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SANIEREN UND SPAREN - Sparkassenzeitung

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M A N A G E R M A G A Z I N D E R S P A R K A S S E N - F I N A N Z G R U P P E<br />

Sparkasse<br />

Wolkenträume<br />

Cloud Computing ist<br />

kein Wundermittel<br />

Geheimnisvolle<br />

Kunden<br />

Wie Mystery Shopper<br />

die Qualität erkunden<br />

ZKZ 6374<br />

<strong>SANIEREN</strong> <strong>UND</strong> <strong>SPAREN</strong><br />

Handwerkspräsident Otto Kentzler erwartet Auftragsschub<br />

128. JAHRGANG – NUMMER 07 J U L I 2 0 1 1


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gehen Sie einfach auf u www.anlegen.bayernlb.de<br />

Die vorliegende Veröffentlichung ist eine Werbemitteilung und ersetzt weder eine anlagegerechte Beratung noch stellt sie<br />

ein Angebot dar. Allein maßgeblich sind die endgültigen Bedingungen in Verbindung mit dem Basisprospekt, die im Internet<br />

veröffentlicht werden oder kostenlos bei der BayernLB erhältlich sind.


EDITORIAL<br />

3<br />

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Gesellschaft und erhöht die Lebens -<br />

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Anlaufstellen.<br />

Mit dem Gesetz zum Atomausstieg<br />

sind auch die umstrittenen Maßnahmen<br />

für mehr Energieeffizienz<br />

beschlossene Sache. Das ist gut, denn<br />

auch wenn die Fördersummen und<br />

CO 2<br />

- Einsparziele nach Meinung von<br />

Kritikern vielleicht zu kurz<br />

greifen: Die sogenannte Energiewende<br />

kann nur gelingen,<br />

wenn der Verbrauch sinkt.<br />

Eine Schlüsselrolle spielen<br />

dabei Wohnimmobilien,<br />

denn hier werden 40<br />

Prozent der Primärenergie<br />

verbraucht. Für Bauherren<br />

und Sanierer will die Bundesregierung<br />

1,5 Mrd. Euro<br />

bereitstellen. Im Jahr 2007<br />

waren es zwar noch 700 Mio.<br />

Euro mehr, obwohl damals<br />

noch niemand an eine Wende dachte.<br />

Handwerkspräsident Otto Kentzler<br />

erkennt gleichwohl aktuelle Chancen<br />

für alle Betriebe, die Häuser mit neuen<br />

Fenstern, Dämmstoffen und Brennwertkesseln<br />

auf energetischen Stand zu<br />

bringen – vorausgesetzt, die Sparkassen<br />

knausern nicht bei den Betriebsmittelkrediten.<br />

Sonst wird aus dem<br />

sprichwörtlichen goldenen Boden des<br />

Handwerks schnell eine bleierne Decke.<br />

(Lesen Sie ab Seite 10.)<br />

Sparkassen sind die mit Abstand<br />

wichtigsten Partner des Handwerks,<br />

nicht nur, weil sie als Hausbank das<br />

größte Volumen an Förderkrediten<br />

ausreichen. Die Kooperation erstreckt<br />

sich längst auch auf Marketing und<br />

Christoph Becker<br />

Weiterbildung. Berater des Handwerks<br />

schulen Sparkassenberater zum Thema<br />

Energiesparen. Und die Institute bieten<br />

Meisterbetrieben etwa bei Hausmessen<br />

eine willkommene Vertriebsplattform.<br />

Immerhin ist es für viele der Unternehmen<br />

gar nicht so einfach, zu<br />

„klappern“ und mit Hausbesitzern<br />

ins Gespräch zu kommen<br />

(Seite 20).<br />

Mithilfe des Internets können<br />

Sparkassen regionale<br />

Firmenkunden zusätzlich<br />

unterstützen. Beispielsweise<br />

die Sparkasse Witten macht<br />

es vor: Das Institut hat seine<br />

Internetseiten mit einer<br />

technisch anspruchsvollen<br />

Datensammlung der Kommune<br />

verknüpft. Hausbesitzer<br />

und Baubetriebe können damit auf<br />

einen Blick erkennen, ob sich ein Dach<br />

für Fotovoltaikanlagen eignet – und wie<br />

die passende Finanzierung aussehen<br />

könnte (Seite 15).<br />

Christoph Becker,<br />

Redakteur SPARKASSE<br />

Managermagazin<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

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6/30/2011 11:36:16 AM


4<br />

KOMMENTAR<br />

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SPARKASSE er scheint monatlich.<br />

Bezugspreis: 145 Euro (inkl. Versand<br />

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im Jahresabonnement (Inland).<br />

135,51 Euro (inkl. Versand ohne<br />

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(Ausland). Der Betrag wird jährlich<br />

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Info: 07 11 7 82-12 52<br />

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Herausgeber: Deutscher<br />

Sparkas sen- und Giroverband<br />

e. V., Berlin.<br />

Chefredakteur: Oliver Fischer<br />

Redakteur:<br />

Dr. Peter-Christoph Becker<br />

Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge geben die Meinung des<br />

Autors wieder, nicht unbedingt<br />

die der Redaktion oder des<br />

Herausgebers.<br />

Titelfoto:<br />

Marc Darchinger<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Deutscher Sparkassen- und Giroverband<br />

e. V., Postfach 110180,<br />

10831 Berlin; Charlottenstr. 47,<br />

10117 Berlin,<br />

Telefon +49 30 2 02 25-51 53<br />

Telefax +49 30 2 02 25-51 52,<br />

E-Mail: sparkasse@dsgv.de<br />

www.sparkasse-magazin.de<br />

Satz und Repro:<br />

Brandenburgische Universitätsdruckerei<br />

und Verlagsgesellschaft<br />

Potsdam mbH, Golm<br />

Druck und Weiterverarbeitung:<br />

M. P. Media Print Informationstechnologie<br />

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Verlag:<br />

Deutscher Sparkassen Verlag<br />

GmbH, Am Wallgraben 115,<br />

70565 Stuttgart,<br />

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Telefax +49 7 11 7 82-16 35 .<br />

Objektleitung:<br />

Gerhard Baumgartl<br />

Herstellung: Deborah Forbrich<br />

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Lothar Barthel<br />

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der Sparkassen-Finanzgruppe:<br />

Anneli Baumann,<br />

Telefon +49 711 782-1278,<br />

Telefax -2080,<br />

Gültig ist die Anzeigenpreisliste<br />

Nr. 34 vom 01.01.2011.<br />

Bestellungen und Abbestellungen<br />

ausschließlich beim Deutschen<br />

Sparkassen Verlag. Kündigungsfrist<br />

4 Wochen zum Jahresende.<br />

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />

Beiträge, Tabellen und<br />

Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Jede Verwertung<br />

außerhalb der engen Grenzen<br />

des Urheberrechts gesetzes ist<br />

ohne Zustimmung des Verlags<br />

unzulässig. Dies gilt insbesondere<br />

für Vervielfältigungen, Übersetzungen,<br />

Mikroverfilmungen und<br />

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in elektronischen Systemen.<br />

Mitglied der Fachgruppe<br />

Fachzeitschriften im<br />

VDZ. Artikelnummer:<br />

328 081 407<br />

GRIECHENLAND<br />

Nur nicht auf „die Märkte“ hören<br />

Vom Boulevard bis zum Qualitätsjournalismus<br />

ist das<br />

Verdikt klar: Die Griechen liegen<br />

auf der faulen Haut und<br />

stecken sich hart erarbeitetes<br />

deutsches Geld in die Taschen.<br />

Darüber hinaus seien die Schulden<br />

so hoch, dass nur noch ein<br />

Schuldenschnitt helfen könne.<br />

Diese Beschreibungen haben<br />

mit einer nüchternen Bestandsaufnahme<br />

der griechischen Probleme<br />

wenig zu tun; die daraus<br />

abgeleiteten Forderungen sind<br />

sogar brandgefährlich. Ihre<br />

Umsetzung würde nicht nur die<br />

schwer gebeutelte griechische<br />

Ökonomie weiter belasten –<br />

mehr noch, ein Schuldenschnitt<br />

würde das deutsche Bankensystem<br />

und die Währungsunion<br />

ins Wanken bringen.<br />

Trotz aller öffentlichen Schelte<br />

haben die Griechen 2010 weltmeisterlich<br />

gespart. Um fünf<br />

Prozentpunkte haben sie das<br />

staatliche Defizit gesenkt, von<br />

15,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

(BIP) im Jahr 2009 auf<br />

10,4 Prozent im vergangenen<br />

Jahr. Regierungen, die in der<br />

Vergangenheit unter der Kuratel<br />

des IWF sparen mussten, haben<br />

im Durchschnitt ihr Defizit<br />

nur um 1,7 Prozentpunkte reduziert<br />

– und zwar in zwei Jahren,<br />

nicht in einem.<br />

Sparkurs treibt Schulden<br />

Fabian Lindner<br />

Institut für Makroökonomie<br />

und Konjunkturforschung<br />

(IMK) in der Hans-Böckler-<br />

Stiftung, Düsseldorf<br />

Die Austerität in der Krise hat<br />

die griechische Wirtschaft allerdings<br />

stark geschwächt: Der<br />

Staat hat genau dann seine<br />

Nachfrage reduziert, als Unternehmen<br />

und Haushalte sie<br />

am meisten brauchten. Darüber<br />

hinaus belasten die massiven<br />

Steuererhöhungen die<br />

Griechen, deren Einkommen<br />

wegen der Krise sowieso schon<br />

schrumpft. Trotz eines Rückgangs<br />

des BIP um 4,5 Prozent<br />

im Jahr 2010 sind die Staatseinnahmen<br />

durch Steuer- und Abgabenerhöhungen<br />

um 4,7 Prozent<br />

gestiegen. In Deutschland<br />

war das BIP 2009 um 4,7 Prozent<br />

zurückgegangen – der größte<br />

wirtschaftliche Einbruch seit<br />

Bestehen der Bundesrepublik.<br />

Diese riesigen und schmerzhaften<br />

Einsparungen haben die<br />

Finanzmärkte allerdings nicht<br />

honoriert: Die Renditen sind immer<br />

weiter gestiegen, auf mittlerweile<br />

18 Prozent. Der Grund:<br />

Die Schuldenstandsquote des<br />

griechischen Staates ist von 127<br />

Prozent des BIP auf 143 Prozent<br />

gestiegen – aber nicht trotz, sondern<br />

wegen des Sparens. Denn<br />

die Schuldenstandsquote gibt<br />

die Schulden in Prozent des<br />

BIP an. Wenn das BIP einbricht,<br />

dann erhöht sich die Quote automatisch.<br />

So ist der starke Anstieg<br />

der Schuldenstandsquote<br />

nicht Ausdruck griechischen<br />

Schlendrians, sondern ganz im<br />

Gegenteil der wegen des Sparkurses<br />

weiter verschärften Konjunkturkrise.<br />

Öffentliche Kredite<br />

und eine Lockerung<br />

des Sparprogramms<br />

sind die<br />

angemessene<br />

Lösung.<br />

Damit ist die Schuldenstandsquote<br />

ein denkbar ungeeigneter<br />

Indikator, um die Fähigkeit<br />

eines Staates zum Schuldendienst<br />

zu beurteilen. Interessanter<br />

sind die Zinszahlungen<br />

des Staates in Prozent seiner<br />

Einnahmen: Die sind in der Krise<br />

nur um zwei Prozentpunkte<br />

von zwölf auf 14 Prozent gestiegen.<br />

2001 lag die Rate noch bei<br />

16 Prozent. Damit kann keine<br />

Rede davon sein, dass der griechische<br />

Staat seine Schulden<br />

nicht mehr bedienen kann. Sowohl<br />

die Risikoaufschläge auf<br />

Griechenlands Staatsanleihen<br />

als auch die Ratings sind damit<br />

vollkommen überzogen.<br />

Aufschläge sind überzogen<br />

Würde Griechenland jetzt seine<br />

Schulden auf den verrückt spielenden<br />

privaten Kapitalmärkten<br />

verlängern müssen, würde<br />

es Zinsen zahlen müssen, die<br />

auch Länder ohne einen riesigen<br />

Konjunktureinbruch in<br />

den Ruin treiben würden. Deswegen<br />

sind öffentliche Kredite<br />

mit geringeren Zinsen als<br />

den Marktzinsen vollkommen<br />

gerechtfertigt. Dabei überweisen<br />

die Regierungen der Eurostaaten,<br />

die EU-Kommission<br />

und der IWF keine Sozialhilfe<br />

an Griechenland, sondern sie<br />

vergeben verzinste Kredite –<br />

Geld, das der griechische Staat<br />

ohne Probleme wird zurückzahlen<br />

können und das die deutschen<br />

Staatseinnahmen erhöht.<br />

Dabei sind die Notkredite<br />

nicht nur interessant für den<br />

deutschen Fiskus. Denn wenn<br />

der griechische Staat ohne öffentliche<br />

Kredite irrational<br />

hohe Zinsen zahlen müsste und<br />

damit wirklich in den Bankrott<br />

getrieben würde, würden die<br />

Märkte noch verrückter spielen<br />

als jetzt. Sie würden annehmen,<br />

dass kein Staat innerhalb<br />

des Euro mehr sicher vor dem<br />

Bankrott wäre. Anleger würden<br />

panikartig die Anleihen etwa<br />

Portugals, Irlands oder sogar<br />

Spaniens verkaufen, die Risikoaufschläge<br />

würden steigen und<br />

der ganze Euro weiter unter<br />

Druck geraten.<br />

Kredit ist keine Sozialhilfe<br />

Wenn nur der griechische Staat<br />

Teile seiner Schulden abschreiben<br />

müsste, wäre das für das<br />

deutsche Finanzsystem ohne<br />

große Probleme verkraftbar.<br />

Wenn aber auch die anderen<br />

Krisenstaaten ihre Schulden<br />

reduzieren müssten, würde<br />

Deutschland eine Neuauflage<br />

der Finanzkrise von 2008 erleben<br />

– und vielleicht sogar den<br />

Zusammenbruch des Euro.<br />

Öffentliche Kredite an Griechenland<br />

und eine Lockerung<br />

des Sparprogramms sind sicher<br />

die bessere Lösung. <br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


KOLUMNENTITEL INHALT 5<br />

Ausgabe 7<br />

Juli 2011<br />

FOTOS: DARCHINGER, FRESH FACTORY, DPA<br />

Kommentar<br />

Griechenland<br />

Der Ökonom Fabian Lindner plädiert<br />

für öffentliche Kredite und eine<br />

Lockerung des Sparprogramms 4<br />

Impressum 4<br />

Nachrichten<br />

Energiewende I<br />

Der Bund treibt die energetische<br />

Modernisierung voran. Davon dürften<br />

Sparkassen profitieren 6<br />

USA<br />

Immer mehr Experten fordern die<br />

Einführung von Pfandbriefen 8<br />

DekaBank-Monitor 9<br />

Märkte & Kunden<br />

˘ Handwerk I – Titelinterview<br />

Handwerkspräsident Otto Kentzler<br />

erwartet infolge der Energiepolitik der<br />

Bundesregierung neue Aufträge und<br />

einen wachsenden Kreditbedarf 10<br />

Erwartet<br />

Geschäfte<br />

mit<br />

energetischer<br />

Sanierung:<br />

Handwerkspräsident<br />

Otto<br />

Kentzler<br />

Seite 10<br />

Fresh Factory: Hamburger Gründer brillieren mit fertigem Obstsalat<br />

Energieberatung<br />

Sparkasse Nürnberg berät mit<br />

Energiespar-Scouts 20<br />

Chronik 21<br />

Unternehmensporträt<br />

Der Haspa-Kunde Fresh Factory<br />

hat fertigen Obstsalat salonfähig <br />

gemacht 22<br />

Karriere<br />

Ausbildung I<br />

Sparkassen registrieren hohe<br />

Bewerberzahlen. Mitunter hapert<br />

es an der Qualifikation 24<br />

Ausbildung II<br />

Wie ein Institut gute Azubis<br />

findet, erklärt Bernd Möller von<br />

der Sparkasse Fulda 26<br />

Management<br />

Kundenkommunikation<br />

Finanzdienstleister und Forscher<br />

kämpfen für einfacher lesbare<br />

Texte 27<br />

Mobile Payment – Gastbeitrag<br />

DSGV-Experte Wolfgang Adamiok<br />

plädiert für „kontaktlose“<br />

Kartenzahlung 31<br />

˘ Informationstechnik<br />

Cloud Computing ist kein<br />

Wundermittel 32<br />

Marketing<br />

Wie Sparkassen junge Kunden<br />

halten und gewinnen 34<br />

Finanzgruppe<br />

˘ Beratung<br />

So erkunden Mystery Shopper<br />

die Qualität 36<br />

Immobilien – Gastbeitrag<br />

Holsteiner Sparkassenmanager<br />

Peter Becker und Rainer<br />

Triebwasser erklären, worauf es<br />

bei der Flächenreduzierung<br />

ankommt 38<br />

22<br />

Perspektiven<br />

Indien<br />

Auslandsbanken sollen besseren<br />

Marktzugang erhalten 40<br />

Edelmetalle<br />

Der Preis von Silber dürfte stärker<br />

steigen als der von Gold 41<br />

Europäische Zentralbank<br />

Das Institut droht, sich an der<br />

Schuldenkrise zu verheben 42<br />

US-Hypothekenkrise<br />

Staatsanwälte gehen hart gegen<br />

Banken vor, um Straftaten im<br />

Vorfeld der Krise aufzudecken 44<br />

Literatur<br />

Wirtschaftsmodelle<br />

Der Nachhaltigkeitsexperte Tim<br />

Jackson stellt das Streben nach<br />

Wachstum infrage 46<br />

˘ Handwerk II – Marketing<br />

Regionale Gewerke suchen<br />

Partner – etwa auf den Messen<br />

der Sparkassen 15<br />

˘ Handwerk III – Strategie<br />

Im Luxussegment winken gute<br />

Renditen 17<br />

Energiewende II<br />

Bei der Kreditvergabe für Sanierungsmaßnahmen<br />

ist Vorsicht geboten 18<br />

Forum<br />

Ist die Sparkassensprache<br />

schwer verständlich?<br />

Es diskutieren Kommunikationswissenschaftler<br />

Frank Brettschneider<br />

und Naspa-Sprecherin<br />

Daniela Gramlich 28<br />

Motivation<br />

Versicherer brauchen Incentives<br />

– doch welche Belohnungen sind<br />

angemessen? 30<br />

Schrecken der Großbanken: US-Staatsanwälte wie Preet Bharara<br />

forschen nach Straftaten im Vorfeld der Finanzkrise Seite 44<br />

˘ Titelthemen<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


6<br />

NAMEN & NACHRICHTEN<br />

Personalien<br />

ENERGIEWENDE I<br />

Energiebündel<br />

Gunter Dunkel (58, Foto)<br />

steht für weitere fünf Jahre<br />

an der Spitze der Nord/LB.<br />

Das Votum des Aufsichtsrats<br />

fiel einstimmig aus. Dunkel<br />

gehört dem Vorstand der<br />

Landesbank in Hannover seit<br />

1997 an, seit 2009 ist er Vorstandsvorsitzender.<br />

Guido Schaefers (43) ist seit<br />

Monatsbeginn neues Vorstandsmitglied<br />

für das Leben-Ressort<br />

bei der Provinzial<br />

Rheinland. Der Mathematiker<br />

ist bei dem Düsseldorfer<br />

Versicherer seit 1997<br />

in verschiedenen Führungspositionen<br />

tätig. Schaefers<br />

tritt die Nachfolge von Hans<br />

Peter Sterk (62) an, der nach<br />

17 Jahren Vorstandsarbeit in<br />

den Ruhestand tritt.<br />

Christian Tonnesen (44),<br />

derzeit Global Head Operations<br />

bei der HSH Nordbank,<br />

ist zum Vorstandsmitglied<br />

der Deutschen Wertpapierservice-Bank<br />

(DWP-Bank)<br />

berufen worden. Neuer Vorstandsvorsitzender<br />

des Instituts,<br />

das gleichberechtigt<br />

der genossenschaftlichen<br />

und der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

gehört, ist Markus<br />

Walch (47), derzeit Vorstandsmitglied<br />

der DAB<br />

Bank in München. Bernd<br />

Sperber (60), bisheriges<br />

Vorstandsmitglied des Instituts,<br />

scheidet auf eigenen<br />

Wunsch aus.<br />

Markus Franz (45), ist seit<br />

Monatsbeginn ordentliches<br />

Vorstandsmitglied der Taunus<br />

Sparkasse und unter<br />

anderem für das Firmenkundengeschäft<br />

des Instituts<br />

zuständig.<br />

Birgit Hartmann (50), bisherige<br />

Leiterin der Abteilung<br />

Kredit- und Marketingservice<br />

bei der Sparkasse Laubach-Hungen,<br />

ist zum Vorstandsmitglied<br />

des hessischen<br />

Instituts bestellt<br />

worden. Sie ist Nachfolgerin<br />

von Detlef Flaig (60), der<br />

nach 42 Jahren Tätigkeit in<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

in den Ruhestand tritt.<br />

Mit einem Mix aus Steuererleichterungen und Zwangsauflagen will der Bund<br />

die energetische Modernisierung von Wohnimmobilien vorantreiben. Von der<br />

neuen Strategie dürften gerade auch die Sparkassen profitieren.<br />

Mehr als zehn Mrd.<br />

Euro an Fördermitteln<br />

hatte die Bundesregierung<br />

in den<br />

vergangenen sieben<br />

Jahren bereitgestellt,<br />

um Deutschlands Eigenheimbesitzer<br />

und Wohnungsvermieter<br />

zur energetischen<br />

Sanierung<br />

ihrer Immobilien zu<br />

bewegen. Bislang ohne<br />

großen Erfolg: Trotz der<br />

zinsverbilligten KfW-<br />

Sonderdarlehen und<br />

direkter Zuschüsse wurden<br />

laut dem Institut für<br />

Wohnen und Umwelt<br />

(IWU) seit 2005 pro Jahr<br />

lediglich 0,8 Prozent<br />

der bis 1995 errichteten<br />

15,6 Mio. Wohngebäude<br />

im Land modernisiert.<br />

Neuer Anlauf<br />

Jetzt wollen Bund und<br />

L ä n d e r i m R a h m e n<br />

der Energiewende mit<br />

einem Bündel neuer<br />

Gesetze dafür sorgen,<br />

dass die Sanierungsquote<br />

künftig auf mindestens<br />

zwei Prozent<br />

des Bestands pro Jahr<br />

steigt. Von 2010 an sollen<br />

zusätzlich zu den<br />

insgesamt 1,5 Mrd. Euro<br />

an zinsverbilligten Modernisierungsdarlehen<br />

der KfW massive Sonderabschreibungen<br />

als<br />

Lockmittel dienen.<br />

Bislang können nur<br />

Vermieter ihre Sanierungsaufwendungen<br />

steuerlich geltend machen.<br />

Dabei dürfen sie<br />

nur zwei Prozent der<br />

Kosten verteilt über<br />

50 Jahre beim Fiskus<br />

gegen Mieteinnahmen<br />

verrechnen. Selbstnutzer<br />

gehen bisher leer<br />

aus. „Die neuen gesetzlichen<br />

Regelung sehen<br />

nun vor, dass sämtliche<br />

Eigentümer von<br />

Wohnimmobilien vom<br />

1. Januar 2012 an jährlich<br />

zehn Prozent der<br />

Modernisierungsaufwendungen<br />

über einen<br />

Zeitraum von nur zehn<br />

Jahren steuerlich geltend<br />

machen können“,<br />

erläutert Jens-Ulrich<br />

Kießling, Präsident des<br />

Immobilienverbands<br />

D e u t s c h l a n d ( I V D ) .<br />

Nach einer Prognose<br />

des Bundesbauministeriums<br />

dürften die<br />

neuen steuerlichen Erleichterungen<br />

pro Jahr<br />

dem Äquivalent einer<br />

direkten Förderung von<br />

mindestens weiteren<br />

1,5 Mrd. Euro entsprechen.<br />

Gewährt werden die<br />

Sonderabschreibungen<br />

für energetische Sanierungsmaßnahmen<br />

an<br />

Häusern, die vor 1995<br />

errichtet wurden. Voraussetzung<br />

ist, dass<br />

das Gebäude nach Abschluss<br />

der Modernisierungsarbeiten<br />

maximal<br />

85 Prozent der Heizenergie<br />

benötigt, den<br />

ein Neubau nach Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) verbrauchen<br />

darf. Die erzielte Energieeinsparung<br />

muss<br />

durch das Gutachten<br />

eines Bausachverständigen<br />

bestätigt werden.<br />

Mieter zahlen mit<br />

Eigennutzer können<br />

die Sanierungskosten<br />

gegen sämtliche anderweitigen<br />

Einkünfte<br />

verrechnen. Hingegen<br />

dürfen Vermieter die<br />

Aufwendungen weiterhin<br />

nur gegen ihre Einnahmen<br />

aus Vermiesetzesänderungen<br />

die<br />

energetische Sanierung<br />

von Wohnimmobilien<br />

deutlich beflügeln wird.<br />

„Die steuerlichen Anreize<br />

senden ein wichtigstes<br />

Signal an die Eigentümer“,<br />

sagt Walter<br />

Rasch, Präsident des<br />

Bundesverbands Freier<br />

Immobi lien- und Wohnungsunternehmen<br />

(BFW).<br />

Deutlich mehr Besitzer<br />

als in der Vergangenheit<br />

würden vom nächsten<br />

Jahr an die Modernisierung<br />

ihrer Häuser in<br />

Angriff nehmen, sekundiert<br />

Andreas Mattner,<br />

Präsident des Zentralen<br />

Immobilienausschusses<br />

Dichte Dächer<br />

Dämmpflicht greift noch dieses Jahr<br />

Schon in Kürze dürften<br />

viele Besitzer älterer<br />

Eigenheime mit einem<br />

Kreditwunsch an ihre<br />

Sparkasse herantreten.<br />

Nach der Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) müssen bis<br />

Ende Dezember in allen<br />

Häusern Dach oder<br />

Dachboden gegen Wärmeverluste<br />

gedämmt<br />

werden. Schätzungen<br />

zufolge sind dafür Arbeiten<br />

an mehr als fünf<br />

Mio. Ein-, Zweifamilienund<br />

Reihenhäusern nötig.<br />

Ließen Eigentümer<br />

nur den Dachböden<br />

d ä m m e n , e n t s t ü n -<br />

den Kosten von rund<br />

80 Euro pro Quadrat-<br />

tung und Verpachtung<br />

abschreiben. Allerdings<br />

profitieren Vermieter<br />

von einer Änderung<br />

des Mietrechts. Künftig<br />

müssen Mieter Sanierungsarbeiten<br />

bis zu<br />

drei Monate lang hinnehmen,<br />

ohne die Miete<br />

kürzen zu dürfen.<br />

Nur wenn sich das Vorhaben<br />

länger hinzieht,<br />

dürfen von Beginn des<br />

vierten Monats an Mietkürzungen<br />

erfolgen.<br />

Bislang können Mieter<br />

vom ersten Tag der Modernisierungsarbeiten<br />

an die Miete um 60 Prozent<br />

und mehr kürzen.<br />

Experten erwarten,<br />

dass das Bündel an Gemeter<br />

Grundfläche,<br />

sagt Bettina Allewelt,<br />

Architektin beim Eig<br />

e n t ü m e r v e r b a n d<br />

Haus & Grund. „Bei<br />

einem 100 Quadratmeter<br />

großen Dachboden<br />

wären das 8000 Euro.“<br />

Deutlich teurer käme<br />

eine Dämmung des<br />

gesamten Daches. Allewelt:<br />

„Wegen des<br />

höheren Aufwands<br />

betragen die Kosten<br />

in diesem Fall bis zu<br />

160 Euro pro Quadratmeter.“<br />

Wegen der größeren<br />

zu dämmenden<br />

Fläche, entstünden bei<br />

einem durchschnittlichen<br />

Einfamilienhaus<br />

Kos ten von bis<br />

zu 24.000 Euro.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


NAMEN & NACHRICHTEN 7<br />

Pressespiegel<br />

Gottgleiche Ratingagenturen<br />

Der amerikanische Gott namens Standard & Poor´s hat den<br />

Europäern mitgeteilt, dass er nicht einverstanden ist, Banken,<br />

Versicherungen und Rentenfonds an Finanzhilfen für Griechenland<br />

zu beteiligen. [...] Es ist an der Zeit, dass die den<br />

Interessen ihrer Bürger verpflichteten Regierungen aufhören,<br />

sich der Meinung interessengeleiteter Unternehmen zu unterwerfen,<br />

indem sie deren Horror-Szenarien glauben. Das<br />

kleine Griechenland steht plötzlich da als Symbol für den<br />

Untergang der mächtigen EU. Das ist absurd. Statt weiterhin<br />

das Geld der Steuerzahler über Athen an die Finanzbranche<br />

zu leiten, sollten die Euro-Regierungen mutig sein. Ein Schuldenschnitt<br />

und ein großes Aufbauprogramm würden Hellas<br />

wirklich helfen – und die amerikanischen Götter auf das reduzieren,<br />

was sie sind: kapitalistische Unternehmer.<br />

Ein Hausbesitzer in Münster zeigt die Isolationsschicht seines Dachgeschosses.<br />

Künftig sollen alle Besitzer von Altbauten ihre Gebäude umrüsten lassen. FOTO: DPA<br />

(ZIA), der wirtschaftspolitischen<br />

Interessensvertretung<br />

der Immobilienwirtschaft.<br />

Die Vorgaben<br />

wirkten wie ein<br />

Konjunkturprogramm<br />

und müssten nicht einmal<br />

zu Steuerausfällen<br />

führen, sagt Mattner.<br />

„Allein bei der Umsatzsteuer<br />

könnte mehr zusätzliches<br />

Aufkommen<br />

generiert werden als an<br />

förderbedingten Mindereinnahmen<br />

anfällt.“<br />

Hinzu kämen Lohnund<br />

Ertragssteuereffekte<br />

aus zusätzlichen Bauaufträgen.<br />

„Insgesamt<br />

ist eine Förderung zum<br />

Nulltarif möglich“, sagt<br />

Mattner.<br />

Neben Bauindustrie<br />

und Handwerk würden<br />

auch Banken und Sparkassen<br />

profitieren, sagt<br />

Günter Vornholz, Leiter<br />

Immobilienresearch<br />

bei der Nord/LB-Tochter<br />

Deutsche Hypo. „Vom<br />

nächsten Jahr an wird<br />

d i e Nachfra g e n a c h<br />

Modernisierungsdarlehen<br />

deutlich steigen.“<br />

Gleichzeitig könnte die<br />

wachsende Zahl der<br />

Aufträge zur Dämmung<br />

von Dächern und Fassaden<br />

sowie zur Erneue<br />

r u n g vo n Fe n s te r n<br />

und Heizungsanlagen<br />

auch bei Handwerksfirmen<br />

für zusätzlichen<br />

Kreditbedarf sorgen.<br />

„Steigen die Auftragszahlen<br />

rapide an, werden<br />

etliche Betriebe<br />

zusätzliche Maschinen<br />

und Fahrzeuge anschaffen<br />

müssen und dabei<br />

Finanzierungshilfen<br />

benötigen“, sagt Vornholz.<br />

70.000 Euro pro Haus<br />

Um welche Darlehensbeträge<br />

es allein bei der<br />

Eigenheimsanierung<br />

geht, zeigt eine Beispielrechnung<br />

des Verbands<br />

P r i va te r B au h e r re n<br />

(VPB). Danach müssen<br />

Eigenheimbesitzer mindestens<br />

70.000 Euro aufbringen,<br />

um ein 30 Jahre<br />

altes Haus komplett<br />

energetisch zu sanieren.<br />

„Muss darüber hinaus<br />

noch asbesthaltiges<br />

Dämmmaterial aus der<br />

alten Fassade als Sondermüll<br />

entsorgt werden,<br />

können rasch weitere<br />

Kosten von 10.000<br />

oder 20.000 Euro hinzukommen“,<br />

sagt VPB-<br />

Geschäftsführerin Corinna<br />

Merzyn.<br />

Aus eigenen finanziellen<br />

Rücklagen könne<br />

kaum ein Eigentümer<br />

die Sanierung stemmen,<br />

ergänzt Gerold<br />

Happ, Rechtsreferendar<br />

beim Eigentümerverband<br />

Haus & Grund.<br />

Auch die in ihrer Höhe<br />

begrenzten zinsverbilligten<br />

KfW-Darlehen<br />

würden zur Eigenkapitalaufstockung<br />

in den<br />

wenigsten Fällen reichen.<br />

Happ: „Die meisten<br />

Besitzer werden<br />

auf zusätzliche Kredite<br />

angewiesen sein.“<br />

Offen ist allerdings,<br />

in welchem Umfang<br />

private Eigentümer von<br />

Mehrfamilienhäusern<br />

auf das Sanierungsprogramm<br />

aufspringen<br />

werden. Nach einer Studie<br />

des Bundesamtes für<br />

Bauwesen und Raumordnung<br />

erzielen nur<br />

40 Prozent der privaten<br />

Wohnungsvermieter<br />

aus ihren Immobilien<br />

einen Gewinn. 60 Prozent<br />

der Besitzer von<br />

Zinshäusern und nicht<br />

selbstgenutzten Eigentumswohnungen<br />

kämen<br />

somit nicht in den<br />

Genuss der Sonderabschreibung.<br />

Kredite gefragt<br />

Um die Sanierungsbereitschaft<br />

bei dieser<br />

Gruppe zu steigern, fordern<br />

der Eigentümerverband<br />

Haus & Grund<br />

eine Erweiterung des<br />

Steuerpakets. Präsident<br />

Rolf Kornemann: „Wie<br />

Eigennutzer sollten<br />

private Vermieter ihre<br />

A u f w e n d u n g e n f ü r<br />

energetische Modernisierungen<br />

mit sämtlichen<br />

Einkünften verrechnen<br />

können, statt<br />

a u s s c h l i e ß l i c h m i t<br />

Miet- und Pachteinnahmen.“<br />

<br />

<br />

Richard Haimann<br />

Worauf Sparkassen bei<br />

der Vergabe von Krediten<br />

zur energetischen<br />

Sanierung achten sollten,<br />

lesen Sie ab Seite 18.<br />

Süddeutsche Zeitung, 5. Juli 2011<br />

Insolvenz wäre teurer<br />

Von den [...] Mitarbeitern wissen die meisten nicht, was mit<br />

ihren Arbeitsplätzen geschehen wird. Nur ein Teil wird bei<br />

neuen Eigentümern unterkommen. Auch der Steuerzahler<br />

ist einmal mehr gefordert, weil die Bank [WestLB] im vergangenen<br />

Jahrzehnt in riskanten Geschäften zu viele Milliarden<br />

Euro verbrannte. Aber an den zwei Milliarden Euro, die<br />

das Land und die Sparkassen als Aktionäre für eine geordnete<br />

Abwicklung aufbringen müssen, darf das Projekt nicht scheitern.<br />

Eine Insolvenz käme alle Beteiligten viel teurer.<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. Juni 2011<br />

Alimentierung nicht auf Dauer<br />

In zahlungsunfähigen Ländern wie Irland, wo neben einer<br />

guten Wirtschaftsstruktur die Bereitschaft besteht, durch<br />

interne Abwertung wieder wettbewerbsfähig zu werden, kann<br />

man mit Krediten Zeit kaufen, bis die Reformen wirken.<br />

In Ländern wie Portugal oder Griechenland, wo neben der<br />

Industrie auch der Wille zu strukturellen Reformen fehlt,<br />

verschwinden solche Kredite in Fässern ohne Böden. Nur<br />

ein drastischer Schuldenschnitt in Verbindung mit externer<br />

Abwertung führt dort wieder zu Wettbewerbsfähigkeit. Eine<br />

Daueralimentierung dieser Länder wäre verheerend, weil<br />

der Schuldenvirus die Zahlerstaaten infizieren würde.<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Juni 2011<br />

