsse <strong>auf</strong> die Bedeutung <strong>von</strong> elastischen Spannungen im Anfangsstadium<br />

der Reaktion gezogen werden. Die Ergebnisse wurden kürzlich ausführlich<br />

in den Zeitschriften Phil. Mag. Letters bzw. Phil. Mag. A publiziert [15,16],<br />

ferner in einer an die Zeitschrift Surface Science eingereichten Arbeit [17] und<br />

auch in Form <strong>von</strong> Konferenzberichten, z.B. [18]. Sie werden im folgenden zusammenfassend<br />

vorgestellt und diskutiert.<br />

Die Festkörperreaktion (5) beginnt stets mit der Bildung einzelner La 2 Zr 2 O 7 -Inseln,<br />

die im allgemeinen bzw. annähernd die Form einer gekappten quadratischen Pyramide<br />

haben und - abhängig <strong>von</strong> der Morphologie des ZrO 2 -Ausgangssubstrats - aus<br />

vier bis acht Domänen bestehen. Diese Domänen konnten als Verkippungsdomänen<br />

unterschiedlichen Kippwinkels und unterschiedlicher Verkippungsrichtung<br />

identifiziert werden. Kippwinkel und Verkippungsrichtung hängen ihrerseits <strong>von</strong><br />

der Burgersgeometrie der im Anfangsstadium der Reaktion gebildeten Grenzflächenversetzungen<br />

ab. Insofern liegen Verhältnisse vor, die zur MgIn 2 O 4 - und<br />

Mg 2 SnO 4 -Spinellbildung analog sind. Neu ist der Befund, daß die Burgersgeometrie<br />

der Grenzflächenversetzungen über die bei der Bildung der Versetzungen herrschenden<br />

elastischen Randbedingungen stark <strong>von</strong> der Morphologie des Ausgangssubstrats<br />

abhängt und somit der wirksame Mechanismus der Grenzflächenreaktion<br />

(mit bzw. ohne Sauerstoffdiffusion, d.h. über Kletter- bzw. Gleitprozesse der<br />

Grenzflächenversetzungen, vgl. [6]) bereits durch die zu Beginn herrschenden elastischen<br />

Randbedingungen maßgeblich mitbestimmt wird.


(i) Ebene, glatte Substratregionen<br />

22 A1<br />

Hesse<br />

Abb.12: (a) AFM-Abbildung einer glatten,<br />

ebenen YSZ(001)-Oberfläche, <strong>auf</strong> der sich<br />

(ca. 60 nm hohe und ca. 500 nm breite)<br />

La 2 Zr 2 O 7 -Inseln gebildet haben. (b) Planare<br />

TEM-Abbildung derselben Probe, die die<br />

Domänengrenzen deutlich erkennen läßt.<br />

(c) Teil einer Röntgenpolfigur, die mit dem<br />

(004) LZO -Reflex <strong>auf</strong>genommen wurde. Der<br />

Polwinkel reicht <strong>von</strong> 0° im Zentrum bis 5°<br />

am Rand.<br />

Die Inseln haben in diesem Falle die Form einer horizontal gekappten quadratischen<br />

Pyramide, wie mittels AFM und TEM festgestellt werden konnte (Abbildungen<br />

12a,b und 13a). Alle Inseln haben die gleiche Orientierung, und zwar liegen<br />

die Kanten des Basisquadrats längs der YSZ - und LZO -Richtungen. Jede<br />

Insel besteht aus vier Domänen. Die Spuren der Domänengrenzen liegen parallel<br />

zu den -Richtungen. Wie die Röntgenpolfigur (Abb. 12c) zeigt, ist der<br />

(004) LZO -Peak in vier Sub-Peaks <strong>auf</strong>gespalten, die eine Verkippung des La 2 Zr 2 O 7 -<br />

Gitters um ca. 2,5° aus der Orientierung (2) in vier verschiedene Richtungen anzeigen.<br />

Wie die Analyse mehrerer XRD-φ-Scans zeigt, sind die Kippachsen<br />

grenzflächenparallel und vom Typ . Mittels Elektronenfeinbereichsbeugung<br />

im TEM (vgl. Abb. 13) konnte jede der vier Kipprichtungen genau einer der vier in


23 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 12b sichtbaren Domänen zugeordnet werden, was diese somit als Verkippungsdomänen<br />

kennzeichnet.<br />

Abb. 13a zeigt eine TEM-Querschnitts<strong>auf</strong>nahme einer Insel. Neben dem an der Inseloberfläche<br />

aus energetischen Gründen vorhandenen Graben am Ort des Durchstoßens<br />

der Domänengrenze (analog dem Grain Boundary Grooving) sind besonders<br />

die Grenzflächenversetzungen an der La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche anhand der<br />

periodisch angeordneten hellen Spannungskontraste gut zu erkennen. Abb. 13b<br />

Abb. 13: (a) TEM-Querschnittsabbildung<br />

einer La 2 Zr 2 O 7 -Insel<br />

<strong>auf</strong> der YSZ(001)-Oberfläche<br />

mit Spannungskontrasten der<br />

Grenzflächenversetzungen.<br />

(b) Entsprechendes Feinbereichsbeugungsbild<br />

mit <strong>auf</strong>gespaltenen<br />

La 2 Zr 2 O 7 -Reflexen.<br />

Abb. 14: Planare Dunkelfeldabbildung<br />

einer La 2 Zr 2 O 7 -Insel.<br />

Die vier Verkippungsdomänen und<br />

die Grenzflächenversetzungen in<br />

zwei <strong>von</strong> ihnen sind gut zu erkennen.


