10.05.2014 Aufrufe

141 Hans Lienert (1885-!954) Pfarrer und Schriftsteller Als Sohn des ...

141 Hans Lienert (1885-!954) Pfarrer und Schriftsteller Als Sohn des ...

141 Hans Lienert (1885-!954) Pfarrer und Schriftsteller Als Sohn des ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Durch einen günstigen Zufall hatte ich auch gleich<br />

Gelegenheit, mit einem Wagen, der vom Draaser Jahrmarkt kam,<br />

nach Reps mitzufahren. Mein guter Mann erkannte mich nicht <strong>und</strong><br />

der Arzt machte mir nicht viel Hoffnung. Er sagte, die W<strong>und</strong>e sei<br />

auch im Kopf so groß wie draußen, wenngleich das Herz auch sehr<br />

stark sei. Er habe ein Herz wie ein Tiger.<br />

Um fünf Uhr gegen Abend bekam Johann einen Hirnkrampf. Er<br />

schrie zuerst so, dass wir uns alle erschreckten, dann verdrehte<br />

er die Augen <strong>und</strong> zuckte am ganzen Körper. Wir mussten ihm Hände<br />

<strong>und</strong> Füße festhalten. Plötzlich war er ruhig, atmete einmal tief<br />

<strong>und</strong> dann blieb der Atem aus, das Herz stand still. Wir dachten,<br />

er sei tot. Ich sank neben dem Bett in die Knie <strong>und</strong> sagte:<br />

„Meine Kinder, jetzt seid ihr Waisen...“ Der Arzt kam aber<br />

sofort <strong>und</strong> gab ihm eine Kampferspritze. Langsam fing das Herz<br />

wieder zu schlagen an <strong>und</strong> auch der Atem kehrte zurück. Ich war<br />

wie erlöst. Aber nach zwei St<strong>und</strong>en stellte sich der Hirnkrampf<br />

wieder ein, <strong>und</strong> danach noch fünf mal jede zweite St<strong>und</strong>e. Ich<br />

stand ständig neben dem Bett <strong>und</strong> musste ihm die Hände halten,<br />

denn er versuchte, sich den Verband herunter zu reißen.<br />

Tags darauf wurde ein Zigeuner ins Krankenhaus gebracht,<br />

den man im Wald nahe der Überfallsstelle aufgegriffen hatte. Der<br />

Arzt fragte: „Herr Wagner, kennen Sie diesen Menschen ?“ Aber<br />

der „Herr Wagner“ konnte weder reden, noch viel weniger jemand<br />

erkennen. Wir merkten deutlich, dass sein Verstand gelitten<br />

hatte.<br />

Das Unglück war am Montag passiert. Die ganze Woche<br />

hindurch hatte ich den Kranken umsorgt <strong>und</strong> bewacht. Am Sonntag<br />

war ich totmüde <strong>und</strong> wollte mich kurz hinlegen. Kaum hatte ich<br />

mich aber auf mein Bett, das neben dem Krankenbett stand,<br />

niedergelassen <strong>und</strong> war einen Augenblick „eingenickt“, hörte ich<br />

die Tür: Mein Mann war offenbar in verwirrtem Zustand vom Bett<br />

aufgestanden <strong>und</strong> bis zur Tür gegangen, dort aber<br />

zusammengebrochen. Ich hob ihn auf <strong>und</strong> trug ihn zurück aufs Bett<br />

Nach 17 Tagen brachten wir ihn nach Hause. Ich verband ihn<br />

täglich selbst, bis seine W<strong>und</strong>en verheilt waren. Nach drei<br />

Monaten kehrte auch sein Gedächtnis zurück. Er hat sich aber nie<br />

erinnern können, was mit ihm geschehen war. Es stellte sich<br />

lediglich heraus, dass die Gewalttäter ihm bei dem Überfall<br />

sieben Lei geraubt hatten, die er bei sich trug. SIEBEN LEI als<br />

Beute bei einem Raubmordversuch ! Die Sinnlosigkeit dieser<br />

Untat war nicht zu fassen..<br />

Körperlich hat sich mein Johann nach seinen Verletzungen<br />

nie ganz erholt. Seine frühere Kraft war gebrochen, <strong>und</strong> so<br />

musste ich hinfort auch an seiner Stelle bei körperlicher Arbeit<br />

zupacken, damit wir über die R<strong>und</strong>en kamen. Sein Charakter aber<br />

war unverändert. Eine natürliche Autorität war ihm in der<br />

Kindererziehung zu eigen: es bedurfte nur eines Blickes, <strong>und</strong> man<br />

gehorchte. Nie hat er ein Kind geschlagen, doch sie wussten<br />

176

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!