Fragwürdige Entlastung<br />

Noch schlagen sich die Milliardenhilfen für Griechenland und<br />

andere Schuldensünder nicht im Haushalt nieder. Doch die<br />

Bürgschaften werden für den Steuerzahler nicht kostenlos<br />

bleiben. In der Bevölkerung wachsen die Zweifel, dass<br />

Schwarz-Gelb noch die Kraft für ein starkes finanzpolitisches<br />

Signal aufbringen kann. Eine Entlastung, die den Namen<br />

verdient, muss in eine Politik des schlankeren Staates eingebettet<br />

sein. Davon ist in Deutschland allerdings derzeit<br />

keine Rede. Ob in der Energiepolitik oder am Arbeitsmarkt<br />

– überall mischt der Staat sich immer stärker ein.<br />

Die Welt, 21. Juni 2011<br />

Zeitbombe E-Banking<br />

Das Internet ist zwar eine der größten Errungenschaften der<br />

Menschheit, aber an der zuverlässigen Abwicklung des Zahlungsverkehrs<br />

in großem Stil wird es scheitern. Je mehr<br />

Berührungspunkte man zwischen x-beliebigen Geldkonten<br />

und dem Netz schafft, desto schlimmer wird es. Sogenannte<br />

Sicherheitsprogramme bieten gegen entschlossene Eindringlinge<br />

keinen echten Schutz. Wenn das massenhafte<br />

Bezahlen per Handy und Computer Wirklichkeit werden soll,<br />

aber keine Zeitbombe, muss man die Sache ganz grundsätzlich<br />

neu überlegen: Vielleicht brauchen wir für die neue Ära<br />

des vernetzten Kommerzes auch ein neues, geschlossenes,<br />

vom Internet getrenntes Netz.<br />

Die Zeit, 1. Juni 2011<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


8<br />

NAMEN & NACHRICHTEN<br />

USA<br />

Pfandbrief im Kommen<br />

In den USA freunden sich unter dem Eindruck der Finanzkrise immer mehr Experten mit den lange<br />

geschmähten Pfandbriefen an. Ein aktueller Gesetzesentwurf hat relativ gute Chancen.<br />

Das dürfte auch europäische Banken<br />

interessieren: Mit 44 zu sieben<br />

Stimmen hat der Ausschuss für Finanzdienstleistungen<br />

im Repräsentantenhaus<br />

Ende Juni einem Gesetzesentwurf<br />

zugestimmt, der den US-Pfandbriefmarkt<br />

neu regeln soll. Damit geht der „United<br />

States Covered Bond Act of 2011“, den<br />

der republikanischen Abgeordnete Scott<br />

Garrett aus New Jersey beantragt hatte,<br />

jetzt ins Plenum.<br />

In den USA ist die Zeit für Pfandbriefe<br />

nach der Finanzkrise reif. Denn die staatlichen<br />

Hypothekenversicherer Fannie<br />

Mae und Freddie Mac haben immense<br />

Schulden angehäuft und sollen<br />

abgespeckt, privatisiert oder<br />

ganz ausgemustert werden. Der<br />

Markt für hypothekenbesicherte<br />

Derivate (Mortgage Backed<br />

Securities), der vor der Krise ein<br />

jährliches Volumen von 900<br />

Mrd. Dollar erreicht hatte, ist<br />

2010 auf 100 Mrd. zusammen<br />

geschrumpft. Die Papiere sind<br />

bei vielen Investoren in Verruf<br />

geraten, weil vor der Finanzkrise<br />

zwielichtige und schlecht<br />

besicherte Forderungen darin<br />

verpackt wurden, was zu erheblichen<br />

Verlusten führte.<br />

Es besteht also ein großer<br />

Bedarf an ergänzenden Finanzierungsquellen.<br />

„Nach dieser Krise brauchen<br />

wir neue Investment-Vehikel, die Investoren<br />

an die Wertpapiermärkte locken<br />

und den Kapitalfluss verbessern“, sagt die<br />

demokratische Abgeordnete Carolyn Maloney<br />

aus New York, die mit Garrett den besagten<br />

Gesetzesentwurf eingebracht hat;<br />

es handelt sich übrigens bereits um den<br />

fünften Anlauf seit Juli 2010.<br />

Gegner befürchten Marktverzerrung<br />

Doch den hohen Erwartungen der Pfandbrief-Befürworter<br />

stehen Bedenken entgegen.<br />

Ein gültiges Regelwerk wird nicht<br />

vor dem kommenden Jahr erwartet,<br />

und selbst dies halten manche Beobachter<br />

für optimistisch. Die Ratingagentur<br />

Moody‘s befürchtet, dass die Einführung<br />

von Pfandbriefen Konkurrenz für<br />

die zwölf Federal Home Loan Banks aufbauen<br />

könnte. Diese Banken stellen den<br />

Hypotheken-Ausleihern in Amerika zu<br />

niedrigen Zinsen Liquidität für Immobilienkredite<br />

bereit, um von staatlicher<br />

„Hätten wir<br />

schon vor der<br />

Finanzkrise<br />

Pfandbriefe<br />

gehabt, wäre<br />

die Immobilienkrise<br />

anders<br />

gelaufen.“<br />

Brent Bruns,<br />

Finanzberaters<br />

Seite den Markt zu fördern. Kleinere US-<br />

Banken fürchten eine Wettbewerbsverzerrung.<br />

„Wir wären als kleinere Banken<br />

benachteiligt, weil wir nicht das nötige<br />

Hypothekenvolumen für die Ausgabe<br />

solcher Anleihen aufbringen“, sagte bei<br />

einer Expertenanhörung im Repräsentantenhaus<br />

Stephen Andrews von der<br />

Bank of Alameda, einer Regionalbank in<br />

Kalifornien.<br />

Drohende Marktverzerrung wittert<br />

auch die Einlagensicherung FDIC. Weil<br />

Investoren durch Pfandbriefe besonders<br />

gut abgesichert sind, hätte die FDIC<br />

bei der Abwicklung einer insolventen<br />

Bank keinen Zugriff auf die<br />

Deckungsmasse, die den Investoren<br />

aus diesen Papieren<br />

garantiert wird. Das könne im<br />

Zweifelsfall, so die FCIC, den<br />

Versicherungsfonds der Banken<br />

zusätzlich belasten. Eine<br />

völlig neue Wertpapiergattung<br />

mit extrem hoher Absicherung<br />

für die Investoren könne gar<br />

den ganzen Markt verzerren.<br />

Weiterer brisanter Punkt:<br />

Im Unterschied zum europäischen<br />

Modell, bei dem meist<br />

Grundpfandrechte oder Forderungen<br />

gegen die öffentliche<br />

Hand in die Deckungsmasse<br />

des Pfandbriefs genommen<br />

werden, sollen in Amerika auch Forderungen<br />

aus Kreditkarten, Autokrediten<br />

und Studenten-Darlehen in die Pfandbriefe<br />

verarbeitet werden. Diese Konsumenten-<br />

und Ausbildungskredite hätten<br />

nach Schätzungen des Finanzberaters<br />

Bert Ely einen Anteil von knapp einem<br />

Drittel am möglichen US-Pfandbriefmarkt.<br />

Ely sieht für US-Pfandbriefe ein<br />

potenzielles Kreditvolumen von bis zu<br />

20.000 Mrd. Dollar. Das wären europäische<br />

Größenordnungen, auch wenn damit<br />

das deutsche Marktvolumen nicht<br />

erreicht würde. Der Erstabsatz von Pfandbriefen<br />

sank im Jahr 2010 nach Angaben<br />

des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken<br />

auf 87 Mrd. Euro.<br />

Die Zahl für die USA dürfte zwar etwas<br />

hoch gegriffen sein. Der aktuelle Umfang<br />

des amerikanischen Hypothekenmarktes<br />

liegt bei etwa 14.000 Mrd. Dollar.<br />

Aber selbst wenn nur zehn Prozent von<br />

der optimistischen Schätzung realisiert<br />

würden, wäre das ein guter Start.<br />

Pfandbriefe spielen in den USA bislang<br />

kaum eine Rolle. Nach Angaben der Securities<br />

Industry and Financial Markets<br />

Association hatten sie 2010 ein Marktvolumen<br />

von 30 Mrd. Dollar. Dabei soll es<br />

auch 2011 in etwa bleiben. Pfandbriefe<br />

waren als mögliches Finanzierungsinstrument<br />

auch im Reformpaket für die Finanzmärkte,<br />

das im Juli 2010 unter dem<br />

Namen Dodd-Frank in Kraft trat, enthalten.<br />

In einem politischen Kuhhandel<br />

wurde dieser Teil jedoch in letzter Minute<br />

aus dem Reformgesetz herausgelassen.<br />

„Finanzierung alter Schule“<br />

Die Chancen stehen jetzt besser. „Mir gefällt<br />

das Konzept, es ist mehr Finanzierung<br />

alter Schule“, sagt etwa Brent Bruns,<br />

Präsident beim Finanzberater Asset Dedication<br />

in Mill Valley, Kalifornien. Es<br />

sei attraktiv für die Abgeordneten, weil<br />

es Risiko reduziere und leicht zu verstehen<br />

sei. Bruns: „Hätten wir schon vor der<br />

Finanzkrise Pfandbriefe gehabt, wäre<br />

Einiges mit der Immobilienkrise anders<br />

gelaufen“, sagt Bruns.<br />

Dennoch verweisen Beobachter auf verbleibende<br />

Hürden. Wenn das Papier es<br />

durch das Repräsentantenhaus geschafft<br />

hat, muss es in den Senat. Und dort hat<br />

die US-Einlagensicherung FDIC mit ihren<br />

starken Bedenken mehr Einfluss. <br />

<br />

Markus Gärtner, Vancouver<br />

Die USA brauchen Kapital<br />

Auch in den USA scheinen sich unter dem Eindruck<br />

von Finanzkrise und Rezession immer<br />

mehr Experten mit den lange Zeit gescheuten<br />

Pfandbriefen anzufreunden. Pfandbriefe<br />

sind von speziellen Banken ausgegebene<br />

Anleihen, die dem Investor nicht nur durch<br />

die hohe Bonität der emittierenden Bank,<br />

sondern auch durch eine Deckungsmasse<br />

aus besicherten Darlehenforderungen eine<br />

hohe Sicherheit bieten. Die in Europa seit 200<br />

Jahren bekannte Anleiheart würde auch in<br />

den USA helfen, das Kreditrisiko insgesamt<br />

zu streuen. Die Qualität der Kredit-Portfolios<br />

in den Banken würde gestärkt, die Investoren<br />

wären besser geschützt. Zudem haben die<br />

USA einen enormen Bedarf an ausländischem<br />

Kapital. Anleihen mit guten Ratings wie Pfandbriefe<br />

wären da eine willkommene Addition.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


NAMEN & NACHRICHTEN 9<br />

DEKABANK-MONITOR<br />

Geteiltes Europa<br />

Die Deka-Experten erwarten eine US-Erholung<br />

und eine gespaltene Entwicklung im Euroraum.<br />

Basisszenario (Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

70 Prozent): Die<br />

US-Wirtschaft befindet sich<br />

weiterhin auf einem guten<br />

Weg, die strukturellen Probleme<br />

im Bankensystem zu<br />

beheben. Die Kreditvergabe<br />

bessert sich. Die Investitionsdynamik<br />

der Unternehmen<br />

bleibt kräftig. Zudem verbessert<br />

sich die Lage am Arbeitsmarkt<br />

stetig.<br />

Allerdings weicht die bisher<br />

euphorische Stimmung der<br />

Unternehmen einer realistischeren<br />

Einschätzung. Die<br />

US-Notenbanker beurteilen<br />

die Inflationsgefahren und<br />

den angemessenen Kurs der<br />

Geldpolitik nach wie vor uneinheitlich.<br />

Eine Mehrheit um<br />

Fed-Chairman Bernanke rechnet<br />

weiterhin damit, dass die<br />

gestiegenen Energie- und sonstigen<br />

Rohstoffpreise nicht zu<br />

dauerhaft höheren Inflationsraten<br />

führen. Es ist daher erst<br />

gegen Mitte nächsten Jahres<br />

mit den ersten Leitzinserhöhungen<br />

zu rechnen.<br />

Nord-Süd-Gefälle<br />

Die wirtschaftliche Entwicklung<br />

in der Eurozone bleibt<br />

gespalten. Die meisten nordeuropäischen<br />

Länder wachsen<br />

in hohem Tempo, während<br />

die Peripheriestaaten<br />

mit Wachstumsschwächen<br />

kämpfen. In Deutschland<br />

kommen inzwischen wesentliche<br />

Wachstumsimpulse aus<br />

der Binnennachfrage. Der<br />

Aufschwung ruht damit auf<br />

einem breiten Fundament. In<br />

den kommenden Monaten ist<br />

mit einer Normalisierung der<br />

Wachstumsraten zu rechnen,<br />

Prognosen<br />

Euroland<br />

die aber keinen Anlass zur<br />

Sorge geben. Der Preisauftrieb<br />

hat im Mai leicht nachgelassen.<br />

Dennoch dürften die Inflationsraten<br />

2011 über der<br />

EZB-Zielmarke von zwei Prozent<br />

verharren, was Anlass<br />

zu weiterer geldpolitischer<br />

Straffung gibt. Zu rechnen ist<br />

mit weiteren Zinserhöhungen<br />

jeweils zu Beginn eines jeden<br />

Quartals bis Januar 2012.<br />

Chanceszenario Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

zehn Prozent:<br />

Vereinigte Staaten<br />

2011 2012 2011 2012<br />

BIP 1) 2,0 % 1,7 % 2,8 % 3,2 %<br />

HVPI/<br />

CPI 2) 2,5 % 2,4 % 3,0 % 2,0 %<br />

10-Jahreszinssatz<br />

US-Dollar/Euro<br />

3,4 % a) 3,7 % b) 3,5 % a) 3,9 % b)<br />

1,51 % a) 1,48 % b)<br />

1) Reales Bruttoinlandsprodukt (jährl. Veränderungsrate)<br />

2) HVPI: Harmonisierter Verbraucherpreisindex; CPI: Verbraucherpreisindex (jährl.<br />

Veränderungsrate).<br />

a) Dezember 2011 b) Dezember 2012 Quelle: DekaBank<br />

Die Verwerfungen an den<br />

Märk ten könnten schnell<br />

beseitigt werden, die Staatsschuldenkrise<br />

in Euroland<br />

könnte frühzeitig abflauen.<br />

Risikoszenario (Eintrittswahrscheinlichkeit:<br />

20 Prozent):<br />

Die Wirrungen um die Staatsverschuldung<br />

könnte zu einer<br />

erneuten Zuspitzung der Finanzkrise<br />

führen. Anhaltend<br />

hohe Rohölpreise könnten<br />

das Wachstum in den Industrieländern<br />

erheblich bremsen.<br />

<br />

Konjunkturindikatoren<br />

Leitzinssätze Euroland und USA<br />

Konjunktur<br />

Industrieproduktion,<br />

mom 1) in %<br />

Periode<br />

Aktueller Wert<br />

Wert eine<br />

Periode zuvor<br />

Euroland<br />

März 11 -0,1 0,6<br />

Kapazitätsauslastung Q1 11 81,3 80,3<br />

Wirtschaftl. Stimmung<br />

(Economic Sentiment)<br />

Mai 11 105,5 106,1<br />

Monetäres Umfeld<br />

HVPI 2) , yoy 1) in % Mai 11 2,7 2,8<br />

Rendite 10-jähriger<br />

Staatsanleihen in %<br />

EURIBOR (3 Monate)<br />

in %<br />

US$/Euro,<br />

Monatsdurchschnitt<br />

Konjunktur<br />

Industrieproduktion,<br />

mom 1) in %<br />

Mai 11 3,1 3,4<br />

Mai 11 1,4 1,4<br />

Mai 11 1,43 1,45<br />

Deutschland<br />

Apr. 11 -0,6 1,2<br />

Ifo-Geschäftsklima Mai 11 114,2 114,2<br />

Einkaufsmanagerindex<br />

verarb. Gew.<br />

Mai 11 57,7 62,0<br />

1) Veränderungsrate gegenüber Vormonat (mom) bzw. Vorjahr (yoy).<br />

1) 2) Veränderungsrate HVPI: Harmonisierter gegenüber Verbraucherpreisindex<br />

Vormonat (mom) bzw. Vorjahr (yoy).<br />

2) HVPI: Harmonisierter Verbraucherpreisindex<br />

Quellen: DekaBank, EU, Ifo, Destatis, Reuters<br />

Quellen: EB, Federal Reserve; ab Juli 2011 Prognosen DekaBank<br />

Bruttoinlandsprodukt Euroland und USA<br />

Quellen: Bureau of Economic Analysis, Eurostat; ab Q2/11: Prognosen DekaBank<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


Packen wir‘s an : Die ehrgeizigen Klimaziele<br />

der Bundesregierung lassen sich nur<br />

mithilfe des deutschen Handwerks erreichen,<br />

sagt ZDH-Präsident Otto Kentzler.<br />

FOTOS: MARC DARCHINGER


MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN 11<br />

HANDWERK I – TITELINTERVIEW<br />

Dichten, dämmen<br />

Kosten dämpfen<br />

Die Bundesregierung fördert die energetische Sanierung von Wohngebäuden. Den Sparkassen als<br />

wichtigsten Finanzierungspartnern des Handwerks kommt eine zentrale Rolle bei der Beratung<br />

und beim Marketing zu, erläutert Otto Kentzler. Der Präsident des Zentralverbands des deutschen<br />

Handwerks (ZDH) sieht einen wachsenden Bedarf an Betriebsmittelkrediten.<br />

SPARKASSE: Herr Kentzler, Ihre Meinung zur<br />

Energiewende?<br />

Otto Kentzler: Die Beschlüsse stehen,<br />

und sie bergen für die Wirtschaft Risiken,<br />

aber auch gewaltige Chancen. Erlauben<br />

Sie mir aber in der Rückschau Kritik an<br />

der Hektik des Entscheidungsprozesses.<br />

Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat 500<br />

Millionen Euro für den Mittelstand in Aussicht<br />

gestellt, falls es wegen des Atomausstiegs<br />

zu Strompreiserhöhungen kommen<br />

sollte. Halten Sie die Summe für angemessen?<br />

Kentzler: Bisher fehlt das korrekte Preisschild<br />

an der Energiewende. Im Handwerk<br />

werden energieintensive Gewerke<br />

wie Galvaniseure, Wäschereien oder Bäcker<br />

mehr zahlen müssen. Die 500-Millionen-Ausgleichsregelung<br />

für den Mittelstand<br />

insgesamt erscheint da wie ein<br />

Tropfen auf den heißen Stein. Unser Ziel<br />

müssen Entlastungen von Verbrauchern<br />

und Betrieben durch Innovationen bei<br />

Energieeffizienz und -erzeugung sein.<br />

Vielleicht können wir dann in einigen<br />

Jahren Kernkraftwerke vom Netz nehmen,<br />

ohne sie ersetzen zu müssen, weil<br />

der Gesamtverbrauch sinkt. Wir werden<br />

allerdings in neue Stromnetze investieren<br />

müssen, denn das Thema Netzsicherheit<br />

hat für den Industriestandort<br />

Deutschland höchste Priorität.<br />

Können Handwerker auch beim Bau der<br />

Stromnetze helfen?<br />

Kentzler: Ja, das Handwerk ist selbstverständlich<br />

überall dabei. Aber bitte reduzieren<br />

Sie die Potenziale des Handwerks<br />

nicht auf Bauleistungen. Unsere Betriebe<br />

bringen ihr spezielles Know-how auf allen<br />

Ebenen der Energiewende mit ein.<br />

Und Innovationen gibt es nicht nur bei<br />

Produkten. Gerade Handwerker sind es<br />

doch, die rund um die Produkte mit innovativen<br />

Dienstleistungen, Prozessen, Verfahren<br />

oder Betriebsabläufen punkten.<br />

Wir haben den Vorteil, jeden Tag beim<br />

Kunden die Praxis erleben zu können.<br />

Das führt zu vielen Verbesserungen.<br />

Der Bund will Fördermittel in Höhe von 1,5<br />

Milliarden Euro für die energetische Sanierung<br />

von Gebäuden zur Verfügung stellen.<br />

Ist das hinreichend?<br />

Kentzler: Das bleibt jedenfalls hinter<br />

dem Etat von 2009 zurück. Und schon<br />

damals haben Experten zwei Milliarden<br />

Euro als Anreiz für die notwendigen Investitionen<br />

in das C0 2<br />

-Gebäudesanierungs-<br />

Programm gefordert, um die von der Bundesregierung<br />

anvisierten Klimaziele zu<br />

erreichen. Die Deutsche Energie-Agentur<br />

Dena nennt sogar fünf Milliarden Euro<br />

als Ziel. Die Anreize lohnen sich: KfW<br />

und Bundesbauministerium haben bilanziert,<br />

dass ein Euro Anschubfinanzierung<br />

in diesem Bereich zu acht bis neun<br />

Euro an Folgeinvestitionen führt. Fakt ist<br />

doch: Ob Häuslebauer oder Vermieter, die<br />

Deutschen lassen sich durch Zuschüsse<br />

oder Steuersparmöglichkeiten zu Investitionen<br />

anregen. Zwang zu immer umfassenderen<br />

Sanierungen hilft dagegen<br />

nicht.<br />

„Energieeffizienz ist der Schlüssel, um die<br />

energiepolitischen Ziele der Bundesregierung<br />

überhaupt erreichen zu können.“<br />

ZDH-Präsident Otto Kentzler<br />

Immerhin bedeuten die Fördermittel ein enormes<br />

Konjunkturprogramm für das Handwerk.<br />

Kentzler: Richtig ist, dass unsere Betriebe<br />

neue Anlagen einbauen, die Wände<br />

dämmen oder die Fenster austauschen.<br />

Doch wer baut die Heizungen,<br />

stellt Fenster oder Dämmstoffe her? Nicht<br />

zu vergessen: Damit Handwerker das alles<br />

können, haben die Betriebe viel in die<br />

Ausbildung und Weiterqualifizierung<br />

ihrer Mitarbeiter investiert. Wir können<br />

also unsere besonderen Kompetenzen<br />

in diesem Markt zeigen. Das bietet wiederum<br />

Chancen für den Nachwuchs: Wer<br />

einen der innovativen Berufe lernt, die<br />

für die Energiewende gebraucht werden,<br />

muss sich die nächsten Jahrzehnte keine<br />

Sorgen um den Arbeitsplatz machen.<br />

Aber er muss auch laufend Neues lernen<br />

wollen.<br />

Gibt es so viele Innovationen in diesen Gewerken?<br />

Kentzler: Mir geht es darum, dass die<br />

Qualität bei allen Baumaßnahmen im<br />

Vordergrund steht. Und Qualität bedeutet<br />

nicht nur Qualität in der Ausführung,<br />

sondern auch in der Beratung. Wir brauchen<br />

noch viel mehr Handwerker, die<br />

vor der konkreten Sanierung eine erstklassige<br />

Gebäudeanalyse durchführen<br />

können. Es sollte immer da investiert<br />

werden, wo es den meisten Nutzen für<br />

Klimaschutz und Energieeinsparung<br />

bringt. Ein Beispiel: Bei stabilen Gebäuden,<br />

die an der Wende zum 20. Jahrhundert<br />

gebaut wurden, ist zusätzliche Dämmung<br />

nicht unbedingt nötig, dafür sollte<br />

in ein neues Dach, neue Fenster, neue<br />

Haustechnik oder intelligente Steuerung<br />

investiert werden.<br />

Warum ist die Energieeinsparung in Gebäuden<br />

überhaupt so wichtig?<br />

Kentzler: 40 Prozent der gesamten Energie<br />

wird im Gebäudebestand verbraucht.<br />

Energieeffizienz ist also der Schlüssel,<br />

um die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung<br />

überhaupt erreichen zu<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


12<br />

MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN<br />

Könnte auch die Eurokrise die Investitionsneigung<br />

von Hausbesitzern fördern?<br />

Kentzler: Der Zusammenhang klingt<br />

etwas gewagt. Aber bei derart niedrigen<br />

Zinsen wie in den vergangenen Monaten<br />

investieren viele lieber in ihr Haus<br />

als das Geld auf die hohe Kante zu legen.<br />

Wobei wir nicht übersehen dürfen,<br />

dass auch die Einlagen bei Banken und<br />

Sparkassen so hoch sind wie lange nicht<br />

mehr. Im Übrigen teile ich grundsätzlich<br />

nicht die Meinung der Medien, die<br />

von der Eurokrise reden und den Euro<br />

und die Währungsunion in Europa verteufeln<br />

wollen. Wir hatten noch nie eine<br />

so geringe Inflation wie seit der Euro-<br />

Einführung, die D-Mark war wesentlich<br />

volatiler. 60 Prozent unseres Exports geht<br />

in Euroländer. Das heißt, dass wir mehr<br />

auf unsere Nachbarn angewiesen sind<br />

als umgekehrt. Und ohne die negativen<br />

Folgen übersehen zu wollen, steht doch<br />

fest, dass Deutschland die Finanzkrise<br />

ohne große Schäden überstanden hat,<br />

mit der D-Mark hätten wir das sicher so<br />

nicht durchgestanden.<br />

„Basel III könnte die langfristige Unternehmensfinanzierung<br />

gefährden.“<br />

können. Energieeinsparung ist sozusagen<br />

unser wichtigster Rohstoff. Unsere<br />

Energieberater können die besten Lösungen<br />

aufzeigen, die Sanierungsplanung<br />

unterstützen und die Arbeiten der<br />

beteiligten Gewerke koordinieren.<br />

Was können der ZDH und die übrigen Handwerksverbände<br />

leisten?<br />

Kentzler: Der ZDH arbeitet in dieser<br />

entscheidenden Phase sehr eng mit allen<br />

Verbänden zusammen, deren Mitgliedsbetriebe<br />

sich im Einzelnen um<br />

Energieeffizienz bemühen. Wir sind angetreten,<br />

der Politik deutlich zu machen,<br />

dass das Handwerk für die Energiewende<br />

gut aufgestellt ist. Mit Bundesumweltminister<br />

Röttgen haben wir schon im vergangenen<br />

Jahr bei unserem Energieforum<br />

diskutiert und ihm auf einem „Markt<br />

der Möglichkeiten“ bewiesen, was die Betriebe<br />

heute schon für Energieeffizienz<br />

und Elektromobilität leisten.<br />

Heizungen helfen sparen, cleveres Energiemanagement<br />

ebenso. LED-Lampen in<br />

Straßenlaternen entlasten die Stadtsäckel<br />

enorm. Hier geht das Handwerk ganz<br />

im Sinne seiner Kunden voran. Bei anderen<br />

Produkten fungiert das Handwerk<br />

sozusagen als Bindeglied zwischen Kunden<br />

und Industrie. Der Austausch von 25<br />

Jahre alten Fensterscheiben mit einem U-<br />

Wert, also Wärmedurchlässigkeitskoeffizienten,<br />

von 3,5 zu Scheiben mit einem<br />

U-Wert von 0,6 kann viel bewirken!<br />

Ist die Energiewende bereits im Handwerk<br />

angekommen?<br />

Kentzler: Ja, das Handwerk hat alle Innovationen<br />

eng begleitet. Als die Bundesregierung<br />

2006 verstärkt Anreize zur<br />

energetischen Gebäudesanierung setzte,<br />

waren unsere Betriebe vorbereitet. Und<br />

das Konjunkturpaket II hat in der Wirtschaftskrise<br />

für weitere Impulse – auch<br />

im öffentlichen Bau – gesorgt.<br />

Mit welchen Argumenten kann ein Sparkassenberater<br />

einen Hausbesitzer oder Vermieter<br />

davon überzeugen, in die energetische<br />

Sanierung zu investieren?<br />

Kentzler: Ein bloßer Appell an die<br />

Pflicht und das ökologische Gewissen der<br />

Wohnungs- und Hausbesitzer wird sicher<br />

nicht ausreichen. Hinweise auf sinkende<br />

Energiekosten, steigenden Wohnwert<br />

und die bessere Veräußerbarkeit einer<br />

Immobilie helfen dagegen schon. Aber<br />

zinsverbilligte Kreditprogramme, der<br />

Verweis auf die geplanten steuerlichen<br />

Anreize und die Zuschüsse durch die<br />

KfW-Programme – all das sollte zur Motivation<br />

beitragen. Die Zusammenarbeit<br />

des Instituts mit qualifizierten Gebäudeenergieberatern<br />

des Handwerks, um<br />

das Notwendige, das Wünschbare und<br />

schließlich das Machbare für den Kunden<br />

genau zu definieren, ist sicher auch<br />

eine vertrauenbildende Maßnahme.<br />

Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass Deutschland<br />

bei der energetischen Sanierung und<br />

den ehrgeizigen Zielen bei den C0 2<br />

-Einsparungen<br />

vorprescht?<br />

Kentzler: Ja, wir müssen das Schritttempo<br />

hier deutlich erhöhen. Deutschland<br />

muss als Technologieführer in Europa<br />

auch in diesem Bereich Vorbild sein. Übrigens<br />

haben wir in einem weiteren Bereich<br />

ebenfalls die Nase vorn: Mit Blick<br />

auf die demografische Entwicklung hat<br />

sich das Handwerk intensiv auf altengerechte<br />

Sanierungen im Wohnungsbestand<br />

vorbereitet. Senioren wollen<br />

schließlich solange es geht, in der eigenen<br />

Wohnung bleiben. Die beispielsweise<br />

auf den Handwerksmessen präsentierten<br />

Innovationen zeigen, was alles<br />

schon geht.<br />

Können Sie Beispiele nennen?<br />

Kentzler: Wir konnten zeigen, was an<br />

innovativen Produkten und Techniken<br />

schon heute zur Verfügung steht und wie<br />

die Maßnahmen ineinandergreifen müssen,<br />

damit bei der Energieeffizienz die<br />

hochgesteckten Ziele erreicht werden.<br />

Blockheizkraftwerke und Wärmetauscher<br />

dienen der dezentralen Energiegewinnung,<br />

neue Sanierungsmethoden<br />

oder verbesserte Regeltechnik bei den<br />

Sie kritisieren jedoch, das größte Hemmnis<br />

für Innovation im Handwerk seien die engen<br />

finanziellen Spielräume der Unternehmen.<br />

An wen richtet sich diese Kritik?<br />

Kentzler: Während der Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise gab es keine Kreditklemme<br />

im Handwerk. Doch natürlich<br />

hatten die Betriebe Probleme – und haben<br />

oft nur dank der Maßnahmen der<br />

Konjunkturpakete weitermachen können.<br />

Beispielhaft möchte ich hier die<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN 13<br />

