Download: Presse-Beilage Salzburger Festspiele 2011
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und Marthaler weiß Hinterhäuser<br />
anschaulich zu beschreiben. „Marthaler<br />
funktioniert ganz anders als Stein“,<br />
sagt er, „er sagt niemals konzeptuell<br />
schon im Vorfeld einer Produktion, wie<br />
sie aussehen wird. Ergibt ein anderes<br />
Tempo vor, braucht Zeit, gibt seinen<br />
Künstlern nie das Gefühl, alles sei<br />
schon in Stein gemeißelt,ehe noch probiert<br />
wird. Stein ist dagegen geradezu<br />
verstörend präzis. Was aber wiederum<br />
nichtheißt, dass das,was beiMarthaler<br />
herauskommt, nicht eine sehr präzise<br />
Arbeit ist. Nurder Wegdazuist ein anderer.“<br />
Der Weg des Festspielmachers zu<br />
einem stimmigen Spielplan führt, wie<br />
wir gesehen haben, auch oft über verschlungene<br />
Pfade. Aber selbst einen<br />
„Spannung in einen Spielplan zu bringen, das ist wohl die<br />
wichtigste Aufgabe der künstlerischen Leitung.“<br />
Superstar wie Anna Netrebko kann<br />
maninein anspruchsvolles Programm<br />
weit abseits der Arienwunschkonzertwelt<br />
einbinden. Die Divawirdineinem<br />
Doppelabend mit zwei russischen<br />
Meisterwerken zu erlebensein, die auf<br />
den ersten Blickwenigmiteinander zu<br />
tun haben: „Iolanta“ von Tschaikowski<br />
und „Le Rossignol“ von Strawinsky<br />
–doch war Strawinsky ein großer Verehrer<br />
des Romantikers und sah keineswegs<br />
einen Bruch zwischen dessen<br />
Welt und seiner eigenen in der Ärader<br />
musikalischenRevolutionen.<br />
Sind die Opern erst einmal programmiert,<br />
gilt es, mit Sprechtheater und<br />
Konzert eine gute inhaltliche Balance<br />
zu finden, damit, wie sich Hinterhäuserausdrückt,„die<br />
Statik des gesamten<br />
Festspielgebildes stimmt“.<br />
Da geht es um Kontraste und innige<br />
Zusammenhänge –und die Tatsache,<br />
dass sich diese beiden scheinbaren<br />
Gegensätze bei kluger Disposition<br />
wunderbar vereinigen lassen. „Mir<br />
war es“, erzählt Hinterhäuser, „zum<br />
Beispiel wichtig, dass am Abend nach<br />
derPremierevon Verdis ,Macbeth‘der<br />
,Macbeth‘ von Salvatore Sciarrino herauskommt,<br />
einem der großen Musiktheaterkomponisten<br />
unserer Zeit. Solche<br />
Korrelationen herzustellen, das<br />
bedeutet Feinarbeit. Die Sciarrino-<br />
PremierezweiWochen nach derersten<br />
Verdi-Aufführung, das hätte für mich<br />
wenigSinn gehabt.“<br />
Ebenso wenig wäre esfür ein Festival<br />
von Format sinnvoll, im zweiten der<br />
aufeinanderfolgenden Gustav-Mahler-<br />
Gedenkjahre wieder einmal so viele<br />
von dessen Symphonien wie möglich<br />
in das Programm zu nehmen. „Das tun<br />
alle“, sagt Hinterhäuser, und freut sich,<br />
Mahler voneiner viel wenigerbeleuchteten<br />
Seite vorzustellen, etwaübereine<br />
Aufführung des selten gespielten<br />
„Klagenden Lieds“, für das sich niemand<br />
Geringerer als Pierre Boulez<br />
engagieren wird. Fast nostalgisch wird<br />
Hinterhäuser, wenn er über sein Lieblingsprojektspricht:<br />
LuigiNonos „Prometeo“,<br />
mit Spätwerken von Schubert<br />
kontrapunktiert („bei beiden Komponisten<br />
entsteht der Weg sozusagen<br />
im Gehen“), noch einmal zur Diskussion<br />
zu stellen. Mit dem „Prometeo“,<br />
einem der wichtigsten Werke der musikalischen<br />
Avantgarde, begann einst<br />
seine spektakuläre „Zeitfluss“-Arbeit.<br />
Das ist beinahe zwei Jahrzehnte<br />
her. Seither hat die Neue Musik<br />
auch im Festspielplan enorm an<br />
Terrain gewonnen. „Prometeo“ erklingt<br />
nicht mehr beim „Gegenfestival“,<br />
sondern als Teil des sommerlichen<br />
Renommierprogramms. Wie<br />
damals steht Ingo Metzmacher am<br />
Dirigentenpult –„wirwollen prüfen, ob<br />
sichdie gleiche,geradezu hypnotische<br />
Wirkungeinstellt wieanno 1993“. e<br />
Fotos: WolFGANG lIeNBACHer<br />
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