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Kontrolliertes_und_i.. - Jochen Fahrenberg

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4 Blutdruck-Video<br />

Große Blutdruckanstiege während Emotionen <strong>und</strong> Überbeanspruchung sind bei Hypertonikern<br />

<strong>und</strong> auch bei Normotonikern seit Jahrzehnten beschrieben worden, ohne dass bisher die ätiologische<br />

Relevanz ausreichend geklärt ist (siehe Herrmann et al., 1990; Pickering, 1991). Die<br />

Dynamik solcher Blutdruckreaktionen war früher nur invasiv zu messen. Die konventionelle<br />

Methodik des ambulanten Monitoring mit Oberarmmanschette ist unzureichend, da die emotionalen<br />

Reaktionen häufig nur wenige Minuten dauern <strong>und</strong> deshalb mit den üblichen Intervallen<br />

von 20 oder 30 Minuten nicht angemessen erfasst werden können. Die kontinuierliche Messung<br />

am Finger mit dem PORTAPRES 2 hat hier ein neues Fenster auf die Blutdruckdynamik geöffnet.<br />

In einer ersten Untersuchung wurden bei Patienten mit essentieller Hypertonie während eines<br />

halb-strukturierten psychosomatisch orientierten Interviews PORTAPRES-Registrierungen<br />

vorgenommen. Dabei wurde eine Videoaufzeichnung hergestellt, die in split-screen Technik den<br />

Monitor mit den kontinuierlich gemessenen Blutdruckwerten <strong>und</strong> ein Video des Patienten zeigt.<br />

Diese kontinuierliche, nicht-invasive Registrierung des arteriellen Finger-Blutdrucks kann dazu<br />

genutzt werden, den Hochdruck-Patienten ihre Reaktionen anschaulich zu machen. Das Blutdruck-Video<br />

dient hier der Symptom-Kontext-Analyse emotional bedingter Blutdruckreaktionen.<br />

In zwei anschließenden Sitzungen wurden dann diese Blutdruck-Videos gezeigt, die Episoden<br />

mit erhöhtem Blutdruck aktualisiert <strong>und</strong> gemeinsam psychologisch interpretiert. Die Patie n-<br />

ten waren durchweg sehr motiviert, diese anschaulichen Zusammenhänge zwischen erinnerten<br />

biographischen Ereignissen, psychischen Konflikten, Emotionen <strong>und</strong> ihrem Blutdruckverlauf zu<br />

sehen. Dieser teils als Nacherleben ("relived emotions"), teils als Konfrontation ablaufende Prozess<br />

kann zur "Bearbeitung" der psychologischen Zusammenhänge, zur Besprechung möglicher<br />

Bewältigungsstrategien (Selbstmonitoring) <strong>und</strong> zur einsichtigen Unterstützung der Therapiemotivation<br />

<strong>und</strong> der Medikamenten-Compliance genutzt werden.<br />

Im halb-strukturierten psychosomatischen Interview werden Konflikte <strong>und</strong> Emotionen verbalisiert,<br />

welche oft den aufgezeichneten Blutdruck-Reaktionen zugeordnet werden können. Die<br />

kontinuierliche Blutdruckmessung mit dem PORTAPRES System hat zwar nicht die Genauigkeit<br />

der oszillometrischen Messungen, doch ist die Blutdruckdynamik nur auf diese Weise zu<br />

erfassen.<br />

Diese neue Methodik wurde in Zusammenarbeit mit der Klinik für Rehabilitation Glotterbad<br />

(Prof. Dr. J. M. Herrmann) entwickelt <strong>und</strong> in einer Pilotstudie mit 11 Patienten zu je vier Terminen<br />

erprobt (Wild, 1998). Erwähnenswert sind hier frühere Arbeiten zur Symptom-Kontext-<br />

Analyse invasiv gemessener Blutdruckschwankungen (Adler et al., 1974, 1975). Die nichtinvasive<br />

kontinuierliche Registrierung wurde zur psychosephysiologischen Diagnostik der Hypertonie<br />

(Deter, Klepper & Schulte, 1996; Kollenbaum et al., 1995) oder für ein Biofeedback<br />

sowie für hämodynamische <strong>und</strong> verhaltensorientierte Untersuchungen unter Alltagsbedingungen<br />

verwendet (Schmidt & Jain, 1996; Schmidt et al., 1999).<br />

Falldarstellung<br />

Die Abbildung 4.1 zeigt den Blutdruckverlauf einer Patienten während bestimmter Themen im<br />

Interview. Bemerkenswert sind die im Zimmer der Patientin registrierten rela tiven Ruhewerte<br />

im Vergleich zu den Ausgangswerten vor dem Interview <strong>und</strong> zu den Blutdruckspitzen beim<br />

Treppen steigen <strong>und</strong> während des Interviews. Im Blutdruckverhalten während des Interviews<br />

spiegeln sich die berufliche Überforderung <strong>und</strong> die Konflikte mit der Chefin; bemerkenswert ist<br />

auch die Abnahme der Werte beim Sprechen über die positive, unterstützende Haltung des Partners.<br />

Hier konnte eine gemeinsame psychosomatische Interpretation des Blutdruckverhaltens<br />

erreicht <strong>und</strong> in den therapeutischen Kontext übernommen werden. Solche Blutdruck-Episoden<br />

waren in einer zweiten Registrierung zu reproduzieren, wobei einige, aber nicht alle Patienten<br />

eine deutlich reduzierte Blutdruck-Reaktionen zeigten (Wild, 1998).<br />

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