Automobilzulieferer nennen. Aber es<br />

war wichtig, diesen Betrieben zu helfen<br />

– sonst wäre die gesamte deutsche Automobilindustrie<br />

betroffen gewesen. Das<br />

Handwerk hat dagegen selbst mit seiner<br />

Form des Wirtschaftens viel zur Bewältigung<br />

der Krise beigetragen. Die „tolerierte<br />

Verantwortungslosigkeit“ der Finanzbranche<br />

ist bei uns nicht zu finden,<br />

das Handwerk stützt sich auf die Verantwortung<br />

für das eigene Handeln und die<br />

selbstverständliche Verpflichtung gegenüber<br />

der Gesellschaft. Dazu gehört auch<br />

eine nachhaltige Personalpolitik: Der<br />

leichte Beschäftigungsverlust während<br />

der Krisenjahre ist weitgehend auf das<br />

Ausscheiden aus Altersgründen zurückzuführen.<br />

Was bedeutet das Regelwerk von Basel III<br />

für die Beziehungen zwischen Hausbank und<br />

Handwerksbetrieb.<br />

Kentzler: Nach vorliegenden Planungen<br />

sollen Banken und Sparkassen künftig<br />

höhere und qualitativ bessere Eigenkapitalpolster<br />

aufbauen. Daran ist auf den<br />

ersten Blick nichts auszusetzen. Denn natürlich<br />

ist es sinnvoll, bankenaufsichtsrechtliche<br />

Regelungen zu schaffen, die<br />

Fehlentwicklungen zumindest eindämmen<br />

und Kreditinstitute weniger krisenanfällig<br />

machen. Diese Lektion hat uns<br />

die Krise ja erteilt. Aber der Teufel steckt<br />

wie immer im Detail. Denn die mögliche<br />

Kreditzusage pro einem Euro haftendem<br />

Eigenkapital sinkt durch die neuen Regeln<br />

deutlich. Waren es ursprünglich<br />

12,50 Euro, so werden es künftig nur<br />

noch 9,50 Euro sein. Erhöhte Kapitalanforderungen,<br />

steigende Finanzierungskosten<br />

und der bestehende Umsetzungsaufwand<br />

erhöhen den Druck auf die<br />

Margen und könnten sich negativ auf die<br />

Kreditkonditionen und die Vergabebereitschaft<br />

im Mittelstandskreditgeschäft<br />

auswirken. Damit könnte Basel III die<br />

langfristige Unternehmensfinanzierung<br />

gefährden.<br />

Otto Kentzler: Türken sind ideale Sparkassenkunden<br />

„Der Meister der Zukunft ist Türke“. So ließ sich<br />

ZDH-Präsident Otto Kentzler vor gut drei Jahren<br />

in den Medien zitieren und sorgte damit<br />

für Wirbel. Tatsache ist, dass das Handwerk<br />

auch vielen Migranten eine Ausbildung und<br />

Entwicklungschancen bietet. „Das ist gar nicht<br />

selbstverständlich, viele Meister schätzen ihre<br />

Integrationsleistung viel zu gering ein“, sagt<br />

Kentzler. Das Handwerk habe nicht zuletzt deshalb<br />

eine so hohe gesellschaftliche Bedeutung,<br />

weil es auch aus orientierungslosen jungen<br />

Leuten mit Migrationshintergrund und aus<br />

sozial schwierigen Verhältnissen vollwertige<br />

Kollegen mit beruflichen Perspektiven mache.<br />

„Ich zähle die persönliche Verantwortungsbereitschaft<br />

und Qualifikation zu den Faktoren,<br />

die auch bei der Kreditvergabe neben einem<br />

Firmenrating eine Rolle spielen sollten“, sagt<br />

der ZDH-Präsident, der seit 1978 selbst einen<br />

seit 130 Jahren bestehenden Klempnereibetrieb<br />

führt. Zu den Auszubildenden des Dortmunder<br />

Familienunternehmens gehörte auch<br />

Ali Suludere. Der türkischstämmige Klempner<br />

wurde nach seiner Gesellenprüfung Kammer-,<br />

Landes- und Bundessieger.<br />

Wenn sich Türken im Handwerk selbstständig<br />

machen wollen, bringt die Familie nach Kentzlers<br />

Erfahrungen oft ausreichendes Eigenkapital<br />

mit, weil die großen Familienverbände<br />

geschlossen investieren. „Ich glaube, dass die<br />

Sparkassen eine hohe Kompetenz haben, solche<br />

Firmengründungen zu begleiten, weil sie<br />

auch die Konten aufstiegswilliger Migranten<br />

führen.“ Selbst wenn ein Kredit schief laufe,<br />

beobachtet Kentzler bei dieser Klientel eine oft<br />

sehr hohe Zahlungsmoral.<br />

Beobachten Sie, dass sich die Ansprüche von<br />

Handwerksbetrieben an ihre Finanzierungspartner<br />

ändern?<br />

Kentzler: Die Sparkassen finanzieren<br />

das Handwerk zu 70 Prozent, die Volksbanken<br />

liegen etwa bei 20 Prozent. Die<br />

Finanzverbünde sind also mit Abstand<br />

die Haupt-Finanzierungspartner. Unsere<br />

Betriebe brauchen laut einer Umfrage<br />

aus dem vergangenen Jahr zu zwei Dritteln<br />

bis 50.000 Euro, ein Drittel davon<br />

sogar nur bis 10.000 Euro. Sechs Prozent<br />

haben mehr als 500.000 Euro Finanzierungsbedarf,<br />

dazwischen liegt der Bereich<br />

von 50.000 bis 500.000 Euro. Der<br />

Schwerpunkt der Nachfrage liegt bei Betriebsmittelkrediten,<br />

beispielsweise um<br />

aufwändige Aufträge aus dem Bereich<br />

der energetischen Sanierung vorzufinanzieren.<br />

Registrieren Sie Kritik an den Finanzierungspartnern<br />

des Handwerks?<br />

Kentzler: Kritik gibt es immer, berechtigte<br />

und auch unberechtigte. Wir sollten<br />

meines Erachtens dafür sorgen, dass<br />

jeder, der einigermaßen vernünftig wirtschaftet<br />

und das mit seiner Gewinn- und<br />

Verlustrechnung auch beweisen kann,<br />

als kreditwürdig angesehen wird. Über<br />

das Rating hinaus müssen bei einer Kreditvergabe<br />

auch die sogenannten weichen<br />

Faktoren berücksichtigt werden. Ich<br />

begrüße es, dass Sparkassen mit den Betriebsberatern<br />

der Handwerkskammern<br />

eng zusammenarbeiten. Ein Handwerksunternehmer,<br />

der sich von unseren Betriebsberatern<br />

begleiten lässt, kann sich<br />

wesentlich länger am Markt behaupten<br />

als derjenige, der seinen Kreditantrag<br />

ohne Beratung bei den Bürgschaftsbanken<br />

einreicht.<br />

Wie beurteilen Sie Kooperationen im Marketing<br />

zwischen Geldinstituten und Handwerk?<br />

Kentzler: Hier können die Institute<br />

sehr hilfreich sein. Durch Aktionen wie<br />

die bundesweite Kampagne „Gutes Klima<br />

fängt zuhause an“ kann der energetischen<br />

Gebäudesanierung ein wichtiger<br />

Schub gegeben werden. Und wir begrüßen<br />

es sehr, dass die Sparkassen ihren<br />

Kunden neben eigenen Finanzierungsangeboten<br />

auch Fördermöglichkeiten der<br />

staatlichen Programme aufzeigen wol-<br />

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14<br />

MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN<br />

„Es gibt viele Formen der Zusammenarbeit<br />

zwischen Handwerk und Sparkassen, etwa<br />

Energieberater-Netzwerke und Finanzierungspakete<br />

mit Handwerkerberatung.“<br />

len. Die Kunden vertrauen hier der Kompetenz<br />

der Sparkassen. Regional kenne<br />

ich persönlich aus Dortmund die erfolgreichen<br />

Bauherrentage der Sparkassen.<br />

Aber es gibt viele Formen der Zusammenarbeit<br />

zwischen Handwerk und den<br />

Instituten – Energieberater-Netzwerke,<br />

Energiespartage, gemeinsame Messepräsentationen<br />

oder Finanzierungspakete<br />

mit qualifizierter Handwerkerberatung.<br />

Ist das Internet eine geeignete Kooperationsplattform<br />

für Handwerk und Geldinstitute?<br />

Kentzler: Auch da gibt es erfolgreiche<br />

Beispiele – etwa das Solarpotenzialkataster<br />

der Sparkasse Witten. Je besser der<br />

Endkunde informiert ist, desto höher<br />

sind auch die Chancen eines Meisterbetriebs,<br />

seine Qualifikationen unter Beweis<br />

stellen zu können. Das Internet ist<br />

auch für uns als Zentralverband längst<br />

die zentrale Plattform für die interne und<br />

externe Kommunikation.<br />

der ZDH-Homepage www.zdh.de Informationstexte<br />

zur dualen Ausbildung in<br />

drei Sprachen eingestellt haben. Ich sehe<br />

das Thema Ausbildung auch unter dem<br />

Aspekt der Völkerverständigung. Was<br />

an unserer Westgrenze funktioniert hat,<br />

wird auch an der Grenze zu den osteuropäischen<br />

Staaten funktionieren. Ausbildung<br />

und Arbeit jenseits der Grenzen<br />

helfen den Menschen, sich Schritt für<br />

Schritt besser zu verstehen. Und wer eine<br />

ausgezeichnete Ausbildung hat, kann<br />

sich nachher den Arbeitsplatz aussuchen,<br />

in welchem Land auch immer.<br />

Haben die ostdeutschen Handwerksbetriebe<br />

besondere Schwierigkeiten, Azubis zu bekommen?<br />

Kentzler: Ja, in der Tat. Aufgrund der<br />

Abwanderung nach der Einheit und geburtenschwacher<br />

Jahrgänge hat sich die<br />

Zahl der Schulabgänger dort innerhalb<br />

einer Dekade halbiert. Mittlerweile bleiben<br />

in jedem Jahr mehrere Tausend Ausbildungsplätze<br />

unbesetzt – auch in den<br />

Top-Ten-Wunschberufen.<br />

Oft wird beklagt, dass Schulabgänger nicht<br />

die nötige Qualifikation für eine Lehre mitbringen.<br />

Kentzler: Die Leistungen in Deutsch<br />

und Rechnen sind vielfach sehr schwach.<br />

Vor allem die Bundesländer müssen<br />

ihren Bildungsverpflichtungen besser<br />

nachkommen. Aber die Handwerksbetriebe<br />

haben vielfach keine Wahl, sie<br />

unternehmen selbst etwas gegen die Bildungsdefizite.<br />

Die Betriebe erwarten von<br />

den Bewerbern aber zumindest, dass sie<br />

den Willen zur Ausbildung mitbringen.<br />

Über Praktika, Nachhilfeunterricht, Ausbildungspaten<br />

beispielsweise begleiten<br />

sie die Jugendlichen auf ihrem schwierigen<br />

Weg zum Ausbildungserfolg. Wer<br />

sich in der Schule schwer tat, blüht oft in<br />

der Lehre mit ihrer Praxisorientierung<br />

auf. Hilfe brauchen die Jugendlichen<br />

auch bei der Berufsorientierung. Schule<br />

und Familie müssen sich hier ebenfalls<br />

engagieren.<br />

Ist das Internet ein Rekrutierungsmittel für<br />

Azubis, auch jenseits der Grenzen?<br />

Kentzler: Die meisten unserer Betriebe<br />

haben verstanden, dass die Ausbildungsbewerber<br />

nicht mehr in Scharen vor der<br />

Tür stehen. Sie engagieren sich immer<br />

früher und immer umfassender bei der<br />

Werbung um den Nachwuchs. Dabei ist<br />

die Homepage des Betriebes eine wichtige<br />

Visitenkarte für die Jugendlichen, da<br />

dort oft der erste Kontakt stattfindet. Für<br />

die bundesweite Imagekampagne nutzt<br />

das Handwerk gerade in der Ansprache<br />

der Jugendlichen verstärkt das Internet.<br />

Die Seite www.handwerk.de hält viele<br />

handfeste Informationen über Handwerksberufe<br />

vor, aber hier finden sich<br />

auch Filme und Spiele. Wir haben unsere<br />

Aktivitäten jüngst von einem Jugendbeirat<br />

mit jungen Handwerkern kritisch<br />

analysieren lassen – und wurden gut bewertet.<br />

Spielen auch soziale Medien eine Rolle?<br />

Natürlich ist die Imagekampagne auch<br />

in den sozialen Netzwerken unterwegs.<br />

Dort tummeln sich auch bereits einige<br />

unserer Mitgliedsverbände und Handwerkskammern.<br />

Das Interesse an einer<br />

Ausbildung im deutschen Handwerk<br />

nimmt auch in den Ländern zu, für die<br />

seit 1. Mai die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

gilt. Aus Polen oder Tschechien<br />

kamen so viele Anfragen, dass wir auf<br />

Zur Person<br />

Otto Kentzler (69) ist seit 2006 Präsident<br />

des Zentralverbandes des deutschen Handwerks.<br />

Seit 1994 ist er zudem Präsident der<br />

Handwerkskammer Dortmund und bekleidet<br />

weitere wirtschaftspolitische Ämter. Der<br />

diplomierte Maschinenbauingenieur absolvierte<br />

nach dem Abitur zunächst eine Lehre<br />

als Installateur und Klempner. Bis heute führt<br />

er den Dortmunder Famlienbetrieb in vierter<br />

Generation. Von 1989 bis 1994 war Kentzler<br />

Obermeister der Innung Sanitär-Heizung-<br />

Klima in Dortmund und Lünen. Kentzler ist<br />

verheiratet und Vater von zwei Kindern.<br />

Wie können die Kammern helfen?<br />

Kentzler: Das Bildungszentrum der<br />

Handwerkskammer zu Leipzig pflegt so<br />

viele Kooperationen mit Schulen, dass es<br />

sozusagen ausgebucht ist. Schon in der<br />

siebten und achten Schulklasse werden<br />

dort die Interessen der jungen Leute für<br />

die verschiedenen Berufswelten geweckt.<br />

Viele Schüler motiviert es, dass sie in<br />

einem Arbeitsteam gebraucht werden<br />

und ein positives Echo erhalten. Nach<br />

so einer positiven Erfahrung klappt es<br />

oft auch in der Schule besser. Ähnliche<br />

Projekte blühen auch in vielen anderen<br />

Orten.<br />

Spielt die Internationalisierung des Handwerks<br />

auch in der Ausbildung eine Rolle?<br />

Kentzler: Es gibt viele Programme im<br />

Handwerk, die darauf zielen, dass Auszubildende<br />

während oder nach der Ausbildung<br />

im Ausland arbeiten und sich international<br />

vernetzen. In vielen Gewerken<br />

gehört ein Auslandsaufenthalt seit jeher<br />

dazu, so gehen junge Fliesen- und Mosaikleger<br />

oder Maler und Lackierer gerne<br />

nach Italien, um dort mit besonderen Materialien<br />

arbeiten und andere Techniken<br />

erlernen zu können. <br />

Das Gespräch führten Christoph Becker und<br />

Peter Müller.<br />

Lesen Sie zu den Themen Handwerk und<br />

Energiewende auch die folgenden Seiten.<br />

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MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN 15<br />

HANDWERK II – MARKETING<br />

Viel zu erneuern<br />

Um den Sanierungsstau bei privaten Wohngebäuden auflösen zu können, brauchen die regionalen<br />

Gewerke außer Krediten Hilfe bei Vertrieb und Marketing. Bei den Hausmessen der Sparkassen<br />

kommen Handwerk, Hausbesitzer und Finanzierer zusammen. Auch im Internet passiert viel.<br />

n VON CHRISTOPH BECKER<br />

Die Sparkasse Witten steckt mitten<br />

in ihrer Energiesparoffensive. Zum<br />

Energiespartag kamen Immobilienbesitzer<br />

des Enneppe-Ruhr-Kreises in die<br />

Wittener Hauptgeschäftsstelle. Als Aussteller<br />

waren die Stadtwerke und Handwerksunternehmen<br />

einschlägiger Branchen<br />

eingeladen. Auch in einem Video<br />

auf den Internetseiten des Instituts stellen<br />

die Handwerksmeister ihre Dienstleistungen<br />

vor und können sich damit Endkunden<br />

als Partner für die energetische<br />

Haussanierung empfehlen.<br />

Ähnliches bieten zurzeit viele Sparkassen.<br />

Das Wittener Institut nutzt im<br />

Internet jedoch ein weiteres Marketinginstrument,<br />

das in der Gruppe bisher<br />

kaum verbreitet ist: Mithilfe von Luftaufnahmen<br />

können sich Wittener Hausbesitzer<br />

darüber informieren, inwieweit<br />

ihr Hausdach für eine Fotovoltaikanlage<br />

geeignet ist und welche Finanzierungsmöglichkeiten<br />

es gibt. Das Angebot nennt<br />

sich Solarpotenzialkataster. Hinter dem<br />

Zungenbrecher verbirgt sich eine mithilfe<br />

von Lasertechnik erstellte Sammlung<br />

kommunaler Fotodaten, ähnlich wie bei<br />

Google-Earth. Das Programm zeigt, wie<br />

gut die Wittener Hausdächer je nach<br />

Himmelsrichtung und Schattenwurf für<br />

die Gewinnung von Solarenergie geeignet<br />

sind.<br />

Das Internetangebot beruht auf einer<br />

Kooperation von Stadt und Sparkasse<br />

Witten. Das Ingenieurbüro Tetraeder Solar<br />

aus Dortmund hat die Luftaufnahmen<br />

im Auftrag der Kommune erstellt und die<br />

aufbereiteten Daten mit dem Internetangebot<br />

der Sparkasse verlinkt. „Unsere<br />

Investitionskosten lagen bei etwa 20.000<br />

Euro“, sagt Klaus-Peter Nehm, Pressesprecher<br />

der Sparkasse Witten im Gespräch<br />

mit SPARKASSE.<br />

Zur Info passt das Kreditangebot<br />

Wer in der Katasterdatenbank der Stadt<br />

auf ein farbig unterlegtes Foto eines Hausdachs<br />

klickt, erhält unter anderem eine<br />

Stromertragsrechnung. Auf dieser Basis<br />

berechnet ein Wirtschaftlichkeitsrechner<br />

der Sparkasse ein Kreditangebot für eine<br />

Fotovoltaikanlage und nennt Ansprechpartner<br />

im Institut. Ingenieur Stephan<br />

Wilforth, Gründer und Geschäftsführer<br />

von Tetraeder Solar, erklärt: „Wir suchen<br />

unsere Kunden nur bei den öffentlichrechtlichen<br />

und genossenschaftlichen<br />

Geldinstituten mit Nähe zur Kommune.“<br />

Neben der Sparkasse Witten zählen bisher<br />

die Volksbank Kamen-Werne und ein<br />

Hersteller von Solartechnik zu Wilforths<br />

Das „Solarpotenzialkataster“ der Stadt Witten. Die roten Dächer eignen sich gut für Fotovoltaik oder Solarthermie. Die Luftaufnahmen der Stadt<br />

sind auch auf den Internetseiten der Sparkasse Witten abrufbar. Das Institut gibt ergänzende Informationen zu Finanzierungsmodellen.<br />

FOTO: TETRAEDER SOLAR<br />

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16<br />

MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN<br />

Auftraggebern. Auch die Volksbanken<br />

Mittweida und Main-Tauber verwenden<br />

auf ihre Webseiten die ansprechenden<br />

Kataster der Kommunen zu Marketingzwecken.<br />

Die beiden Institute arbeiten<br />

mit dem Unternehmen Public Solar<br />

zusammen, das aus einem Forschungsprojekt<br />

der Fachhochschule Osnabrück<br />

hervorgegangen ist. Zurzeit nutzen also<br />

mehr Volksbanken als Sparkassen die<br />

innovative Technik. Laut Tetraeder-Chef<br />

Wilforth kommt es für die Institute jetzt<br />

darauf an, das Interesse an der Datenbank<br />

und ihrer Nutzung auch längerfristig<br />

wachzuhalten.<br />

Wertvolle Kundeninformationen<br />

Die Kataster-Informationen sind nicht<br />

nur für Endkunden interessant. Rolf<br />

Maasche, Vorstandsvorsitzender der<br />

Sparkasse Witten, sieht in der Solarpotenzialanalyse<br />

laut Presseberichten ein<br />

„gewaltiges Konjunkturprogramm“ für<br />

das Handwerk der Region. Wenn rund 25<br />

Prozent des Auftragsvolumens beim Bau<br />

von Fotovoltaikanlagen auf Handwerkerleistungen<br />

entfielen, bedeute das ein<br />

Wertschöpfungspotenzial von 80 bis 100<br />

Mio. Euro bei den örtlichen Betrieben,<br />

erläuterte Maasche gegenüber der Lokalpresse.<br />

Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes<br />

des deutschen Handwerks<br />

(ZDH) in Berlin bestätigt, das Kataster<br />

könne spezialisierten Handwerksbetrieben<br />

wertvolle Informationen über potenzielle<br />

Kunden liefern. „Solche Beispiele<br />

gelungener Kooperation von Kommune,<br />

Sparkassen und Handwerk sollten Nachahmer<br />

finden, sagt Kentzler im Gespräch<br />

mit SPARKASSE.<br />

Morgenluft wittern ZDH und<br />

Handwerksverbände vor allem<br />

seit der Energiewende der Regierung.<br />

Im April korrigierte<br />

der ZDH die Wachstumszahlen<br />

im Handwerk nach oben – von<br />

zwei auf drei Prozent. Der Branche<br />

gehe es „so gut wie seit<br />

der Wiedervereinigung nicht<br />

mehr“, frohlockte ZDH-Generalsekretär<br />

Holger Schwannecke.<br />

Auch für DSGV-Präsident Heinrich<br />

Haasis ist „das qualifizierte<br />

deutsche Handwerk einer der<br />

Hauptnutznießer der notwendigen<br />

Energiewende“.<br />

Die energetische Sanierung<br />

von Immobilienbeständen ist<br />

das weitaus größte Geschäftsfeld.<br />

„Die haustechnischen<br />

Handwerke wie Sanitär, Heizung<br />

Klima und Elektro, zudem<br />

Bauhaupt- und Ausbauhandwerke,<br />

etwa Dachdecker, Tischler,<br />

Maler und Metallbau profitieren von der<br />

regionalen Zusammenarbeit bei energetischen<br />

Gebäudesanierungen“, erläutert<br />

Petra Schenkluhn, Geschäftsführerin der<br />

Kreishandwerkerschaft Flensburg Stadt<br />

und Land.<br />

Die Regierung müsse jährlich zwei Mrd.<br />

Euro an Fördermitteln zur Verfügung<br />

stellen und zusätzliche Steueranreize<br />

schaffen, um die gewünschte<br />

Verdopplung der Sanierungsraten<br />

zu erreichen, heißt es beim ZDH. Private<br />

und öffentliche Bauherren sollten ihre<br />

Investitionsentscheidung aber nicht nur<br />

von öffentlichen Fördergeldern abhängig<br />

machen, empfiehlt Schenkluhn. Die<br />

Energieeffizienz von Gebäuden sei auch<br />

mit Blick auf die mittelfristig steigende<br />

Energie- und Strompreise ein sinnvolles<br />

Ziel.<br />

Bereits im vergangenen Jahr sind<br />

laut Angaben des DSGV neun Mrd.<br />

Euro für Investitionsvorhaben in<br />

den Bereichen Energieeffizienz<br />

und Erzeugung erneuerbarer<br />

Energien über die Sparkassen-<br />

Finanzgruppe vergeben worden.<br />

Viele Häuser bieten Sonderkreditprogramme<br />

an, um die Investitionsneigung<br />

zu fördern. Den<br />

Bogen zum Handwerk der Region<br />

Chance fürs Handwerk: 2010<br />

stiegen die Investitionen am Bau<br />

um 2,8 Prozent, für 2011 und 2012<br />

erwarten Experten Wachstumsraten<br />

von 2,2 bis 2,4 Prozent. GRAFIK: DPA<br />

„Die Solarpotenzialanalyse<br />

ist<br />

ein gewaltiges<br />

Konjunkturprogramm<br />

für das<br />

Handwerk der<br />

Region.“<br />

Rolf Maasche,<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

Sparkasse<br />

Witten<br />

schlägt etwa die Kreissparkasse Reutlingen<br />

sehr deutlich. „Im Rahmen unserer<br />

Initiative Energiepakt 2010/2011 bieten<br />

wir viele Sonderkonditionen im Bereich<br />

energetische Sanierung und viele Veranstaltungen<br />

für Handwerker und Endkunden“,<br />

erläutert Philipp Licht,<br />

Pressesprecher des Instituts.<br />

Eine Broschüre der Sparkasse<br />

listet nach Gewerken alle Handwerksbetriebe<br />

auf, die bei Haussanierungen<br />

Aufträge übernehmen,<br />

ein Internetangebot dazu<br />

gibt es allerdings noch nicht.<br />

Der Energiepakt 2010/2011<br />

unterstütze auch die aktuelle<br />

Imagekampagne des deutschen<br />

Handwerks „Die Wirtschaftsmacht<br />

von nebenan, erläutert<br />

Eugen Schäufele, Vorstandsvorsitzender<br />

KSK Reutlingen in der<br />

Kundenbroschüre.<br />

Auch die Nord-Ostsee Sparkasse<br />

hat in Kooperation mit der<br />

Kreishandwerkerschaft Flensburg<br />

ein Programm aufgelegt,<br />

das nach zahlreichen Sanierungsaufträgen<br />

im öffentlichen<br />

Sektor jetzt vor allem private Investoren<br />

ansprechen will. „Ziel der Kreishandwerkerschaft<br />

und der Nospa sind<br />

gemeinsame Angebote zur Umsetzung<br />

und Finanzierung an den Endverbraucher<br />

zur energetischen Sanierung und<br />

dem Klimaschutz“, erläutert Geschäftsführerin<br />

Schenkluhn von der Kreishandwerkerschaft.<br />

Private Investoren im Mittelpunkt<br />

Flankiert werden die regionalen Kooperationen<br />

auch durch die zentrale Werbung<br />

der Sparkassen. Ziel ist es, die finanzierenden<br />

Institute, lokale Handwerksbetriebe<br />

und Endkunden zusammenzubringen.<br />

Viele Häuser greifen etwa auf<br />

die Kampagne „Energie clever nutzen,<br />

Sparen & Klima schützen“ zurück. Die<br />

Aktion stammt aus Baden-Württemberg,<br />

wo Bauherren bei Neubau, Nachrüstung<br />

und Sanierung bereits seit 2009 zu erweiterten<br />

Maßnahmen verpflichtet sind. Aus<br />

der Regionalkampagne ist mittlerweile<br />

eine bundesweite Aktion der Sparkassen<br />

und Landesbausparkassen geworden.<br />

Vorreiter des Projekts ist die Kreissparkasse<br />

Böblingen, die auf ihren Internetseiten<br />

auch ein informativ-unterhaltsames<br />

Energiespar-Simulationsspiel mit<br />

verschiedenen Spielfiguren anbietet.<br />

Das Portal unter www.handwerkerfinden.com<br />

soll die Rolle der Sparkassen als<br />

Partner des Handwerks weiter festigen.<br />

Das Internet-Branchenbuch für Handwerker<br />

und Kunden dient ebenfalls als<br />

kostenlose Ausschreibungsplattform<br />

für Handwerkerleistungen. Die Mitgliedschaft<br />

ist für Handwerker und Endkunden<br />

kostenfrei. Die Sparkassen-Finanzgruppe<br />

ist als sogenannter Platinpartner<br />

des Portals positioniert. <br />

<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN 17<br />

HANDWERK III – STATEGIE<br />

Nur kein Mittelmaß<br />

Manche Unternehmer im Handwerk versuchen, in die Luxusklasse vorzudringen. Doch reicht es<br />

nicht aus, als Schneider- oder Schustermeister gute Qualität zu bieten. Das Produkt muss eine<br />

anspruchsvolle Klientel faszinieren und emotional befriedigen.<br />

n VON PETRA-ANNA HERHOFFER<br />

Selbstständig zu arbeiten, heißt selber<br />

ständig zu arbeiten, nicht wahr?“<br />

Bianca Röddiger lacht und nimmt den<br />

Anruf eines Kunden entgegen: „Ja, ihr<br />

Anzug ist zur Abholung bereit.“ Röddiger<br />

betreibt mit ihrem Mann Stefan Sicking<br />

im Münchner Lehel ein Schneideratelier.<br />

Der Verleger Hubert Burda gehört zu den<br />

Kunden, ebenso wie Dirigent Christian<br />

Thielemann.<br />

Schneidermeister Sicking bezeichnet<br />

seine handgefertigten Produkte selbstbewusst<br />

als Luxus. „Wir waren uns immer<br />

einig darüber, dass wir beste Qualität<br />

und Design zu attraktiver Kleidung für<br />

Männer und Frauen verdichten wollen.<br />

Mit Mode hat das nichts zu tun, vielmehr<br />

mit dem Wunsch unserer Kunden etwas<br />

Einzigartiges, Persönliches tragen zu<br />

wollen“, erläutert der Unternehmer.<br />

Gerade eröffnet Sicking einen Showroom<br />

in der Residenzpassage, um dem<br />

Publikum ein Schaufenster zu bieten –<br />

vor allem den in München zahlreichen<br />

Edeltouristen aus Russland und den<br />

arabischen Ländern. „Statt Geld für Werbung<br />

auszugeben, investieren wir in diesen<br />

Raum, bei 5000 Euro Miete und in<br />

dieser Lage, allerdings mit einem Jahr<br />

Sonderkündigungsrecht“, sagt Sicking,<br />

gewandet in einen eleganten Dreiteiler<br />

aus eigener Produktion.<br />

In so einem Anzug stecken etwa 75 Arbeitsstunden.<br />

Inklusive Vollmaß und Anproben<br />

würde er etwa 4000 Euro kosten.<br />

Das Geschäft in diesem Segment sei ein<br />

Kampf geblieben, bekennen Sicking und<br />

Röddiger. Die beiden wollen daher künftig<br />

stärker auf Maßkonfektion setzen.<br />

„So können wir mehr und günstiger verkaufen<br />

und eine junge, noch nicht so etablierte<br />

Klientel ansprechen, ohne unser<br />

Kerngeschäft zu schädigen oder unsere<br />

Ideale zu verraten“, erklärt Röddiger.<br />

Kein Kredit in der Startphase<br />

Der exklusive Handwerksbetrieb bildet<br />

aus Kostengründen nicht aus. Schneider,<br />

die den Qualitätsansprüchen genügen<br />

könnten, gibt es kaum. Auf Banken ist<br />

das Unternehmerpaar schlecht zu sprechen,<br />

seit verschiedene Geldinstitute in<br />

den ersten schwierigen Jahren Kredite<br />

verweigerten und schließlich nur nach<br />

Luxus ist menschlich<br />

Die Liebhaber/innen luxuriöser Güter wie etwa<br />

feiner Schuhe mögen das Besondere und haben<br />

ein Bedürfnis nach sozialer Abgrenzung.<br />

Darauf beruht die Strategie im Luxussgement.<br />

Die Produkte sind langlebig, sie erfüllen ein<br />

Bedürfnis nach Substanz und Werten. Viele<br />

Handwerksbetriebe erzeugen zwar beste<br />

Qualität, vermögen es jedoch nicht, ihre Produkte<br />

von der Herstellung bis zur Verpackung<br />

emotional so aufzuwerten, dass Kunden mehr<br />

dafür bezahlen. Dabei gäbe es genügend<br />

Abnehmer: Auch wer nur über begrenzte<br />

Mittel verfügt, möchte sich gelegentlich ein<br />

teures Produkt leisten und eine emotionale<br />

Verbindung mit ihm eingehen. FOTO: DPA<br />

einer Depoteröffnung gewährten. Heute<br />

setzen die beiden auf ihre eigene Kraft<br />

und organisches Wachstum.<br />

Auch Schumachermeister Benjamin<br />

Klemann hat sich im Luxussegment und<br />

einem alten Hamburger Stadthaus eingerichtet.<br />

Er fand ein Geldinstitut, das<br />

in der schwierigen Anfangszeit Ende der<br />

80er-Jahre einen Kredit von 28.000 Mark<br />

bewilligte. Heute seien seine Auftragsbücher<br />

„randvoll“, sagt der Schuster. Ein<br />

Paar Schuhe kosten hier 1800 Euro und<br />

mehr, die Wartezeit beträgt etwa sieben<br />

Monate. Doch wissen Klemanns Kunden<br />

handwerkliche Qualität, individuelle<br />

Passformen und den diskreten Umgang<br />

offenbar ebenso zu schätzen wie den Service:<br />

Kunden können jeden in der Werkstatt<br />

gefertigten Schuh jederzeit zur Aufarbeitung<br />

zurückschicken.<br />

Klemann hat sein Handwerk bei einem<br />

ungarischen Meister gelernt und bildet<br />

auch selbst Gesellen aus. Diese werden<br />

oft mit Preisen ausgezeichnet und gehören<br />

„zur Bundesliga deutscher Schuhmacher“,<br />

sagt der Schuster nicht ohne Stolz.<br />

Einmal im Monat reist er nach Berlin und<br />

Düsseldorf, um seine Geschäftspartner –<br />

vor allem edle Boutiquen und Schneiderateliers<br />

– zu beliefern.<br />

Luxusleder aus dem Schiffswrack<br />

Als einer von nur drei Maßschuhmachern<br />

weltweit wird er vom Duke of Cornwall<br />

mit seltenem russischen Juchtenleder<br />

beliefert. Es stammt aus dem Wrack<br />

der vor 38 Jahren vor Plymouth geborgenen<br />

S.S. Metta Katharina und hat mehr<br />

als 180 Jahre im Salzwasser unbeschadet<br />

überstanden. Ein Nischenprodukt aus so<br />

exklusivem und mit einer spannenden<br />

Geschichte verbundenem Material – Marketingprofis<br />

sprechen von Storytelling –<br />

lässt sich besonders teuer verkaufen.<br />

Einer, von dem man ebenfalls lernen<br />

kann, wie Kunden zu Fans werden, ist<br />

Gerd-Rüdiger Lang, Gründer und Eigentümer<br />

der Münchener Uhrenmanufaktur<br />

Chronoswiss. Die Unternehmensgeschichte<br />

ist in einem leinengebundenen<br />

Buch nachzulesen, der Titel: „Zeitzeichen<br />

– Das Buch mit dem Tick“: Der Siegeszug<br />

der Quarzuhr machte den Uhrmachermeister<br />

zunächst arbeitslos. Zum erfolgreichen<br />

Unternehmer wurde Lang dank<br />

seines damals noch mutigen Festhaltens<br />

an traditioneller Uhrmacherkunst. Mit<br />

dem Modell „Régulateur“, einer Armbanduhr<br />

mit getrennten Anzeigen für<br />

Stunde, Minute und Sekunde, schuf Lang<br />

eine vielfach kopierte Produktikone. Die<br />

Banken verwehrten ihm Startkapital, „zu<br />

Recht“ wie Lang heute selbstkritisch sagt.<br />

„Wir verkaufen kein Produkt über den<br />

Preis, wir verkaufen einen Wert“, erklärt<br />

Lang – genau das richtige Motto für<br />

Handwerksbetriebe, die das Mittelmaß<br />

überwinden und das Wesen des Luxus<br />

verstehen wollen, um daraus eine Geschäftsstrategie<br />

zu entwickeln. <br />

<br />

Die Autorin führt das Inlux Institut für Luxus in<br />

München und unterrichtet das Fach Luxury<br />

Management an der Munich Business School.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


18<br />

MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN<br />

ENERGIEWENDE II<br />

Sanieren heißt<br />

nicht immer sparen<br />

Experten erwarten, dass das Förderprogramm des Bundes zur energetischen Sanierung von<br />

Wohnimmobilien die Nachfrage nach Modernisierungskrediten steigert. Bei der Darlehensvergabe<br />

sollten Sparkassen aber vorsichtig kalkulieren. Viele Maßnahmen senken den Energieverbrauch<br />

nur geringfügig. Bei knapp kalkulierten Finanzierungen kann es für Kreditnehmer eng werden.<br />

n VON RICHARD HAIMANN<br />

Egal, ob eine Wärmepumpe oder eine<br />

Pelletheizung eingebaut wird oder<br />

die Außenfassade eine massive zusätzliche<br />

Dämmung erfährt: Auf dem Papier<br />

führen diese Maßnahmen mitunter zu<br />

deutlichen Reduzierungen des Heizenergieverbrauchs.<br />

In der Praxis sieht dies<br />

allerdings oft ganz anders aus. „Die Einsparberechnungen<br />

vieler Sanierungsunternehmen<br />

und Gutachter beruhen nur<br />

auf theoretischen Formeln, die mit der<br />

Realität wenig gemein haben“, sagt der<br />

Architekt und Diplom-Ingenieur Konrad<br />

Fischer aus Hochstadt am Main. Das Resultat:<br />

„Viele Eigentümer machen lange<br />

Gesichter, wenn ihre Heizkosten nach der<br />

teuren energetischen Sanierung ihres<br />

Hauses genauso hoch wie vorher sind<br />

oder nur geringfügig niedriger ausfallen“,<br />

sagt der unabhängige Bausachverständige.<br />

Die Erfahrung des Experten bestätigt<br />

eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

Halle (IWH). Danach verringert<br />

sich in solide gebauten Mehrfamilienhäusern<br />

aus der Gründerzeit der<br />

Heizenergieverbrauch nach einer kompletten<br />

Sanierung gemäß den Vorgaben<br />

der Ener gieeinsparverordnung (EnEV)<br />

durchschnittlich nur um 10,6 Prozent.<br />

Trotz der mehr als 100.000 Euro teuren<br />

Arbeiten sinkt der Verbrauch der Erhebung<br />

zufolge im Schnitt nur von zuvor<br />

141 Kilowattstunden pro Quadratmeter<br />

und Jahr auf 126 Kilowattstunden.<br />

Selbst KfW warnt vor hohen Kosten<br />

Bei Häusern, die zwischen 1950 und<br />

1960 errichtet wurden, fällt die Energieersparnis<br />

zwar größer aus, weil in dieser<br />

Wiederaufbauphase nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg häufig minderwertige Baustoffe<br />

verwendet wurden. Mit einer vom<br />

IWH ermittelten durchschnittlichen<br />

Verbrauchssenkung von 27 Prozent hält<br />

sich das Einsparpotenzial dennoch in<br />

Grenzen. Familien, die bislang 3000 Euro<br />

pro Jahr für ihre Heizkosten aufwandten,<br />

müssen nach der Sanierung noch immer<br />

2190 Euro pro Jahr aufwenden – eine Ersparnis<br />

von lediglich 810 Euro im Jahr.<br />

Selbst die Staatsbank KfW, von der<br />

Bundesregierung beauftragt, die energetische<br />

Modernisierung von Wohngebäuden<br />

mit Zuschüssen und zinsgünstigen<br />

Darlehen zu fördern, kommt in einer<br />

Wirtschaftlichkeitsanalyse zu dem<br />

Schluss, dass die Sanierungskosten die<br />

Heizenergieersparnis weit übersteigen.<br />

Eigennutzer könnten die Aufwendungen<br />

zur energetischen Sanierung „allein<br />

durch die eingesparten Brennstoffkosten<br />

nicht finanzieren“, schreibt Studienautor<br />

Martin Müller.<br />

Deshalb schrecken bislang viele Hausbesitzer<br />

davor zurück, ihre<br />

Immobilien zu modernisieren.<br />

Seit 2005 wurden pro Jahr lediglich<br />

0,8 Prozent der bis 1995<br />

errichteten 15,6 Mio. Wohngebäude<br />

im Land modernisiert,<br />

hat das Institut für Wohnen<br />

und Umwelt (IWU) in einer Untersuchung<br />

ermittelt. Das ist<br />

zu wenig, um die ehrgeizigen<br />

Klimaschutz- und Energieeinsparziele<br />

der Bundesregierung<br />

zu erfüllen. Um die Emissionen<br />

von Kohlendioxid (CO 2<br />

) und<br />

den Heizenergieverbrauch im<br />

erwünschten Umfang zu senken,<br />

müssten mindestens zwei<br />

Prozent des mehr als 16 Jahren<br />

alten Wohnungsbestands pro<br />

Jahr energetisch saniert werden.<br />

Deshalb hat Berlin nun ein massives<br />

Förderprogramm mit steuerlichen<br />

Sonderabschreibungen auf den Weg<br />

gebracht, um die Modernisierung von<br />

Wohnimmobilien vom nächsten Jahr<br />

an kräftig voranzutreiben (Seiten 6 und<br />

7). Experten gehen davon aus, dass zahlreiche<br />

Grundeigentümer die Anreize<br />

nutzen werden, um ihre Häuser besser zu<br />

dämmen und die Heizungsanlagen zu erneuern.<br />

Weil die komplette energetische<br />

„Die Nachfrage<br />

nach<br />

Modernisierungskrediten<br />

wird<br />

deutlich<br />

steigen.”<br />

Günter Vornholz,<br />

Leiter Immobilienresearch,<br />

Deutsche Hypo<br />

Sanierung eines Eigenheims 70.000 Euro<br />

und mehr verschlingt, werden jedoch nur<br />

die wenigsten Besitzer die Kosten ohne<br />

Fremdfinanzierung stemmen können.<br />

„Die Nachfrage nach Modernisierungskrediten<br />

bei Banken und Sparkassen<br />

wird deutlich steigen“, sagt Günter Vornholz,<br />

Leiter Immobilienresearch bei der<br />

Deutschen Hypo.<br />

Brennwertthermen oft von Vorteil<br />

Da Sanierungsmaßnahmen jedoch nicht<br />

unbedingt zu einer deutlichen Senkung<br />

der Heizkosten führen, sollten Grundeigentümer<br />

und Kreditinstitute bei der<br />

Finanzierungskalkulation nicht zu optimistisch<br />

vorgehen, rät Corinna Merzyn,<br />

Geschäftsführerin des Verbands Privater<br />

Bauherren (VPB). „Bei den Berechnungen<br />

sollte berücksichtigt<br />

werden, dass die Heizkosten<br />

trotz der Modernisierung<br />

nur moderat fallen oder sogar<br />

steigen.“ Auch in diesem Fall<br />

sollten die Besitzer noch über<br />

ausreichende Finanzkraft verfügen,<br />

um Zins und Tilgung bedienen<br />

zu können.<br />

Dass hohe Investitionen nicht<br />

unbedingt zu geringeren Energiekosten<br />

führen, hatten in<br />

den vergangenen Jahren jene<br />

Eigentümer erfahren, die ihr<br />

Haus für rund 21.000 Euro auf<br />

eine Pelletheizung umgerüstet<br />

haben. In diesen Anlagen<br />

werden Pressholz-Rundlinge<br />

verbrannt. Da Holz ein nachwachsender<br />

Rohstoff ist und Bäume Kohlendioxid<br />

in Sauerstoff umwandeln, verbessert<br />

der Einsatz dieser Öfen zwar die rechnerische<br />

CO 2<br />

-Emissionsbilanz. „Die<br />

Heizkosten der Eigentümer sind jedoch<br />

nicht gesunken“, sagt Merzyn. „Denn die<br />

steigende Nachfrage nach dem erneuerbaren<br />

Brennstoff trieb die Pelletpreise<br />

kräftig in die Höhe.“<br />

Hingegen könnten Besitzer älterer Häuser<br />

in jedem Fall profitieren, wenn sie<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN 19<br />