24 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 15: TEM-Querschnitts<strong>auf</strong>nahme des Randes einer Insel. Die YSZ-Oberfläche<br />

ist in unmittelbarer Nachbarschaft der Insel abgesenkt.<br />

Abb. 16: Planare Beugungskontrast-Analyse der Grenzflächenversetzungen an der<br />

La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche. (a) Hellfeld. (b-d) Weak-Beam-Dunkelfelder mit drei<br />

verschiedenen Beugungsvektoren.


25 A1<br />

Hesse<br />

zeigt die Aufspaltung der Pyrochlor-Reflexe in zwei Sub-Reflexe der beiden in der<br />

Insel (Abb. 13a) angeschnittenen Verkippungsdomänen. In der TEM-Dunkelfeld-<br />

Planarabbildung (Abb. 14) sind die Grenzflächenversetzungen in zwei der Verkippungsdomänen<br />

gut zu erkennen. Sie verl<strong>auf</strong>en längs der -Richtungen, d.h.<br />

unter 45° zu den Kanten des Basisquadrats der Pyramide, und ihr gegenseitiger<br />

Abstand beträgt ca. 8 nm. Jede Insel ist <strong>von</strong> einem Hof umgeben, in dem die YSZ-<br />

Oberfläche um ca. 5 nm gegenüber der ursprünglichen YSZ-Oberfläche abgesenkt<br />

ist (Abb. 15), offensichtlich infolge des Verbrauchs <strong>von</strong> YSZ-Material zum reaktiven<br />

Aufbau der La 2 Zr 2 O 7 -Insel gemäß Gleichung (5).<br />

Planare TEM-Beugungskontrastanalysen (Abb. 16) und die Auswertung Fouriergefilterter<br />

HRTEM-Abbildungen (Abb. 17) zeigen, daß die Grenzflächenversetzungen<br />

reine Stufenversetzungen sind, deren Burgersvektor um 45° zur Grenzflächenebene<br />

(001) geneigt ist. So besitzen z.B. die Grenzflächenversetzungen mit<br />

dem Linienvektor l = [010] einen Burgersvektor b = a YSZ /2 [101]. Die horizontale<br />

Komponente des Burgersvektors dient der Akkommodation der Gitterfehlpassung,<br />

während die vertikale Komponente die Gleitfähigkeit in der Reaktionsrichtung<br />

[001] sicherstellt und zugleich zur Verkippung des La 2 Zr 2 O 7 -Gitters führt: Der<br />

Burgersvektor b = a YSZ /2 [101] der einen Versetzungsschar führt zu einer Verkippung<br />

um die [010]-Achse, während der Burgersvektor b = a YSZ /2 [011] der dazu<br />

senkrecht verl<strong>auf</strong>enden Versetzungsschar zu einer Verkippung um die [100]-Achse<br />

führt. In Summa erfolgt die Verkippung also um die [110]-Achse. Die Versetzungen<br />

können <strong>auf</strong> den unter 45° zur Grenzflächenebene liegenden {101}-Ebenen<br />

gleiten, so daß das Fortschreiten der Reaktionsfront in die Reaktionsrichtung [001]<br />

ausschließlich durch einen konservativen Gleitprozeß erfolgen kann.<br />

Die Bildung dieser Versetzungen kann analog zu Modellen, die in der Gruppe<br />

Strunk [19,20] für Halbleiterinseln <strong>auf</strong>gestellt wurden, verstanden werden, wenn<br />

angenommen wird, daß sich ab einer bestimmten Inseldicke an den Ecken der<br />

Inseln aus energetischen Gründen Versetzungshalbschleifen bilden. Dort sind<br />

nämlich die infolge der noch nicht akkommodierten Gitterfehlpassung vorhandenen<br />

Spannungen am größten. Dank der Gleitebenen vom Typ {101} können sich<br />

diese Halbschleifen in Richtung <strong>auf</strong> die Grenzfläche bewegen und dort in Form der<br />

Grenzflächenversetzungen, welche nun die Gitterfehlpassung akkommodieren, zur<br />

Ruhe kommen (Abb. 18). Da die an den vier Ecken der Insel gebildeten Versetzungen<br />

vier unterschiedliche Burgersvektoren haben, die um 45° zur Grenzflächenebene<br />

geneigt sind, zerfällt die Insel in vier Verkippungsdomänen. Mit dem Weiterwachsen<br />

der Insel in lateraler Richtung werden in analoger Weise immer mehr<br />

Grenzflächenversetzungen gebildet, bis schließlich das in Abb. 14 beobachtete<br />

Netzwerk entsteht.


26 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 17: (a) HRTEM-Querschnittsabbildung der La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche im<br />

Bereich zweier Domänen, die etwa in der Mitte des Bildes an der Domänengrenze<br />

zusammenstoßen. (b) Fourier-gefilterte Aufnahme mit einem YSZ(200)-<br />

(2 00)-Filter. (c) Fourier-gefilterte Aufnahme mit einem YSZ(002)-(00 2 )-Filter.<br />

Die eingekreisten Orte zeigen jeweils die Kante einer eingeschobenen Halbebene<br />

an, welche im Falle (b) einer horizontalen, im Falle (c) einer vertikalen Burgersvektor-Komponente<br />

entspricht.<br />

Abb. 18: Schema für die Bildung der<br />

Grenzflächenversetzungen an der<br />

La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche im<br />

Falle (i).


