oora eBook 42
oora eBook 42
oora eBook 42
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ohne Anfang und Ende | Anfang<br />
Was, wenn Zeit ein geschaffenes<br />
Element ist, das in der Ewigkeit<br />
irrelevant ist, nicht deshalb, weil<br />
enorm viel Zeit zur Verfügung steht,<br />
sondern weil das Konzept Zeit<br />
nicht mehr greift?<br />
bin«, schreibt später in einem Psalm an Gott: »Du bist von Ewigkeit<br />
zu Ewigkeit.« 3 Eine andere Übersetzung lautet hier sehr treffend:<br />
»Du bist ohne Anfang und ohne Ende.«<br />
Nun stellen wir uns also die Ewigkeit als einen Zeitstrahl ohne<br />
Anfang und ohne Ende vor. Doch anscheinend kann sich Gott<br />
auf diesem Strahl beliebig bewegen, zumindest weiß er, was in<br />
drei Tagen sein wird und sowieso, was gestern war. Tausend<br />
Jahre sind für ihn wie ein Tag und doch bekommt er jeden der<br />
50 Flügelschläge pro Sekunde beim Flug des Kolibris mit.<br />
Was ist jedoch, wenn wir Ewigkeit nicht als endlosen Zeitstrahl<br />
definieren, sondern vielmehr als die Abwesenheit von Zeit, als<br />
einen Zustand, in dem Zeit keine Rolle spielt? Was, wenn Zeit<br />
ein geschaffenes Element ist, das in der Ewigkeit irrelevant ist,<br />
nicht deshalb, weil enorm viel Zeit zur Verfügung steht, sondern<br />
weil das Konzept Zeit nicht mehr greift?<br />
Quantenphysik<br />
Dass dieser Gedanke nicht völlig irrwitzig ist, begreifen wir,<br />
wenn wir uns einmal der Physik zuwenden. Mag diese uns im<br />
Alltag eher selten tangieren, so katapultiert uns die bewusste<br />
Beschäftigung vor allem mit der Quantenphysik gedanklich gewaltig<br />
über den Tellerrand des Erfahrbaren hinaus.<br />
Vielleicht haben wir schon einmal vom Zwillingsparadoxon<br />
gehört, einem Gedankenexperiment, das veranschaulichen<br />
soll, was passieren würde, wenn man das Experiment genauso<br />
durchführen könnte. Es geht bei diesem Experiment um ein<br />
Zwillingspaar, von denen einer der beiden in eine Raumkapsel<br />
steigt und mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in Richtung eines<br />
weit entfernten Sterns davonfliegt. Nach einem Monat kehrt er<br />
zurück und stellt fest, dass sein Zwillingsbruder bereits ein alter<br />
Mann ist – auf der Erde sind viele Jahre vergangen.<br />
In der »speziellen Relativitätstheorie« beschreibt Albert Einstein,<br />
dass Raum und Zeit relativ sind – sie hängen von der Bewegung<br />
des Betrachters ab. Für jemanden, der sich nicht bewegt, herrscht<br />
eine andere Realität bezüglich Raum und Zeit als für jemanden,<br />
der sich bewegt. Anhand von hochpräzisen Atomuhren kann der<br />
Effekt des Zwillingsparadoxons sogar auf Atlantikflügen nachgewiesen<br />
werden. Die anschließend festgestellte Zeitdifferenz<br />
der Uhren ist jedoch verschwindend gering, da die Flugzeuggeschwindigkeit<br />
gegenüber der Lichtgeschwindigkeit von über einer<br />
Milliarde Kilometer pro Stunde kaum ins Gewicht fällt.<br />
Mit der Relativität des Raumes und der Zeit ist also nicht die<br />
bloße Wahrnehmung gemeint, wie wenn beispielsweise ein<br />
Rennfahrer durch eine Allee heizt, die Bäume nur so an ihm<br />
vorbeifliegen und ihm die Strecke kürzer vorkommt als sie eigentlich<br />
ist. Sehr schnell bewegte Objekte erleben eine tatsächliche<br />
Stauchung des Raumes, die sogenannte Lorentzkontraktion.<br />
Und sie erleben eine Dehnung der Zeit, die Zeitdilatation. Im<br />
Grunde genommen sind Lorentzkontraktion und Zeitdilatation<br />
verwandt, weswegen man in der Quantenphysik Zeit und Raum<br />
zur Raumzeit zusammenfasst.<br />
Einsteins Theorie wurde mittlerweile mehrfach bewiesen. Mit ihr<br />
lassen sich auch Phänomene verstehen, die mit »gesundem Menschenverstand«<br />
und der klassischen Physik nicht erklärbar sind.<br />
Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Myonen, kosmische Teilchen,<br />
die mit annähernder Lichtgeschwindigkeit in die Erdatmosphäre<br />
eintreten. Nach Eintritt in die Atmosphäre haben diese<br />
Teilchen bis zu ihrem Verfall nur eine sehr geringe Lebensdauer.<br />
Da man ihre Geschwindigkeit und die Lebensdauer innerhalb<br />
unserer Atmosphäre kennt, kann man mit einfacher, klassischer<br />
Physik die Strecke bestimmen, die die Myonen bis zum Zerfall<br />
zurücklegen können. Man kommt auf nur wenige hundert Meter.<br />
Tatsächlich jedoch herrscht für diese rasend schnellen Teilchen<br />
eine andere Realität. Sie befinden sich in einem anderen sogenannten<br />
Inertialsystem – die Zeit in ihrer Realität ist gedehnt,<br />
vergeht also langsamer, so dass sie tatsächlich bis zur Erdober-<br />
<strong>oora</strong>.de 17