Vorsicht Erbfall<br />

Eigenheimbesitzer im Rentenalter gelangen<br />

durch die energetische Sanierung ihrer<br />

Immobilie kaum in den Genuss von Steuervorteilen,<br />

sie bürden ihren späteren Erben<br />

jedoch möglicherweise eine deutlich stärkere<br />

Steuerbelastungen auf. „Durch die Modernisierung<br />

gewinnt die Immobilie an Wert, die beim<br />

späteren Erbfall die Erbschaftssteuer in die<br />

Höhe treiben kann“, sagt Gerold Happ, Jurist<br />

beim Eigentümerverband Haus & Grund. Diese<br />

Gefahr bestehe insbesondere in Süddeutschland<br />

und in Ballungszentren, wo die Immobilienpreise<br />

besonders hoch sind und oftmals den<br />

ihre betagte Heizungsanlage durch moderne<br />

Gas- oder Ölbrennwertthermen<br />

ersetzen. „Auf diese Weise lässt sich<br />

der Energieverbrauch für Heizung und<br />

Warmwasser in der Regel um rund<br />

30 Pro zent reduzieren“, sagt Schorsch<br />

Tschürtz, Ener gieexperte beim Verbraucherzentrale<br />

Bundesverband (VZBV) (siehe<br />

Kasten). Anschaffung und Installation<br />

einer neuen Gasbrennwerttherme kosten<br />

rund 8500 Euro. Bei einem neuen Ölheizkessel<br />

sind es rund 10.000 Euro.<br />

„Diese Aufwendungen machen sich<br />

nach weniger als zwölf Jahren durch die<br />

Verbrauchseinsparung bezahlt“, sagt Andreas<br />

Müller, Vize-Hauptgeschäftsführer<br />

des Zentralverbands Sanitär, Heizung,<br />

Klima. „Eigentümer, die bislang 3000<br />

Euro pro Jahr für Gas oder Öl ausgeben,<br />

können durch die Umrüstung auf einen<br />

energieeffizienten Brennwertkessel ihre<br />

Kosten um rund 900 Euro auf nur noch<br />

2100 Euro senken.“ Zudem sei die Technik<br />

ausgereift und daher besonders solide.<br />

„Eigentümer profitieren deshalb nach<br />

der Amortisierungsphase für viele Jahre<br />

vom reduzierten Verbrauch“, sagt Müller.<br />

„Heutige Brennwertkessel halten in der<br />

Regel mindestens 26 Jahre.“<br />

Skeptisch sehen Experten hingegen<br />

Wärmepumpen. Die Anlagen entziehen<br />

dem Erdreich durch Sonden Wärme. Diese<br />

wird von elektrisch betriebenen Kompressoren<br />

verdichtet und an den Heizwasserkreislauf<br />

im Haus übertragen. In<br />

der Theorie benötigen die Pumpen nur<br />

wenig Strom. „In der Praxis ist der Energiebedarf<br />

jedoch meist deutlich höher“,<br />

weiß der Bausachverständige Dirk Rüppel.<br />

Mitunter übersteige die Stromrechnung<br />

sogar die früheren Kosten für Öl<br />

oder Gas. Der Grund: Die Anlagen entziehen<br />

dem Untergrund oftmals im Winter<br />

mehr Wärme als die Sonne in den Sommermonaten<br />

nachheizen kann, erläutert<br />

Michael Hell, Energieberater der Verbraucherzentrale<br />

Hamburg. „Am Ende<br />

wird der Garten zum Permafrostboden.“<br />

Um im Winter überhaupt noch Wärme<br />

zu liefern, müsse die Kompressorpumpe<br />

immer kräftiger arbeiten.<br />

Dass trotz einer verbesserten Dämmung<br />

der Außenfassade der Heizenergieverbrauch<br />

oftmals nur geringfügig sinkt, liege<br />

an der soliden Bauweise vieler älterer<br />

Häuser, erläutert die Diplom-Ingenieurin<br />

Eva Reinhold-Postina. „In der Gründerzeit<br />

wurden Gebäude so massiv errichtet,<br />

dass der Wärmeverlust durch die Mauern<br />

sehr gering ist.“ Eine nennenswerte Energieverbrauchsersparnis<br />

sei allein durch<br />

den Einbau moderner Fenster möglich.<br />

Sanierung als Kostentreiber<br />

Bei Häusern mit Klinkerwänden könne<br />

eine nachträglich angebrachte Fassadendämmung<br />

sogar zu einem höheren<br />

Energieverbrauch führen, weiß Jens<br />

Fehrenberg, Professor für Baukonstruktion<br />

an der Hochschule für angewandte<br />

für Kinder geltenden Freibetrag von 400.000<br />

Euro übersteigen. Hingegen könnten ältere<br />

Eigentümer von der vom nächsten Jahr an geltenden<br />

Sonderabschreibung für energetische<br />

Sanierungsmaßnahmen kaum profitieren,<br />

sagt Corinna Merzyn, Geschäftsführerin des<br />

Verbands Privater Bauherren. „Die steuerliche<br />

Belastung von Rentnern ist zu gering, um<br />

einen Vorteil zu erzielen.“ Wegen der langen<br />

Amortisierungszeit der Modernisierungsmaßnahmen<br />

würden die meisten älteren Eigentümer<br />

auch nicht von verringerten Heizenergiekosten<br />

profitieren können.<br />

Wissenschaft in Hildesheim. Diese seit<br />

den 20er Jahren vor allem in Nord- und<br />

Westdeutschland errichteten Gebäude<br />

speichern in ihren Ziegelsteinen die Wärme<br />

der Sonnenstrahlen und verhindern<br />

damit Heizenergieverluste. „Durch die<br />

zusätzliche Dämmung geht dieser Effekt<br />

verloren“, sagt Fehrenberg.<br />

Das bestätigt eine von ihm vorgenommene<br />

Vergleichsuntersuchung zweier<br />

Miethäuser mit Klinkerwänden einer<br />

Wohnungsgesellschaft in Hannover.<br />

Die se hatte das eine Gebäude zusätzlich<br />

dämmen lassen, das andere Haus hingegen<br />

nicht. „Zuvor waren die Heizkosten<br />

in beiden Häusern weitgehend identisch“,<br />

sagt Fehrenberg. „Seither sind sie<br />

im modernisierten Gebäude jedoch Jahr<br />

für Jahr um rund 13 Prozent höher als im<br />

unsanierten Haus.“<br />

n<br />

Mit der Frage, was die Energiewende für die<br />

Sparkassen bedeutet, beschäftigt sich auch das<br />

Dossier der „<strong>Sparkassenzeitung</strong>“ Nr. 28 (Erscheinungstermin:<br />

15. Juli).<br />

Brennwerttechnik: Später<br />

Sieg gegen die Bürokratie<br />

Seine Erfindung erlebt jetzt einen neuen<br />

Schub: Der Brennwertkessel. Als der<br />

Müllermeister Richard Vetter 1982 entdeckt<br />

hatte, dass auch die Kondensationswärme<br />

des Wasserdampfs im Abgas einen hohen<br />

Heizwert hat, reagierten Ingenieure und<br />

Bürokraten zunächst ungläubig. Der Erfinder<br />

des „Spar ofens“ musste viel Überzeugungsarbeit<br />

leisten. Der„Wunderofen aus Peine“<br />

funktionierte zwar tadellos, doch das Genehmigungsverfahren<br />

zog sich vier Jahre in die<br />

Länge. TÜV-Beamte hatten die Temperatur der<br />

Ofenabgase falsch gemessen und für zu heiß<br />

befunden. Dabei erwärmen sich die schwefelarmen<br />

Dämpfe höchstens auf 30 Grad. Der<br />

Ofen braucht damit weder ein Abzugsrohr aus<br />

Stahl noch einen feuerfesten Kamin. Zudem<br />

verbrennt der mit einem doppelten Wärmetauscher<br />

ausgerüstete Ofen nur halb so viel<br />

Energie wie herkömmliche Hausbrand-Kessel.<br />

Innovativer Müllermeister: Richard Vetter, hier vor einem seiner Öfen, erfand 1982 das<br />

umweltfreundliche Brennwertverfahren, heute heiztechnischer Standard. FOTO: VERITHERM<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


20<br />

MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN<br />

ENERGIEBERATUNG<br />

Sparfinder beraten Hausbesitzer<br />

55 Energiespar-Scouts der Sparkasse Nürnberg helfen Immobilieneigentümern beim Sparen.<br />

n VON HORST PETER WICKEL<br />

Viele Eigentümer von Häusern und<br />

Wohnungen ärgern sich zwar über<br />

hohe Heizkosten, aber „viele glauben,<br />

dass sich eine Sanierung nicht rechnet“,<br />

sagt Esther Klein, Fachberaterin der Sparkasse<br />

Nürnberg. Da sich auch diverse<br />

Kunden des Instituts bisher nicht mit<br />

dem Thema Energiesparen beschäftigt<br />

haben, hat die Sparkasse, gemeinsam mit<br />

Architekten, Energieberatern, Handwerkern,<br />

Bauunternehmen und Maklern, gut<br />

50 Energiespar-Scouts ausbilden lassen.<br />

Dozent war der Experte Ronny Meyer.<br />

Nach Meyers Vorstellungen sollen die<br />

Scouts Bauherren, Haus- und Immobilieneigentümer<br />

„hilfegebend und gewerkeunabhängig<br />

an die Hand nehmen<br />

und in ein qualitätsorientiertes Netzwerk<br />

von Spezialisten führen können“. In der<br />

siebenstündigen Ausbildung wurde den<br />

Teilnehmern aus unterschiedlichen Bereichen<br />

ein fachlich fundiertes Gesamtbild<br />

energiesparenden Bauens und Modernisierens<br />

vermittelt.<br />

Neben den Grundlagen der Bauphysik<br />

gehörten Fördermittel, die Komponenten<br />

der Gebäudehülle, Informationen<br />

zu innovativen Haustechniken und die<br />

häufigsten Energiespar-Irrtümer zur<br />

Schulung. So wird deutlich, wie man potenzielle<br />

Kunden zum Handeln motiviert<br />

und welche Anspracheanlässe es gibt. In<br />

einem Aufbauseminar geht es um Detailwissen<br />

zu Haustechnik oder der Erstellung<br />

eines amtlichen Energieausweises.<br />

Um mit dem Thema möglichst viele<br />

Kunden zu erreichen, veranstaltete die<br />

Sparkasse Nürnberg Ende 2010 eine Energiespar-Show.<br />

Der Bau-Profi Meyer<br />

übermittelte gut 500 Besuchern Informationen<br />

zum Sanieren. Bei einer Podiumsdiskussion<br />

mit Energiespar-Scouts<br />

des Instituts und seiner Netzwerkpartner<br />

gab es Tipps zur richtigen Dämmung der<br />

Fassade und dem Dach, zu Fenstermodellen,<br />

Heizung- und Fotovoltaik-Anlagen –<br />

und zu Finanzierungsmöglichkeiten.<br />

Fast zwei Drittel der Eigenheime in<br />

Bayern sind älter als 30 Jahre alt. Nach<br />

Angaben der LBS sind diese Häuser ungedämmt<br />

und verbrauchen drei- bis<br />

sechsmal so viel Energie wie ein heutiger<br />

Neubau. Vor allem fehlende oder ungenügende<br />

Dämmung des Dachs und der<br />

Außenwände, ineffiziente Heizanlagen<br />

oder alte Fenster sind Kostentreiber. Zwar<br />

hat jeder fünfte Hausbesitzer in Bayern<br />

in den vergangenen Jahren Modernisierungen<br />

unternommen, aber nach einer<br />

aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts<br />

GfK haben 41 Prozent aller Eigenheimbesitzer<br />

in Bayern (bundesweit<br />

34 Prozent) noch nie modernisiert.<br />

Bayern investieren zehn Mrd. Euro<br />

Scouts der Sparkasse Nürnberg: Esther Klein<br />

(r.) und Daniela Taubmann mit ihren<br />

Urkunden. <br />

FOTO: SPARKASSE NÜRNBERG<br />

Fachleute empfehlen eine umfassende<br />

energetische Überarbeitung älterer Gebäude.<br />

Dazu gehören in der Regel die<br />

Dämmung der oberen Geschoss- und der<br />

Kellerdecke, der Rohrleitungen und der<br />

Außenwände. „Aber die meisten denken<br />

zuerst an neue Fenster und eine moderne<br />

Heizungsanlage“, sagt Energiespar-<br />

Expertin Klein. Bei der Bestellung einer<br />

neuen Heizung übersehen sie teilweise<br />

sogar, dass ein gut gedämmtes Haus auch<br />

mit einer kleineren Anlage auskommt.<br />

Während ihrer ersten Beratungsgespräche<br />

stellten die Scouts fest, dass gerade<br />

Selbstnutzer von Eigenheimen nur<br />

wenig über Einsparmöglichkeiten wissen.<br />

„Viele wissen gar nicht, wie viel Energie<br />

sie beim Heizen überhaupt verbrauchen“,<br />

sagt Klein. Viele glauben noch,<br />

dass die Wände nicht mehr atmen können,<br />

wenn sie effektiv gedämmt werden.<br />

Auf jeden Fall werden die bayerischen<br />

Eigenheimbesitzer in den nächsten Jahren<br />

erheblich in die energetische Sanierung<br />

ihrer Ein- und Zweifamilienhäuser<br />

investieren, nach der GfK-Studie rund<br />

10,3 Mrd. Euro in Bayern. Oberbayern<br />

und Schwaben können mit dem stärkstem<br />

Modernisierungsschub rechnen<br />

– jährliche Investitionen von 2,4 beziehungsweise<br />

2,2 Mrd. Euro sind dort geplant.<br />

In Unterfranken werden Ausgaben<br />

in Höhe von 1,3 Mrd. Euro erwartet,<br />

in Mittel- und Oberfranken jeweils 1,2<br />

Mrd., in der Oberpfalz und Niederbayern<br />

jeweils eine Mrd. Euro.<br />

<br />

Grüne Blaupause:<br />

Bei der energetischen Modernisierung<br />

von Wohngebäuden herrscht<br />

Beratungsbedarf.<br />

FOTO: DPA<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


Chronik<br />

21<br />

28. Juni<br />

Nach jahrelangem Zögern<br />

schlägt die EU-Kommission<br />

vor, eine europaweite<br />

Finanztransaktionssteuer<br />

einzuführen. Die<br />

Jahreserträge sollen bei<br />

zehn bis 20 Mrd. Euro pro<br />

Jahr liegen und der<br />

Teilfinanzierung des<br />

EU-Haushalts dienen.<br />

27. Juni<br />

Wichtige Banken sollen<br />

deutlich höhere Kapitalpolster<br />

bilden als normale<br />

Institute. Darauf einigt sich<br />

der Baseler Bankenausschuss.<br />

„Das wird zur<br />

Widerstandsfähigkeit des<br />

Bankensystems beitragen“,<br />

sagt der Vorsitzende<br />

des Gremiums, Nout<br />

Wellink.<br />

25. Juni<br />

Nach erbitterten<br />

Personaldebatten ernennt<br />

der EU-Gipfel in Brüssel<br />

den Italiener Mario<br />

Draghi (Foto) zum neuen<br />

Präsidenten der Europäischen<br />

Zentralbank (EZB).<br />

Er wird am 1. November<br />

Nachfolger von EZB-Chef<br />

Jean-Claude Trichet.<br />

24. Juni<br />

Der deutsche Aufschwung<br />

kommt auf dem Kreditmarkt<br />

an. Das berichtet<br />

die staatseigene<br />

Kfw-Bankengruppe.<br />

Demnach stieg die<br />

Kreditvergabe von Januar<br />

bis März im Vorjahresvergleich<br />

um knapp vier<br />

Prozent.<br />

29. Juni<br />

Eindeutige Handzeichen: Demonstranten vor dem Parlament in Athen protestieren<br />

gegen die harte Sparpolitik von Ministerpräsident Georgios Papandreou und fordern<br />

den Rücktritt der Regierung. Unterdessen genehmigen die griechischen Abgeordneten<br />

auch das neue Sparpaket, was den Staat vorerst rettet und in Europa für große<br />

Erleichterung sorgt. In der Folge stellen deutsche Großbanken in Aussicht, sich an<br />

einer Rettungsaktion Griechenlands beteiligen zu wollen. Zuvor hatten bereits<br />

französische Banken einen ähnlichen Vorstoß unternommen.<br />

FOTOS: DPA<br />

Der Fahrplan zur<br />

Zerschlagung der WestLB<br />

steht fest. Die Eigentümer<br />

und der Bund einigen<br />

sich darauf, dass die<br />

Landesbank bis Ende<br />

Juni 2012 in eine<br />

Verbundbank für die<br />

Sparkassen und eine<br />

landeseigene Bank für<br />

Service und Portfoliomanagement<br />

aufzuteilen.<br />

Land und Sparkassen<br />

unterstützten das Modell<br />

mit jeweils einer Mrd.<br />

Euro, der Bund steuert<br />

zwei Mrd. Euro bei.<br />

EU-Kommissar Joaquin<br />

Almunia spricht von<br />

einem „großen Schritt<br />

nach vorn“.<br />

23. Juni<br />

Das Bundeskartellamt<br />

verlangt eine weitere<br />

Senkung der Gebühren,<br />

die Bankkunden für die<br />

Nutzung der Geldautomaten<br />

fremder Institute<br />

zahlen müssen. Auf dem<br />

Land seien Kunden<br />

meistens einer Sparkasse<br />

oder einer Genossenschaftsbank<br />

„ausgeliefert“,<br />

kritisiert Behördenchef<br />

Andreas Bundt (Foto).<br />

22. Juni<br />

Das Geldvermögen der<br />

Deutschen hat bis Ende<br />

2010 das Rekordniveau<br />

von 4,93 Billionen Euro<br />

erreicht. Das sind fünf<br />

Prozent mehr als im<br />

Vorjahr. Nur fünf Prozent<br />

der Anleger sind in Aktien<br />

investiert. Zwei Drittel des<br />

Vermögens sind Spar-,<br />

Sicht- und Termineinlagen<br />

sowie Versicherungsgeld.<br />

21. Juni<br />

Immer mehr Anleger<br />

klagen gegen Banken.<br />

Am zuständigen<br />

Landgericht Frankfurt<br />

wurden 2010 insgesamt<br />

2649 solcher zivilrechtlicher<br />

Klagen eingereicht.<br />

Ein Jahr zuvor waren es<br />

noch 1200 Fälle. Meist<br />

geht es um angeblich<br />

nicht ausreichende<br />

Produktinformationen<br />

oder verschwiegene<br />

Provisionen.<br />

20. Juni<br />

Die Haspa Finanzholding<br />

will mit 25,1 Prozent bei<br />

der KSK Herzogtum<br />

Lauenburg in Ratzeburg<br />

einsteigen. Damit<br />

beteiligt sich erstmals in<br />

Deutschland eine freie<br />

Sparkasse länderübergreifend<br />

an einem<br />

kommunalen Institut.<br />

Das Kieler Sparkassengesetz<br />

ermöglicht dies.<br />

Die verbindliche<br />

Einführung des<br />

gemeinsamen europäischen<br />

Zahlungsraums<br />

(Sepa) wird auf den<br />

Sommer 2016 verlegt.<br />

Darauf einigen sich die<br />

EU-Finanzminister<br />

während ihrer Ratssitzung<br />

in Luxemburg und<br />

folgen damit einer<br />

Empfehlung des<br />

Zentralen Kreditausschusses<br />

(ZKA) der<br />

deutschen Kreditwirtschaft.<br />

11. Juni<br />

Der von der Bundesregierung<br />

angekündigte<br />

Einsatz von sogenannten<br />

verdeckten Ermittlern in<br />

Banken wird auf<br />

kommendes Jahr<br />

verschoben. Zunächst<br />

sollen Gesetzesgrundlagen<br />

für die heimlichen<br />

staatlichen Kontrollen<br />

von Bankberatern<br />

geschaffen werden.<br />

7. Juni<br />

Christopher Pleister,<br />

langjähriger Präsident<br />

des Bundesverbands der<br />

Volks- und Raiffeisenbanken,<br />

wird neuer<br />

Soffin-Chef. Er ist damit<br />

der erste Banker an der<br />

Spitze des staatlichen<br />

Bankenrettungsfonds,<br />

der nicht aus dem Lager<br />

der Landesbanken<br />

stammt. Pleister tritt die<br />

Nachfolge des ehemaligen<br />

Nord/LB-Chefs<br />

Hannes Rehm an,<br />

dessen Vertrag ausläuft.<br />

3. Juni<br />

Die europäische<br />

Bankenaufsicht EBA<br />

beklagt schwere<br />

Qualitätsmängel bei den<br />

bislang von den Banken<br />

eingereichten Stresstest-<br />

Daten. Mit Ergebnissen<br />

des umstrittenen<br />

europaweiten Stresstests<br />

sei daher erst mit<br />

mehreren Wochen<br />

Verzögerung zu rechnen.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


22<br />

MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN<br />

UNTERNEHMENSPORTRÄT<br />

Schnittiges Geschäft<br />

Klaus Klische und Andreas Ballon beliefern von Hamburg aus Hotels und Kantinen in der ganzen<br />

Republik mit Obstsalat. Die 1997 als Zwei-Mann-Betrieb gegründete Fresh Factory hat heute 110<br />

Mitarbeiter. Die Hamburger Sparkasse ist einer der wichtigsten Kreditgeber.<br />

n VON GREGORY LIPINSKI<br />

Klaus Klische ist redegewandt, selbstbewusst<br />

und sprüht vor Tatendrang.<br />

Und er weiß genau, was den Erfolg einer<br />

Firma ausmacht: „Der Wille zu harter<br />

Arbeit, Risikobereitschaft und eine gute<br />

Portion Glück“, sagt der Unternehmer gegenüber<br />

SPARKASSE.<br />

Glück – davon hatten Klische, geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Hamburger<br />

Fresh Factory, und sein gleichberechtigter<br />

Partner Andreas Ballon reichlich.<br />

1997 machten die beiden gelernten Köche<br />

sich selbstständig. Ihre Geschäftsidee:<br />

portionierten Obstsalat an den<br />

Einzelhandel verkaufen. Sie mieteten<br />

im Hamburger Stadtteil Stellingen eine<br />

600 Quadratmetern große Halle, in der<br />

zuvor Blattsalate geschnitten wurden.<br />

„Andreas hat das Obst geschält und zerkleinert,<br />

und ich habe die Ware verkauft<br />

und ausgefahren“, erinnert sich der<br />

45-jährige Klische heute. Schnell zog der<br />

Absatz an. Bereits nach drei Monaten<br />

stellten sie die ersten Mitarbeiter ein.<br />

Heute ist die Fresh Factory GmbH & Co.<br />

KG mit 110 Beschäftigten bundesweit<br />

der führende Großhersteller von Obstsalat.<br />

Täglich werden hier zwischen 35 bis<br />

40 Tonnen Obstsalat und sortenreine<br />

Früchte produziert. Das geschnittene<br />

Obst geht an rund 200 Fachgroßhändler,<br />

die die Gebinde weiter an Hotels, Restaurants<br />

und Großküchen verkaufen. Geliefert<br />

wird auf Paletten in handlichen<br />

Fünf-Kilo-Eimern. Ein<br />

straffes Logistiksystem sorgt<br />

dafür, dass die Ware innerhalb<br />

von 24 Stunden seinen Abnehmer<br />

erreicht – deutschlandweit.<br />

Exotisch wie die Früchte sind<br />

auch die Namen der bunten<br />

Vitamin-Cocktails, die an einen<br />

Reisekatalog erinnern. Der<br />

Standardsalat heißt „Sevilla“.<br />

Er besteht aus grünen Äpfeln,<br />

blauen Weintrauben, Mangos,<br />

süßer Ananas und Wassermelonen.<br />

Exotischer ist „Sumatra“<br />

mit Papaya, Wasser- und Honigmelonen,<br />

Kiwis, Orangen, Ananas und Physalis.<br />

Das Kilo Obstsalat kostet zwischen drei<br />

und fünf Euro. Der Vertrieb der mehr<br />

als 20 verschiedenen Mischungen beschränkt<br />

sich fast ausschließlich auf<br />

Deutschland. „Unser südlichster Kunde<br />

sitzt am Bodensee“, sagt Klische. An eine<br />

„Wir erreichen<br />

pro Jahr<br />

einen Umsatz<br />

im zweistelligen<br />

Millionenbereich.“<br />

Fresh-Factory-Unternehmer<br />

Klaus<br />

Klische<br />

Expansion ins Ausland ist auch nicht<br />

gedacht, denn der Export brächte zu hohen<br />

logistischen Aufwand mit sich. In<br />

Deutschland läuft es prächtig: „Wir erreichen<br />

pro Jahr einen Umsatz im zweistelligen<br />

Millionenbereich“, erklärt Klische.<br />

Er und sein Partner halten jeweils<br />

50 Prozent der Anteile an<br />

der Fresh Factory.<br />

Jahrelang waren die beiden<br />

ehrgeizigen Geschäftsleute<br />

für die Block-House-Kette des<br />

Hamburger Gastronomen und<br />

Hoteliers Eugen Block tätig.<br />

Dort haben sie wesentlich zum<br />

Aufbau des Menübetriebs im<br />

mecklenburgischen Zarrentin<br />

beigetragen. Klische hat hier<br />

den Vertrieb aufgebaut, um<br />

den Absatz der Steak-House-<br />

Produkte im Lebensmittel-<br />

Einzelhandel anzukurbeln. Ballon leitete<br />

die Küche und war verantwortlich für die<br />

Produktentwicklung.<br />

An dieser Aufgabenverteilung hat sich<br />

im Prinzip nichts geändert: „Andreas<br />

kümmert sich um Einkauf und Produktion,<br />

ich bin für Vertrieb und Marketing<br />

zuständig“, sagt Klische, der mit seiner<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MÄRKTE & K<strong>UND</strong>EN 23<br />

Ihre Geschäfte<br />

laufen wie<br />

geschnitten Obst:<br />

Die Fresh-Factory-Unternehmer<br />

Ballon (l.) und<br />

Klische haben<br />

servierfertigen<br />

Obstsalat<br />

salonfähig<br />

gemacht.<br />

FOTOS: FRESH FACTORY<br />

offenen, verbindlichen Art gut zu dieser<br />

Aufgabe passt. Der hochgewachsene Ballon<br />

wirkt ernsthaft und wortkarg, doch<br />

in der Produktentwicklung und technischen<br />

Umsetzung ist er eine Koryphäe.<br />

Nicht alle Banken begeistert die Idee<br />

Finanziert haben Klische und sein Kompagnon<br />

die Fresh Factory in der Startphase<br />

größtenteils über Fremdmittel. „Wir<br />

haben damals von der Hamburger Sparkasse<br />

ein Darlehen über 750.000 D-Mark<br />

aufgenommen. An Eigenkapital haben<br />

wir 180.000 D-Mark mitgebracht“, sagt<br />

Klische. Die Jung-Unternehmer hatten<br />

ein 80-seitiges Unternehmenskonzept<br />

ausgearbeitet, doch ihre Firmenidee kam<br />

nicht überall an. „Viele Banken haben<br />

unser Unternehmenskonzept für nicht<br />

so progressiv gehalten“, sagt Klische. Damals<br />

herrschte gerade Hochphase in der<br />

New Economy. Und viele Geldhäuser hätten<br />

lieber auf Internetfirmen mit Börsenplänen<br />

gesetzt.<br />

Anders die Haspa. „Die Hamburger<br />

Sparkasse ist sehr bodenständig, und<br />

wir sind im klassischen Industrie- und<br />

Dienstleistungssektor aktiv. Ich denke,<br />

das hat am Ende den Ausschlag für die<br />

Kreditvergabe gegeben“, sagt Klische.<br />

Auch an der weiteren Expansion wirkte<br />

die Haspa mit. Als die Geschäftsleute<br />

fünf Jahre nach der Firmengründung<br />

von der Deutschen Post ein ehemaliges<br />

Briefzustell-Lager im Hamburger Gewerbegebiet<br />

Billbrock kauften, griff ihnen<br />

die Sparkasse erneut unter die Arme.<br />

Mit hohem Aufwand bauten Klische und<br />

Ballon das Lager für ihre Zwecke um.<br />

„Wir haben viele Jahre keinen Urlaub gemacht,<br />

um die Fresh Factory am Standort<br />

in Billbrook nach unseren Vorstellungen<br />

auszurichten“, sagt Klische. In Billbrock<br />

schälen und zerkleinern Spezialmaschinen<br />

heute die Früchte im Sekundentakt.<br />

Eine Anlage entzieht der Umluft die<br />

Keime, um eine Mindesthaltbarkeit für<br />

den Obstsalat von zehn Tagen zu garantieren.<br />

Dennoch wird der Obstsalat zum Teil<br />

noch per Hand hergestellt. Für das vorsichtige<br />

Ablösen der Trauben von den<br />

Rispen sind 35 Frauen zuständig. Sie stehen<br />

in einer auf acht Grad Celsius heruntergekühlten<br />

Halle, der Boden ist gefliest,<br />

die Wände sind weiß. Außer weißen Arbeitsjacken,<br />

Gummischürzen und -stiefeln<br />

tragen die Frauen Mundschutz und<br />

Kopfhauben. Die Hygienevorschriften in<br />

der Lebensmittelherstellung sind streng.<br />

Die Äpfel kullern dagegen über ein<br />

Laufband aus dem Kühlraum in die<br />

Produktion. Eine meterhohe Maschine<br />

wäscht, schält und schneidet die Früchte<br />

im Sekundentakt. Anschließend kommen<br />

die Apfelstückchen in ein Wasserbad,<br />

wo sie ein Mitarbeiter inspiziert und<br />

in eine Kiste schaufelt. Gegenüber schälen<br />

und zerkleinern andere Maschinen<br />

Orangen, Ananas oder Honigmelonen.<br />

Die entkernten und geschnittenen Früchte<br />

laufen über Fließbänder und werden<br />

noch einmal von Mitarbeitern auf Kerne<br />

und Schalenreste kontrolliert.<br />

Danach steuern die Früchte ein speziell<br />

ausgetüfteltes Waagensystem an. Es<br />

mischt und portioniert das Obst und füllt<br />

es in weiße Eimer. Deren Deckel werden<br />

mit Barcodes versehen, die über die Herkunft<br />

der Ware informieren – wichtig bei<br />

Kundenreklamationen. In einem Röntgengerät<br />

werden die Fruchtsalat-Eimer<br />

auf Fremdkörper untersucht. Piept das<br />

Gerät, wird das Gefäß aussortiert. Meist<br />

handelt es sich um beim Aussieben übersehene<br />

Fruchtkerne.<br />

Nicht alle Früchte sind für die Salate<br />

geeignet, vor allem um Erdbeeren macht<br />

Klische einen Bogen. Wenn die Früchte<br />

im gesüßten Fruchtwasser schwimmen,<br />

werden sie schnell wässrig und färben<br />

auf andere Früchte rot ab. Kein Hotel<br />

oder Restaurant nähme dann den Obst-<br />

Cocktail ab, selbst wenn die Qualität einwandfrei<br />

sei.<br />

Bei den Trauben achtet Klische peinlich<br />

genau darauf, dass das Fruchtfleisch<br />

nicht zu dunkel ist. „Eine große Herausforderung<br />

in unserem Geschäft sind<br />

die natürlichen Produktschwankungen<br />

der Rohware. Wenn blaue Weintrauben<br />

saisonal bedingt ausfärben, führt das<br />

schnell zu Reklamationen“, sagt der Firmengründer.<br />

Darauf müsse sich der Einkauf<br />

einstellen.<br />

Kein Schutz vor Nachahmern<br />

Fertiger Obsalat liegt im „Convenience“-Trend<br />

Dass die „Fresh Factory“ zuletzt gewachsen<br />

ist, liegt auch an der steigenden Nachfrage<br />

nach Convenience-Produkten hierzulande. „Geschnittenes<br />

Obst- und Gemüse findet vor allem<br />

in der gehobenen Gastronomie regen Absatz“,<br />

sagt Andreas Brügger, Geschäftsführer des<br />

Deutschen Fruchthandelsverbands in Bonn.<br />

Viele Restaurants- und Hotels lassen sich den<br />

Direkt aus dem Hamburger Hafen oder<br />

Rotterdam erreichen die Fresh Factory jeden<br />

Morgen Mangos, Ananas, Kiwis, Melonen<br />

und Weintrauben aus aller Welt. Vier<br />

Mitarbeiter kümmern sich ausschließlich<br />

um die Qualitätssicherung. Stolz deutet<br />

Klische auf das IFS-Siegel im Eingangsbereich<br />

– das Zeichen für die höchste Qualitätsstufe,<br />

die ein Lebensmittelproduzent<br />

in Deutschland erhalten kann.<br />

Das Unternehmen ist weiterhin auf Expansionskurs.<br />

Genügend Platz für einen<br />

Ausbau der Halle in Billbrook bestünde<br />

noch, doch eine Entscheidung ist bislang<br />

nicht gefallen. Denn das Risiko ist hoch,<br />

dass kapitalkräftige Investoren die Geschäftsidee<br />

nachahmen. Klische: „Auf<br />

Obstsalat gibt es leider keinen Patentschutz.“<br />

<br />

bereits geschnittenen Obstsalat anliefern, um<br />

sich die zeitintensive Arbeit zu sparen. Auch im<br />

Handel findet Obstsalat immer mehr Abnehmer.<br />

Vor allem Frauen kaufen zunehmend<br />

exotische Früchte-Cocktails. Sie dienen meist<br />

als Mittagsmenü. Erst seit rund fünf Jahren ist<br />

der geschnittene Früchte-Mix aus dem Plastikbecher<br />

marktfähig.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


24<br />

KARRIERE<br />

AUSBILDUNG I<br />

Bei Bewerbern beliebt<br />

Der Beruf des „Bankers“ ist für junge Menschen weniger attraktiv als früher. Trotzdem gehen<br />

die Bewerberzahlen bei vielen Sparkassen nicht zurück. Einige Institute beobachten aber<br />

