Leitfaden Umgang mit Kindern bei häuslicher Gewalt - Polizei
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Bei der Trennung von Paaren <strong>mit</strong> <strong>Kindern</strong> erkundigt sich das Zivilgericht immer schriftlich<br />
<strong>bei</strong> der KESB, ob die Familie bekannt sei. Im Falle <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong> wird das Kindeswohl<br />
besonders sorgfältig beachtet.<br />
Bei der Ausgestaltung des Besuchsrechts ist das enorme Spannungsverhältnis zu beachten,<br />
unter dem ein Kind stehen kann (z.B. Gefühle der Angst, Liebe, Hass, Loyalitätskonflikte<br />
etc). Kinder brauchen Zeit und sehr oft auch die Unterstützung einer Therapeutin/eines<br />
Therapeuten, um die <strong>Gewalt</strong>erlebnisse zu verar<strong>bei</strong>ten. Bei der Prüfung des Besuchsrechts<br />
zwischen gewaltausübendem Elternteil und Kind sollte auch dem spezifischen Problemen<br />
des gewaltbetroffenen Elternteils Rechnung getragen werden. Die Regelung des Besuchsrechts<br />
kann erneut (begründete) Ängste <strong>bei</strong>m gewaltbetroffenen Elternteil um die Sicherheit<br />
des Kindes und um die eigene Sicherheit schüren. Die Übergabe des Kindes anlässlich der<br />
Besuchsrechtsausübung birgt neues Eskalationspotential für <strong>Gewalt</strong>handlungen. 88 Es kann<br />
deshalb sinnvoll sein, ein begleitetes Besuchsrecht anzuordnen oder das Besuchsrecht bis<br />
zur Absolvierung eines Lernprogramms gegen <strong>Gewalt</strong> in Ehe, Familie und Partnerschaft<br />
auszusetzen.<br />
Das Zivilgericht ist sich bewusst, dass die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge<br />
<strong>bei</strong> <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong>, weiteres Gefährdungspotential birgt. Die Eltern werden diesfalls zur<br />
Zusammenar<strong>bei</strong>t verpflichtet. Eine erneute Eskalation ist möglich. Die Sicherheit des gewaltbetroffenen<br />
Elternteils und des Kindes hat absolute Priorität. Die Revision des ZGB betreffend<br />
die gemeinsame elterliche Sorge sieht vor, dass <strong>bei</strong> <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong> die KESB<br />
dazu ermächtigt bzw. verpflichtet wird, dem gewaltausübenden Elternteil die elterliche Sorge<br />
zu entziehen. Diese Gesetzesrevision wird bereits für die heutige Praxis der Zivilgerichte<br />
wegweisend.<br />
Nebst diesen Fragen, sind die Zivilgerichte im Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong> auch<br />
für den Schutz der Persönlichkeit vor <strong>Gewalt</strong>, Drohung und Nachstellungen zuständig. 89 Auf<br />
Antrag eines Opfers von <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong> ordnet das zuständige Gericht nach einer polizeilichen<br />
Intervention die Verlängerung der Schutzmassnahmen (Wegweisung und Fernhaltung)<br />
an. Unabhängig von einer <strong>Polizei</strong>intervention kann die gewaltbetroffene Person eine<br />
Wegweisung, ein Näherungs-, Aufenthalts- und Kontaktverbot als vorsorgliche Massnahme<br />
im Rahmen eines Eheschutz- und Ehescheidungsverfahren beantragen.<br />
7. Schnittstelle zivil- und strafrechtlicher Kindesschutz<br />
Die Regierungsstatthalterämter (RSTA) ar<strong>bei</strong>ten als <strong>Polizei</strong>behörden und nehmen Aufgaben<br />
im Bereich der Bekämpfung <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong> wahr. 90 Neben den Aufgaben im Zusammenhang<br />
<strong>mit</strong> polizeilichen Interventionen <strong>bei</strong> <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong> leiten sie u.a. Runde<br />
Tische häusliche <strong>Gewalt</strong> und organisieren Informationsveranstaltungen.<br />
Die RSTA tragen die Verantwortung <strong>bei</strong> der Bekämpfung von <strong>häuslicher</strong> <strong>Gewalt</strong>. Da<strong>bei</strong><br />
kommt ihnen die zentrale Koordinations- und Qualitätssicherungsfunktion zu. Bei <strong>Polizei</strong>interventionen<br />
erhalten sie die <strong>Polizei</strong>rapporte und Gefährdungsmeldungen. Da<strong>bei</strong> prüft das<br />
RSTA, ob der KESB alle Kinder gemeldet worden sind, die im fraglichen Haushalt ihren<br />
88 Kavemann, Kreyssig et al 2007, S. 138<br />
89 Art. 28b ZGB<br />
90 Art. 9 Abs. 1 Bst. f RStG (Gesetz über die Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter vom 28. März 2006, BSG<br />
152.321)<br />
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