27 A1<br />

Hesse<br />

(ii) Substrate mit Löchern submikroskopischer Abmessungen<br />

Die YSZ(001)-Oberflächen für diese Untersuchungen enthielten Löcher hoher Flächendichte<br />

<strong>von</strong> etwa 15 bis 30 nm Durchmesser und einer Tiefe <strong>von</strong> 0.5 oder<br />

0.25 nm, d.h. einem halben oder ganzen YSZ-Gitterparameter (Abb. 19).<br />

Abb. 19: AFM-Abbildung der<br />

YSZ(001)-Oberfläche mit Löchern<br />

submikroskopischer Abmessungen nach<br />

dem Tempern bei 1200 °C für 60 min.<br />

an Luft.<br />

Als erster deutlicher Unterschied zum Fall (i) fällt in den AFM-Abbildungen der<br />

nach der Reaktion (1) gebildeten La 2 Zr 2 O 7 -Inseln <strong>auf</strong>, daß nahezu jede Insel sich<br />

am Ort eines Loches gebildet hat und dieses Loch sich in der Insel fortsetzt, d.h.<br />

die Insel schließt ein annähernd mittiges Loch ein (Abb. 20). Das Linienprofil läßt<br />

das mittige Loch und das - wie im Falle (i) - abgesenkte Niveau der YSZ-Oberfläche<br />

um die Insel herum gut erkennen. Der Boden des Loches liegt um etwa 4 nm<br />

tiefer, als das abgesenkte Niveau der YSZ-Oberfläche, d.h. es ist auch Material<br />

vom Lochboden zum Aufbau der Insel verwendet worden.<br />

Röntgenpolfiguren (z.B. Abb. 21) zeigen an, daß die Inseln in diesem Falle nicht<br />

nur aus Domänen bestehen, welche um grenzflächenparallele -Achsen verkippt<br />

sind, sondern offensichtlich auch aus Domänen, welche um eine grenzflächenparallele<br />

-Achse gekippt sind: Die Polfiguren bestehen nicht - wie im<br />

Falle (i), vgl. Abb. 12c - aus vier isoliert <strong>von</strong>einander vorliegenden Peaks, die aus<br />

der Verkippung des La 2 Zr 2 O 7 -Gitters um grenzflächenparallele -Achsen<br />

resultieren, sondern zwischen diesen Peaks, die hier auch <strong>auf</strong>treten, liegen Bereiche<br />

nicht vernachlässigbarer Intensität, mit je einem schwach ausgeprägten -<br />

Maximum zwischen je zwei -Peaks. TEM-Abbildungen und Elektronenfein-


28 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 20: AFM-Abbildung der <strong>auf</strong> YSZ-<br />

Substrat mit Löchern gewachsenen<br />

La 2 Zr 2 O 7 -Inseln. Das Linienprofil ist<br />

entlang der in der AFM-Abbildung<br />

eingezeichneten weißen Linie<br />

<strong>auf</strong>genommen.<br />

bereichs-Beugungsbilder, die sowohl in Planar- als auch in Querschnittsproben<br />

<strong>auf</strong>genommen wurden, bestätigen diesen Befund, siehe [16].<br />

Abb. 22 zeigt die planare TEM-Abbildung einer La 2 Zr 2 O 7 -Insel, die aus sechs Domänen<br />

besteht und ein zentrales Loch <strong>von</strong> annähernd quadratischer Form mit einer<br />

Kantenlänge <strong>von</strong> ca. 50 nm <strong>auf</strong>weist. Die Kanten des Basisquadrats der Inseln und<br />

die des Loch-Quadrats liegen einander annähernd parallel und verl<strong>auf</strong>en typischerweise<br />

längs der grenzflächenparallelen -Richtungen. Die Elektronenbeugungs-Analyse<br />

ergab, daß die in der Projektion trapezförmig erscheinenden<br />

Domänen No. 1 bis 4 um -Achsen verkippt sind, also den im Falle (i) beobachteten<br />

Verkippungsdomänen entsprechen, während die streifenförmigen Domänen<br />

No. 5 und 6 um -Achsen verkippt sind [16]. Andere untersuchte Inseln<br />

bestehen z.T. aus bis zu 8 Domänen, da<strong>von</strong> immer vier -verkippte, trapezförmige<br />

Domänen und bis zu vier -verkippte Streifendomänen. Die im<br />

Vergleich zum Falle (i) zusätzliche Intensität in der Röntgenpolfigur findet so ihre


29 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 21: Ausschnitt aus einer<br />

Röntgenpolfigur einer Probe mit<br />

Löchern. Der Polwinkel reicht <strong>von</strong><br />

0° im Zentrum bis 3° am Rand. Die<br />

scharfen Peaks nahe dem Zentrum<br />

rühren vom Substrat her. Vier<br />

deutliche (004) LZO -Peaks <strong>von</strong><br />

Domänen mit -Verkippung<br />

und vier schwächere (004) LZO -Peaks<br />

<strong>von</strong> Domänen mit -<br />

Verkippung sind zu erkennen.<br />

Erklärung in den - im Vergleich zum Falle (i) - zusätzlichen -verkippten<br />

Streifendomänen der La 2 Zr 2 O 7 -Inseln.<br />

In Abb. 22 sind ferner in allen Domänen Streifenkontraste erkennbar, die teils <strong>von</strong><br />

Versetzungen, teils <strong>von</strong> Moiré-Mustern herrühren. Die Anwesenheit <strong>von</strong> Grenzflächenversetzungen<br />

an der La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche unter allen Domänen ist<br />

durch TEM-Querschnittsabbildungen im Beugungskontrast und durch HRTEM-<br />

Querschnittsabbildungen belegt worden, siehe [16]. Die Analyse <strong>von</strong> Linien- und<br />

Burgersvektor, die ganz analog zum Falle (i) sowohl im planaren TEM-Beugungskontrast,<br />

als auch mittels Fourier-gefilterter HRTEM-Querschnittsabbildungen<br />

erfolgte, ergab ein differenziertes Bild: Unter den -verkippten trapezförmigen<br />