Qualifikationslücken, fehlende Verbindlichkeit und ausgeprägtes Sicherheitsdenken.<br />

n VON REINHOLD REHBERGER<br />

Bewerbermarketing wirkt: Sparkasse Neu-Ulm-Illertissen<br />

Anja Schuster (Foto),<br />

Leiterin Ausbildung:<br />

Entgegen dem Trend<br />

haben wir aktuell weder<br />

ein Qualitäts-, noch<br />

ein Quantitätsproblem,<br />

auch dank unseres<br />

Bewerbermarketings.<br />

So haben wir etwa die<br />

Auswahlprozesse effektiver<br />

gestaltet, um sehr<br />

schnell reagieren zu<br />

können. Wir bieten mehr Praktikumsplätze an<br />

als zuvor und haben das Bewerbertraining an<br />

den Schulen ausgebaut. Der Internet-Auftritt<br />

wurde neu gestaltet und das Thema Ausbildung<br />

mehr in den Fokus gestellt.<br />

Neue Ausbildungsplätze 2011: Insgesamt<br />

Laut einer aktuellen Allensbach-Umfrage können nur noch wenige Berufe den Deutschen hohe<br />

Achtung abringen. Das höchste Ansehen genießen Medizinberufe, am untersten Ende der<br />

Skala rangieren Fernsehmoderatoren und Banker.<br />

GRAFIK: DPA<br />

18, davon 16 Bankkaufleute, zwei DH-Studienplätze<br />

Zahl der Azubis 2008 bis 2010: 34<br />

Besonderheiten: Seit 2009 bieten wir in<br />

Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule<br />

Baden-Württemberg (DHBW) in Ravensburg<br />

jährlich zwei DH-Studienplätze in unserer<br />

Sparkasse an. Dieses Angebot nehmen die<br />

Bewerbern sehr positiv auf. Die Studenten<br />

sehen es als hervorragende Kombination<br />

aus Theorie und Praxis mit äußerst effektiver<br />

Wissensvermittlung. Zudem kommen<br />

unsere Azubis über verschiedene Projekte<br />

– Sozialprojekt, Schnupperlehre, Azubi-<br />

Fete, Einführungstage, Organisation eines<br />

Gesundheitstags – bereits sehr früh mit<br />

dem Thema Verantwortung, Organisation<br />

und Teamarbeit in Berührung.<br />

Die jungen Leute machen reihum einen<br />

guten Eindruck. „Im Kopf gut sortiert,<br />

beim Outfit weder nachlässig noch<br />

overdressed.“ So beschreibt Matthias<br />

Roth seine Eindrücke von den neuen Bewerbern.<br />

Das stellvertretende Vorstandsmitglied<br />

der Sparkasse Donnersberg<br />

in Rheinland-Pfalz bemerkt außerdem<br />

noch „das frische Selbstbewusstsein“ der<br />

Kandidaten.<br />

Banker – ein Traumberuf? Während der<br />

vergangenen Jahren war über diesen<br />

Berufsstand vielmehr Nachteiliges zu lesen<br />

und zu hören: Raffgierige Gestalten<br />

hätten mit ihren Zockereien ganze Volkswirtschaften<br />

an den Rande des Ruins<br />

gebracht und dafür auch noch fette Boni<br />

eingestrichen.<br />

Je ramponierter der Ruf, desto mehr<br />

wuchs die Sorge, dass bald zu wenig geeignetes<br />

Nachwuchspersonal zur Verfügung<br />

stehen könnte. Denn wer würde<br />

schon gern einen Job machen wollen,<br />

dessen Prestige, wie bei der einschlägigen<br />

Allensbach-Umfrage aus diesem<br />

Jahr, auf dem vorletzten Rang landet?<br />

Bei der Frage nach den am meisten geschätzten<br />

Berufen nannten bei der Berufsprestige-Skala<br />

2011 nur vier Prozent<br />

der Befragten den Bankerberuf, der damit<br />

auf den zweitletzten Platz verwiesen<br />

wurde – noch hinter die Politiker (sechs<br />

Prozent) und Journalisten (17 Prozent).<br />

Eine Studie des Trendence-Instituts<br />

bestätigt solche Befürchtungen. Die<br />

Forscher analysieren seit Jahren die<br />

Arbeitgeber-Attraktivität von Unternehmen<br />

und vergleichen sie mit den Einstellungen<br />

von Schülern zu ihrer Berufs- und<br />

Studienwahl. Im vergangenen Jahr fanden<br />

die Berliner Sozialwissenschaftler<br />

heraus, dass die Sparte „Banken/Finanzdienstleistungen“<br />

in der Gunst der Jugendlichen<br />

erst auf Rang sechs liegt und<br />

damit hinter dem öffentlichen Sektor<br />

und den Branchen Konsumgüter, Auto,<br />

Handel, Medien und Werbung.<br />

Die Sparkassen tauchen dabei innerhalb<br />

ihres Segments erst auf Platz 14 auf,<br />

einen Rang vor dem Auswärtigen Amt.<br />

Der Trost: Von sämtlichen gelisteten Geldinstituten<br />

sind die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

noch am beliebtesten.<br />

Die Deutsche Bank rangiert auf Platz<br />

19 und die Genossenschaftsbanken auf<br />

Rang 31. Teamgeist, Vorgesetzte und<br />

Aufstiegsmöglichkeiten waren bei dieser<br />

Befragung die ausschlaggebenden Kriterien.<br />

Bankenkrise spielt keine Rolle<br />

„Die Prioritäten der jungen Leute haben<br />

sich verändert“, sagt Pavel Uttitz. Der<br />

Abteilungsdirektor bei der Deutschen<br />

Sparkassen-Akademie in Bonn bezweifelt<br />

jedoch, dass die Bankenkrise der<br />

Auslöser für das schwindende Interesse<br />

sein könnte. Auch Professor Hans Dietrich<br />

vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt-<br />

und Berufsforschung ist der<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


KARRIERE 25<br />

Mehr Online-Bewerbungen: Sparkasse KölnBonn<br />

Dieter Doetsch (Foto),<br />

Leiter Ausbildung:<br />

Die Quantität der<br />

Bewerbungen steigt<br />

an, die Qualität geht<br />

zurück. In den letzten<br />

Jahren führen wir<br />

immer mehr Eignungstests<br />

durch, um<br />

geeignete Bankkaufleute<br />

zu gewinnen.<br />

Papiergebundene<br />

Bewerbungen werden weniger. Der Trend geht<br />

mehr zu Online-Bewerbungen. Hier lässt die<br />

Zuverlässigkeit der Bewerber und Bewerberinnen<br />

oft zu wünschen übrig. Trotz einer Einladung<br />

zum Test oder zum Gespräch erscheinen<br />

sie nicht, ohne den Termin abzusagen.<br />

Auffassung, dass „wohl eher eine Melange<br />

von allem“ der Grund für das nachlassende<br />

Interesse der Jugendlichen sei.<br />

Anziehend auf Berufseinsteiger wirken<br />

laut Dietrich auch differenzierte Ausund<br />

Weiterbildungsangebote. So könne<br />

man etwa bei der Polizei auch den Bachelor<br />

machen. Veränderte Interessen und<br />

Motivationslagen der Jugendlichen und<br />

Besserer Jahrgang:<br />

Sparkasse Donnersberg<br />

Matthias Roth (Foto),<br />

stellvertretendes<br />

Vorstandsmitglied:<br />

08/15-Bewerbungen<br />

sind seit dem<br />

vergangenen Jahr<br />

deutlich zurückgegangen.<br />

Einmal haben<br />

die Studiengänge an<br />

der Fachhochschule<br />

Zweibrücken und der<br />

Dualen Hochschule<br />

Baden-Württemberg in Mannheim die Qualität<br />

der Bewerbungen gesteigert. Außerdem hat<br />

sich das Online-Bewerbungsverfahren, das<br />

wir seit Sommer 2010 praktizieren, positiv auf<br />

die Qualität der Bewerbungen ausgewirkt.<br />

Die Zahl der Interessenten hat sich aber nicht<br />

merklich verändert.<br />

Neue Ausbildungsplätze 2011:<br />

Neun, davon sieben Bankkaufleute und<br />

zwei Plätze für den dualen Studiengang<br />

Anzahl der Azubis 2008 bis 2010: 25<br />

Besonderheiten: Mit dem Studiengang<br />

an der FH Zweibrücken bieten sich drei<br />

hochwertige Abschlüsse an: Bachelor of<br />

Arts, Bankkaufmann/ -frau (in Kooperation<br />

mit der IHK) und Sparkassenfachwirt/in<br />

(Weiterbildungsangebot in Kooperation mit<br />

der Sparkassenakademie Rheinland-Pfalz).<br />

Neue Ausbildungsplätze 2011:<br />

80 Bankkaufmänner/-kauffrauen<br />

Anzahl der Azubis 2008 bis 2010: 260<br />

Besonderheiten: Wir rekrutieren unseren<br />

Nachwuchs fast ausschließlich aus den Auszubildenden.<br />

Für die hervorragende Qualität<br />

unserer Ausbildung werden wir seit einigen<br />

Jahren immer wieder von den Industrie- und<br />

Handelskammern in Köln und Bonn ausgezeichnet.<br />

Schon sehr früh werden die Azubis<br />

mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut.<br />

Ein Beispiel ist die seit 2009 eingeführte Geschäftsstelle<br />

für Auszubildende, in der vier<br />

Wochen lang ausschließlich Azubis Beratung<br />

und Kundenservice übernehmen. Auch in<br />

diesem Jahr werden 15 Auszubildende vom<br />

27. Juni bis zum 22. Juli 2011 die Geschäftsstelle<br />

Dürener Straße in Köln führen.<br />

vielfältige Berufsoptionen machen den<br />

Sparkassen das Nachwuchs-Recruiting<br />

nicht einfacher, zudem sinkt offenbar<br />

das Ausbildungs- und Kompetenzniveau<br />

der Bewerber. „Wenn man das nehmen<br />

muss, was man kriegt, dann ist das ein<br />

Zeichen für gesunkene Qualifikation“,<br />

sagt Uttitz. Dann habe man es „mit einer<br />

Art Stagnation zu tun“, und die wird bereits<br />

registriert. Das Bonner Bundesinstitut<br />

für Berufliche Bildung (BIBB) rechnet<br />

für diesen Sommer erneut mit mehr als<br />

13.000 neuen Ausbildungsverträgen für<br />

angehende Bankkaufleute, etwa die Hälfte<br />

der Verträge schließen Sparkassen ab.<br />

Zahlenmäßig wäre dies ein fast nahtloser<br />

Anschluss an die vergangenen Jahre.<br />

Unabhängig vom jeweiligen Standort<br />

kommen nach wie vor bis zu 80 Bewerbungen<br />

auf einen Ausbildungsplatz bei<br />

den Sparkassen. Vor allem die Institute in<br />

Ballungszentren können sich über mangelnde<br />

Nachfrage nicht beklagen. Bei der<br />

Sparkasse KölnBonn bewarben sich in<br />

diesem Sommer 3500 junge Menschen,<br />

bei der Hamburger Sparkasse waren es<br />

knapp 4000, bei der Frankfurter Sparkasse<br />

1822 etwas mehr als 1100 Bewerber.<br />

Für die Flächeninstitute sieht die Welt<br />

anders aus: Zwar besteht auch hier große<br />

Nachfrage nach Ausbildungsplätzen,<br />

aber geeigneter Nachwuchs ist hier oft<br />

Mangelware, zumal in vielen Häusern<br />

das ungeschriebene Gesetz zu gelten<br />

scheint, dass der Nachwuchs aus der Region<br />

stammen muss. Für die Sparkassen<br />

ist es jedoch von Vorteil, dass das Nachwuchspersonal<br />

mit den regionalen Gegebenheiten<br />

bereits vertraut ist und auch<br />

nicht unbedingt den Absprung in die Metropole<br />

plant.<br />

Neu allerdings ist, dass sehr viele Kandidaten<br />

inzwischen mit Netz und doppeltem<br />

Boden arbeiten, ein Reflex auf<br />

die Bankenkrise und die damit einhergehenden<br />

Verunsicherungen. „Wenn man<br />

die Kandidaten nach ihrem Plan B fragt,<br />

nennen sie die Krankenkasse oder die<br />

Stadtverwaltung. Das hat es bis vor wenigen<br />

Jahren nicht gegeben. Früher wollten<br />

Bewerber einfach nur zur Sparkasse“,<br />

sagt Bernd Möller, Leiter des Personalmanagements<br />

der Sparkasse Fulda (siehe Interview<br />

auf Seite 26).<br />

Nachlassendes Bildungsniveau<br />

Persönliche Wohlfahrt und Sicherheitsdenken<br />

statt Kommunikation und<br />

Kreation – kein Unternehmen der Finanzwirtschaft<br />

kann sich solche Karriereperspektiven<br />

leisten. „Vertrieb bedeutet<br />

Gespräch und auf diesem Feld wird<br />

die Schlacht geschlagen“, sagt Hermann<br />

Wegele, Leiter der Unternehmenskommunikation<br />

der Sparkasse Neu-Ulm-Illertissen.<br />

Zudem sollten die Sparkassen<br />

intensiv und früher als bisher nach den<br />

Qualifizierten suchen.<br />

„Das Bildungsniveau geht zurück“, beobachtet<br />

Reinhard Faulstich, Vorstandsvorsitzender<br />

der Sparkasse Bad Hersfeld-<br />

Rothenburg. Die Personalleiterin einer<br />

badischen Sparkasse, auf deren Schreibtisch<br />

jährlich bis zu 450 Bewerbungen<br />

landen, bestätigt: „Viele Bewerber beherrschen<br />

noch nicht einmal den Dreisatz,<br />

und wenn dann noch einer mit Kaugummi<br />

im Mund zum Gespräch erscheint, gehen<br />

sowieso gleich alle Lampen aus.“ Zudem<br />

gebe es noch andere Defizite: „Viele<br />

der jungen Leute haben keinen blassen<br />

Schimmer davon, was eine Bank, geschweige<br />

denn ein Sparkasse überhaupt<br />

ist.“<br />

Wer den Ausbildungsvertrag erhält,<br />

weiß jedoch, dass eine Sparkasse der Allgemeinheit<br />

verpflichtet ist. Eine andere<br />

Motivation für seine Bewerbung nennt<br />

der Münchener Alexander Grappa: „Für<br />

mich hat der Bankerberuf beste Zukunftschancen,<br />

weil ohne die Beratung guter<br />

Banker Privatfinanzen und Wirtschaft<br />

auch in Zukunft nicht funktionieren werden.“<br />

<br />

Genug gute Bewerber:<br />

Sparkasse Barnim<br />

Hannelore Manzke, Leiterin Personalmanagement:<br />

Es kommen wieder mehr Bewerbungen als<br />

in den Vorjahren. Wir spüren das gestiegene<br />

Interesse, auch bei den Jobbörsen. Beim<br />

Auswahlverfahren registrierten wir Ende 2010<br />

bei den Kandidaten erfreulicherweise auch<br />

deutlich mehr Qualität.<br />

Neue Ausbildungsplätze 2011:<br />

acht Bankkaufleute<br />

Zahl der Azubis 2008 bis 2010: 25<br />

Besonderheiten: Eine Auszubildende<br />

beginnt in diesem Sommer ein duales<br />

Studium an der Hochschule für Wirtschaft<br />

und Recht in Berlin.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


26<br />

KARRIERE<br />

AUSBILDUNG II<br />

„Wir suchen mehr denn je den<br />

kommunikativen Typ“<br />

Bernd Möller, Personalmanager der Sparkasse Fulda, erläutert, wie sein Haus an die richtigen<br />

Auszubildenden kommt. Bei dem hessischen Institut sind 42 Azubis tätig, in diesem Sommer<br />

nehmen 31 weitere angehende Bankkaufleute ihre Ausbildung auf. 220 hatten sich beworben.<br />

SPARKASSE: Herr Möller, was ist auf dem<br />

Bewerbermarkt in diesem Jahr anders als<br />

in der Zeit vor der Finanzkrise?<br />

Bernd Möller: Unsere Bewerber haben<br />

– anders als früher – nicht mehr nur die<br />

Sparkasse im Auge, wenn sie<br />

ins Gespräch gehen, sondern<br />

denken auch noch über andere<br />

Optionen nach.<br />

Worüber etwa?<br />

Möller: Zum Beispiel die Bundespolizei.<br />

Fragt man sie nach<br />

einem „Plan B“, dann rücken sie<br />

damit heraus. Andere favorisieren<br />

die Kommunalverwaltung.<br />

Ganz offensichtlich mögen viele<br />

Bewerber das ganz besonders<br />

Sichere, wenngleich sich Sparkassen<br />

in punkto Arbeitsplatzsicherheit<br />

vor anderen Arbeitgebern,<br />

auch staatlichen, nicht<br />

zu verstecken brauchen.<br />

Polizeistation und Rathaus sind aber nicht<br />

mit einem Wirtschaftsunternehmen wie einer<br />

Sparkasse vergleichbar.<br />

Möller: Natürlich nicht, denn wir<br />

suchen eigentlich mehr denn je den<br />

kommunikativen Typ. Unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter müssen in Vertriebskategorien<br />

denken und arbeiten,<br />

wenn ihr Institut Erfolg haben soll. Dies<br />

setzt auch ganz andere Neigungen und<br />

Talente, etwa Kunden- und Geschäftsorientierung<br />

voraus. Das bedeutet jetzt<br />

nicht, dass der Beamte das nicht hätte.<br />

„Viele Bewerber<br />

mögen das ganz<br />

besonders<br />

Sichere.“<br />

Bernd Möller,<br />

Personalmanager<br />

Sparkasse Fulda<br />

Nehmen auch Sie nicht lieber einen Realschüler,<br />

weil Sie wissen, dass der Ihnen vermutlich<br />

später erhalten bleibt, während der<br />

Abiturient die Banklehre vielleicht eher als<br />

Zwischenstation betrachtet?<br />

Möller: Wir nehmen grundsätzlich<br />

jeden Bewerber, von<br />

dem wir überzeugt sind, dass er<br />

die Fähigkeiten mitbringt, die er<br />

braucht, um als Bankkaufmann<br />

oder -kauffrau erfolgreich zu bestehen.<br />

Gute Realschüler bewerben<br />

sich leider nicht sehr oft. Eltern<br />

und Pädagogen empfehlen<br />

meist einen weiterführenden<br />

Schulbesuch, weil sie sich davon<br />

für ihren Zögling bessere<br />

Chancen am Ausbildungs- und<br />

Arbeitsmarkt erhoffen.<br />

Wie hat sich die Bankenkrise auf<br />

die Zahl der Bewerbungen ausgewirkt?<br />

Möller: Eher weniger. Wir hatten<br />

zwar schon im vergangenen Jahr<br />

damit gerechnet, dass die Anzahl der Bewerber<br />

sinken würde, aber das ist nicht<br />

eingetreten. Wir sind als ausbildendes<br />

Unternehmen gefragt, auch wenn wir,<br />

wie gesagt, mit anderen Arbeitgebern<br />

konkurrieren.<br />

Was unternimmt Ihr Haus, um die Attraktivität<br />

bei den jungen Menschen zu erhöhen?<br />

Möller: Wir sind schon lange vor der<br />

heißen Bewerbungsphase aktiv, etwa in<br />

Schulen. Hier bieten wir Informationsveranstaltungen<br />

und Bewerbertrainings<br />

an. Wir sind auf Ausbildungsmessen vertreten<br />

und stehen Interessenten für Informationsgespräche<br />

zur Verfügung. Außerdem<br />

vergeben wir Praktikumsstellen und<br />

haben einen anerkannt guten und informativen<br />

Internetauftritt.<br />

Welche Rolle spielt das Internet?<br />

Die Klickraten auf unseren Seiten sind<br />

sehr gut. Abgesehen davon stellt sich<br />

auch für uns die Frage: Wie präsentieren<br />

wir uns eventuell künftig in den sozialen<br />

Netzwerken? Hier sind wir bisher noch<br />

nicht vertreten.<br />

Wie denken Sie über die sogenannte „duale<br />

Ausbildung“?<br />

Eine Banklehre plus Studienmöglichkeit<br />

ist aus Sicht des Bewerbers natürlich<br />

das Sahnehäubchen. Für den Arbeitgeber<br />

stellt sich das etwas anders dar, denn dieser<br />

könnte gezwungen sein, sich schon<br />

sehr früh darauf festzulegen, wer bei ihm<br />

mittelfristig einmal in Führungspositionen<br />

kommt.<br />

<br />

Das Gespräch führte Reinold Rehberger.<br />

Das klingt auch wie eine Kritik am Schulsystem.<br />

Möller: Wir sind nicht die einzigen Arbeitgeber,<br />

die immer häufiger mit nicht<br />

ausreichend qualifizierten Bewerbern<br />

konfrontiert werden.<br />

Welche Mindestvoraussetzungen muss ein<br />

Auszubildender erfüllen?<br />

Möller: Den mittleren Bildungsabschluss.<br />

Er muss eine bestimmte Vorbildung<br />

mitbringen, die er dann auch<br />

im direkten Kundenkontakt einsetzen<br />

kann.<br />

Azubis der Sparkasse Fulda – das gemeinsame Klettertraining soll den Teamgeist der Gruppe<br />

stärken. <br />

FOTOS: SPK FULDA<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MANAGEMENT 27<br />

K<strong>UND</strong>ENKOMMUNIKATION<br />

Kampf dem Wortkrampf<br />

Finanzdienstleister und Forscher kämpfen für einfacher lesbare Texte.<br />

n VON THOMAS SCHINDLER<br />

Seit April präsentiert die Huk-Coburg<br />

ihre Hausratversicherungsbedingungen<br />

in relativ verständlichem<br />

Deutsch. In mehr als 1000 Stunden hatten<br />

der Versicherung und vom Bund<br />

der Versicherten (BdV) Geschäftsbedingungen<br />

der Hausratversicherung Satz<br />

für Satz geprüft, rund 1000 Passagen und<br />

15 500 Wörter überarbeitet und in einen<br />

lesbaren und rechtssicheren Text umgeschrieben:<br />

Kein Satz beinhaltet jetzt<br />

mehr als 20 Wörter, der Satzbau wurde<br />

vereinfacht. Substantivierungen wurden<br />

vermieden, Passagen sind gekürzt (siehe<br />

Auszüge im Kasten).<br />

„Unser Ziel war es, die Versicherungsbedingungen<br />

im Interesse der Verbraucher<br />

transparenter und verständlicher zu gestalten“,<br />

erläutert der BdV-Vorstandsvorsitzende<br />

Hartmuth Wrocklage. In der Regel<br />

bleibe das Kleingedruckte ungelesen,<br />

weil die Versicherungsbedingungen unverständlich<br />

geschrieben sind. Das habe<br />

die Huk-Coburg ändern wollen. Künftig<br />

wüssten die Kunden, was sie unterschrieben.<br />

Damit die Kunden sich besser orientieren<br />

können, wurde auch die übliche<br />

Dreiteilung in allgemeine und besondere<br />

Versicherungsbedingungen sowie<br />

zusätzliche Einzelbestimmungen – sogenannte<br />

Klauseln – durchbrochen. „Der<br />

Versicherungsnehmer muss nicht an<br />

mehreren Stellen nachlesen, wie er in einer<br />

bestimmten Situation versichert ist,<br />

sondern findet die Information gebündelt<br />

unter einem Punkt“, sagt Wrocklage.<br />

Notwendige juristische Begriffe sind zudem<br />

in einem Glossar gesondert erklärt.<br />

Die Huk ist kein Einzelfall. Auch die<br />

Ergo-Versicherungsgruppe will das Verstehen<br />

der Spielregeln erleichtern. Das<br />

Unternehmen hatte in Werbekampagne<br />

diese Zielsetzung bereits vollmundig verkündet.<br />

„Wir haben übergreifende und<br />

verpflichtende Verständlichkeitskriterien<br />

entwickelt, die in allen Kommunikationskanälen<br />

zur Anwendung kommen“,<br />

wirbt Ergo-Chef Torsten Oletzky. Definierte<br />

Kriterien zu Inhalten, Form und<br />

Sprache der Kundenkommunikation<br />

sollten den Mitarbeitern als Orientierung<br />

und Checkliste dienen.<br />

Die Ergo-Gruppe überprüft Texte für<br />

Kunden mit einer Software. Wird ein<br />

sprachlicher Mindeststandard nicht erreicht,<br />

dürfen diese Schreiben nicht in<br />

der Kommunikation eingesetzt werden.<br />

Um neben schriftlichen Mitteilungen<br />

auch die Beratungsgespräche zu verbessern,<br />

werden Mitarbeiter im Innen- und<br />

Außendienst geschult, sich künftig nicht<br />

mehr hinter Worthülsen und Fachbegriffen<br />

zu verstecken.<br />

In einem ersten Schritt erhöhte Ergo die<br />

Übersichtlichkeit der Bedingungen für<br />

die private Haftpflichtversicherung. Statt<br />

wie bisher auf 30 Seiten findet der Kunde<br />

die Informationen nun auf einer Seite.<br />

Die Überarbeitung der Versicherungsbedingungen<br />

für weitere Produkte soll im<br />

Lauf der nächsten Monate folgen.<br />

Kein Verstecken hinter Fachjargon<br />

Damit sich in die Texte nicht wieder Versicherungschinesisch<br />

einschleicht, werden<br />

die Verständlichkeitskriterien von<br />

dem Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler<br />

Prof. Frank Brettschneider<br />

zertifiziert. Gab es Hürden auf dem Weg<br />

Alte und neue Versicherungsbedingungen<br />

Alt: „Der Versicherungsschutz gegen Raub<br />

erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende<br />

Ursachen nicht auf Schäden an Sachen, die an<br />

den Ort der Wegnahme oder der Herausgabe<br />

erst auf Verlagen des Täters herangeschafft<br />

werden.“<br />

Alt: „Versicherungsschutz besteht auch in<br />

Garagen in der Nähe des Versicherungsortes,<br />

soweit sie ausschließlich von Ihnen oder einer<br />

mit Ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden<br />

Person zu privaten Zwecken genutzt werden.“<br />

Alt: „In Erweiterung von Ziffer 4.1 VHB 2009<br />

ersetzen wir die tatsächlich angefallenen,<br />

nachgewiesenen Kosten für einen Umzug,<br />

wenn ein Totalschaden an der Wohnung eingetreten<br />

oder die durch einen Versicherungsfall<br />

auf Dauer unbewohnbar geworden ist.“<br />

Alt: „Dazu gehören alle Sachen, die in einem<br />

Haushalt zur Einrichtung oder zum Gebrauch<br />

oder zum Verbrauch dienen.“<br />

zur Verständlichkeit? Brettschneider verneint:<br />

„Die Mitarbeiter aller Hierarchiestufen<br />

waren extrem aufgeschlossen. Sogar<br />

die Hausjuristen, normalerweise die<br />

Bedenkenträger, haben mitgespielt.“<br />

Die Ergo-Versicherung hat zusätzlich<br />

ein Social-Media-Portal eingerichtet, um<br />

zu zeigen, dass ihr Werbespruch „Versichern<br />

heißt verstehen“ ernst gemeint<br />

sei. Kunden können über die Online-<br />

Präsenz Unverständliches melden. Die<br />

Versicherung will das aufgreifen und<br />

sämtliche Texte permanent verbessern.<br />

Ein Verständlichkeitsbeauftragter, direkt<br />

unter dem Vorstand angesiedelt, wacht<br />

über den Prozess.<br />

<br />

SPARKASSE hat in der Februarausgabe ein<br />

Interview mit dem Sprachexperten Frank<br />

Brettschneider veröffentlicht. Interessenten<br />

können den Artikel per PDF gratis anfordern:<br />

sparkasse@dsgv.de.<br />

Neu: „Schaffen Sie Sachen erst heran, weil<br />

der Täter das von Ihnen verlangt hat, haben<br />

Sie dafür keinen Versicherungsschutz.<br />

Geschieht dies allerdings innerhalb des<br />

Versicherungsorts, an dem die Tathandlung<br />

nach a) verübt wurden, sind diese Sachen<br />

versichert.“<br />

Neu: „Zu Wohnungen zählen auch ... Garagen,<br />

die nicht weiter als 3 km Luftlinie von<br />

Ihrer Wohnung entfernt sind, soweit sie ausschließlich<br />

von Ihnen oder einer mit Ihnen in<br />

häuslicher Gemeinschaft lebenden Person<br />

und zu privaten Zwecken genutzt werden.“<br />

Neu: „Wir ersetzen Umzugskosten, wenn Ihre<br />

ständig bewohnte Wohnung durch einen<br />

Versicherungsfall für mindestens 100 Tage<br />

unbewohnbar geworden ist. Wir erstatten<br />

die tatsächlich angefallenen Kosten und von<br />

Ihnen nachgewiesene Kosten.“<br />

Neu: „Zum Hausrat gehören alle Sachen<br />

die in einem Hausrat zur privaten Nutzung<br />

dienen. Dazu zählt alles, was Sie gebrauchen<br />

oder verbrauchen. Das können zum Beispiel<br />

Möbel, Haushaltsgeräte oder Lebensmittel<br />

sein.“<br />

Auszüge aus früheren und aktuellen Bedingungen der HUK-Coburg für Hausratsversicherungen.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


28<br />

FORUM<br />

Ist die Sparkassensprache<br />

Fonds, Produkte, Konditionen – Verbraucherschützer mahnen, Finanzinstitute informierten ihre Kunden<br />

1. Nicht ganz richtig. Wir<br />

haben Texte von Banken<br />

und Sparkassen untersucht,<br />

die sich an Kunden und<br />

an Journalisten als Mittler<br />

wendeten. Das Ergebnis: Es<br />

finden sich viele gute Texte,<br />

aber auch einige unverständliche.<br />

Kein Geldinstitut<br />

war über alle Textsorten<br />

hinweg brillant. Man merkt,<br />

dass es in den Unternehmen<br />

in der Regel keine einheitliche<br />

Text-Policy gibt. Aber<br />

Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />

schneiden<br />

unter dem Strich besser ab<br />

als Großbanken. Der Vorteil<br />

der Sparkassen ist wohl ihre<br />

Nähe zum Kunden, in Sparkassen-Filialen<br />

spricht man<br />

deren Sprache. Wo bei den<br />

Großbanken der Anteil an<br />

Anglizismen auffällt, ist es<br />

bei den Sparkassen ihr Hang<br />

zu Passivkonstruktionen.<br />

Diese sind typisch für eine<br />

Verwaltungssprache. Daran<br />

müsste vordringlich gearbeitet<br />

werden.<br />

2. Wenn Experten mit Experten<br />

sprechen, sollte man an<br />

die Verständlichkeit eines<br />

Textes andere Maßstäbe anlegen,<br />

als wenn Experten mit<br />

Laien reden. Diese beiden<br />

Kommunikationsformen gilt<br />

es zu unterscheiden. Erstellt<br />

etwa der Sparkassenverlag<br />

Broschüren, die sich an die<br />

Kommunikatoren innerhalb<br />

der Sparkassen richten, sind<br />

diese Texte anders zu bewerten,<br />

als die Beiträge für<br />

Broschüren, die sich an die<br />

Endkunden richten. Auch<br />

Akademiker schätzen es,<br />

wenn sie verständlich angesprochen<br />

werden. Trotz hoher<br />

formaler Bildung mögen<br />

sie es, wenn sie Botschaften<br />

schnell verstehen. Niemand liebt Schachtelsätze,<br />

unbekannte Fachbegriffe oder<br />

eine unübersichtliche Gliederung.<br />

3. Texte lassen sich verständlich schreiben,<br />

Produkte sich verständlich beschreiben.<br />

Gelingt das nicht, gibt es vielleicht<br />

ein Problem mit dem Produkt. Letztlich<br />

hat die Finanzkrise gezeigt, dass Bankberater<br />

mit dem Erläutern komplexer<br />

PRO<br />

„Kein Geldinstitut<br />

ist über<br />

alle Textsorten<br />

hinweg brillant.<br />

Man<br />

merkt, dass<br />

es keine einheitlichen<br />

Standards<br />

gibt.“<br />

Prof. Frank<br />

Brettschneider,<br />

Lehrstuhl für<br />

Kommunikationswissenschaft,<br />

Universität<br />

Hohenheim<br />

Produkte überfordert sein<br />

können. Ist das Produkt verständlich,<br />

gibt es in der Regel<br />

keine Kommunikationsprobleme.<br />

Entweder müssen<br />

komplizierte Produkte nur<br />

für entsprechend geeignete<br />

Zielgruppen angeboten<br />

werden oder sie müssen so<br />

transparent erklärt werden,<br />

dass jeder sie verstehen<br />

kann. Bei allen Anforderungen<br />

an Sparkassen gibt<br />

es aber auch eine Holschuld<br />

des Kunden. Nur sollte man<br />

ihm seine Hausaufgaben<br />

nicht unnötig erschweren.<br />

4. Verbraucherschützer erreichen<br />

manchmal mit guter<br />

Absicht Negatives. Die von<br />

ihnen vorgeschriebene Informationsflut<br />

ist oft kontraproduktiv.<br />

Positiv sind<br />

nicht Informationsmassen,<br />

sondern übersichtlich präsentierte<br />

Informationen. Das<br />

Verbraucherschutzministrium<br />

packt hingegen immer<br />

noch etwas dazu, sogar einzelne<br />

Formulierungen und<br />

Begriffe werden vorgeschrieben,<br />

so dass am Ende alles<br />

in einer Flut von Wörtern<br />

untergeht. Wenn man etwas<br />

verbessern will, gibt es zwei<br />

Wege: Entweder ringt man<br />

mit seinen Hausjuristen, bis<br />

der Text selbst rechtssicher<br />

und verständlich ist, oder<br />

man erstellt eine zusätzliche<br />

Kurzfassung, die nur relevante<br />

Punkte enthält. Diese<br />

werden in einer einfachen,<br />

nicht rechtlichen Sprache<br />

vorgestellt.<br />

5. Während der Bush-<br />

Administration produzierte<br />

das US-Verteidigungsministerium<br />

einige Texte für die<br />

Mitarbeiter tatsächlich in<br />

Comicform, damit sie richtig verstanden<br />

würden. Wenn es um Finanzprodukte<br />

geht, würde ich aber nicht in erster Linie<br />

mit Comics arbeiten. Aber wichtig sind<br />

Visualisierungen und gute Schaubilder<br />

sowie eine Sprache, die einfach, aber<br />

nicht banal sein muss. Wer für seine Zielgruppe<br />

Finanztexte schreiben will, sollte<br />

klare Sätze formulieren und Fremdworte<br />

meiden oder erklären. Selbst wenn man<br />

Sprechblasen unerwünscht: Gesetzliche<br />

Auflagen erschweren die Formulierung von<br />

Texten in der Finanzbranche. Dennoch<br />

müssen die Kundenberater ihre Kunden klar<br />

informieren. <br />

GRAFIK: OLIVER WEISS<br />

auch im Idealfall nicht alle Leser erreicht,<br />

gibt es doch viele Hürden, die man abbauen<br />

kann.<br />

6. Das kommt darauf an, auf welche Stufe<br />

man sich bewegt. Geht es darum, sprachlich<br />

ein wenig besser zu werden, kommt<br />

man ein Stück weiter, wenn die Mitarbeiter<br />

motiviert sind. Es fehlt ja nicht an Ratgebern<br />

von Profis wie Wolf Schneider. Ein<br />

solches Vorgehen ist aber nicht systematisch<br />

und abhängig von den jeweiligen<br />

Personen und ihrer Motivation. Will man<br />

systematisch vorgehen, ist externe Unterstützung<br />

sinnvoll. Beispielsweise bieten<br />

die Verbände gute Mustertexte an. Darüber<br />

hinaus kann man sich an externe Experten<br />

wenden oder auf softwarebasierte<br />

Lösungen zurückgreifen. Letztere bieten<br />

eine Art Rechtschreibprogramm für die<br />

Verständlichkeit: Ist ein Satz zu lang?<br />

Entspricht ein Begriff nicht dem Sprachgebrauch<br />

des Hauses? Darüber hinaus<br />

halte ich es für sinnvoll, Kunden über<br />

das Web 2.0 einzubinden und sie aufzufordern,<br />

unverständliche Passagen mitzuteilen.<br />

Was der Kunde nicht versteht,<br />

wird dann verständlicher formuliert. n<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


