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Hondwiler Blättli - Hundwil

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AUS DEN KIRCHGEMEINDEN<br />

Mächtige, die Angst haben und wild entschlossen Jagd machen auf einen<br />

Menschen, den sie nicht verstehen und einordnen können. Wir treffen auf<br />

Mitläufer, Grossmäuler, Schmeichler, gewalttätige, vulgäre Leute. Und<br />

schliesslich führt uns die Geschichte mitten in einen brüllenden Haufen, in<br />

dem alle mitschreien, weil die anderen auch schreien. Wir sehen politische<br />

Verantwortungsträger agieren, die sich gegenseitig einsalben und am Ende<br />

nur eines möchten: Ruhe, dass nichts sie zwingt, entscheiden zu müssen<br />

zwischen Unrecht und Recht. Aber es gibt auch Ausnahmen: ein paar<br />

Frauen, die Mitleid haben. Menschen, die weinen. Ein Unbeteiligter, der<br />

hilft. Ein ranghoher Soldat, der sich ein eigenes Urteil bildet. Und ein Ratsherr,<br />

der ein Zeichen setzt und sich zu dem unschuldig Verurteilten bekennt<br />

trotz aller Gefahr.<br />

Die ganze Natur spielt mit: die Stunden, die sonst schnell vergehen, bieten<br />

Platz für ganz, ganz Vieles. Der Hahn kräht. Die Sonne verdunkelt sich, die<br />

Erde bebt.<br />

Das ist überhaupt die Qualität der Bibel. Man braucht Zeit, will man sie<br />

lesen. Über ihre Worte muss man nachdenken. Aber wenn man sich die<br />

Zeit dafür nimmt und sich einlässt auf ihre Formulierungen, so reich und<br />

präzis wie sie dastehen, wenn man Vers für Vers auch die feinen Andeutungen<br />

zu fassen versucht, bekommt man Einblick in verborgene Zusammenhänge<br />

und schärft seinen Blick auf die Menschen, wie sie sind. Die<br />

biblischen Bücher sind sehr verschieden in ihrem Inhalt und Stil. Sie öffnen<br />

sehr verschiedene Zugänge zu den unterschiedlichen Lebensbereichen!<br />

Es ist, als hätte man mit der Bibel eine ganze Bibliothek zur Hand,<br />

Stoff zum Nachdenken für das ganze Leben. Aber eben: für das Leben.<br />

Nicht für 20 Minuten.<br />

Es braucht nicht viel! Denn wer die Bibel liest, lernt nicht nur die Menschen<br />

kennen. Es ist einfacher und geheimnisvoller. Wer die Bibel liest, ist<br />

in der Schule bei Gott. Der ist ein guter Lehrer. Er kennt die Begabungen,<br />

Grenzen und Anliegen eines jeden von uns. Durch sein Wort schenkt er<br />

uns die Freiheit und die Festigkeit für ein eigenes Urteil in allem, was unsere<br />

Aufgaben sind. Ob es um ganz Alltägliches geht oder um eine grosse<br />

Weichenstellung: In der Bibel stehen nicht die Antworten. Aber ihre Worte<br />

machen uns gewiss: Da ist einer mit mir, der kennt das Leben und weiss<br />

Bescheid. Er lässt mich Rat finden, und wird mich recht leiten und mir alles<br />

zum Guten wenden – auch wenn der Weg durch Schweres, durch die<br />

letzte Angst, durch den Tod geht. Der Gott, der in der Bibel redet, ist besser<br />

und stärker als alles, was Leben und Tod uns bringen können.<br />

So sollen wir die Passionsgeschichten lesen – bis an ihr Ende: bis sie erzählen,<br />

wie und warum es Ostern geworden ist: weil Gott uns Menschen<br />

kennt, und weil er uns doch nicht alle im Tod lassen will. Darum war das<br />

Grab des einen, der gerecht war, dann leer.<br />

Pfarrer Bernhard Rothen<br />

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