Nr. 66 - Soziale Welt
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8<br />
MUSIK UND SO<br />
Manu<br />
„Die Zukunft von der ich träume<br />
Als Sänger Manu Chao auf seiner letzten<br />
Tournee Argentinien besuchte,<br />
waren seine Auftritte wie immer von<br />
seiner Heiterkeit geprägt. Aber er gab auch<br />
politische Erklärungen ab. In Mendoza unterstützte<br />
er die Kampagne gegen Tagebau.<br />
In Neuquén spielte er auf einer Veranstaltung<br />
die 10 Jahre Arbeitnehmerrechte für<br />
Fabrikarbeiter feierte. Hier erklärt er, warum.<br />
Manu Chao bereiste im Rahmen seiner „La<br />
Ventura“ Tournee Argentinien und spielte<br />
mit seiner unverkennbaren Lebensfreude in<br />
voll besetzten Stadien. In Mendoza unterstützte<br />
er die Kampagne gegen den offenen<br />
Tagebau und in Neuquén trat er an den Feierlichkeiten<br />
„10 Años de Zanón“ (zum 10.<br />
Jahrestag der Arbeiterselbstverwaltung der<br />
Fliesenfabrik Zanón) auf. Manuel Cullen traf<br />
den Musiker und hörte ihm zu, was er zu sagen<br />
hatte. Im Gespräch erfuhr er u.a., dass<br />
Manu Chao die Konsumdiktatur und deren<br />
untragbare Anführer verurteilt.<br />
Panorama der 90er Jahre äussert erfolgreich.<br />
Mit ihrer unter dem Kunstwort „Patchanka“<br />
vereinten Vermischung von Rock n‘ Roll,<br />
lateinamerikanischen Rhythmen, Reggae,<br />
Rumba und französischem Chanson brachten<br />
sie es fertig, sich mit jedem neuen Album<br />
bis 1994 immer wieder frisch zu erfinden.<br />
Ihre Auftritte (finanziert dank einem Vertrag<br />
mit der multinationalen Plattenfirma Virgin)<br />
führten die Band von Bühnen in den USA<br />
bis zum Karl Marx Theater in Havanna und<br />
von notdürftigen Podien in den Bergen Ecuadors<br />
auf eine abenteuerliche Zugreise in den<br />
gefährlichen kolumbianischen Dschungel.<br />
Ausgebrannt und erschöpft von ihren langen<br />
Tourneen, löste sich die in der Pariser Peripherie<br />
ins Leben gerufene Band auf. Mano<br />
Chao verzichtet nur ungern auf riskante Unternehmen.<br />
Bald 20 Jahre sind es her, seit er<br />
mit Mano Negra in einem ganz anderen Puerto<br />
Madero als es heute existiert, das erste<br />
Mal in Argentinien vor Anker ging. Nun ist<br />
er mit seinem neuen Projekt „La Ventura“ zurückgekehrt.<br />
Die Chronik eines rebellischen und<br />
eigenwilligen Künstlers.<br />
Paris. 1828. Boulevard des Verbrechens. Der<br />
Inhaber eines Theaters bekommt Besuch<br />
von einem neuen Künstler, der ihn versucht<br />
an der Nase herum zu führen. Da sich der<br />
Geschäftsmann nicht von seinem Bluff überzeugen<br />
lässt, behauptet der junge Mann von<br />
sich: „Meine Darbietung zeugt von Originalität.“<br />
Der Mann richtet den Blick auf ihn<br />
und erwidert ganz gelassen: „Mein Freund,<br />
originell zu sein ist die älteste Sache der<br />
<strong>Welt</strong>.“ Diese Szene stammt aus dem französischen<br />
Filmklassiker „Les Enfants du Paradis“<br />
(Kinder des Olymp). Noch Tage nach seinen<br />
ausverkauften Konzerten in ganz Argentinien<br />
ruft er sich, ohne neues Lehrmaterial und<br />
vorausgeplante Kampagnen, diese Szene ins<br />
Gedächtnis.<br />
Das von Jacques Prévert während der Nazi-<br />
Besetzung geschriebene Drehbuch resümiert<br />
die gegenwärtige Philosophie dieses unermüdlichen<br />
Troubadours. Es gab jedoch eine<br />
Zeit, in der Chao und seine Bandmitglieder<br />
genau das Gegenteil symbolisierten. Die<br />
Band Mano Negra war im musikalischen<br />
Es lebe das Abenteuer<br />
„Der Name [la ventura] trägt das Wort Abenteuer<br />
in sich und ich interessiere mich dafür,<br />
weil es genau das ist, was ich mir vom Leben<br />
wünsche. Das es eben abenteuerlich ist.<br />