FORUM 29<br />

schwer verständlich?<br />

5. Ich halte eine barrierefreie Sprache<br />

nicht für möglich. Laut Académie franunverständlich.<br />

Muss die Sprache der Finanzbranche kundenfreundlicher werden?<br />

Fragen an die Kontrahenten<br />

1. Banken und Sparkassen wird häufig<br />

vorgeworfen, unverständlich zu formulieren?<br />

Richtig oder Vorurteil?<br />

2. Gibt es eine Verständlichkeit für<br />

alle? Fühlt sich nicht immer der eine<br />

über-, der andere unterfordert?<br />

3. Wo liegt die Grenze der Verständlichkeit<br />

für den Durchschnittsleser,<br />

und was muss man ihm als Vertragspartner<br />

zumuten dürfen?<br />

4. Zwingen die gesetzlichen Aufgaben<br />

für Finanzprodukte zu komplexen<br />

Sprachstrukturen?<br />

5. Ist eine „barrierefreie“ Sprache<br />

überhaupt möglich? Wenn ja: Verlieren<br />

die Sparkassen damit an fachlicher<br />

Glaubwürdigkeit?<br />

6. Können Sparkassen verständlich<br />

schreiben, oder brauchen sie die<br />

dazu die HIlfe von Verbrauchschützern<br />

und Kunden?<br />

1. Man kann nicht generell behaupten,<br />

dass Banken oder Sparkassen unverständlich<br />

formulieren. Natürlich rutscht<br />

hin und wieder ein Fachbegriff durch, der<br />

nicht in jedem Fall von jedem verstanden<br />

wird. Das wird sicher niemand bestreiten,<br />

der Informationen für ein breites Publikum<br />

aufbereitet. Aber das ist kein Phänomen<br />

der Kreditwirtschaft, sondern eines<br />

aller Branchen: Wer mit Ärzten, Rechtsanwälten<br />

oder IT-Fachleuten spricht<br />

oder korrespondiert, stößt auf deren<br />

Fachjargon. Jeder, der mit Kunden kommuniziert<br />

muss aufpassen, dass er seine<br />

Ausdrucksweise dem Gegenüber anpasst<br />

und seine Texte nicht überfrachtet.<br />

2. Fragt man sich, was denn die Sprache<br />

des Kunden sei, stellt man schnell fest:<br />

Es gibt nicht nur eine. Wir haben es mit<br />

Menschen unterschiedlichster Herkunft<br />

und unterschiedlichstem Bildungs- und<br />

Ausbildungsniveau zu tun. Da kann es<br />

nicht die eine Sprache geben. Das ist eine<br />

ständige Herausforderung für jeden Kundenberater.<br />

Er oder sie muss sich immer<br />

wieder aufs Neue auf sein Gegenüber einstellen,<br />

denn den Kunden von der Stange<br />

gibt es nicht. Idealtypen sind<br />

theoretische Konstrukte, mit<br />

der Praxis hat das nichts zu<br />

tun. Vielleicht ist das Klientel<br />

homogener bei Banken,<br />

die ausschließlich Vermögende<br />

betreuen. In unsere<br />

Finanzcenter kommen allerdings<br />

alle Schichten der Bevölkerung.<br />

3. Jeder Kunde erwartet zunächst<br />

einmal, dass wir ihn<br />

verstehen. Das ist bei einem<br />

Handwerker nicht anders<br />

als bei einem Akademiker.<br />

Es ist eine ständige Gratwanderung:<br />

Ist das Niveau<br />

zu hoch, wirkt das arrogant<br />

und gleichgültig. Ist es zu<br />

niedrig, fühlt sich der Kunde<br />

nicht ernst genommen. Wir<br />

versuchen, komplizierte Produkte<br />

und Sachverhalte so<br />

einfach wie möglich zu erklären,<br />

ohne zu sehr zu vereinfachen.<br />

Was das Stichwort<br />

„Zumutung“ betrifft: Kein<br />

Mitarbeiter unseres Hauses<br />

drückt sich absichtlich unverständlich<br />

aus. Wenn<br />

Kunden also Fragen haben,<br />

sollten sie diese stellen. Unklarheiten<br />

können wir nicht<br />

beseitigen, wenn wir nicht<br />

wissen, dass es sie gibt.<br />

4. Nicht nur in der Finanzbranche<br />

gibt es bei der<br />

Formu lierung von Texten<br />

Einschränkungen durch gesetzliche<br />

Auflagen. Deshalb<br />

werden etwa Allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen und<br />

Kontoeröffnungsunterlagen<br />

häufig als leserunfreundlich<br />

und unverständlich kritisiert.<br />

Hier gibt es juristische<br />

Vorgaben, Banken und Sparkassen<br />

brauchen schließlich<br />

auch Rechts sicherheit.<br />

Daran ist nichts zu ändern.<br />

Umso mehr richten wir unser<br />

Augenmerk auf die Kommunikationsmittel,<br />

die wir<br />

gestalten können wie die<br />

Printmedien, den Schriftverkehr oder<br />

die Online-Präsenz. Das überprüfen wir<br />

regelmäßig.<br />

CONTRA<br />

„Wir versuchen,<br />

komplizierte<br />

Sachverhalte<br />

so<br />

einfach wie<br />

möglich zu<br />

erklären, ohne<br />

zu sehr zu<br />

vereinfachen.“<br />

Daniela Gramlich,<br />

Pressesprecherin,<br />

Nassauische<br />

Sparkasse<br />

çaise gibt es weltweit mindestens<br />

2800 Sprachen sowie<br />

sieben- bis achttausend Dialekte.<br />

Wie soll man unter diesen<br />

Bedingungen davon ausgehen,<br />

dass auch nur zwei<br />

Muttersprachler sich verstehen?<br />

Kurt Tucholsky war<br />

da ganz pessimistisch, von<br />

ihm stammen folgende Sätze:<br />

„Wie sprechen Menschen<br />

mit Menschen? Aneinander<br />

vorbei.“ Bei der Naspa arbeiten<br />

Menschen aus 21 Nationen,<br />

entsprechend viele<br />

Sprachen sprechen unsere<br />

Mitarbeiter. Das ist ein Riesengewinn,<br />

sowohl für unser<br />

Haus als auch für die Kunden.<br />

Denn wir versuchen<br />

natürlich, diese Mitarbeiter<br />

dort einzusetzen, wo sie auf<br />

Menschen mit der gleichen<br />

Muttersprache treffen. Das<br />

ist für alle von Vorteil und<br />

ein weiterer glaubwürdiger<br />

Beleg dafür, dass Sparkassen<br />

für die Menschen in ihrer<br />

Region da sind.<br />

6. Wo wir sprachlich Einfluss<br />

nehmen können, achten<br />

wir auf eine möglichst<br />

klare und verständliche<br />

Sprache. Juristische Vorgaben<br />

haben wir natürlich zu<br />

akzeptieren. Andererseits:<br />

AGBs sind für Kunden kein<br />

Grund, sich für oder gegen<br />

eine Sparkasse – oder ein<br />

anderes Unternehmen – zu<br />

entscheiden. Das ist uns<br />

jedenfalls noch nie rückgemeldet<br />

worden. Anders ist<br />

das bei Briefen oder Broschüren,<br />

hier bekommen<br />

wir durchaus Rückmeldungen<br />

von Kunden. Diese<br />

nehmen wir auf, wenn wir<br />

zu dem Schluss kommen,<br />

dass sie die Verständlichkeit<br />

erhöhen. Das Bemühen um<br />

Verständlichkeit ist eben<br />

ein ständiger Prozess, damit<br />

sind wir nie fertig. n<br />

Die Fragen stellte Thomas Schindler.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


30<br />

MANAGEMENT<br />

MOTIVATION<br />

Eine Floßfahrt tut‘s auch<br />

Das öffentliche Ansehen der Versicherungswirtschaft in Deutschland hat zuletzt gelitten. Dazu<br />

beigetragen hat eine bekannt gewordene Lustreise der Hamburg-Mannheimer. Ohne Prämien<br />

und Incentives kommen Versicherer nicht aus – doch welche Belohnungen sind angemessen?<br />

n VON HORST PETER WICKEL<br />

Die Lustreise der heute zum Ergo-Konzern<br />

gehörenden Hamburg-Mannheimer<br />

(HMI) blieb nicht unbemerkt:<br />

76 Prozent der Deutschen haben davon<br />

gehört, dass eine Versicherung ihre besten<br />

Vertreter zu einer Sex-Party nach<br />

Budapest eingeladen hat. Auch auf das<br />

Abschlussverhalten hat der „Betriebsausflug“<br />

der Hamburg-Mannheimer Auswirkungen:<br />

35 Prozent der Teilnehmer<br />

einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts<br />

Puls werden beim nächsten<br />

Abschluss einer Versicherung eher<br />

einen anderen Anbieter wählen.<br />

„Der Verkauf von Finanz- und Versicherungsprodukten<br />

sollte durch Kundenbedürfnisse<br />

und nicht durch die<br />

Aussicht auf Provisionen oder Lustreisen<br />

geleitet sein“, kommentiert Puls-Chef<br />

Konrad Weßner die Ergebnisse. Nach<br />

seiner Einschätzung belastet unseriöses<br />

Geschäftsgebaren nicht nur Hamburg-<br />

Mannheimer und den Mutterkonzern<br />

Ergo, sondern die Versicherungsbranche<br />

insgesamt. Zum Aufbau von Vertrauen<br />

gehöre auch, dass die Finanzbranche<br />

Schluss mit der provisionsgeleiteten Bezahlung<br />

seiner Vertreter macht.<br />

Aber die Versicherer machen weiter.<br />

„Incentives sind für uns ein wichtiges<br />

Instrument zur Förderung der Verkaufsund<br />

Serviceleistung“, sagt Ergo-Direkt-<br />

Sprecherin Christine Grützemacher:<br />

„Zudem tragen sie zu einer Steigerung<br />

der Mitarbeitermotivation bei.“ Bei der<br />

Nürnberger Direktversicherung, die<br />

früher KarstadtQuelle Versicherungen<br />

hieß, werden Einzel- und Gruppenwettbewerbe<br />

durchgeführt, bei denen sich<br />

die besten, also vertriebsstärksten Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter über zusätzliche<br />

Belohnungen freuen können. Mal<br />

gibt es Einkaufsgutscheine für Einzelne,<br />

mal gemeinsame Veranstaltungen wie<br />

eine Floßfahrt oder einen Kochkurs für<br />

erfolgreiche Gruppen.<br />

Ski-Events und Städtereisen<br />

Grützemacher erklärt: „Damit wird wiederum<br />

eine gute Zusammenarbeit innerhalb<br />

des Teams gefördert und belohnt.“<br />

Beim Direktversicherer der Ergo sind alle<br />

Mitarbeiter im Kundenservice-Center<br />

festangestellt, neben dem Festgehalt gibt<br />

es leistungsabhängige Provisionen. Im<br />

vergangenen Jahr hat Ergo Direkt rund<br />

44 Prozent der neuen Versicherungen am<br />

Telefon verkauft, jeweils zehn Prozent<br />

über Internet und Mailings, also Werbebriefe.<br />

Und etwa ein Drittel aller neuen<br />

Policen wurden von anderen Unternehmen<br />

vermittelt, etwa Betriebskrankenkassen<br />

oder Apollo Optik (Brillenversicherung).<br />

Auf kräftige Vertriebspartner setzt auch<br />

die Versicherungskammer Bayern (VKB)<br />

– so tragen in der Lebensversicherung<br />

die Sparkassen 71,8 Prozent zum Erfolg<br />

bei, die Genossenschaftsbanken liefern<br />

8,1 Pro zent der neuen Verträge, VKB-<br />

Agenturen sind mit 16,1 Prozent dabei.<br />

Bei Kompositversicherungen tragen die<br />

Sparkassen immerhin 25,4 Prozent zum<br />

Erfolg bei (VKB-Agenturen 33 Prozent,<br />

Makler 28 Prozent, Genossenschaftsbanken<br />

4,2 Prozent). Für ihre Beratungsund<br />

Betreuungsleistung werden die<br />

Vertriebspartner mit Abschluss- und Folgeprovisionen<br />

entlohnt, aber zur Höhe<br />

will das Unternehmen aus Wettbewerbsgründen<br />

keine Auskunft erteilen. Zusätzlich<br />

werden erfolgreiche Verkäufer<br />

mit Ski-Veranstaltung, Städtereisen oder<br />

Abendveranstaltungen belohnt – „Lustreisen“<br />

sind bei der Versicherungskammer<br />

Bayern freilich undenkbar, wie Sprecher<br />

Jürgen Haux betont<br />

Die Nürnberger Versicherungsgruppe<br />

würdigt seit 48 Jahren besonders verdiente<br />

Mitarbeiter und Vertriebspartner<br />

Gellert-Bad in<br />

Budapest: Hier<br />

organisierte die<br />

inzwischen zu Ergo<br />

gehörende Hamburg-<br />

Mannheimer 2007 eine<br />

Feier mit Prostituierten,<br />

um die 100<br />

tüchtigsten Vertriebler<br />

zu belohnen. 83.000<br />

Euro soll die Party<br />

gekostet haben, die<br />

inzwischen am Image<br />

der Ergo und der<br />

ganzen Branche kratzt.<br />

FOTO: DPA<br />

bei der jährlichen Bundessiegerehrung,<br />

die in Nürnberg oder einer Metropole<br />

im europäischen Ausland stattfindet.<br />

Zeit und Gelegenheit für Bordellbesuche<br />

bleibt nicht: „Der Vorstand der Nürnberger<br />

begrüßt zu diesen Veranstaltungen<br />

die Bundessieger mit ihren Ehe- oder<br />

Lebenspartnern“, sagt Pressesprecherin<br />

Silke Weber.<br />

Lebenspartner sind mit eingeladen<br />

Bei der Universa Versicherung sind im eigenen<br />

Außendienst bundesweit fast 600<br />

Personen beschäftigt, rund ein Drittel als<br />

Angestellte und zwei Drittel als Selbstständige.<br />

Zudem arbeitet die Universa<br />

mit mehr als 6000 unabhängigen Vertriebspartnern<br />

zusammen, die für neue<br />

Versicherungsverträge Provisionen und<br />

Courtage kassieren. Um die Vertriebsleute<br />

zu motivieren, schreibt die Versicherung<br />

außerdem Wettbewerbsreisen<br />

aus, bei denen die besten und aktivsten,<br />

also verkaufsstärksten Mitarbeiter geehrt<br />

werden, die es laut Universa-Sprecher<br />

Stefan Taschner „geschafft haben, über<br />

alle Sparten hinweg ihre Kunden optimal<br />

zu beraten und zu betreuen und dabei<br />

nur wenig Storno zuzulassen“.<br />

Zu den Veranstaltungen werden auch<br />

die Ehe- und Lebenspartner eingeladen.<br />

Universa-Sprecher Taschner fügt hinzu:<br />

„Wir nutzen jedes Zusammenkommen<br />

immer auch zum Dialog und Austausch,<br />

wie wir unseren Service und unsere Produkte<br />

weiter verbessern können.“<br />

n<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MANAGEMENT 31<br />

MOBILE PAYMENT – GASTBEITRAG<br />

Karte als Wegbereiter<br />

Zahlen, ohne das Portemonnaie zu öffnen? Die Sparkassen-Finanzgruppe arbeitet daran – durch<br />

eine Aufrüstung der Debitkarte, wie DSGV-Kartenstratege Wolfgang Adamiok schreibt.<br />

Die SparkassenCard genießt heute<br />

schon Akzeptanz an rund 650.000<br />

Händlerterminals. In den kommenden<br />

Jahren werden 45 Mio. SparkassenCards<br />

mit Kontaktlos-Technologie ausgestattet.<br />

Die kontaktlose Kartenzahlung ist die<br />

optimale Basistechnologie, mit der dem<br />

Mobile Payment endlich der Durchbruch<br />

gelingen könnte.<br />

Immerhin verkündet die Mobilfunkindustrie<br />

schon seit Jahren, das Handy in<br />

ein „virtuelles Portemonnaie“ zu verwandeln.<br />

Kein Kramen nach Kleingeld mehr,<br />

keine Kartenzahlung mehr erforderlich<br />

– Mobile Payment macht’s möglich. Doch<br />

die Wirklichkeit sieht bislang anders aus:<br />

Über Pilotprojekte oder Nischenangebote<br />

ist Mobile Payment in Deutschland bisher<br />

nicht hinausgekommen.<br />

Tatsächlich sind die Zahlverfahren der<br />

einzelnen Anbieter zu kompliziert oder<br />

zu unwirtschaftlich für einen bundesweiten<br />

Einsatz. Nach wie vor sind Fragen wie<br />

zum Beispiel Sicherheit und Business<br />

Case für Mobile Payment per Handy oder<br />

Smartphone an der Händlerkasse (das sogenannte<br />

Proximity Payment) ungeklärt.<br />

Auch der Handel akzeptiert das Handy-<br />

Bezahlen nur sehr verhalten.<br />

Zahlung per Handy kann noch dauern<br />

Mobile Payment steht vor großen Herausforderungen,<br />

wenn es eine bundesweite<br />

Erfolgsstory werden soll. Letztlich wird<br />

man sich auch deshalb an bereits bestehenden<br />

Bezahlverfahren orientieren<br />

müssen. Für die Verbreitung von Mobile<br />

Payment ist es notwendig, dass Mobilfunkgeräte<br />

mit sicherer Near Field Communication<br />

(NFC)-Technologie flächendeckend<br />

verfügbar sind. Das ist noch<br />

nicht der Fall. Für dieses Jahr haben die<br />

ersten Hersteller angekündigt, Smartphones<br />

mit NFC-Schnittstelle anbieten zu<br />

wollen. Es werden aber noch einige Jahre<br />

vergehen, bis sich genügend NFC-fähige<br />

Mobilfunkgeräte in den Händen der deutschen<br />

Verbraucher befinden, um das Bezahlen<br />

per Handy als Massenanwendung<br />

zu betreiben.<br />

Das „Henne-Ei-Problem“ ist ein Grund,<br />

weshalb das Mobile Payment noch in den<br />

Kinderschuhen steckt: Händler und andere<br />

Akzeptanten investieren nur in die<br />

Terminalinfrastruktur für Mobile Payment<br />

am Point of Sale (PoS), wenn eine<br />

„kritische Masse“ von Kunden Smartphones<br />

mit entsprechender technischer<br />

Ausstattung besitzen und damit bezahlen<br />

wollen. Für Kunden mit NFC-Handys<br />

ist das Kontaktlos-Bezahlen aber erst interessant,<br />

wenn es genug Kassen gibt, an<br />

denen das Handy willkommen ist.<br />

Verlässliche Sicherheitsstandards für<br />

Mobile Payment sind ein weiteres offenes<br />

Thema, denn: Zahlungsverkehr<br />

basiert entscheidend auf dem Vertrauen,<br />

das die Kunden ihrem Kreditinstitut für<br />

diese Dienstleistung entgegen bringen.<br />

Nachrichten über Sicherheitslücken und<br />

Betrugsfälle führen dazu, dass das Vertrauen<br />

in ein Zahlungsmittel abnimmt<br />

und die Kunden dieses zurückhaltend<br />

einsetzen. Die deutsche Kreditwirtschaft<br />

setzt seit 30 Jahren auf umfassende technische<br />

Präventionsmaßnahmen, um das<br />

Vertrauen der Kunden in die etablierten<br />

deutschen Zahlungssysteme – Electronic<br />

Cash und das Deutsche Geldautomatensystem<br />

– zu rechtfertigen. Mobile Payment<br />

muss zukünftig ein vergleichbar<br />

hohes Sicherheitsniveau bieten, um das<br />

Vertrauen der Kunden zu gewinnen.<br />

Die SparkassenCard kontaktlos bietet<br />

sich schon heute an, dem kontaktlosen<br />

Bezahlen in unterschiedlichen Märkten<br />

den Weg als Massenanwendung zu ebnen.<br />

Die Entscheidung der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

zum flächendeckenden Rollout<br />

aller rund 45 Mio. SparkassenCards<br />

als Dual-Interface-Karte (also mit einer<br />

zusätzlichen kontaktlosen Schnittstelle)<br />

löst das „Henne-Ei-Problem“: Der Handel<br />

kann davon ausgehen, dass schon bald<br />

eine „kritische Masse“ seiner Kunden<br />

eine entsprechende Karte in der Brieftasche<br />

hat – und kann in die entsprechende<br />

Terminalinfrastruktur investieren.<br />

45 Mio. neuartige Debitkarten<br />

Gespräche mit dem Handel bestätigen,<br />

dass der vom DSGV aufgezeigte Weg für<br />

Händler hochinteressant ist. Davon profitiert<br />

das Mobile Payment, da NFC-fähige<br />

Kartenterminals auch in Smartphones<br />

integrierte NFC-Kartenanwendungen<br />

verarbeiten werden können. Die SparkassenCard<br />

kontaktlos ist also die Basistechnologie,<br />

die die bestehende Zahlungsinfrastruktur<br />

am PoS mit dem neuen<br />

Zahlungskanal Mobilfunk verbindet.<br />

Aus Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

kann Mobile Payment als eine Erweiterung<br />

zur etablierten Kartenzahlung<br />

gesehen werden, bei der das Handy zum<br />

neuen Formfaktor für die etablierten Kartenzahlverfahren<br />

wird. Bei den für Kunden<br />

und Händler gleichermaßen wichtigen<br />

Kriterien „Geschwindigkeit“ und<br />

„einfache Bedienung“ bietet die Karte im<br />

direkten Vergleich heute noch klare Vorteile.<br />

Nach Einschätzung des Deutschen<br />

Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)<br />

werden die ersten Anwendungen mit<br />

NFC-fähigen Mobiltelefonen darauf basieren,<br />

dass das Handy mit einer kontaktlosen<br />

Karte kommuniziert.<br />

Händler zeigen großes Interesse<br />

Für die SparkassenCard kontaktlos wird<br />

bereits geprüft, wie NFC-fähige Mobiltelefone<br />

für Distanzzahlungen mit der Karte<br />

und zum Aufladen der kontaktlosen,<br />

elektronischen Börse genutzt werden<br />

können. Erste Ergebnisse legen nahe,<br />

dass entsprechende Anwendungen mit<br />

dem Rollout der ersten Sparkassen-<br />

Cards kontaktlos zur Verfügung stehen<br />

könnten. Die strategischen und geschäftspolitischen<br />

Handlungsoptionen<br />

für ein Mobile-Payment-System der Sparkassen<br />

werden im Rahmen der aktuellen<br />

Weiterentwicklung der Debitkartenstrategie<br />

2015 ausgearbeitet. Fakt ist schon<br />

heute, dass die erfolgreiche Einführung<br />

der SparkassenCard kontaktlos mit dem<br />

parallelen Aufbau der Akzeptanz-Infrastruktur<br />

am PoS eine Schlüsselrolle auch<br />

für zukünftige Mobile-Payment-Anwendungen<br />

spielt.<br />

In Deutschland existiert eine seit Jahrzehnten<br />

effiziente Karteninfrastruktur,<br />

Karten sind weit verbreitet – laut Deutscher<br />

Bundesbank sind rund 125 Mio.<br />

Zahlungskarten im Umlauf – und als<br />

Zahlungsmittel akzeptiert. Für die Sparkassen<br />

liegt es auf der Hand, diese Infrastrukturvorteile,<br />

die sie federführend mit<br />

aufgebaut haben, zu nutzen, um sich für<br />

den Zukunftsmarkt Mobile Payment zu<br />

positionieren und hier eine starke Ausgangsposition<br />

zu erlangen.<br />

Je früher die Sparkassen-Finanzgruppe<br />

auf Basis der SparkassenCard Kontaktlos-<br />

Anwendungen anbietet und damit auch<br />

die technische Ausstattung im Handel<br />

und bei anderen Akzeptanten forciert,<br />

desto wahrscheinlicher ist es, dass auch<br />

kommende Mobile-Payment-Verfahren<br />

diese Infrastruktur als Basis nutzen werden.<br />

<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


FOTO: DPA<br />

32<br />

MANAGEMENT<br />

INFORMATIONSTECHNIK<br />

Wolkenträume<br />

Cloud Computing gilt IT-Strategen als Technik der Stunde. Es erscheint verlockend, Datendienste<br />

in eine flexible, öffentliche Umgebung auszulagern, um Ressourcen effizienter zu nutzen. Doch die<br />

Finanzbranche hält sich zurück. Sind die Sicherheits- und Performancebedenken gerechtfertigt?<br />

n VON MARTIN SCHWER<br />

Die Situation ist aus vielen Lebensund<br />

Arbeitsbereichen vertraut: Tätigkeiten<br />

oder Prozesse laufen nicht täglich<br />

24 Stunden und unter kontinuierlicher<br />

Last. Vielmehr treten Lastspitzen auf.<br />

Das ist im Straßenverkehr nicht anders<br />

als bei der Informationstechnik.<br />

Prozessoren und Speicher sind teilweise<br />

stark, über weite Strecken jedoch nur<br />

mäßig ausgelastet. So melden sich viele<br />

Mitarbeiter eines Unternehmens morgens<br />

gleichzeitig an ihren Systemen an,<br />

sehr rechenintensive Prozesse erfolgen<br />

stets zum Ultimo. Ähnliches gilt für die<br />

Schnittstellen zum Kunden. Das Online<br />

Banking etwa wird morgens stark in Anspruch<br />

genommen.<br />

Damit solche Lastspitzen fehlerfrei<br />

und performant ablaufen, braucht es<br />

eine großzügige Dimensionierung der<br />

Systeme. Der Nachteil: Eine fest zugeordnete<br />

Infrastruktur ist für weite Zeiträume<br />

völlig überdimensioniert. So liegt es<br />

nahe, Prozesse unterschiedlicher Verbraucher<br />

besser auf zentrale Server zu<br />

verteilen und damit Ressourcen effizienter<br />

zu nutzen.<br />

Diesen Gedanken macht sich die Cloud-<br />

Technologie zunutze. Dabei befinden<br />

sich sowohl die Daten, als auch der angebotene<br />

Service auf keinem fest zugewiesenen<br />

Speicherplatz, sondern in<br />

einer „Rechnerwolke“ eines zentralen<br />

Anbieters und werden nach Bedarf zugewiesen.<br />

Bei näherem Hinsehen entpuppt<br />

sich dieser Hype jedoch als vergleichsweise<br />

alter Hut, wie etwa Nicolas Schulmann,<br />

im Vorstand des IT-Dienstleisters<br />

FIO Systems zuständig für IT-Strategie,<br />

erläutert. „Im Bereich der Bank-IT sind<br />

solche Strukturen seit Jahren erfolgreich<br />

im Einsatz. Denn Cloud heißt ja nichts<br />

anderes, als keine lokalen Anwendungen<br />

mehr zu betreiben.“ So lässt sich etwa<br />

OSPlus bereits seit Jahren als Cloud-<br />

Service bezeichnen. Hier betreibt laut<br />

Schulmann beispielsweise die Finanz<br />

Informatik (FI) das Kernbanksystem, die<br />

Provinzial die Versicherungsmodule,<br />

die LBS Bausparanwendungen und FIO<br />

Sys tems die Maklersoftware. „Der Anwender<br />

merkt beim Aufruf von OSPlus<br />

nicht, dass er Anwendungen von ganz<br />

unterschiedlichen Servern und Anbietern<br />

bekommt.“<br />

Skepsis bei offenen Strukturen<br />

Bei den Anwendungen, die in der Öffentlichkeit<br />

als Cloud Services diskutiert<br />

werden, handelt es sich meist sogar um<br />

weltweit verteilte Systeme. Wichtige Protagonisten<br />

sind beispielsweise Amazon,<br />

Google oder Microsoft. Der Zugriff erfolgt<br />

über Netzwerke, meist über das Internet.<br />

Genau diese leistungsfähigen und vergleichsweise<br />

preiswerten Angebote wecken<br />

auch bei einigen Bankern Begehr-<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MANAGEMENT 33<br />

lichkeiten, die hier Einsparpotenziale<br />

sehen.<br />

Bei Fachleuten stoßen derart offene<br />

Strukturen – Public Cloud genannt –<br />

jedoch auf große Skepsis. Schulmann kritisiert:<br />

„Bei vielen Cloud-Anwendungen<br />

kann man nicht wirklich in die Wolke<br />

hineinschauen. Es ist nicht bekannt, wo<br />

sich die Daten befinden und wer dafür<br />

zuständig ist. Beim privaten Mailaccount<br />

ist das meist nicht dramatisch, bei Bankdaten<br />

dagegen völlig undenkbar.“ Auch<br />

Sascha Pult, Leiter Technologiemanagement<br />

bei der Stadtsparkasse Düsseldorf,<br />

kann sich derartige Anwendungen nur<br />

sehr eingeschränkt vorstellen. „Denkbar<br />

sind etwa Spezialanwendungen wie die<br />

Bildbearbeitung, weil keine personenund<br />

kundenbezogenen Informationen<br />

oder andere sensible Daten im Spiel<br />

sind.“<br />

Doch zeigt etwa das Beispiel OSPlus,<br />

dass sich Skaleneffekte auch im Bankbereich<br />

ausnutzen lassen. Besonders die<br />

Strukturen vertrauenswürdiger Anbieter<br />

mit Zugang über abgeschlossene Netzwerke<br />

– sogenannte Private Clouds – sind<br />

bereits umfassend praxiserprobt. Bernhard<br />

Rumpe, Professor für Software Engineering<br />

an der RWTH Aachen, erkennt<br />

insofern eine folgerichtige Entwicklung.<br />

„Wir sehen schon seit Jahren eine<br />

evolutionäre Entwicklung,<br />

bei der Rechenleis tung<br />

in vertrauenswürdige<br />

Rechenzentren ausgelagert<br />

wird.“ Als<br />

wichtige Argumente<br />

für diese spezialisierten<br />

Anbieter sieht der<br />

Wissenschaftler eine umfassende Kompetenz<br />

und die schnelle Reaktion auf Probleme.<br />

„Beides können Banken intern in<br />

diesem Maß nicht leis ten.“<br />

Rumpes Fazit: „Wir sollten die Chancen<br />

adäquat nutzen, die sich im Bereich<br />

Cloud Computing bieten.“ Potenziale<br />

lägen gerade in einem Verbund wie<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe, erläutert<br />

