oora eBook 42
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Vom Mut, Dinge sterben zu lassen | Ende<br />
Sterben heißt, die Schmerzen des Verlusts<br />
zu ertragen mit der Perspektive, etwas loszulassen,<br />
aber doch nur in der Hoffnung,<br />
Neues zu empfangen.<br />
Zeitausbreitung ständig voranschreitet<br />
und sich beständig verändert. Kein Herzschlag<br />
gleicht dem Vorigen. Solange ihr<br />
noch auf der Wanderung seid und nicht<br />
am Ziel, wandelt sich alles beständig,<br />
und du musst Abschied nehmen in jeder<br />
Sekunde. Das Manna, das dich heute<br />
noch am Leben erhält, ist morgen schon<br />
dein totes Gestern. Und selbst die Toten<br />
werden noch einmal eine Änderung<br />
erfahren, sie werden Abschied nehmen<br />
müssen vom Hades, dem Totenreich, in<br />
dem alle Seelen bis zum jüngsten Gericht<br />
zwischengelagert sind, und sie werden<br />
auferstehen müssen, um dann endgültig<br />
an ihr anvisiertes Ziel zu kommen, entweder<br />
zu mir in die ewige Heimat oder<br />
eben in den zweiten, den endgültigen<br />
Tod, das ewige Verwehen im Nichts. Beides<br />
ist dann endgültig. Meine Ewigkeit<br />
beendet das Sterben-lassen-müssen, die<br />
ständigen Abschiede und Neubeginne.<br />
Nur wenn meine Freunde das Ziel nicht<br />
sehen können und ihre Leben nicht als<br />
Wanderung begreifen, dann machen ihnen<br />
die Abschiede Angst, weil sie sie aus<br />
der Wärme des Vertrauten herausreißen<br />
und so schockieren. Verstehst du das,<br />
Mickey? Folge mir nach …«<br />
Nach diesem langen Vortrag war ich<br />
jetzt etwas platt. Das muss man ja auch<br />
erst einmal verdauen. Zum Glück kam<br />
in diesem Moment gerade unser Freund<br />
Johannes Schreiter durch die Tür und<br />
lud uns zum Essen ein. Dankbar beendete<br />
ich vorerst das herausfordernde Gespräch<br />
mit meinem Freund Gott. Aber<br />
ich konnte ihn die ganze Zeit auf dem<br />
Weg zum Restaurant hinter uns spüren,<br />
und ich wusste genau, dass er fröhlich<br />
schmunzelte, weil er wieder einmal einen<br />
Samen des Lebens in meine Erde versenkt<br />
hatte, damit er dort stirbt …<br />
Seitdem bitte ich meinen Freund Gott<br />
nicht nur um den Mut, Dinge sterben<br />
zu lassen, sondern um die Weisheit, Anfang<br />
und Ende in einen Zusammenhang<br />
bringen zu können und die Gnade, mein<br />
Leben immer mehr aus einer Hubschrauber-<br />
oder besser Gipfelperspektive betrachten<br />
zu können. Und dann schnalle<br />
ich mir den Rucksack wieder auf den Rücken<br />
und mache mich daran, das nächste<br />
Tal zu durchwandern und zu genießen<br />
bis hin zum nächsten Gipfelkreuz. ///<br />
Fußnoten:<br />
1 www.neue-stadthalle-langen.de/lang-de/GlasWerke/c151<br />
2 Kurzvideo von und mit Mickey im Kellerfoyer des<br />
Glasmuseums: youtu.be/6Y76GKsSzrc<br />
Mickey Wiese (51), länger als er lebt mit Jesus<br />
befreundet, ist als Event-Pastor, systemischer<br />
Berater für störende Schüler und in einigen anderen<br />
Rollen unterwegs. Er hat Sehnsüchte nach<br />
Glauben im Alltag, wird gerne gegooglet und findet<br />
Beerdigungen fast besser als Hochzeiten, feiert<br />
letztere aber ausgiebiger.<br />
<strong>oora</strong>.de 25