Heute beinhaltet „La Ventura“ (Glück auf<br />
Deutsch) die Parameter der Lernrisiken und<br />
nicht alles unter Kontrolle zu haben. Es geht<br />
darum, im Hier und Jetzt das Beste aus sich<br />
herauszuholen“, versichert er uns zum Tourneeschluss,<br />
der ihn Ende 2011 nach Mendoza<br />
führte. In Mendoza unterstützte er die<br />
Barrio La Gloria Kundgebung und hielt ein<br />
Protestschild gegen den offenen Tagebau. „La<br />
Ventura“ brachte ihn auch nach Neuquén,<br />
wo er zum zehnten Jahrestag der Besetzung<br />
der Compañeros auftrat und in die Nähe<br />
von Buenos Aires, zu dem am Stadtrand der<br />
Hauptstadt gelegenen Malvinas Argentinas<br />
Stadium, wo er dreimal vor ausverkauftem<br />
Haus auftrat.<br />
Seine Fähigkeit Menschen zusammen zu<br />
trommeln begründet er wie folgt: „Es gibt<br />
da etwas biologisches, das wir gemeinsam<br />
während den Jahren, die wir uns kennen,<br />
zusammen gebraut haben und das uns<br />
zwischendurch immer wieder zusammen<br />
bringt. Wir sind nicht auf die Medien angewiesen<br />
damit es passiert, was ich als gesunde<br />
Entwicklung bezeichne. Die Leute verstehen<br />
uns vielleicht nicht, weil alle immer denken,<br />
dass man Geld braucht um jemand zu sein.<br />
Allerdings sind wir der beste Beweis dafür,<br />
dass dies nicht zutrifft.“<br />
Diese Erkenntnis bekräftigt er, indem er anfügt:<br />
„Ich habe mehr mit Glaubwürdigkeit<br />
als mit Mode am Hut.“ Im Laufe des Gesprächs<br />
erzählt der Sänger und Songschreiber<br />
engagiert was er unter der Diktatur des<br />
Konsums versteht und wer seiner Meinung<br />
nach für die gegenwärtige Konsumkultur die<br />
Schuld trägt.“ Unsere gesamte Gesellschaft<br />
drängt einem heutzutage mittels Fernsehen<br />
und Werbung neue Produkte auf. Wenn man<br />
etwas besitzt, das vor mehr als zwei Jahren<br />
aus der Mode gekommen ist, wird es bereits<br />
als alt denunziert. Zumal bereits Kinder dem<br />
Konsumzwang unterliegen, weil man ihnen<br />
weiszumachen versucht, dass man niemand<br />
is,t wenn man nicht die modernsten<br />
und neuesten Produkte besitzt, haben wir<br />
es hier ganz klar mit einer Diktatur zu tun.<br />
Diese Entwicklung ist falsch und hat keine<br />
Zukunft. Schon heute sind nicht genügend<br />
Ressourcen für all die vielen neuen Sachen<br />
vorhanden, die uns von der Gesellschaft aufgeschwatzt<br />
werden. Das nenne ich diktatorische<br />
Auferlegung.“<br />
Hat sich diese Konsumdiktatur nie auf<br />
einen Bereich Ihres Lebens erstreckt?<br />
Ich persönlich war nie so. Ich war immer<br />
sehr gerne in Gesellschaft meiner langjährigen<br />
Gefährten, und darauf bin ich stolz. Ich<br />
mag meine alten Besitztümer, so auch meine<br />
Schuhe. Solange sie halten, liebe ich sie. Sie<br />
sind Teil meines Lebens. Ich trage Sorge für<br />
meine Schuhe und es ist mir völlig gleichgültig<br />
ob es inzwischen modernere Modelle auf<br />
dem Markt gibt. Das ist nicht das einzige,<br />
was uns mit der Konsumdiktatur entrissen<br />
wird. Auch die Achtung und der Respekt<br />
vor Menschen und Objekten geht verloren.<br />
Ein Objekt, das einem ein Leben lang einen<br />
guten Dienst erwiesen hat, sollte man nicht<br />
einfach, nur weil es jetzt eine neuere Version<br />
gibt, entsorgen. Von der menschlichen Ebene<br />
aus betrachtet ist dies schlechthin nicht fair.<br />
So möchte ich auf keinen Fall leben. Eine<br />
derartige Einstellung macht eine Gesellschaft<br />
krank. Man wird mit neuen Produkten bombardiert.<br />
Gerade eben weil es neu ist, fühlt<br />
man sich gezwungen, das neuartige Produkte<br />
zu konsumieren. Wen kümmert es, ob etwas<br />
neu ist?! Altes ist auch wertvoll. Wenn das