Detlev Klage, Leiter Geschäftsbereich<br />

Client/Server und Generalbevollmächtigter<br />

der FI: „Aufgrund unserer Größe<br />

realisieren wir auch in einer Private<br />

Cloud bereits sehr viele Vorteile.“ Ziel sei<br />

es, mit diesen Architekturen und Technologien<br />

die Kosten weiter erfolgreich<br />

zu senken.<br />

Insgesamt gilt, dass die Verlagerung<br />

der Rechenleistung auf zentralisierte<br />

Strukturen die Kosten spürbar senkt.<br />

Auch Sparkassenmanager Pult betont<br />

den Skaleneffekt, von dem die Düsseldorfer<br />

durch Auslagerung an zentralisierte<br />

Anbieter profitieren. „Die Systeme werden<br />

von mehr als 400 Banken genutzt.<br />

Es wäre sehr viel teurer, wenn jede Sparkasse<br />

ihre Systeme selbst entwickeln<br />

müsste.“ Demnach sitzen die Sparkassen<br />

laut Pult „schon mehr in der Cloud als<br />

man denken könnte.“<br />

Diese Ansicht gilt übrigens auch für<br />

den Wettbewerb, wie Anno Lederer, Vorstandsvorsitzender<br />

des genossenschaftlichen<br />

Dienstleisters GAD erläutert. „Mit<br />

unserem Konzept verlagern wir alle bankfachlichen<br />

Anwendungen und damit unser<br />

komplettes Bankenverfahren Bank21<br />

in die Private Cloud. Der Bankmitarbeiter<br />

braucht an seinem Arbeitsplatz nur<br />

einen gängigen Browser und etwa einen<br />

Thin Client, mit dem er auf alle<br />

Daten und Anwendungen im<br />

GAD-Rechenzentrum zugreifen<br />

kann.“<br />

Mit diesem Prinzip tragen die<br />

Volksbanken damit zudem den<br />

umfassenden Sicherheitsanforderungen<br />

der Finanzbranche<br />

Rechnung. Für die Genossen<br />

wie für die Sparkassen<br />

nennt Pult zum Beispiel die<br />

Vorgaben nach MaRisk und<br />

diejenigen der BaFin. „Zudem<br />

müssen wir die Vorgaben des<br />

sicheren IT-Betriebs erfüllen.<br />

Demnach dürften wir nicht<br />

einmal eine E-Mail mit dem<br />

Kunden unverschlüsselt austauschen.“<br />

Aufgrund der vorgeschriebenen<br />

Standards sind damit<br />

die großen und bekannten Anbieter<br />

von Public Clouds aus dem Rennen.<br />

Die nötigen Garantien können lediglich<br />

die vertrauenswürdigen Rechenzentren<br />

geben, wie sie etwa von den Verbundpartnern<br />

der Kreditinstitute betrieben<br />

werden. Diese gewährleisten die entsprechende<br />

bankfachliche Kompetenz und<br />

sie erfüllen auch die Datenschutzregeln.<br />

Rumpe von der RWTH Aachen betont<br />

einen wichtigen Punkt: „Die Rechenzentren<br />

müssen den gleichen rechtlichen<br />

Vorgaben unterliegen wie die Bank.“<br />

Sicherheit geht vor<br />

Stimmt der Rahmen, lassen sich mit<br />

zentralisierten Systemen sogar deutlich<br />

höhere Sicherheitsstandards gewährleisten,<br />

als sie ein Institut in Eigenregie<br />

aufbauen könnte. FIO-Vorstand Schulmann<br />

erläutert, „dass lokal installierte<br />

Software sehr viel anfälliger ist für Anwendungsfehler<br />

und auch mehr Support<br />

erfordert als die zentrale Infrastruktur<br />

spezialisierter Anbieter“. Die Daten- und<br />

Betriebssicherheit ist auf den zentralen<br />

Servern deshalb weitaus höher. Schulmann<br />

ergänzt: „Tausende von Einzelinstallationen<br />

sind deutlich schwerfälliger<br />

und teurer zu betreiben als der<br />

zentrale und geschützte Server.“<br />

Rumpe gibt allerdings zu bedenken,<br />

dass der Prozess der Verlagerung mit<br />

nicht zu unterschätzenden Prozessrisiken<br />

behaftet sei. „Die strategische Reorganisation<br />

muss gut geplant sein. Dazu<br />

kommt die Frage der Kosten. In welcher<br />

Situation lohnt sich die Auslagerung und<br />

was kostet die Sicherheit?“<br />

„Bei vielen<br />

Cloud-Anwendungen<br />

ist nicht<br />

bekannt, wo<br />

sich die<br />

Daten befinden<br />

und wer<br />

dafür zuständig<br />

ist .“<br />

Nicolas Schulmann,<br />

Vorstand FIO<br />

Systems<br />

Klar ist: Mit der Auslagerung von Services<br />

begeben sich die Sparkassen<br />

grundsätzlich in die Abhängigkeit von<br />

externen Anbietern. Doch gilt das für alle<br />

Arten des Outsourcings und so kommt<br />

es letztlich auf das Vertrauensverhältnis<br />

zum Dienstleister an, wie Pult konstatiert.<br />

„Unsere Verbundpartner sind auf jeden<br />

Fall die bevorzugten Anbieter, auch wenn<br />

sie nicht unbedingt die günstigsten sind.“<br />

Die Stadtsparkasse Düsseldorf<br />

erwarte vor allem eine gut<br />

funktionierende Zusammenarbeit.<br />

„Das gilt auch in punkto<br />

Cloud Computing. Es müssen<br />

alle Aspekte geprüft sein und<br />

die rechtlichen Vorgaben lückenlos<br />

erfüllt werden.“ Und<br />

das gehe meist nur mit den<br />

zertifizierten Partnern aus der<br />

Finanzbranche, sagt Pult.<br />

Eine gewisse Flexibilität sieht<br />

der Düsseldorfer Experte dennoch<br />

im Rückgriff auf externe<br />

Partner. „Größere Häuser<br />

könnten etwa das Kernbankensystem<br />

der FI nutzen und gegebenenfalls<br />

auf weitere Services<br />

anderer Anbieter zurückgreifen.“<br />

Doch egal, welcher Anbieter<br />

zum Zuge kommt, stets<br />

müssen etwa die Schadensersatzregelungen<br />

bei Pannen genauso<br />

geklärt sein wie die Frage, ob der Partner<br />

greifbar und den relevanten gesetzlichen<br />

und Haftungsregeln unterworfen ist.<br />

Kunden lassen sich besser einbinden<br />

Die Möglichkeiten von zentralisierten<br />

Services aus Cloud-Umgebungen sind<br />

dabei nach Ansicht von Anbietern und<br />

Experten beachtlich. So setzt der genossenschaftliche<br />

Dienstleister GAD laut<br />

Vorstandschef Lederer auf mehr Flexibilität.<br />

„Bank21 im Web wird auf allen<br />

marktgängigen Systemen lauffähig sein,<br />

ob Thin Client, Tablet oder ähnliches.“ So<br />

können etwa die Berater auch beim Kundentermin<br />

außer Haus auf Daten und Anwendungen<br />

zugreifen.<br />

Und für den Aachener Wissenschaftler<br />

Rumpe eröffnet die Technologie auch<br />

Perspektiven im Hinblick auf Services<br />

für den Kunden. „Cloud Computing heißt<br />

in diesem Zusammenhang, dass die<br />

Banken ihre Kunden stärker einbinden<br />

können, etwa durch erweiterte Möglichkeiten<br />

beim Onlinebanking.“ Zudem lasse<br />

sich die Vernetzung unterschiedlicher<br />

Akteure in Zukunft mit zentralisierten<br />

Strukturen besser bewerkstelligen als<br />

mit fest beim Nutzer installierten Anwendungen.<br />

Doch gilt in jedem Fall, dass Amazon<br />

und ähnliche Anwendungen keine Alternativen<br />

für kritische Prozesse sind, auch<br />

wenn sich noch so viel sparen ließe. Für<br />

Schulmann ist daher ganz klar: „Im Bankbereich<br />

können wir uns keine Public<br />

Cloud leisten.“<br />

<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


34<br />

MANAGEMENT<br />

MARKETING<br />

Junge bleiben anders<br />

Die Lebensstile der Nachwuchskunden unterscheiden sich, zudem ändern junge Erwachsene oft<br />

ihre Ziele und Pläne. Sparkassen entwickeln Konzepte, mit denen sich die ebenso anspruchsvollen<br />

wie interessanten Kunden dennoch halten und gewinnen lassen.<br />

n VON STEFAN BOTTLER<br />

Sparkassen verfügen in den regionalen<br />

Kinder- und Jugendmärkten der unter<br />

18-Jährigen oft über etwa 70 Prozent<br />

Marktanteil. Doch mit der Zielgruppe<br />

der jungen Erwachsenen zwischen 18<br />

und 30 Jahren weiterhin in Kontakt zu<br />

bleiben, erfordert Aufwand. Institute<br />

müssen unterschiedliche Ansprachen<br />

entwickeln und aktuelle Trends berücksichtigen,<br />

denn Wünsche und Ziele von<br />

Nachwuchskunden unterliegen einem<br />

ständigen Wandel.<br />

„Wir wählen Nachwuchskunden über<br />

18 regelmäßig nach Kontomodell und<br />

Geldeingängen aus“, sagt Thomas Besting,<br />

Produkt- und Vertriebsmanager<br />

der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert.<br />

Wenn Veränderungen wie ein erstmaliger<br />

Gehaltseingang festgestellt werden, setzt<br />

sich das Institut mit dem Kontoinhaber<br />

telefonisch oder online in Verbindung<br />

und lädt ihn zum Beratungsgespräch<br />

ein. Das Interesse ist groß: „Weit über 80<br />

Prozent nehmen die Einladung an“, sagt<br />

Besting. Vorbei seien dann die Zeiten, als<br />

die Jugendlichen vor allem mit Events bei<br />

der Stange gehalten wurden. Wer 18 geworden<br />

ist, möchte als mündiger Kunde<br />

behandelt werden, sagt Besting.<br />

Weil viele in diesem Lebensabschnitt<br />

für Ausbildung oder Studium in eine<br />

andere Stadt ziehen, wechseln sie auch<br />

den Finanzdienstleister. Das muss aber<br />

nicht unbedingt die Sparkasse am neuen<br />

Wohnort sein. Konkurrenten, die häufig<br />

kaum in den Kinder- und Jugendmarkt<br />

investiert haben, werben oft erfolgreich<br />

Studien-und Berufsstarter ab. Und weil<br />

die Gesellschaft insgesamt altert, schwindet<br />

der Anteil der 18- bis 30-Jährigen an<br />

der Gesamtbevölkerung kontinuierlich.<br />

Bei den jüngeren Jahrgängen bis 21 Jahre<br />

wird das Minus bis 2020 rund 19 Prozent<br />

betragen.<br />

Produkte passend zur Lebensphase<br />

Wenn Sparkassen den aktuellen Kundenstand<br />

halten wollen, müssen sie ihren<br />

Marktanteil bei Girokonten von 58<br />

auf 72 Prozent steigern, ermittelte der<br />

Deutsche Sparkassen- und Giroverband<br />

(DSGV) bereits 2007 im „Dienstleistungspaket<br />

Nachwuchskunden“. Gemeinsam<br />

mit neun Sparkassen und acht Regionalverbänden<br />

wurden Marketingkonzepte<br />

entwickelt, die der Umbruchsituation,<br />

die jeder in dieser Zielgruppe durchlebt,<br />

Rechnung tragen.<br />

Produkte für Kunden ab 18 müssen auf<br />

die jeweilige Lebensphase ausgerichtet<br />

sein. Die Sparkasse Burbach-Neunkirchen<br />

versucht es mit Führerscheinsparen.<br />

Gerade volljährig gewordene<br />

Kunden legen laut Sparvertrag, der<br />

im Idealfall bereits von den Eltern geschlossen<br />

worden ist, monatlich wenigstens<br />

zehn Euro auf die hohe Kante. Der<br />

übliche Betrag liegt bei 25 Euro. Auch<br />

Einladungen zu Beratungsgesprächen<br />

müssen zur jeweiligen Lebenssituation<br />

passen. Die Sparkasse Worms-Alzey-Ried<br />

nimmt Geburtstage zum Anlass. Zum<br />

21. Geburtstag ist demnach ein Gespräch<br />

über Bausparen fällig, 24-jährige werden<br />

zu einer Riester-Renten-Beratung eingeladen.<br />

„Das Beratungsgespräch kann natürlich<br />

auch völlig andere Produkte zum<br />

Gegenstand haben“, sagt Melanie Kahl,<br />

Nachwuchskundenbetreuerin des Instituts.<br />

Wichtig sei der persönliche Kontakt<br />

zum Kunden. Wenn möglich sollten sich<br />

Sparkasse und Kunde wenigstens einmal<br />

im Jahr zusammensetzen.<br />

Über Änderungen in der Lebensplanung<br />

ist das Ins titut dann immer informiert.<br />

An den Kunden dürfte es nicht<br />

scheitern. Grundsätzlich gelten auch<br />

Starkes Interesse an Geld, Erfolg, Konsum und Internet<br />

Mit keiner Zielgruppe tun sich Marktforscher<br />

derart schwer wie mit den 18- bis 30-Jährigen.<br />

Während die einen noch im Studium oder<br />

in der Ausbildung sind und bei den Eltern<br />

oder alleine wohnen, haben die anderen<br />

Webseiten mit Finanzthemen sind bei<br />

jungen Erwachsenen angeblich besonders<br />

gefragt.<br />

den Einstieg ins Berufsleben geschafft und<br />

eine Familie gegründet. Einige Gemeinsamkeiten<br />

gibt es trotzdem: Viele Erwachsene<br />

unter 30 informieren sich ausschließlich im<br />

Internet über neue Themen und Produkte<br />

und verzichten völlig auf Tageszeitungen. Das<br />

ermittelte 2010 das Institut für Demoskopie<br />

in Allensbach in seiner jährlichen Markt- und<br />

Werbeträgeranalyse AWA. Weitaus stärker<br />

als ältere Zielgruppen wünschen sich junge<br />

Erwachsene den schnellen beruflichen Erfolg<br />

und haben eine hohe Meinung von starken<br />

Marken als „Qualitätsindikatoren“. Vor allem<br />

junge Männer wünschen sich daher größere<br />

finanzielle Spielräume. In Deutschland trifft<br />

dies auf 35 Prozent der befragten Personen zu,<br />

ermittelte der Vermarkter Microsoft Advertising<br />

in einer vergleichenden Erhebung in sieben<br />

Ländern – das ist europaweit der höchste<br />

Wert. Rund 60 Prozent der Befragten klicken<br />

regelmäßig Webseiten mit Finanzthemen an.<br />

Sogar die Quoten bei Sport (57 Prozent) und<br />

Unterhaltung (50 Prozent) liegen darunter.<br />

Mehreren Marktstudien zufolge schauen junge<br />

Verbraucher lieber in einen Apple-Store als<br />

in ein Autohaus: iPhone und iPad haben den<br />

Pkw als imagestärkstes Kaufobjekt offenbar<br />

abgelöst. An politischen, wirtschaftlichen und<br />

anderen gesellschaftlichen Diskussionen sind<br />

die jungen Verbraucher von heute weit weniger<br />

interessiert als ihre Altersgenossen vor zehn<br />

Jahren, ermittelte AWA 2010.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


MANAGEMENT 35<br />

Vielseitige Zielgruppe: Bei den Nachwuchskunden finden sich gut situierte junge Eltern mit<br />

Immobilienwunsch ebenso wie Studenten und Auszubildende.<br />

FOTOS: DPA<br />

18- bis 30-Jährige, die nur unregelmäßig<br />

eine Filiale aufsuchen, als offen für Beratungsgespräche.<br />

Solche Kunden sollten<br />

die Berater am Telefon ansprechen,<br />

empfiehlt Henning Stern.<br />

„Wenn wir Empfehlungen anbieten,<br />

wie der Kunde sich mit<br />

dem Sparkassen-Finanzkonzept<br />

am besten aufstellt, stoßen<br />

wir gerade in dieser Zielgruppe<br />

auf eine positive Resonanz“,<br />

sagt der Vertriebsmanager der<br />

Sparkasse Burbach-Neunkirchen.<br />

Typische Produkte, die speziell<br />

diese Zielgruppe ansprechen,<br />

gibt es seiner Erfahrung<br />

nach nicht. „Bei der Riester-<br />

Rente konnten wir fonds-, renten-<br />

und immobiliengebundene<br />

Varianten vermitteln“, sagt Stern.<br />

„In unserer ländlichen Region im Siegerland<br />

überwiegt klar der WohnRiester.“<br />

„Ohne ein<br />

attraktives<br />

Onlineportal<br />

kann diese<br />

Zielgruppe<br />

nicht erreicht<br />

werden.“<br />

Thomas Besting,<br />

Vertriebsmanager,<br />

Sparkasse Hilden-<br />

Ratingen-Velbert<br />

In der Tat ist es ein Unterschied, ob eine<br />

Sparkasse an einem Hochschul- oder<br />

Wirtschaftsstandort ihren Sitz hat und<br />

ob ortsansässige oder zugezogene<br />

Verbraucher überwiegen.<br />

Wenn besondere Unterzielgruppen<br />

wie Studenten dominieren,<br />

sind besondere Betreuungskonzepte<br />

sinnvoll.<br />

Weil an den örtlichen Hochschulen<br />

rund 7000 Studenten<br />

immatrikuliert sind, hat<br />

die Kreissparkasse Heilbronn<br />

für diese Zielgruppe eine<br />

spezifische Marktkommunikation<br />

mit der Homepage campusplus.de<br />

konzipiert. Hier finden<br />

Studenten Informationen<br />

über Studienkredite, Sparpläne<br />

und kostenlose Girokonten.<br />

Es gibt Angebote für Jobs, Praktika und<br />

Diplomarbeiten oder Gutscheine, etwa<br />

für Kfz-Ölwechsel und -Inspektionen.<br />

Rund 500 bis 600 Studenten klicken diese<br />

Homepage jeden Monat an. Wenn etwa<br />

Konzertkarten verlost werden, schnellen<br />

die Besucherzahlen schon mal auf 1500<br />

hoch.<br />

Berater gehen an die Hochschulen<br />

„Wir gehen dorthin, wo unsere Kunden<br />

sind“, erläutert Martina Garrels, Vertriebsmanagerin<br />

der Kreissparkasse<br />

Heilbronn. Seit Oktober 2010 sind zwei<br />

mobile Berater, die auf campusplus.de<br />

mit allen Kontaktdaten vorgestellt werden,<br />

jeden Werktag zwischen 11 und<br />

14 Uhr an der Hochschule unterwegs.<br />

Bei Studenten stehen naturgemäß Finanzierungsprodukte<br />

für das Studium<br />

im Mittelpunkt. „Vor allem der Kfw-Studienkredit<br />

wird stark nachgefragt“, sagt<br />

Sparkassenberater Besting. „Seit 2009<br />

haben sich die Klickraten auf dieses<br />

Produkt verdoppelt.“ Dabei gibt es im<br />

Einzugsgebiet der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert<br />

gar keine eigenständige<br />

Hochschule. Offenbar interessieren sich<br />

täglich pendelnde Studenten, die an<br />

den Nachbarhochschulen an Rhein und<br />

Ruhr immatrikuliert sind, für die zinsgünstigen<br />

Angebote.<br />

Wenn es um Details geht, ziehen sie<br />

laut Besting eine persönliche Beratung<br />

vor. „Die Abschlusszahlen haben sich<br />

seit dem Relaunch unserer Homepage<br />

deutlich erhöht“, hat der Vertriebsmanager<br />

registriert. Ohne ein attraktives Onlineportal<br />

könne diese Zielgruppe nicht<br />

erreicht werden. Ein stark nachgefragtes<br />

Produkt sei ebenfalls die für Internet-Einkäufe<br />

unverzichtbare Kreditkarte, die mit<br />

Prepaid-Schranke mittlerweile an fast jeden<br />

Girokontoinhaber geschickt werden<br />

kann.<br />

Alle Kanäle werden genutzt<br />

Für viele Sparkassenkunden zwischen<br />

18 und 30 ist Online-Banking ohnehin<br />

eine Selbstverständlichkeit. Auch Institute<br />

mit überwiegend ländlichen Einzugsgebieten<br />

melden Nutzungsquoten<br />

zwischen 40 und 50 Prozent Das kann<br />

die Kommunikation erheblich erleichtern.<br />

„Wir können jederzeit Werbe- und<br />

andere Botschaften im elektronischen<br />

Postfach ablegen“, sagt Melanie Kahl von<br />

der Sparkasse Worms-Alzey-Ried. Ob die<br />

Kunden sie auch aufrufen, bleibt jedoch<br />

ungewiss.<br />

Andererseits bedeuten solche Quoten,<br />

dass mehr als die Hälfte der Nachwuchskunden<br />

auf anderen Kanälen erreicht<br />

werden muss. Neben Telefon und Mailing<br />

setzen die Rheinländer etwa die<br />

Zeitschrift „S-Pool“ ein, die über Reisen,<br />

Lifestyle und Events informiert. Leser<br />

können sich außerdem um Praktikumsplätze<br />

und Sprachreisen bewerben. Ein<br />

monatlicher Newsletter ergänzt das Angebot.<br />

Beide Medien richten sich an jüngere<br />

Zielgruppen, die noch nicht ins Berufsleben<br />

eingestiegen sind.<br />

<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


36<br />

FINANZGRUPPE<br />

BERATUNG<br />

Heimliche Tester<br />

Der Einsatz von staatlichen Testkäufern in Kreditinstituten wurde zuletzt emotional diskutiert.<br />

Dabei ist ins Hintertreffen geraten, dass „Mystery Shopper“ in vielen Häusern bereits zum Einsatz<br />

kommen – um die Beratungsqualität zu ermitteln und zu verbessern.<br />

n VON ANJA KÜHNER<br />

Viele Unternehmen nutzen Testkäufer<br />

zur Qualitätssicherung, und das<br />

nicht erst seit der umstrittenen Ankündigung<br />

der Verbraucherschutzministerin<br />

Ilse Aigner, verdeckte BaFin-Ermittler<br />

auf die Kreditwirtschaft loszulassen. Die<br />

Ostsächsische Sparkasse Dresden (OSD)<br />

etwa lässt sich seit vielen Jahren regelmäßig<br />

von Mystery Shoppern auf den<br />

Zahn fühlen. „Testkäufe runden neben<br />

den klassischen Marktforschungsinstrumenten<br />

das Bild über unser Haus von<br />

außen ab“, sagt Gunnar Fischer, Direktor<br />

Vertriebsmanagement bei der OSD.<br />

„Mit ihnen kann man frühzeitig Verbesserungspotenziale<br />

und zugleich Stärken<br />

identifizieren.“<br />

Ziel sei die Qualitätssicherung. Testkäufe<br />

seien Kritik, Gradmesser und<br />

Impuls zugleich. „Mit dem Sparkassen-<br />

Finanzkonzept haben wir eine gute<br />

Grundlage für eine bedürfnisgerechte<br />

Beratung unserer Kunden. Testkäufe unterstützen<br />

uns bei der Perfektionierung<br />

unserer Beratungstechnik“, erläutert<br />

Fischer. Für ihn sei das ein klarer Wettbewerbsvorteil.<br />

Außerdem gelte: „Selbst<br />

wenn einem das Spiegelbild missfällt,<br />

und Fehler zeigt – es bleibt trotzdem ein<br />

Spiegelbild.“<br />

„Viele Banken setzen derzeit auf Qualitätsoffensiven,<br />

doch die Beratungsqualität<br />

muss man zur Erfolgskontrolle etwa<br />

jedes Jahr prüfen“, bestätigt Mystery<br />

Shopping-Experte Kai Fürderer vom Institut<br />

für Vermögensaufbau (IVA). Denn<br />

nur im Jahresvergleich könne man eine<br />

Qualitätsänderung dokumentieren.<br />

Haspa: Tests steigern die Qualität<br />

Davon zeigen sich auch die Verantwortlichen<br />

der Hamburger Sparkasse überzeugt.<br />

Bereits seit Jahren setzt das Institut<br />

Testkäufer ein, um die eigenen Qualitätsansprüche<br />

zu verifizieren. Dabei gibt es<br />

die Testbereiche Service und Beratung.<br />

Sechs Mal im Jahr wird die Servicequalität<br />

jeder Filiale getestet. Die sechs unterschiedlichen<br />

Testszenarien beziehen<br />

sich auf Themen wie Reiseschecks, Sortenumtausch,<br />

Prepaid-Kreditkarte oder<br />

Onlinebanking. Jährlich prüfen sieben<br />

Tests pro Filiale die Beratungsqualität.<br />

Ein Test-Szenario dreht sich dabei um<br />

die Neueröffnung eines Girokontos. „Die<br />

Tests zeigen ein gutes und steigendes<br />

Qualitätsniveau, so dass sich das gesamte<br />

Institut in einem kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozess befindet“, berichtete<br />

Reinhard Klein, stellvertretender<br />

Sprecher des Haspa-Vorstands, auf der<br />

16. „Handelsblatt“-Tagung Privatkunden<br />

im März in Mainz. Dazu sei vor allem<br />

auch ein zeitnahes Feedback notwendig.<br />

Die Ergebnisse der Testkäufer würden<br />

den Beratern mitgeteilt. Allerdings fließe<br />

das Ergebnis laut Klein in keiner Weise<br />

in eine individuelle Beurteilung ein. Es<br />

schlage sich auch nicht in Personalakten<br />

nieder, und es habe keinen Einfluss auf<br />

das Erreichen von Vergütungszielen.<br />

Die Haspa hat ihr Qualitätsmanagement<br />

bereits seit 1993 auf der Basis von<br />

Kundenbindung und -zufriedenheit etabliert.<br />

Zwischen 1998 und 2004 setzte das<br />

Institut auch die Vereinbarung von vergütungsrelevanten<br />

Qualitätszielen um.<br />

Diese Qualitätsziele machen inzwischen<br />

auf Mitarbeiterebene 50 Prozent der gesamten<br />

Ziele aus, wie Klein berichtete.<br />

Allerdings warnen Mystery-Shopping-<br />

Experten: „Wenn ein Mitarbeiter Angst<br />

hat, dass er ausspioniert wird, dass das<br />

Testergebnis in der Personalakte landet<br />

oder er bei schlechtem Abschneiden gefeuert<br />

wird, dann könnte er sich verweigern“,<br />

sagt Stefanie Prins vom Beratungsunternehmen<br />

Yougov-Psychonomics.<br />

Wenn sich ein Berater aber verweigere<br />

oder gar bewusst eine schlechte Beratung<br />

abliefere, bestehe die Gefahr, dass er<br />

echte Kunden vergrault.<br />

Letzten Endes zählt für ein Geldinstitut<br />

nur, dass die Testkäufe die Beratungsqualität<br />

verbessern: „Wenn ich auf dem<br />

Stuhl des Kunden keine Verbesserung<br />

spüre, war das nicht erfolgreich“, sagt<br />

IVA-Experte Fürderer. „Wenn ein Institut<br />

nach drei Jahren feststellt, dass sich<br />

die Freundlichkeit der Mitarbeiter nicht<br />

verbessert hat, haben die Unternehmen<br />

eine bessere Argumentationsbasis für<br />

Maßnahmen, so dass die Mitarbeiter Veränderung<br />

eher akzeptieren.“ Solche Maßnahmen<br />

seien meist Fach- und Kommunikations-Trainings.<br />

Berater testen oft andere Berater<br />

Die Haspa-Berater können in Zukunft<br />

auch individuelle Beraterbewertungen<br />

erhalten, wenn die Mitarbeitervertretung<br />

zustimmt. „Externe Beraterportale bieten<br />

schon jetzt vermehrt Transparenz“, sagt<br />

Institutsmanager Klein. „So können sich<br />

die Mitarbeiter darauf vorbereiten und<br />

an die kommende interne Transparenz<br />

gewöhnen.“<br />

Viele Sparkassen setzen systematische<br />

Testkäufe seit Jahrzehnten ein. Die Vorgaben<br />

externer Tester unterscheiden sich<br />

jedoch oft von der Ausrichtung interner<br />

Tests. „Externe machen keine Tests zur<br />

Selbstbeweihräucherung, sondern haben<br />

zum Ziel, in wenigen Sichtproben<br />

kritische Aspekte herauszuarbeiten, die<br />

zum Schutz der Mitarbeiter und der Kunden<br />

besser definiert und trainiert werden<br />

müssen“, sagt IVA-Experte Fürderer.<br />

Für die Ostsächsische Sparkasse Dresden<br />

gehören Testkäufe – egal ob von ihr<br />

selbst oder von Dritten initiiert – zum<br />

Beratungsalltag, wie Vertriebsmanager<br />

Fischer sagt. Das Institut beauftrage regelmäßig<br />

Dienstleister mit anonymen<br />

Testkäufen und das Engagement mache<br />

sich bezahlt. In der Sparkassen-Finanz-<br />

Geplante BaFin-Testkäufe sind derzeit nicht möglich<br />

Verbraucherzministerin Ilse Aigner will, dass<br />

die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />

(BaFin) künftig von Dritten Testkäufe<br />

im staatlichen Auftrag durchführen lässt. Die<br />

Testkäufe sollen überprüfen, ob Institute die<br />

rechtlichen Vorgaben des Wertpapierhandelsgesetzes<br />

zur Anlageberatung einhalten. Das ist<br />

allerdings nur mit einer Gesetzesänderung des<br />

Wertpapierhandelsgesetzes möglich, darauf<br />

hatte der Bundesbeauftragte für Datenschutz,<br />

Peter Schaar, hingewiesen. Wann das Verfahren<br />

beendet sein wird, steht zurzeit nicht fest.<br />

Bei den BaFin-Testkäufen soll es sich nicht<br />

um „verdeckte Ermittlungen“ im Sinne der<br />

Strafprozessordnung“ handeln, stellt eine<br />

BaFin-Sprecherin klar. Aigners Begriff der „privaten<br />

Ermittler“ hatte bei den Bankenverbänden<br />

Widerstand ausgelöst, die sich gegen die<br />

„Kriminalisierung einer ganzen Berufsbildes<br />

von 300.000 Mitarbeitern“ verwehren.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


FINANZGRUPPE 37<br />

Testkäufer in der Filiale: Viele Kreditinstitute setzen auf das sogenannte Mystery Shopping, um die Beratungsqualität zu prüfen und zu<br />

verbessern. Die Erfahrungen sind häufig positiv, allerdings hat das Testverfahren auch seine Tücken. <br />