Domänen (No. 1 bis 4 in Abb. 22) befindet sich ein orthogonales Netzwerk<br />

<strong>von</strong> Versetzungen, die vollkommen denen im Falle (i) entsprechen, also Stufenversetzungen<br />

mit grenzflächenparallelen Linienvektoren vom Typ und dazu<br />

senkrechten, unter 45° zur Grenzflächenebene geneigten Burgersvektoren vom Typ<br />

b = a YSZ /2 . Wie im Falle (i) führen z.B. die entsprechenden Kippachsen<br />

[010] und [100], die sich infolge der zur Grenzfläche senkrechten Burgersvektorkomponente<br />

der beiden Burgersvektoren b = a YSZ /2 [101] und b = a YSZ /2 [011]<br />

ausbilden, zu einer Gesamtverkippung um die [110]-Achse. Die trapezförmigen<br />

Domänen sind also -verkippt. Dagegen ist das Netzwerk unter den streifenförmigen<br />

Domänen durch zwei verschiedenartige Versetzungsscharen gekennzeichnet:<br />

In der Domäne No. 5 z.B. verl<strong>auf</strong>en quer zur Längsrichtung [010] der<br />

streifenförmigen Domäne Versetzungen des Typs (l 1 = [100]; b 1 = a YSZ /2 [011]),<br />

also mit einem um 45° zur Grenzflächenebene geneigtem Burgersvektor, während<br />

längs zu dieser Längsrichtung Versetzungen des Typs (l 2 = [010]; b 2 = a YSZ /2<br />

[100]) liegen, also Versetzungen mit einem grenzflächenparallelen Burgersvektor.


30 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 22: Planare TEM-Abbildung<br />

einer La 2 Zr 2 O 7 -Insel mit zentralem<br />

Loch, die um ein Loch in der YSZ-<br />

Oberfläche gewachsen ist. Vier<br />

-verkippte (No. 1 bis 4) und<br />

zwei -verkippte Domänen<br />

(No. 5 und 6) sind zu sehen.<br />

Da b 2 keine senkrecht zur Grenzfläche liegende Komponente besitzt, führen die<br />

Versetzungen mit dem Burgersvektor b 2 nicht zu einer Verkippung, so daß nur die<br />

Versetzungen mit b 1 (mit einer senkrechten Komponente b ⊥ ) zu einer Verkippung<br />

des La 2 Zr 2 O 7 -Gitters um die [100]-Achse führen. Mithin ist die Domäne No. 5 eine<br />

-verkippte Domäne. Abb. 23 zeigt als Beispiel anhand der bereits im Falle<br />

(i) angewendeten Fourier-Filterung einer HRTEM-Querschnittsabbildung die<br />

La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche unter einer Domäne vom Typ No. 5 in Abb. 22: Drei<br />

Grenzflächenversetzungen vom Typ (l 2 = [010], b 2 = a YSZ /2 [100]) sind zu erkennen.<br />

Die Abwesenheit einer zur Grenzfläche senkrechten Burgersvektorkomponente<br />

ist durch Abb. 18c eindrucksvoll belegt.<br />

Die Entstehung dieser <strong>auf</strong> den ersten Blick recht komplexen Burgersgeometrie der<br />

Versetzungen an der La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche läßt sich verstehen, wenn die bei<br />

der Bildung der Versetzungen wirkenden elastischen Randbedingungen berücksichtigt<br />

werden (Abb. 24). Im Falle der Bildung einer La 2 Zr 2 O 7 -Insel <strong>auf</strong> einem<br />

glatten Abschnitt der YSZ-Oberfläche (Abb. 24a) folgt die Bildung der Versetzungen<br />

dem Schema der Abb. 18 aus Fall (i). Dagegen muß dann, wenn die La 2 Zr 2 O 7 -<br />

Insel sich am Rand eines Loches im YSZ-Substrat ausbildet, berücksichtigt werden,<br />

daß der Lochrand selbst zu einer elastischen Relaxation eines Teils der Misfit-<br />

Spannungskomponenten in der Lage ist. Aufgrund des dann asymmetrischen<br />

Spannungsbildes führen die verbleibenden Komponenten zur Bildung <strong>von</strong> Verset-


31 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 23: (a) HRTEM-Querschnittsabbildung<br />

der La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche<br />

unter einer Domäne vom Typ<br />

No.5 in Abb. 22. (b) Fourier-gefilterte<br />

Aufnahme mit einem YSZ(200)-<br />

( 2 00)-Filter. (c) Fourier-gefilterte<br />

Aufnahme mit einem YSZ(002)-<br />

(00 2 )-Filter. Die eingekreisten Orte<br />

in (b) zeigen jeweils die Kante einer<br />

eingeschobenen Halbebene an, welche<br />

einer horizontalen Burgersvektor-<br />

Komponente entspricht.<br />

zungen mit grenzflächenparallelem Burgersvektor (Abb. 24b). Wie mit dieser<br />

Annahme die gemeinsame Entstehung <strong>von</strong> vier -verkippten trapezförmigen<br />

(im Schema dreieckigen) Domänen und <strong>von</strong> z.B. drei -verkippten Streifendomänen<br />

erklärt werden kann, zeigt beispielhaft Abb. 25. Hier wird angenommen,<br />

daß sich eine Insel aus drei Keimen bildet, welche am oder unmittelbar neben dem<br />

Lochrand entstanden sind. Immer dann, wenn die betrachtete Ecke des quadratisch<br />

angenommenen Keimes am Lochrand liegt, wird die Bildung einer Versetzung mit<br />

grenzflächenparallelem Burgersvektor gemäß Abb. 24b angesetzt, und immer<br />

dann, wenn die betrachtete Ecke nicht unmittelbar am Lochrand liegt, wird die Bildung<br />

einer Versetzung mit um 45° zur Grenzflächenebene geneigt liegendem Burgersvektor<br />

gemäß Abb. 24a angesetzt. Wird dieses Schema konsequent weiterverfolgt,<br />

und wird dabei die Lageveränderung der Ecken infolge des lateralen<br />

Wachstums der Inseln berücksichtigt, kommt man zwangsläufig zur Bildung einer<br />

