Download: Presse-Beilage Salzburger Festspiele 2011
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Vom Wind<br />
zerstreute<br />
Puzzlesteine<br />
des Lebens<br />
Schauspielchef Thomas Oberender über<br />
Roland Schimmelpfennigs Uraufführung<br />
„DIe VIer HIMMelsrICHtUNGeN“.<br />
teXt: BArBArA PetsCH<br />
schauspielchef thomas<br />
obernder holt mit<br />
Roland Schimmelpfennig<br />
einen der meistgespielten<br />
Gegenwartsautoren<br />
nach Salzburg.<br />
Fotos: APA/BArBArA GINDl<br />
Roland Schimmelpfennig ist einer<br />
der am meisten gespielten deutschen<br />
Dramatiker der Gegenwart.<br />
Auch in Österreich waren viele seiner<br />
Stücke zusehen. Was ist das<br />
Besondere an„Die vier Himmelsrichtungen“?<br />
Thomas Oberender:Die vier Himmelsrichtungen,<br />
die dem Stück seinen Namen<br />
geben, sind Zufahrtsstraßen des<br />
Schicksals – Richtungen, aus denen<br />
sich die Lebenswege von vier Menschen<br />
aufeinander zubewegen. Durch<br />
die immer offene Verwandlung ihres<br />
Spiels zeigen sich diese vier Personen<br />
in sechs Rollen, und dabei entsteht,<br />
indem sie in der Zeit zurückspringen,<br />
sich wiederholen, ihre Aussagen variieren,<br />
eine Geschichte,die sichaus wie<br />
vom Wind zerstreuten Puzzleteilen vor<br />
unseren Augenzusammensetzt.Inden<br />
Bildern ihres Lebens werden für uns<br />
als Betrachter jene Zusammenhänge<br />
deutlich,für die sie als Personen blind<br />
sind. DieZufälle ihres Daseins werden<br />
plötzlich zu Momenten des Schicksals.<br />
Dies geschiehtbeiläufig, der Unfall des<br />
einen führt zur Lebenswende des anderen,<br />
zwei Männer verlieben sich in<br />
die gleiche Frau, und eine andere hat<br />
dies in ihren Träumen bereits alles gewusst.<br />
Welche Bedeutung hat der mythologische<br />
Bezug zu Perseus?<br />
Oberender: Indie Frau, die im Stück<br />
Medusas Frisur trägt, verlieben sich<br />
zwei Männer, und einen kostet diese<br />
Liebe das Leben. Perseus hilft keine<br />
List,und es fehlt der göttliche Beistand.<br />
Die mythischen Figuren treten in diesem<br />
Stück, anders als in Schimmelpfennigs<br />
früheren Dramen „Idomeneus“<br />
oder „Der elfte Gesang“, nicht<br />
unmittelbar auf, sondern bleiben Assoziationen,<br />
Schatten, die jene heutigen<br />
Figurenals ferne Verwandte umgeben.<br />
Schimmelpfennig wählt immer<br />
ganz unterschiedliche Themen in<br />
seinen Stücken. Gibt es trotzdem<br />
einen rotenFaden?<br />
Oberender: Indiesen Stücken ist alles<br />
Spiel und dabei nichts gespielt. Die<br />
Verläufe der Geschichten entwickeln<br />
etwas sehr Freies und Überraschendes,<br />
Tipp<br />
Uraufführung<br />
dIe VIer<br />
hImmelsrIchtunGen<br />
30. 7. <strong>2011</strong><br />
Premiere im<br />
<strong>Salzburger</strong><br />
Landestheater<br />
Vorstellungen:<br />
31. 7., 2.–6. 8.<br />
<strong>2011</strong><br />
www.salzburgfestival.at.<br />
Autor roland<br />
schimmelpfennig<br />
übernimmt bei der<br />
Uraufführung auch<br />
die Regie.<br />
angenehm Unvorhersehbares, das mit<br />
traumhafter Instinktsicherheit die Momente<br />
sehr einsamer Erfahrungenund<br />
Verhaltensweisen mitteilbar und berührend<br />
macht. Schimmelpfennig ist<br />
kein Ideologe. Er istnichtsentimental.<br />
Er istein Poet.<br />
Besteht eine Ähnlichkeit zwischen<br />
Schimmelpfennig und Botho<br />
Strauß, oder gibt es andere Verwandtschaften<br />
zu zeitgenössischen<br />
Dichtern? Vielleicht ist ja Schimmelpfennig<br />
so eineArt Missing Link<br />
zwischen den zeitgenössischen<br />
Poeten (Handke) und den aktuellen<br />
well-madePlays.<br />
Oberender: Roland Schimmelpfennig<br />
ist, nach Botho Strauss, der seine Artzu<br />
schreiben in der Zusammenarbeit mit<br />
Peter Stein entscheidend und in einer<br />
für ihn persönlich kennzeichnenden<br />
Weise weiterentwickeln konnte, der<br />
einzige Autor, der vom Regietheater<br />
in einer autonomen Weise profitieren<br />
konnte. Der Regisseur Jürgen Gosch<br />
ist die große, prägende Begegnung in<br />
Schimmelpfennigs Entwicklung als<br />
Künstler gewesen. Mich erinnern seine<br />
Stücke aber auch an die besten Arbeiten<br />
von Johan Simons („Sentimenti“<br />
und „Hiob“), wobeidas lediglich etwas<br />
mit ihrem epischen Einschlag zu tun<br />
hat und ihrer Fähigkeit, die epischen<br />
Momente in genuin szenische Vorgänge<br />
zu verwandeln. e<br />
Kultur Spezial 39