141 Hans Lienert (1885-!954) Pfarrer und Schriftsteller Als Sohn des ...
141 Hans Lienert (1885-!954) Pfarrer und Schriftsteller Als Sohn des ...
141 Hans Lienert (1885-!954) Pfarrer und Schriftsteller Als Sohn des ...
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in einer Ahnentafel verwendet werden (wobei mir selber die<br />
Ahnenziffer [1] zukommt).<br />
So beginne ich denn hier mit der Schilderung meiner<br />
Vorfahren aus der<br />
VÄTERLICHEN LINIE<br />
Mein Vater Michael <strong>Lienert</strong>, [2] ist geboren am 31. Oktober<br />
1855.<br />
In der kirchlichen Taufmatrikel wurde sein Name übrigens<br />
„Leonhard“ geschrieben, wie denn dieser Name in früherer Zeit<br />
nicht selten seine Schreibweise zwischen Leonhard oder Leonhardi<br />
<strong>und</strong> <strong>Lienert</strong> gewechselt hat, wobei „<strong>Lienert</strong>“ ursprünglich als<br />
sächsisch-m<strong>und</strong>artliche Abwandlung von „Leonhard“ gelten kann.<br />
<strong>Als</strong> Katzendorfer, die allgemein als große <strong>und</strong> starke Männer<br />
bekannt sind, gehörte mein Vater allerdings nicht zu den<br />
Höchstgewachsenen: er war unter seinen Landsleuten höchstens<br />
mittelgroß.<br />
Wollte man sein Wesen mit einem Wort kennzeichnen, ich<br />
wüsste kein besseres als das Wort „Liebe“. Aber diese lag tief<br />
<strong>und</strong> zeigte sich nicht in Äußerlichkeiten. Nie hat er die Mutter<br />
vor unseren Augen mit einem besonderen Zeichen der Liebe<br />
bedacht. Doch nie habe ich von ihm auch nur ein hartes Wort oder<br />
eine Lieblosigkeit der Mutter gegenüber gehört; ihr<br />
gegenseitiges Verhalten war für uns einfach musterhaft.<br />
In seinem gesellschaftlichen Umfeld achtete er die<br />
Menschen, auch im letzten Zigeuner <strong>und</strong> Arbeiter. Er setzte sie<br />
stets an unseren Tisch, wir aßen mit Knechten <strong>und</strong> Arbeitern am<br />
selben Tisch <strong>und</strong> zu gleicher Zeit. Eine nationale<br />
Geringschätzung oder völkischer Hass blieb uns im Elternhaus<br />
unbekannt.<br />
Niemals traf der Vater auf der Straße einen Fußgänger, den<br />
er nicht zum Mitfahren aufgefordert hätte, wenn er mit Pferd <strong>und</strong><br />
Wagen in die gleiche Richtung fuhr.<br />
<strong>Als</strong> Bauer liebte er seine Felder <strong>und</strong> seine Arbeit. Sie<br />
wurde genau getan <strong>und</strong> liederliche Arbeit mochte er nicht leiden.<br />
Er liebte auch die Tiere, er tat ihnen alle Notwendigkeit<br />
<strong>und</strong> Pflege <strong>und</strong> oft noch viel darüber hinaus. Ein Quälen <strong>und</strong><br />
Schinden der Tiere in der Arbeit brachte er nicht übers Herz.<br />
Eine besondere Tierliebe galt auch seinen Bienen. Der<br />
Umgang mit ihnen war ihm aus seinem Elternhaus bereits vertraut<br />
<strong>und</strong> er kannte keine Furcht vor den gelegentlichen Stichen seiner<br />
schutzbefohlenen „Sonnenvögelchen“.<br />
Wenn mein Vater den Hass überhaupt gekannt hat, so galt er<br />
dem unehrlichen Wesen <strong>und</strong> der Ungerechtigkeit. Fre<strong>und</strong>schaft gab<br />
es für ihn nicht mit Menschen, die er für unehrlich hielt.<br />
„Spekulationen“ <strong>und</strong> lügenhafter, betrügerischer Handel lagen für<br />
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