Insel mit vier -verkippten und drei -verkippten Streifendomänen und<br />

einem quadratischen zentralen Loch der geforderten kristallographischen Ausrichtung<br />

(Abb. 25). Eine Reihe solcher schematischer Abbildungen, mit denen die


32 A1<br />

Hesse<br />

Ausbildung <strong>von</strong> z.B. einer, <strong>von</strong> drei oder <strong>von</strong> vier Streifendomänen erklärt wird,<br />

ist erarbeitet worden, vgl. [18].<br />

Abb. 24: Querschnitts-Schema zweier Mechanismen der Versetzungsbildung an<br />

der La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-Grenzfläche (a) <strong>auf</strong> glatten Substratbereichen, (b) nahe eines<br />

Lochrandes. Schwarze Versetzungssymbole kennzeichnen Versetzungen mit einem<br />

Burgersvektor vom Typ b = a YSZ [101], graue Symbole solche mit einem Burgersvektor<br />

vom Typ b = a YSZ [100].<br />

Zur Bewertung der beiden unterschiedlichen Burgersgeometrien der Grenzflächenversetzungen<br />

unter den -verkippten und den -verkippten La 2 Zr 2 O 7 -<br />

Domänen muß an das folgende, am Spinellsystem in der ersten Bewilligungsperiode<br />

des Projekts A1 im SFB 418 erarbeitete Ergebnis erinnert werden: Ein gleitfähiges<br />

Versetzungsnetzwerk an der Reaktionsfront, das zumindest eine Bewegungskomponente<br />

in Reaktionsrichtung erlaubt, führt zu einem Grenzflächenreaktionsmechanismus,<br />

bei dem - neben der die Reaktion bewirkenden Diffusion der Kationen<br />

- keine weiteren Diffusionsschritte nötig sind, insbesondere keine Diffusion<br />

<strong>von</strong> Sauerstoffionen. Ein solches gleitfähiges Versetzungsnetzwerk wird insbesondere<br />

durch einen um 45° zur Ebene der Reaktionsfront geneigt liegenden Burgersvektor<br />

ermöglicht. Dagegen erlaubt ein grenzflächenparalleler Burgersvektor keine<br />

Gleitung des Netzwerkes in Reaktionsrichtung. Daher ist in diesem Falle zur Fortbewegung<br />

des Netzwerks <strong>von</strong> Grenzflächenversetzungen in Reaktionsrichtung ein<br />

Kletterprozeß nötig, der die Diffusion <strong>von</strong> Gittermolekü len, d.h. insbesondere<br />

<strong>von</strong> Sauerstoffionen, voraussetzt. Wenn die Bewegung des Netzwerks der Grenzflächenversetzungen<br />

in Reaktionsrichtung die Reaktionsrate bestimmt - was wegen<br />

der hohen Beweglichkeit der Kationen die Regel sein dürfte - dann folgt bei<br />

grenzflächenparallelem Burgersvektor eine langsamere Reaktionskinetik, als bei<br />

um 45° zur Grenzflächenebene geneigtem Burgersvektor.


I1<br />

C1<br />

C3<br />

I2 C2 C5<br />

C4 C2<br />

I3<br />

(a) (b) (c)<br />

33 A1<br />

Hesse<br />

C1<br />

C3<br />

C4<br />

b//<br />

b//<br />

2<br />

5<br />

1<br />

6 7<br />

(d)<br />

010<br />

100<br />

(e)<br />

3 4<br />

Abb. 25: Planares Schema der Bildung einer La 2 Zr 2 O 7 -Insel mit vier verkippten<br />

dreieckigen und drei -verkippten Streifendomänen unter Annahme<br />

der beiden Versetzungsbildungsmechanismen der Abb. 24. Der gestrichelte<br />

geschlossene Kurvenzug kennzeichnet den Rand eines Loches im YSZ-Substrat.<br />

I1, I2 und I3 sind die primären La 2 Zr 2 O 7 -Keime, die sich am oder unmittelbar neben<br />

dem Lochrand gebildet haben. C1 bis C5 sind Ecken der La 2 Zr 2 O 7 -Keime, die teils<br />

zunächst direkt am Lochrand liegen (C1, C2, C3 und C4 in (b)), so daß Abb. 24b<br />

zutrifft, teils <strong>von</strong> Anfang an fern vom Lochrand (C5), wo Abb. 24a zutrifft. In (c)<br />

haben sich C1, C2, C3 und C4 bereits vom Lochrand entfernt, so daß ab diesem<br />

Stadium auch für diese vier Ecken Abb. 24a zutrifft. Je nachdem, ob Abb. 24b oder<br />

Abb. 24a zutrifft, werden Versetzungen mit grenzflächenparallelem bzw. mit einem<br />

um 45° zur Grenzfläche geneigt liegenden Burgersvektor gebildet.<br />

Drei Konsequenzen folgen aus diesen Befunden:<br />

1. Die Ausbildung der konkreten Burgersgeometrie der an der La 2 Zr 2 O 7 /YSZ-<br />

Grenzfläche liegenden Versetzungen wird <strong>von</strong> den elastischen Randbedingungen


34 A1<br />

Hesse<br />

im Moment der Versetzungsbildung bestimmt. Diese Randbedingungen hängen<br />

<strong>von</strong> der Morphologie der Ausgangsoberfläche des YSZ-Substrats ab.<br />

