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Ohne Anfang und Ende | Anfang<br />

Was, wenn Zeit ein geschaffenes<br />

Element ist, das in der Ewigkeit<br />

irrelevant ist, nicht deshalb, weil<br />

enorm viel Zeit zur Verfügung steht,<br />

sondern weil das Konzept Zeit<br />

nicht mehr greift?<br />

bin«, schreibt später in einem Psalm an Gott: »Du bist von Ewigkeit<br />

zu Ewigkeit.« 3 Eine andere Übersetzung lautet hier sehr treffend:<br />

»Du bist ohne Anfang und ohne Ende.«<br />

Nun stellen wir uns also die Ewigkeit als einen Zeitstrahl ohne<br />

Anfang und ohne Ende vor. Doch anscheinend kann sich Gott<br />

auf diesem Strahl beliebig bewegen, zumindest weiß er, was in<br />

drei Tagen sein wird und sowieso, was gestern war. Tausend<br />

Jahre sind für ihn wie ein Tag und doch bekommt er jeden der<br />

50 Flügelschläge pro Sekunde beim Flug des Kolibris mit.<br />

Was ist jedoch, wenn wir Ewigkeit nicht als endlosen Zeitstrahl<br />

definieren, sondern vielmehr als die Abwesenheit von Zeit, als<br />

einen Zustand, in dem Zeit keine Rolle spielt? Was, wenn Zeit<br />

ein geschaffenes Element ist, das in der Ewigkeit irrelevant ist,<br />

nicht deshalb, weil enorm viel Zeit zur Verfügung steht, sondern<br />

weil das Konzept Zeit nicht mehr greift?<br />

Quantenphysik<br />

Dass dieser Gedanke nicht völlig irrwitzig ist, begreifen wir,<br />

wenn wir uns einmal der Physik zuwenden. Mag diese uns im<br />

Alltag eher selten tangieren, so katapultiert uns die bewusste<br />

Beschäftigung vor allem mit der Quantenphysik gedanklich gewaltig<br />

über den Tellerrand des Erfahrbaren hinaus.<br />

Vielleicht haben wir schon einmal vom Zwillingsparadoxon<br />

gehört, einem Gedankenexperiment, das veranschaulichen<br />

soll, was passieren würde, wenn man das Experiment genauso<br />

durchführen könnte. Es geht bei diesem Experiment um ein<br />

Zwillingspaar, von denen einer der beiden in eine Raumkapsel<br />

steigt und mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in Richtung eines<br />

weit entfernten Sterns davonfliegt. Nach einem Monat kehrt er<br />

zurück und stellt fest, dass sein Zwillingsbruder bereits ein alter<br />

Mann ist – auf der Erde sind viele Jahre vergangen.<br />

In der »speziellen Relativitätstheorie« beschreibt Albert Einstein,<br />

dass Raum und Zeit relativ sind – sie hängen von der Bewegung<br />

des Betrachters ab. Für jemanden, der sich nicht bewegt, herrscht<br />

eine andere Realität bezüglich Raum und Zeit als für jemanden,<br />

der sich bewegt. Anhand von hochpräzisen Atomuhren kann der<br />

Effekt des Zwillingsparadoxons sogar auf Atlantikflügen nachgewiesen<br />

werden. Die anschließend festgestellte Zeitdifferenz<br />

der Uhren ist jedoch verschwindend gering, da die Flugzeuggeschwindigkeit<br />

gegenüber der Lichtgeschwindigkeit von über einer<br />

Milliarde Kilometer pro Stunde kaum ins Gewicht fällt.<br />

Mit der Relativität des Raumes und der Zeit ist also nicht die<br />

bloße Wahrnehmung gemeint, wie wenn beispielsweise ein<br />

Rennfahrer durch eine Allee heizt, die Bäume nur so an ihm<br />

vorbeifliegen und ihm die Strecke kürzer vorkommt als sie eigentlich<br />

ist. Sehr schnell bewegte Objekte erleben eine tatsächliche<br />

Stauchung des Raumes, die sogenannte Lorentzkontraktion.<br />

Und sie erleben eine Dehnung der Zeit, die Zeitdilatation. Im<br />

Grunde genommen sind Lorentzkontraktion und Zeitdilatation<br />

verwandt, weswegen man in der Quantenphysik Zeit und Raum<br />

zur Raumzeit zusammenfasst.<br />

Einsteins Theorie wurde mittlerweile mehrfach bewiesen. Mit ihr<br />

lassen sich auch Phänomene verstehen, die mit »gesundem Menschenverstand«<br />

und der klassischen Physik nicht erklärbar sind.<br />

Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Myonen, kosmische Teilchen,<br />

die mit annähernder Lichtgeschwindigkeit in die Erdatmosphäre<br />

eintreten. Nach Eintritt in die Atmosphäre haben diese<br />

Teilchen bis zu ihrem Verfall nur eine sehr geringe Lebensdauer.<br />

Da man ihre Geschwindigkeit und die Lebensdauer innerhalb<br />

unserer Atmosphäre kennt, kann man mit einfacher, klassischer<br />

Physik die Strecke bestimmen, die die Myonen bis zum Zerfall<br />

zurücklegen können. Man kommt auf nur wenige hundert Meter.<br />

Tatsächlich jedoch herrscht für diese rasend schnellen Teilchen<br />

eine andere Realität. Sie befinden sich in einem anderen sogenannten<br />

Inertialsystem – die Zeit in ihrer Realität ist gedehnt,<br />

vergeht also langsamer, so dass sie tatsächlich bis zur Erdober-<br />

<strong>oora</strong>.de 17

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