2. Glatte YSZ-Oberflächen führen <strong>auf</strong> eine Burgersgeometrie, die die Gleitung der<br />

Grenzflächenversetzungen in Reaktionsrichtung und damit eine schnelle Reaktionskinetik<br />

erlaubt. Rauhe YSZ-Oberflächen führen dagegen zum Teil (d.h. für<br />

die Streifendomänen) <strong>auf</strong> eine Burgersgeometrie, die einen Kletterprozeß erforderlich<br />

macht, d.h. eine langsamere Reaktionskinetik einschließen dürfte.<br />

3. Die SOFC-Degradierung gemäß Reaktion (5) ist somit zumindest im Falle der<br />

topotaktischen Einkristallreaktion bei rauher Ausgangsgrenzfläche langsamer, als<br />

bei glatter Ausgangsgrenzfläche - ein <strong>auf</strong> den ersten Blick kontra-intuitives Ergebnis.<br />

(iii) Substratregionen mit Oberflächenstufen<br />

Da <strong>auf</strong> beiden Arten (i) und (ii) <strong>von</strong> YSZ-Substraten auch Regionen einer hohen<br />

Dichte <strong>von</strong> Oberflächenstufen der Höhe einer halben oder ganzen YSZ-Einheitszelle<br />

anwesend waren, lag es nahe, auch deren Einfluß <strong>auf</strong> das Anfangsstadium der<br />

Reaktion (5) zu untersuchen. Die Untersuchungen wurden <strong>auf</strong> Substrate vom Typ<br />

(i) beschränkt, da die Anwesenheit <strong>von</strong> Löchern die Analysen unnötig kompliziert<br />

hätten.<br />

Abb. 26 zeigt, daß die YSZ-Oberflächenstufen als bevorzugte Zentren der Keimbildung<br />

für die La 2 Zr 2 O 7 -Inseln dienen. Die Inseln sind häufig wie Perlen <strong>auf</strong> einer<br />

Schnur entlang der Stufen <strong>auf</strong>gereiht. Das Linienprofil verdeutlicht zugleich die<br />

Stufenhöhe, die 0,5 nm oder 1 nm beträgt. (Die scheinbar 2 nm hohe Stufe rechts<br />

<strong>von</strong> der Insel kommt durch die bereits bekannte Absenkung des Niveas der YSZ-<br />

Oberfläche in der Inselumgebung <strong>auf</strong>grund des Reaktionsverbrauchs zustande.)<br />

Der geradlinige Stufenverl<strong>auf</strong> wird regelmäßig <strong>von</strong> Kinks unterbrochen, die senkrecht<br />

zur allgemeinen Stufenrichtung verl<strong>auf</strong>ende Abschnitte der Länge 20 bis<br />

35 nm bilden. Es scheint, daß die La 2 Zr 2 O 7 -Inseln sich bevorzugt an Kinks bilden.<br />

Röntgenpolfiguren haben die Anwesenheit sowohl <strong>von</strong> -verkippten, als auch<br />

<strong>von</strong> -verkippten La 2 Zr 2 O 7 -Inselbereichen angezeigt [17]. Abb. 27 zeigt die<br />

planare TEM-Abbildung und das zugehörige Beugungsbild einer Insel, die sich an<br />

einer horizontal im oberen Teil des Bildes verl<strong>auf</strong>enden geradlinigen Stufe gebildet<br />

hat. (Die Stufe ist in diesem Bildausschnitt kaum zu kerkennen, aber außerhalb<br />

des Bildausschnittes identifizierbar.) Unter Berücksichtigung der in den Fällen (i)<br />

und (ii) gewonnenen Erfahrungen konnte festgestellt werden, daß die Insel aus vier


35 A1<br />

Hesse<br />

-verkippten Domänen <strong>von</strong> dreieckiger Form (No. 1 bis 4) und vier verkippten<br />

Domänen <strong>von</strong> Streifenform (No. 5 bis 8) besteht. Domäne No. 5, die<br />

Abb. 26: AFM-Abbildung und<br />

Linienprofil <strong>von</strong> La 2 Zr 2 O 7 -<br />

Inseln, die sich überwiegend<br />

entlang <strong>von</strong> Stufen der YSZ-<br />

Oberfläche gebildet haben.<br />

Das Linienprofil ist entlang der<br />

weißen Linie in der AFM-<br />

Abbildung <strong>auf</strong>genommen. Die<br />

schwarzen Linien längs [100]<br />

sind hinzugefügt, um unter den<br />

Inseln verborgene Kinks der<br />

Stufen zu verdeutlichen.<br />

unmittelbar an der Stufe liegt, ist besonders groß. Es hat sich gezeigt, daß die<br />

unmittelbar an die Stufe angrenzende Domäne tatsächlich in der Regel immer die<br />

größte ist. Der relativ regelmäßige Aufbau dieser an einer geradlinigen Stufe<br />

gebildeten La 2 Zr 2 O 7 -Insel ist jedoch nicht der Regelfall. Inseln, die an Kinks<br />

gebildet wurden, weisen wesentlich unregelmäßiger geformte Domänen <strong>auf</strong> (Abb.<br />

28).<br />

Die TEM- und HRTEM-Befunde zu den Versetzungen unter den jeweiligen<br />

Domänen decken sich mit denen des Falles (ii), d.h. auch hier liegen unterschiedli-


36 A1<br />

Hesse<br />

Abb. 27: Planare TEM-Abbildung und<br />

Elektronenbeugungsbild einer an einer<br />

horizontal im Bild verl<strong>auf</strong>enden Stufe<br />

gebildeten La 2 Zr 2 O 7 -Insel mit<br />

regelmäßiger Domänenstruktur.<br />

Abb. 28: (a-c) An Kinks<br />

gebildete La 2 Zr 2 O 7 -Inseln<br />

<strong>von</strong> wenig regelmäßiger<br />

Domänenstruktur. Der aus<br />

der genaueren Betrachtung<br />

der Negative rekonstruierte<br />

Stufenverl<strong>auf</strong> im<br />

Inselbereich ist durch eine<br />

weiße Linie verdeutlicht.


37 A1<br />

Hesse<br />

che Burgersgeometrien vor, jeweils in Korrespondenz zur Kippachse der darüberliegenden<br />

Domäne. Auf die Wiedergabe der TEM-Abbildungen wird hier verzichtet,<br />

siehe die Abbildungen in [17].<br />

Ohne <strong>auf</strong> weitere Einzelheiten einzugehen, sei an dieser Stelle summarisch dar<strong>auf</strong><br />

verwiesen, daß die analoge Anwendung der Modelle der Abbildungen 24 und 25<br />

auch in den Fällen der weniger regelmäßig ausgebildeten Domänenstruktur <strong>von</strong> an<br />

Kinks und Mehrfachkinks gebildeten Inseln die Erklärung der Domänenformen<br />

ermöglicht [17]. Im ürigen werden die im Falle (ii) gefunden Zusammenhänge und<br />

Schlußfolgerungen bestätigt.<br />

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[17] C.J. Lu, S. Senz, and D. Hesse, submitted to Surface Science (2002).<br />

[18] C.J. Lu, S. Senz, and D. Hesse, MRS Symp. Proc. 654 (2001) AA3.20.


38 A1<br />

Hesse<br />

[19] M. Albrecht, S. Christiansen, P.O. Hansson, H.P. Strunk and E. Bauser, In:<br />

Polycrystalline Semiconductors III, edited by H.P. Strunk et al., Scitech Publ.,<br />

Zürich 1994, pp. 41ff.<br />

[20] S. Christiansen, M. Albrecht, H.P. Strunk, P.O. Hansson, and E. Bauser,<br />

Appl.Phys.Lett. 66 (1995) 574.<br />

3.4. Bedeutung der Ergebnisse<br />

Die zum Nachweis eines nichtthermischen Mikrowelleneffektes durchgeführten<br />

Experimente ergaben als dominanten unerwünschten Prozeß das Zünden <strong>von</strong><br />

Mikrowellenplasmaentladungen. Oberhalb einer Feldstärke <strong>von</strong> 3 MV/m kann in<br />

Luft bei Normaldruck eine selbständige, elektrodenlose Entladung brennen. Wenn<br />

Elektronenquellen vorhanden sind - z.B. Sekundärelektronen, thermische Emission,<br />

Feldemission -, kann die Entladung auch schon bei kleineren Feldstärken<br />

brennen. In einem Hybridofen durchgeführte Versuche zur Phasenbildung in dünnen<br />

Schichten ergaben bei Feldstärken der Größenordnung 1000V/m keine signifikanten<br />

Unterschiede im Vergleich zu einer rein thermischen Heizung. Während der<br />

L<strong>auf</strong>zeit des Projektes wurde ein Monomode-Resonator <strong>auf</strong>gebaut. Damit wurde<br />

BaTiO 3 -Keramik gesintert. Die höheren Feldstärken in diesem Resonator erlaubten<br />

eine Sinterung ohne Verwendung <strong>von</strong> Suszeptoren oder Additiven. Die Mikrowellenabsorption<br />

des BaTiO 3 war ausreichend, um ausgehend <strong>von</strong> Raumtemperatur<br />

die Tablette bis zur Sinterung bei Temperaturen oberhalb <strong>von</strong> 1200°C <strong>auf</strong>zuheizen.<br />

Im Gegensatz dazu absorbierten die für die Reaktions- bzw. Phasenbildungsversuche<br />

verwendeten Einkristalle keine ausreichende Leistung, um die benötigte Temperatur<br />

<strong>von</strong> >600°C mit einer reinen Mikrowellenheizung zu erzielen.<br />

Die Bedeutung der Ergebnisse der bisherigen Arbeiten zum Mikrowelleneinfluß<br />

<strong>auf</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong> liegt zunächst darin, einen Versuchs<strong>auf</strong>bau mit Monomode-Resonator<br />

erstellt zu haben und erste Erfahrungen mit diesem Versuchs<strong>auf</strong>bau<br />

gesammelt zu haben. Für unsere Arbeitsgruppe, die bisher nicht mit Mikrowellen<br />

experimentiert hatte, war dies eine relativ anspruchsvolle Aufgabe, deren<br />

Lösung die Überwindung etlicher experimenteller Schwierigkeiten erforderlich<br />

gemacht hat. Die Bedeutung der bisher gewonnen ersten Erkenntnisse über den<br />

Einfluß <strong>von</strong> Mikrowellenstrahlung <strong>auf</strong> einige wenige Reaktionssysteme geht nur<br />

wenig über diese methodische Bedeutung hinaus. Es konnte bisher kein eindeutiger<br />

Einfluß der Mikrowellenstrahlung etwa <strong>auf</strong> die Phasenbildungssequenz nachgewiesen<br />

werden. Ob dies tatsächlich bedeutet, daß es einen solchen nichtthermischen<br />

Mikrowelleneffekt nicht gibt, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.<br />

Für das Projekt A4 steht mit dem <strong>auf</strong>gebauten Monomode-Resonator jedoch nun


39 A1<br />

Hesse<br />

ein Experimental<strong>auf</strong>bau zur Verfügung, der gezielte Experimente zum Mikrowelleneinfluß<br />

<strong>auf</strong> Sintervorgänge erlaubt.<br />

Die Bedeutung der Ergebnisse zu den Frühstadien der Festkörperreaktion zwischen<br />

ZrO 2 und La 2 O 3 betrifft sowohl grundlegende Aspekte als auch die in Hochtemperatur-Brennstoffzellen<br />

abl<strong>auf</strong>enden Reaktionsprozesse.<br />

Hinsichtlich der grundlegenden Aspekte ist mit den Befunden zum Einfluß der elastischen<br />

Randbedingungen <strong>auf</strong> den Prozeß der Bildung der Grenzflächenversetzungen<br />

(die sich im Verl<strong>auf</strong>e der weiteren Reaktion mit der Reaktionsfront mitbewegen<br />

müssen) - unseres Wissens zum ersten Male - gezeigt worden, daß und vor<br />

allem wie die grenzflächenbestimmte Kinetik einer Festkörperreaktion <strong>auf</strong> der<br />

Nanometerskala <strong>von</strong> den elastischen - und damit den morphologischen - Ausgangsbedingungen<br />

der Reaktion entscheidend mitgeprägt wird. Diese - bereits in<br />

zwei führenden internationalen Fachzeitschriften publizierten und noch weiter zu<br />

publizierenden - Ergebnisse zeigen anschaulich, daß bereits im Frühstadium <strong>von</strong><br />

<strong>Festkörperreaktionen</strong> die elastischen Bedingungen genau berücksichtigt werden<br />

müssen. Sie werfen im übrigen im Nachhinein ein erhellendes und nun eine<br />

Gesamtschau ermöglichendes Licht <strong>auf</strong> die in der ersten Antragsperiode gewonnenen<br />

Erkenntnisse zu Spinellbildungsreaktionen mit positiver Gitterfehlpasssung an<br />

der Reaktionsfront.<br />

Im Hinblick <strong>auf</strong> die Degradation <strong>von</strong> Hochtemperatur-Brennstoffzellen (SOFCs)<br />

durch <strong>Festkörperreaktionen</strong> stellen die am Einkristall-Modellsystem ZrO 2 /<br />

La 2 Zr 2 O 7 gewonnenen Ergebnisse neues grundlegendes Wissen bereit, das grundsätzlich<br />

bei zukünftigen anwendungsnahen Arbeiten berücksichtigt werden kann.<br />

Überraschend ist der Befund, daß - zumindest an Einkristallsystemen - die Kinetik<br />

der Reaktion, d.h. die Geschwindigkeit der SOFC-Degradierung, bei rauher Ausgangsgrenzfläche<br />

langsamer, als bei glatter Ausgangsgrenzfläche ist.<br />

Die Bedeutung der Ergebnisse zum Gleichfeldeinfluß <strong>auf</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong><br />

liegt für unsere eigene Arbeit vor allem darin, mit diesen Arbeiten das komplexe<br />

Gefüge <strong>von</strong> Prozessen kennengelernt haben, welches sich bei Anwendung eines<br />

elektrischen Feldes <strong>auf</strong> Reaktionssysteme mit diffundierenden Spezies unterschiedlicher<br />

Beweglichkeit ausbilden kann. Dieses Wissen ist für uns insbesondere<br />

im Hinblick <strong>auf</strong> weitere Untersuchungen des Mikrowelleneinflusses <strong>auf</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong><br />

als Hintergrundwissen <strong>von</strong> Bedeutung.


4. Bezug zu Arbeiten außerhalb des SFB<br />

40 A1<br />

Hesse<br />

Die Arbeiten ordnen sich in weltweite Bemühungen ein, die Mechanismen <strong>von</strong><br />

<strong>Festkörperreaktionen</strong> <strong>auf</strong> submikroskopischem und atomaren Niveau besser zu<br />

verstehen. Sie tragen zum Wissensfundus <strong>auf</strong> diesem Gebiet neue und zum Teil<br />

überraschende Erkenntnisse bei. Innerhalb Deutschlands ist insbesondere ein<br />

Bezug zu den Arbeitsgruppen gegeben, die sich mit submikroskopischen Aspekten<br />

der Festkörperelektrochemie und <strong>von</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong> befassen (Abicht/Halle,<br />

Janek/Gießen, Martin/Aachen, Meier/Stuttgart, und bis vor kurzem Schmalzried/Hannover).<br />

Mit diesen Arbeitsgruppen bestehen z.T. intensive Kontakte und<br />

teilweise auch eine problemorientierte wissenschaftliche Zusammenarbeit.<br />

Darüber hinaus besteht die Bedeutung der Ergebnisse unserer elektronenmikroskopischen<br />

Untersuchungen zum Gleichfeldeinfluß <strong>auf</strong> Spinellbildungsreaktionen<br />

unterschiedlicher Ausgangssituation für die Arbeitsgruppen in Hannover und<br />

Gießen vor allem darin, zusätzlich zu deren eigenen elektrochemischen und lichtund<br />

rasterelektronenmikroskopischen Befunden (mit lateralen Auflösungen im<br />

Mikrometer- bzw. z.T. 100 nm-Bereich) nun zusätzliche Befunde zur submikroskopischen<br />

Struktur der Proben im Nanometerbereich erhalten zu haben. Diese<br />

Befunde können zu einer umfassenden Diskussion und Modellbildung für die unter<br />

Gleichfeldeinfluß abl<strong>auf</strong>enden komplexen Prozesse herangezogen werden.<br />

5. Offene Fragen<br />

1. Gibt es tatsächlich einen spezifischen Mikrowelleneinfluß <strong>auf</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong>,<br />

z.B. in Form einer geänderten Phasensequenz?<br />

2. Wie repräsentativ sind die gewonnenen Erkenntnisse zum Einfluß der elastischen<br />

Randbedingungen <strong>auf</strong> die Frühstadien <strong>von</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong>?<br />

3. Können die gewonnenen Erkenntnisse zu den <strong>auf</strong> der Submikrometerskala abl<strong>auf</strong>enden<br />

Mechanismen <strong>von</strong> <strong>Festkörperreaktionen</strong> genutzt werden, um Fragen<br />

<strong>von</strong> praktischer Relevanz zu untersuchen, z.B. um die Reaktionsabläufe in den<br />

bei der Sinterung <strong>von</strong> Core-Shell-Pulvern vorliegenden "Mikroreaktionskesseln"<br />

zu verstehen?

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