ILLUSTRATION: O. WEISS<br />

gruppe sind auch sogenannte „Testkäufe<br />

auf Gegenseitigkeit“ beliebt. Dabei geht<br />

ein Sparkassen-Berater zu einer anderen<br />

Sparkasse des Verbandsgebiets zum<br />

Testkauf. Die Häuser stehen mit ihren eigenen<br />

Testkäufen im Grunde vor der gleichen<br />

Aufgabe wie die BaFin, die künftig<br />

auf Initiative des Verbraucherschutzministeriums<br />

Testkäufe<br />

vornehmen soll (s. Kasten linke<br />

Seite). Es müssen einheitliche<br />

Standards geschaffen<br />

werden. Die Testsituationen<br />

müssen wirklich miteinander<br />

vergleichbar sein, um sinnvolle<br />

Ergebnisse zu erzeugen. Experten<br />

sprechen von zwei wichtigen<br />

Kriterien für die Qualität<br />

von Testkäufen: die fachlichen<br />

Fähigkeiten der Tester und die<br />

Realitätsnähe der Tests.<br />

Brauchbare Tester im Finanzbereich<br />

zu finden, ist eine anspruchsvolle<br />

Aufgabe. „Der<br />

ideale Tester sollte Ahnung<br />

und eine Affinität zum Bankenbereich<br />

haben, vielleicht sogar eine Banklehre<br />

absolviert haben“, sagt Beraterin Prins.<br />

Auch ein gutes Gedächtnis, Reaktionsgeschick,<br />

Improvisationsfähigkeit und<br />

sogar schauspielerisches Talent seien<br />

gefragt. „Tester müssen viel auswendig<br />

lernen, nicht nur die neue Adresse und<br />

warum man sich diese Bank neu auswählt“,<br />

erläutert Prins. „Der Tester muss<br />

sich auch in seiner imaginären Wohngegend<br />

auskennen, damit er nicht sofort<br />

auffliegt, wenn der Berater diese zufällig<br />

„Mit<br />

mangelnder<br />

Qualität der<br />

Geschichten<br />

steigt die<br />

Gefahr, dass<br />

ein Tester<br />

auffliegt.“<br />

Dietmar Vogelsang.<br />

Sachverständiger<br />

und Finanzberater<br />

kennt und über den Laden an der Ecke<br />

spricht.“ Banken zu testen sei kein Massengeschäft<br />

wie beispielsweise Testkäufe<br />

im Einzelhandel.<br />

„Unsere letzte Testkauf-Reihe mit den<br />

Schwerpunkten Wertpapierberatung<br />

und Konsumentenkredit hat bei den Testern<br />

neben fachlicher Expertise<br />

die Kenntnis bankinterner<br />

Prozesse und moralischer<br />

Standards vorausgesetzt“,<br />

stimmt OSD-Manager Fischer<br />

zu. Die größte Herausforderung<br />

sei jedoch die überzeugende<br />

Story, die der Testkäufer<br />

in der Filiale beim Berater aufbaue,<br />

um wirklich authentisch<br />

beraten zu werden. Ein Testkäufer<br />

benötige „durchschnittliche,<br />

gewöhnliche Szenarien,<br />

die sich am Alltagsgeschäft<br />

orientieren“, bestätigt auch die<br />

YouGov-Expertin Prins. Altersvorsorge,<br />

Kredit oder Geldanlage<br />

sind daher typische Anliegen.<br />

Getestet werde hier, ob der Berater<br />

eine fundierte Bedarfsanalyse durchführe,<br />

also etwa nach dem Einkommen frage,<br />

und den Finanzcheck einsetze.<br />

Die „Geschichten“ müssen stimmen<br />

Mangelhafte Geschichten kritisiert der<br />

Sachverständige und Gutachter Dietmar<br />

Vogelsang aus Bad Homburg. Gerade die<br />

Anlage eines Geldbetrags als Erbschaft<br />

sei eine „Schmalspurstory“, denn es<br />

blieben zu viele Fragen offen in Bezug<br />

auf Job, Lebensstatus und bestehende<br />

Anlagen. Zwar hätten sowohl Anbieter<br />

als auch das durchführende Marktforschungsinstitut<br />

ein Interesse an effizienten<br />

und kostengünstigen Tests. Dies<br />

führe dann aber zu langen Checklisten,<br />

die wenig über die inhaltliche Qualität<br />

der Beratung aussagten. Mit mangelnder<br />

Qualität des „Storyboards“ steigt laut Vogelsang<br />

die Gefahr, dass der Tester „auffliegt.“<br />

Berater reagieren oft misstrauisch<br />

Diese Gefahr wachse auch, wenn Bankberater<br />

untereinander häufig Kontakt<br />

haben, so die Erfahrung von Marktforscherin<br />

Prins. Vor allem in Großstädten<br />

wie Hamburg, Frankfurt und München<br />

vermuteten die Berater inzwischen in<br />

jedem Interessenten einen Tester, sagt<br />

IVA-Experte Fürderer. „Ein echter Interessent<br />

tut sich in Großstadt-Banken heute<br />

immer schwerer, ein echtes Gespräch zu<br />

führen, das ihm auch Spaß macht“, so<br />

Fürderer. Banken sammelten inzwischen<br />

Daten mit Plausibilitäts-Screening oder<br />

verlangten von Interessenten sogar die<br />

Vorlage des Personalausweises. Wenn<br />

Zweifel an der „Echtheit“ des Kunden bestünden,<br />

gingen per E-Mail Warnungen<br />

durchs Haus.<br />

Der Sachverständige Vogelsang nennt<br />

noch eine grundsätzliche Kritik: Das Ausfüllen<br />

von Checklisten garantiere noch<br />

lange nicht, dass das Ergebnis von Testkäufen<br />

wirklich brauchbar ist. „Wie lange<br />

der Kunde wartet und ob der Kaffee gut<br />

schmeckt, ist doch letztlich für die Beratungsqualität<br />

nicht relevant.“<br />

n<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


38<br />

FINANZGRUPPE<br />

IMMOBILIEN – GASTBEITRAG<br />

Keine Angst vor<br />

leeren Flächen<br />

Ungenutzter Raum kostet Geld. Peter Becker und<br />

Rainer Triebwasser von der Sparkasse Holstein<br />

erklären, worauf es bei der Flächenreduzierung<br />

ankommt.<br />

Beim Aufräumen kommt viel zum<br />

Vorschein, das bares Geld wert ist.<br />

So ging es der Sparkasse Holstein, als<br />

sie ihren Gesamtbestand an Immobilien<br />

sichtete. Von derzeit noch 91 Objekten<br />

befinden sich 56 im Eigentum. Bei der<br />

Aktivierung dieses an sich gebundenen<br />

Kapitals sammelte das Institut positive<br />

Erfahrungen: In nur vier Jahren wurden<br />

Attraktivität und Flexibilität vieler Standorte<br />

gesteigert und die Ertragssituation<br />

um insgesamt etwa zwei Mio. Euro jährlich<br />

entlastet.<br />

Mit den Anforderungen an das Bankgeschäft<br />

wandeln sich auch die räumlichen<br />

Rahmenbedingungen. Bereits bei<br />

der Umstellung auf das Vertriebskonzept<br />

2010 hat die Sparkasse Holstein<br />

Vertriebseinheiten an verschiedenen<br />

Standorten gebündelt. Die Produktion –<br />

insbesondere Kredite und Marktservice<br />

– wurde zentralisiert, Filialen wurden zusammengelegt,<br />

bis sie eine angemessene<br />

Mindestgröße erreichten. Heute hat das<br />

Institut bei einem Bilanzvolumen von<br />

5,3 Mrd. Euro 35 personenbesetzte und<br />

35 SB-Filialen.<br />

Während Vertriebskraft und Effizienz<br />

gesteigert wurden, verringerte sich die<br />

Anzahl der Beschäftigten. Die Folge waren<br />

leerstehende Flächen in den einzelnen<br />

Filialstandorten, während der Platz<br />

in den Hauptstellen nicht ausreichte, um<br />

alle Zentralfunktionen aufzunehmen.<br />

Es lag auf der Hand, die Nutzung der eigenen<br />

Immobilien auf den Prüfstand zu<br />

stellen. Schließlich bilden die Kosten<br />

für die eigenen Immobilien zusammen<br />

mit den IT-Kosten den Löwenanteil an<br />

den Sachkosten. Ende 2006 bündelte die<br />

Sparkasse Holstein alle Tätigkeiten rund<br />

um die eigenen Immobilien in einem<br />

eigen ständigen Bereich. Ziel war es, sowohl<br />

die wirtschaftliche Effizienz als<br />

auch die Qualität innerhalb des eigenen<br />

Immobilienbestands zu steigern.<br />

Das Potenzial war erheblich: Pro Mitarbeiter<br />

verfügte die Sparkasse Holstein<br />

über etwa 60 Quadratmeter eigengenutzter<br />

Fläche. Das ist das Doppelte dessen,<br />

was die Sparkasse Holstein idealerweise<br />

benötigt. Ziel ist es, im Durchschnitt<br />

pro Vertriebsmitarbeiter – umgerechnet<br />

auf Vollbeschäftigte – 35 Quadratmeter<br />

und pro weiterem Mitarbeiter 25 Quadratmeter<br />

vorzuhalten.<br />

Gar nicht ist besser als nachhaltig<br />

Die Reduzierung der sparkassenspezifisch<br />

genutzten Flächen ist dabei kein<br />

Selbstzweck, denn jede Fläche verursacht<br />

Kosten für laufende Instandhaltung,<br />

Beleuchtung, Heizung, Reinigung<br />

und öffentliche Abgaben. Es wird viel geschrieben<br />

über nachhaltige Bewirtschaftung,<br />

Einsatz regenerativer Energien und<br />

ähnliche Dinge – eine Fläche gar nicht<br />

Immobilienworkshop: Dritte Staffel steht vor dem Start<br />

Viele Sparkassen verfügen bereits über ein<br />

Ressourcenmanagement mit konsequenter<br />

Ausrichtung auf optimierte Verbrauchskennzahlen<br />

und zeitgemäßes Flächenmanagement.<br />

Zahlreiche Institute haben hier aber noch<br />

Handlungsbedarf. Ein Weg, die Immobilien-<br />

Infrastruktur nachhaltig zu optimieren, ist<br />

die Umsetzung von „Management eigener<br />

Immobilien“ im Workshop-Rollout. Bislang<br />

nahmen in zwei Staffeln insgesamt 29 Institute<br />

an dem Workshop teil. Neben der Sparkasse<br />

Holstein, die insbesondere ihre Expertise im<br />

Asset-Management weitergab, übernahmen<br />

die Kasseler Sparkasse, die Sparkasse Koblenz,<br />

die Sparkasse Herford und die Kreissparkasse<br />

Saarpfalz als Best-Practice-Sparkassen<br />

die Patenschaft für den Rollout und standen<br />

den Projektsparkassen mit Rat und Tat zur<br />

Seite. Die beachtlichen Projektergebnisse der<br />

einzelnen Häuser zeigen den Bedarf für eine<br />

Fortführung dieses Formats auf. Der Deutsche<br />

Sparkassen- und Giro verband bietet daher<br />

aktuell eine dritte Staffel mit Start am 14. Februar<br />

2012 in Berlin an. Weitere Informationen<br />

finden Sie unter<br />

www.umsetzungsbaukasten.de.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


FINANZGRUPPE 39<br />

unterhalten zu müssen, ist stets umweltverträglicher<br />

und kostenschonender als<br />

die beste Energiesparmaßnahme.<br />

Die Sparkasse Holstein schätzte ihr Kostensenkungs-<br />

und Ertragssteigerungspotenzial<br />

im Bereich der eigenen Immobilien<br />

auf konservativ zwei Mio. Euro<br />

jährlich, im optimistischen Fall auf bis<br />

zu drei Mio. Euro pro Jahr. Basis für diese<br />

Werte war eine eigene Expertenschätzung.<br />

Diese kam zu ähnlichen Ergebnissen<br />

wie das DSGV-Umsetzungshandbuch<br />

‚Management eigener Immobilien‘, das<br />

das Potenzial auf etwa 500.000 Euro pro<br />

einer Mrd. Euro Bilanzsumme beziffert.<br />

Die inzwischen gesammelten Erfahrungen<br />

belegen, dass diese Einschätzung<br />

auch umsetzbar ist. Dazu müssen<br />

– neben der laufenden Optimierung der<br />

Bewirtschaftungskosten – freie Flächen<br />

gefunden oder durch Flächenverdichtung<br />

freie Flächen geschaffen werden.<br />

Diese Flächen können dann abgetrennt<br />

und verwertet, das heißt, verkauft oder<br />

vermietet werden.<br />

Das Abtrennen und Verwerten von Flächen<br />

hat dabei nicht nur Kostengründe<br />

– es kann gleichzeitig auch einen Beitrag<br />

zur Erhöhung der Qualität leisten. Wenn<br />

beispielsweise eine Kundenhalle zu groß<br />

ist oder auf der vorhandenen Größe nicht<br />

mehr viele Mitarbeiter arbeiten, fühlt<br />

sich ein Kunde schnell verloren. Das geschickte<br />

Gestalten von Flächen schafft<br />

Platz für eine Vermietung. Wenn dieser<br />

Freiraum von einer Branche genutzt<br />

wird, die gut mit einer Bankfilialnutzung<br />

korrespondiert, können sich Sparkasse<br />

und Mieter im Idealfall ihre Kunden- und<br />

Nichtkundenströme wechselseitig zuführen.<br />

Es lässt sich schwer belegen, inwieweit<br />

eine höhere Frequenz auch wirklich<br />

vertrieblich genutzt wird. Dennoch dürfte<br />

unstrittig eine Filiale mit hoher Frequenz<br />

immer besser nutzbar sein als eine<br />

Filiale mit geringer Frequenz.<br />

Transparenz herstellen<br />

In der Praxis ergaben sich jedoch erhebliche<br />

Herausforderungen: Die fürs<br />

Immobilienmanagement benötigten<br />

Daten waren in der Sparkasse Holstein<br />

zwar überwiegend vorhanden, aber in<br />

der Regel nicht systematisch abrufbar.<br />

Es ist jedoch erforderlich, wesentliche<br />

Objektdaten nicht nur elektronisch<br />

vorzuhalten, sondern auch für Auswertungszwecke<br />

zu verknüpfen. Nur so wird<br />

es möglich, nicht nur Probleme etwa bei<br />

den Energiekosten zu erkennen, sondern<br />

auch festzustellen, wo und bei welchem<br />

Nutzer die Kosten zu hoch sind.<br />

Eine einheitliche Datenhaltung aufzubauen,<br />

ist aufwendig, auch bei der laufenden<br />

Pflege. Um hier nicht unnötige<br />

Energien zu investieren, sollte bereits in<br />

einem frühen Stadium festgelegt werden,<br />

welche Daten künftig zu welchem<br />

Zweck benötigt werden. Auf dieser Basis<br />

kann solide abgewogen werden, ob der<br />

Pflegeaufwand in einem gesunden Verhältnis<br />

zum erwarteten Nutzen steht. Ein<br />

gewisses Mindestmaß an Datenqualität<br />

und -quantität ist die Voraussetzung, um<br />

sich dem Thema Immobilienmanagement<br />

überhaupt stellen zu können.<br />

Marktwert ermitteln<br />

Die Buchwerte der eigenen Immobilien<br />

sollten in einer Bank einfach abrufbar<br />

sein. Doch wie sieht es mit den Marktwerten<br />

aus? Spätestens dann, wenn die<br />

Auseinandersetzung mit den Immobilien<br />

gestartet wird, sollten diese Angaben<br />

verfügbar sein. Die Sparkasse Holstein<br />

hat im Rahmen ihrer Immobilienstrategie<br />

alle Immobilien auf Basis einer möglichen<br />

Fremdnutzung nach dem Ertragswertverfahren<br />

bewertet. Das bedeutet<br />

nicht, dass eine solche Fremdnutzung<br />

jeweils auch angestrebt wird. Wenn dies<br />

bei einzelnen Objekten jedoch geschehen<br />

soll, ist man bestens vorbereitet. Wenn<br />

Buchwerte oberhalb der Marktwerte<br />

lagen, wurde konsequent auf den niedrigeren<br />

Wert abgeschrieben.<br />

Flächen optimieren<br />

Abstrakt gesprochen bedeutet eine Flächenoptimierung,<br />

dass nach Abschluss<br />

der Maßnahmen mehr Menschen pro<br />

Quadratmeter arbeiten als vor der Maßnahme.<br />

Hierdurch werden Flächen frei,<br />

die einer Verwertung zugeführt werden<br />

können. Das bedeutet, dass Flächenoptimierungen<br />

bei den betroffenen Mitarbeitern<br />

nicht per se beliebt sind. Es handelt<br />

sich um einen Spagat zwischen rechnerischer<br />

und tatsächlicher Effizienz. Die<br />

Sinnhaftigkeit einer Flächenoptimierung<br />

endet dort, wo produktive Arbeitsbedingungen<br />

für die Mitarbeiter nicht mehr<br />

ausreichend gewährleistet sind – schließlich<br />

soll die Immobilie weiterhin dem<br />

Menschen dienen und nicht umgekehrt.<br />

Die Erfahrung zeigt allerdings auch, dass<br />

sich durch geschickte Planung auch auf<br />

kleinen Flächen sehr gute und zeitgemäße<br />

Konzepte umsetzen lassen.<br />

Die oben erwähnten Flächenbenchmarks<br />

von 35 und 25 Quadratmetern pro<br />

Vollzeitmitarbeiter sind tatsächlich zu<br />

erreichen, teilweise sogar zu unterschreiten.<br />

Das gilt allerdings jeweils für einzelne<br />

Projekte. Bis der Bestand insgesamt<br />

auf diesem Niveau ankommt, werden<br />

noch viele Jahre vergehen. Es wäre auch<br />

unökonomisch, alle Standorte gleichzeitig<br />

auf diesen Level zu bringen.<br />

Flächen abtrennen und verwerten<br />

Bankgebäude sind Spezialimmobilien.<br />

Meist befinden sie sich – bezogen auf<br />

die jeweiligen Ortschaften – in guten bis<br />

sehr guten Lagen. Zum Teil haben sich<br />

im Laufe der Jahrzehnte jedoch die Ortskerne<br />

verschoben, und die Kundenströme<br />

gehen vielerorts in Richtung grüne<br />

Wiese. Gerade in kleineren Ortschaften<br />

sind also Nutzungskonzepte für nicht<br />

mehr benötigte Gebäude gefordert. Die<br />

Sparkasse Holstein hat eigene Makler<br />

damit beauftragt, nicht mehr benötigte<br />

Objekte nach und nach am Markt zu platzieren.<br />

Da viele Objekte erst nach einem<br />

Umbau marktfähig werden, hat sich das<br />

Institut bewusst gegen einen sogenannten<br />

Paketverkauf entschieden, also den<br />

Verkauf mehrerer Objekte im Rahmen<br />

einer Mischkalkulation an einen Investor.<br />

Dank der stattdessen gezielt vorgenommenen<br />

Einzelmaßnahmen kommt<br />

es auch zu einer Belebung der Standorte,<br />

vielfach durch den Einzug regionaler<br />

Unter nehmen. Hiervon profitiert auch<br />

die Sparkasse.<br />

Es hat sich als hilfreich erwiesen, diese<br />

Herausforderungen nicht alleine anzugehen,<br />

denn Wissen über systematisches<br />

Vorgehen und speziellen Fragen ist in der<br />

Sparkassen-Finanzgruppe reichlich vorhanden.<br />

Die Sparkasse Holstein hat daher<br />

als Patensparkasse an der Workshopreihe<br />

‚Management eigener Immobilien‘ des<br />

DSGV teilgenommen. Hier kommen Sparkassen<br />

aus dem gesamten Bundesgebiet<br />

mit Verbänden und Verbundunternehmen<br />

zusammen, um auf Augenhöhe und<br />

mit hoher Praxisorientierung Lösungen<br />

für die Herausforderungen der einzelnen<br />

Institute zu finden (siehe Kasten). Von diesem<br />

Austausch profitieren alle Beteiligten<br />

und erhalten immer wieder wichtige<br />

Impulse. Bei der nächsten Staffel ist die<br />

Sparkasse Holstein wieder mit dabei. <br />

Peter Becker ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender<br />

der Sparkasse Holstein, Rainer Triebwasser<br />

ist bei dem Institut als Abteilungsdirektor<br />

Unternehmensservice tätig.<br />

Filiale der Sparkasse<br />

Holstein in Ahrensburg.<br />

Auch Shop-inshop-Konzepte<br />

gehören zur Immobilienstrategie<br />

des<br />

Instituts.<br />

FOTOS: SPK HOLSTEIN, DPA<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


40<br />

PERSPEKTIVEN<br />

INDIEN<br />

Öffnung unter Vorbehalt<br />

Ausländische Banken drängen weiter Richtung Finanzplatz Indien. Zugangshemmnisse behindern<br />

jedoch den Markteintritt. Indiens Notenbank stellt jetzt vorsichtige Liberalisierungen in Aussicht.<br />

n VON KLAUS HAUPTFLEISCH<br />

Die indische Wirtschaft wurde im Sog<br />

Chinas zügig liberalisiert, der Bankensektor<br />

harrt jedoch noch seiner Entfesselung.<br />

Zwar hatte die damalige von<br />

der Nationalen Demokratischen Allianz<br />

unter Führung der nationalistischen<br />

Hindupartei BJP gebildete Regierung im<br />

März 2004 verfügt, ausländischen Kreditinstituten<br />

den Weg nach Indien spürbar<br />

zu erleichtern. Auslandsbanken sollten<br />

demnach ohne wesentliche Beeinträchtigung<br />

Zweigstellen eröffnen, Tochterinstitute<br />

in Indien gründen und sich mit<br />

bis zu maximal 74 Prozent am Kapital<br />

einheimischer Kreditinstitute beteiligen<br />

dürfen. Das aber steht immer noch mehr<br />

oder weniger auf dem Papier.<br />

Denn seit der politischen Machtübernahme<br />

im selben Jahr durch die United<br />

Progressive Alliance (UPA) unter Führung<br />

des Indian National Congress betreibt<br />

die indische Zentralnotenbank,<br />

die Reserve Bank of India, eine hochgradig<br />

eigenständige Politik, die auffallend<br />

wenig Rücksicht auf die formal neuen<br />

Rechte der Auslandsbanken nimmt. Beispielsweise<br />

wurde der Einstieg der britischen<br />

HSBC Bank bei der indischen UTI<br />

Bank erst genehmigt, als die Briten den<br />

zu erwerbenden Kapitalanteil von ursprünglich<br />

20 auf nur noch<br />

14,7 Prozent reduzierten.<br />

Zudem verweigerte die<br />

Reserve Bank of India der<br />

andernorts in Asien im Bankensektor<br />

stark engagierten<br />

US-amerikanischen Brokerfirma<br />

Newbridge-Gruppe<br />

eine Beteiligung an der angeschlagenen<br />

einheimischen<br />

Global Trust Bank (GTB<br />

Bank). Stattdessen wurde<br />

eine Fusion dieses maroden<br />

Kreditinstituts mit der staatlichen<br />

indischen Oriental<br />

Bank of Commerce (OB) quasi<br />

angewiesen.<br />

Diese protektionistische<br />

Marschrichtung wird mittlerweile<br />

auch in Indien<br />

selbst kritisiert, weil sie Auslandsinvestitionen<br />

vor allem<br />

in eher unterkapitalisierte<br />

indische Banken erschwert<br />

oder uninteressant macht.<br />

Das Kreditgewerbe des Subkontinents<br />

insgesamt fürchtet jedoch die ausländische<br />

Konkurrenz. Es stößt damit sogar<br />

auf Verständnis der Welthandelsorganisation<br />

(WTO), die der restriktiven Erteilung<br />

von Banklizenzen vorerst noch<br />

ihren Segen erteilt. Trotzdem hat die internationale<br />

Banking Community in Indien<br />

inzwischen bereits einen Fuß in der<br />

Tür. Immerhin sind derzeit 34 Auslandsinstitute<br />

vor Ort präsent – und das mit<br />

310 Geschäftsstellen. Am Bankfilialnetz<br />

Indiens insgesamt gemessen, decken sie<br />

damit allerdings nur einen Marktanteil<br />

von 0,4 Prozent ab.<br />

Ausländer mit winzigem Marktanteil<br />

Namhafte Akteure sind darunter – etwa<br />

die britischen Kreditinstitute HSBC, Standard<br />

Chartered und Royal Bank of Scotland.<br />

Außerdem die amerikanische Citigroup,<br />

die französische BNP Paribas, die<br />

Deutsche Bank und die DBS Group aus<br />

Singapur, einer der führenden Finanzdienstleister<br />

Asiens.<br />

Und weitere Ausländer drängen auf den<br />

indischen Markt mit seinen 1,2 Mrd. Menschen.<br />

Derzeit stehen 18 neue Auslandsbanken<br />

vor der Tür. Noch aber dominiert<br />

weiterhin Restriktion. Selbst den in Indien<br />

bereits zugelassenen ausländischen<br />

Instituten wurden im vergangenen Jahr<br />

Szene aus dem Bollywood-Film „Monsoon Wedding“: Indiens Filmindustrie<br />

ist längst auf den internationalen Märkten angekommen. Auf dem<br />

reglementierten Bankenmarkt ist aber noch viel nachzuholen. FOTO: DPA<br />

lediglich 15 neue Filialen von der Reserve<br />

Bank of India genehmigt.<br />

Zugleich aber scheint bei der Zentralnotenbank<br />

die Erkenntnis zu reifen, dass sich<br />

eine zunehmende Integration des Schwellenlandes<br />

Indien in die internationale<br />

Wirtschafts- und Finanzordnung ohne<br />

weitere Öffnung des Bankensektors gegenüber<br />

dem Ausland schwerlich realisieren<br />

lässt. Kürzlich legte sie einen Entwurf zur<br />

Reform des Kreditgewerbes vor, der die<br />

Lizenzvergabe für weitere Bankstellen im<br />

Lande liberalisieren soll. So sollen bereits<br />

ansässige ausländische Kredit institute<br />

leichter an Lizenzen zum Ausbau ihres<br />

Filialnetzes in Indien gelangen können.<br />

Zudem soll ihnen erstmals die Möglichkeit<br />

geboten werden, auf Rupien lautende Obligationen<br />

zu emittieren. Das würde den<br />

Auslandsbanken endlich den indischen<br />

Kapitalmarkt zur Refinanzierung öffnen.<br />

Notenbank kontrolliert Geschäfte<br />

Zum Nulltarif gibt es die erweiterten Geschäftsmöglichkeiten<br />

indessen nicht. Die<br />

ausländischen Kreditinstitute dürfen ihr<br />

Indien-Engagement künftig nicht mehr<br />

von der Zentrale im jeweiligen Mutterland<br />

aus, sondern allein durch eine eigenständige<br />

Tochter auf dem Subkontinent<br />

steuern. Die Reserve Bank of India<br />

will so offenbar ihre Kontrolle über die<br />

Auslandsbanken und deren<br />

Geschäfts gebaren verstärken<br />

und diese Institute den<br />

indischen Banken gleichstellen.<br />

Dazu gehört die Beachtung<br />

der strengen Eigenkapitalvorschriften<br />

Indiens sowie<br />

die Auflage, das Filialnetz<br />

künftig stärker in den ländlichen<br />

Raum auszuweiten<br />

– ein Liberalisierungsprogramm<br />

auf Sparflamme, da<br />

der Marktneuzugang offenbar<br />

weiterhin beeinträchtigt<br />

bleibt. Ashvin Parekh,<br />

Finanzmarktexperte der Unternehmensberatung<br />

Ernst<br />

& Young in Mumbai glaubt<br />

zumindest, dass von den<br />

Plänen der indischen Notenbank<br />

vor allem ausländische<br />

Banken profitieren,<br />

die schon länger in Indien<br />

engagiert sind.<br />

<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


PERSPEKTIVEN 41<br />

Indische Hochzeitsdekorationen:<br />

Das<br />

Land nimmt gut ein<br />

Fünftel des weltweiten<br />

Goldangebots auf,<br />

90 Prozent davon<br />

werden zu Hochzeitsschmuck<br />

verarbeitet.<br />

Vor allem im Herbst<br />

steigt die Goldschmucknachfrage,<br />

denn dann heiraten<br />

viele Paare. <br />

<br />

FOTO: DPA<br />

EDELMETALLE<br />

Nicht nur Gold glänzt<br />

Ein Blick auf Märkte und Produktionsbedingungen zeigt: Der Goldpreis wird kaum mehr unter<br />

1000 US-Dollar fallen. Allerdings ist auch ein starker Preisanstieg bei Silber wahrscheinlich, vor<br />

allem wenn die Anlageoptionen für das Edelmetall vielfältiger werden.<br />

Etwa 2600 Tonnen Gold wurden im<br />

vergangenen Jahr gefördert, davon<br />

40 Prozent in Südafrika. 2011 ist mit<br />

etwa der gleichen Fördermenge zu rechnen,<br />

und der Weltmarktbedarf ist damit<br />

bei Weitem nicht gedeckt. Bei Anlegern<br />

steigt die Nachfrage wegen der hohen Risiken<br />

an den Finanzmärkten.<br />

Der Preisspielraum<br />

nach oben<br />

dürfte bei<br />

Silber erheblich<br />

größer<br />

sein als bei<br />

Gold.<br />

Die Schmuckindustrie benötigt<br />

das Edelmetall, und die Zentralbanken<br />

horten Gold wieder<br />

als zusätzliche Reserve.<br />

Daher muss Gold heute schon<br />

in Tiefen bis zu 4000 Metern<br />

abgebaut werden Im Mittel<br />

enthält jede Tonne goldhaltigen<br />

Gesteins 20 Gramm Gold.<br />

Förderung und Produktion<br />

sind derart teuer, dass sich<br />

ein Abbau bei einem Preis von<br />

weniger als 750 US-Dollar je<br />

Feinunze kaum noch lohnt.<br />

Die Goldförderer haben erst vor etwa vier<br />

Jahren wieder damit begonnen, neue<br />

Vorkommen zu erschließen<br />

Indien nimmt mehr als ein Fünftel<br />

des weltweiten Goldangebots auf. Nach<br />

China werden in diesem Jahr etwa<br />

750 Tonnen Gold fließen. Chinas Staatsbank<br />

stockt ihre Goldreserven kontinuierlich<br />

auf, und die vermögend gewordenen<br />

Chinesen behängen sich gern mit<br />

Goldschmuck. Weitere 400 Tonnen fließen<br />

auf den drittgrößten Goldmarkt USA,<br />

auch Italien und die Türkei sind starke<br />

Abnehmer. Auch wegen gestiegener Einkommen<br />

in Brasilien und Russland zeigt<br />

der Goldpreis substanziell – mal stärker,<br />

mal flacher – nach oben. Leichte Preiskorrekturen<br />

sollten zum Ausbau oder<br />

Einstieg genutzt werden und jede seriöse<br />

Anlage in Gold wird mittelfristig ertragreich<br />

sein. Ein Goldpreis von unter 1000<br />

US-Dollar pro Feinunze ist in<br />

einem absehbaren Zeitraum<br />

nicht vorstellbar.<br />

Ein Slogan in der Edelmetallbranche<br />

lautet: ,Gold wird gehortet,<br />

Silber verarbeitet.‘ Silber<br />

ist wegen seiner thermischen<br />

Supraleitfähigkeit ein gefragter<br />

industrieller Rohstoff,<br />

der etwa in der Medizintechnik,<br />

der Elektro- und IT-Industrie<br />

breite Verwendung findet.<br />

Noch wird etwa die Hälfte der<br />

Produktion für das Prägen von<br />

Silbermünzen benötigt. Lediglich<br />

25 Prozent des Silbers finden in der<br />

Schmuckherstellung Verwendung. Vor<br />

allem in China gewinnt Silberschmuck<br />

immer stärker an Bedeutung. Aktuell<br />

liegt dort der Pro-Kopf-Verbrauch zwar<br />

erst bei 1/70 des amerikanischen Bedarfs.<br />

Doch auch die industrielle Silbernachfrage<br />

steigt derzeit zwischen sechs und acht<br />

Prozent pro Jahr und wird binnen der<br />

kommenden fünf Jahre auf etwa zehn<br />

Prozent anwachsen.<br />

Die erreichbaren globalen Silbervorkommen<br />

werden aktuell auf etwa eine<br />

Mrd. Unzen geschätzt, obwohl das Metall<br />

rechnerisch 20 Mal häufiger in der<br />

Erdkruste vorkommt als Gold. Doch ein<br />

Großteil des Silbers liegt unter dem Meeresspiegel.<br />

Die gesicherten Goldvorkommen<br />

liegen mit etwa fünf Mrd. Unzen weit<br />

darüber.<br />

Die Silbernachfrage steigt<br />

Weil bisher keine neuen Silbervorkommen<br />

bekannt sind, muss in Zukunft vor<br />

allem stark auf recyceltes Silber zurückgegriffen<br />

werden, das aber nur sehr begrenzt<br />

zur Verfügung steht. Auch die<br />

Mengen des bei der Kupferproduktion<br />

als sogenannter Anodenschlamm anfallenden<br />

Silbers sind begrenzt. Hinzukommt,<br />

dass die Industrieverarbeiter aus<br />

Kostengründen bis vor kurzer Zeit kein<br />

Silber bevorratet, sondern je nach aktuellem<br />

Bedarf eingekauft haben. Nun werden<br />

mindestens die für einen oder zwei<br />

Monat benötigten Mengen gekauft.<br />

Allein deshalb dürfte der Preisspielraum<br />

nach oben bei Silber erheblich<br />

größer sein als bei Gold. Bei einem aktuellen<br />

Marktpreis um die 37 US-Dollar<br />

je Feinunze empfiehlt es sich aber nicht,<br />

physisches Silber zu halten. Zwar sind<br />

Silbermünzen nach wie vor der Kaufhit,<br />

aber auch deswegen, weil es im Gegensatz<br />

zu Gold noch an Anlageoptionen<br />

fehlt. Werden solche etabliert, wird aus<br />

Anlagesicht der Run auf Silber sehr stark<br />

ansteigen.<br />

Reiner Merkel<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


42<br />

PERSPEKTIVEN<br />

EUROPÄISCHE ZENTRALBANK<br />

Test-Stress in Frankfurt<br />

Während der Kreditkrise machte die Europäische Zentralbank eine souveräne, vielfach gelobte<br />

Figur. Entschlossen stützte sie Banken, gekonnt bändigte sie panische Finanzmärkte. Doch an der<br />

Schuldenkrise der Eurozone droht sich der Frankfurter Riese – nicht ohne eigene Schuld – zu<br />

verheben. Muss die Bank gar bald selbst gerettet werden?<br />

n VON TITUS KRODER<br />

Trichet setzt ihnen endlich die Pistole<br />

an die Schläfe. Wen wundert das?“,<br />

fragt ein Anleihenstratege bei<br />

einem Londoner Vermögensverwalter.<br />

Für den langjährigen<br />

Experten für Euro-<br />

Staatsanleihen steht<br />

fest, dass Jean-Claude<br />

Trichet konkret ahnt,<br />

was seiner Europäischen<br />

Zentralbank<br />

(EZB) blüht, wenn er<br />

nicht schnell eine endgültige<br />

Widerstandslinie<br />

zieht. Es droht nicht<br />

weniger als die Implosion<br />

des Vertrauens in<br />

die Notenbank als wehrtüchtige<br />

Hüterin der Gemeinschaftswährung.<br />

Und so blockiert der<br />

grauhaarige Franzose<br />

– seit acht Jahren EZB-<br />

Präsident und bislang<br />

erfolgreiche Steuermann<br />

der Inflationsrate der Eurozone<br />

– seit Wochen jeglichen<br />

Versuch, den erneut<br />

klamm gewordenen Griechen<br />

einen „weichen“ Rettungs-Deal<br />

einzuräumen.<br />

Als Trichets Kontrahenten<br />

dringen Politiker<br />

wie der deutsche Finanzminister<br />

Wolfgang Schäuble<br />

angesichts der neuen Milliardenlöcher<br />

im Athener<br />

Haushalt darauf, einfach die<br />

Schulden des Landes um sieben<br />

Jahre zu strecken. Diese<br />

in Expertenkreisen „soft bailout“<br />

getaufte Prozedur würde<br />

zwar Investoren in Griechen-<br />

Anleihen schröpfen. Aber den<br />

großen Knall – den Staatsbankrott<br />

eines Eurolandes<br />

mit allen Folgebeben an den<br />

globalen Finanzmärkten, das<br />

Zerbrechen der Eurozone gar<br />

Düster: Die EZB trägt derzeit<br />

Risiken, die die Kapitalbasis um<br />

das Vielfache übertreffen.<br />

– könnte, so hofft zumindest Schäuble,<br />

damit noch verhindert werden.<br />

Doch Europas Chef-Notenbanker<br />

hat nach zwei Jahren Euro-Krisenmanagement<br />

sichtlich die Nase voll von<br />

halbgarem Lavieren außerhalb seiner<br />

eigentlichen Zuständigkeit. Dabei war<br />

es Trichet selbst, der sich, ohne es von<br />

Amts wegen zu müssen – ja sogar, ohne<br />

es nach Ansicht von Puristen wie Ex-<br />

Bundesbank-Chef Axel Weber zu dürfen<br />

–, tief in die Rettung Griechenlands,<br />

Irlands und Portugals vor dem Haushaltskollaps<br />

eingeschaltet hat. Für rund<br />

70 Mrd. Euro hat die EZB allein Athener<br />

Staatschuldpapiere gekauft, um die<br />

Märk te zu stabilisieren. Für weitere 40<br />

Mrd. Euro dürfte sie dubiose Wertpapiere<br />

von griechischen Banken als Pfand für<br />

Notfall finanzierungslinien angenommen<br />

haben. Ähnlich eifrig half die EZB den übrigen<br />

Problemfällen Irland und Portugal.<br />

Und nun soll sich die Euro-Notenbank,<br />

vollgesogen mit riskanter Fracht, auch<br />

noch einen „Hair cut“ gefallen lassen,<br />

eine massive Wertminderung der Bonds<br />

in ihren Büchern, wenn die Griechenschulden<br />

gestreckt werden sollten.<br />

EZB bricht mit eigenen Grundsätzen<br />

„Pas du tout!“ Trichet und seiner Mannschaft<br />

dämmert längst die für die EZB<br />

alles entscheidende Frage: Welche Autorität<br />

würde eine nach den Statuten unabhängige<br />

Notenbank noch haben, die<br />

sich von der Politik zuerst zur Hilfe in der<br />

Euro-Krise breitschlagen und dann auch<br />

noch von ihr finanziell skalpieren lässt?<br />

EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini<br />

Smaghi kommt seinem Chef zu Hilfe<br />

und nennt eine Umschuldung oder Streichung<br />

der Schulden mit Blick auf die sich<br />

daran anknüpfende Marktpanik denn<br />

auch „die Todestrafe – die wir in Europa<br />

eigentlich abgeschafft haben“.<br />

Noch ist es zwar nicht soweit: Doch der<br />

EZB-Chef weiß, dass auch die Kräfte einer<br />

Notenbank endlich sind. Die Bank der<br />

Banken könnte kaum tiefer im Ansehen<br />

an den Märkten fallen, würde sie angesichts<br />

der unbekömmlichen Diät aus<br />

Schrottpapieren europäischer Peripherie-Staaten<br />

bald selbst einen „Bail-out“<br />

benötigen. „Deshalb versucht Trichet wie-<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


PERSPEKTIVEN 43<br />

der normaler Geldpolitiker zu werden,<br />

statt immer weiter in die Kapitänsrolle<br />

auf einem Rettungsboot zu rutschen“,<br />

sagt ein Beobachter der Notenbank.<br />

Überhaupt dürften dem seit 2003 in<br />

Frankfurt amtierenden 69-jährigen EZB-<br />

Chef, der im Oktober an den Italiener<br />

Mario Draghi übergeben wird, dieser Tage<br />

die Lehrsätze lupenreiner Notenbanktheorie<br />

durch den Kopf gehen. Etwa der, dass<br />

Haushaltspolitik auf keinen Fall Aufgabe<br />

einer Zentralbank sein darf, die lediglich<br />

über die richtige Zinspolitik, die Teuerungsrate<br />

einer Währung zu steuern hat.<br />

Doch der gelernte Bergbauingenieur<br />

aus Lyon hat, wenn auch widerwillig, zugestimmt,<br />

als es vor gut einem Jahr daran<br />

ging der EZB zu erlauben, die riskanten<br />

Staatspapiere der überschuldeten Euromitglieder<br />

en masse aufzukaufen. Der<br />

einstige Mitarbeiter im Pariser Finanzministerium<br />

hat sogar zugelassen, dass<br />

die Regel aufgeweicht wird, wonach<br />

die EZB Kredite an Banken in Finanzierungsnöten<br />

ausgeben darf, dafür aber<br />

ausschließlich erstklassige Sicherheiten,<br />

etwa deutsche Staatsanleihen akzeptiert.<br />

Allerhand Papiere dubioser Bonität unterhalb<br />

der Best-Note „AAA“ hortet Frankfurt<br />

seither. Wie und an wen die EZB die<br />

Bonds und mit allerhand diffusen Werten<br />

unterlegten Verbriefungs-Papiere,<br />

deren künftiger Wert heute kaum feststellbar<br />

ist, wieder los wird, steht noch in<br />

den Sternen.<br />

Und ein Ende des umstrittenen Krisenmanagements<br />

aus Frankfurt ist nicht<br />

abzusehen. Denn der Bedarf der Banken<br />

an täglichem Kredit aus Frankfurt ist<br />

nach wie vor spektakulär. Jeden Montag<br />

vergibt die Notenbank über sogenannte<br />

Repo-Transaktionen ihre kurzfristigen<br />

Notfallmittel an den Bankensektor – derzeit<br />

zum Zins von 1,25 Prozent. Momentan<br />

greifen hier wöchentlich rund 230<br />

Institute bei der sogenannten Emergency<br />

Liquidity Assistance zu – ein Gesamtvolumen<br />

von zuletzt rund 116 Mrd. Euro.<br />

Selbst während den dramatischsten Tagen<br />

der Bankenkrise, als die Institute aus<br />

Angst vor faulen Immobilienpapieren<br />

Konkurrenten kein Geld mehr ausliehen,<br />

gab es kaum mehr Anfragen bei der EZB.<br />

„Das bedeutet aber, dass etwa ein Drittel<br />

aller Banken der Eurozone derzeit sich<br />

so stark gegenseitig misstrauen, dass sie<br />

sich nicht, wie in normalen Zeiten, mit<br />

kurzfristigen Kreditlinien aushelfen“,<br />

schlussfolgert Ted Scott, Ökonom des<br />

Vermögensverwalters Foreign & Colonial.<br />

Papiere mit dubioser Bonität<br />

Völlig überraschend ist das nicht. In der<br />

Branche ist bekannt, dass mehr als 40<br />

Prozent der Staatspapiere Griechenlands,<br />

Irlands und Portugals bei französischen,<br />

britischen und deutschen Banken lagern.<br />

Unter den deutschen Instituten haben<br />

vor allem die Hypo Real Estate mit knapp<br />

acht Mrd. Euro sowie die Commerzbank<br />

Hilft nur noch beten? EZB-Präsident<br />

Jean-Claude Trichet sorgt sich um sein<br />

Institut.<br />

FOTOS: DPA<br />

mit drei Mrd. Euro griechischen Staatsanleihen<br />

an Bord. Und angesichts der tiefgehenden<br />

Einbindung der EZB in das laufende<br />

Krisenmanagement – griechische<br />

Institute wie National Bank of Greece,<br />

ABG oder Piräus Bank stehen bei ihr inzwischen<br />

mit über 90 Mrd. Euro in der<br />

Kreide – gerät auch der bilanzielle Unterbau<br />

der Frankfurter Notenbank immer<br />

stärker in den sorgenvollen Blick von Experten.<br />

Von der größten „Bad Bank“ der<br />

Welt ist bei Skeptikern inzwischen angesichts<br />

der massiven Schuldenrisiken der<br />

Frankfurter die Rede. Anders als etwa die<br />

Bank of England oder das US-Gegenstück<br />

Fed achtet die EZB durch entsprechende<br />

Verkäufe streng darauf, dass ihre Wertpapierkäufe<br />

nicht die Geldbasis der Eurozone<br />

vergrößern, was die Inflation anheizen<br />

würde – auch wenn diese Praxis erst<br />

recht zur raschen Ansammlung gefährlicher<br />

Bilanzposten führt.<br />

Doch wie belastbar ist die EZB, wie lange<br />

kann sie die Krise durchstehen? Einer<br />

soeben veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts<br />

Open Europe zufolge<br />

bleibt den Zentralbankern um Trichet<br />

inzwischen nur noch beängstigend wenig<br />

Spielraum. So verfügt die EZB derzeit<br />

über gut 81 Mrd. Euro an Kapital, das von<br />

den Mitgliedsländern der Eurozone eingezahlt<br />

wurde. Dem stehen, so rechnet<br />

die Studie vor, 1895 Mrd. an riskanten<br />

Vermögenspositionen in der Bilanz gegenüber.<br />

„Die Bank hat damit derzeit also<br />

das 23-fache Risiko gemessen an ihrer<br />

Kapitalbasis. Zum Vergleich: Eine Notenbank<br />

wie die der Schweiz liegt bei diesem<br />

Verhältnis etwa beim Sechsfachen. Selbst<br />

für ihre Risikofreude bekannte Hedgefonds<br />

sind nicht stärker als um den Faktor<br />

fünf verschuldet“, erläutert Mats Pers -<br />

son, Autor des Stress Tests für die EZB.<br />

Die Sorgen, die sich mittlerweile viele<br />

Beobachter um die Notenbank machen,<br />

werden greifbar, wenn man annimmt,<br />

dass Griechenland auch nur die Hälfte<br />

seiner Verbindlichkeiten umschulden<br />

müsste. Dies könnte bei der EZB einen<br />

Verlust von gut 65 Mrd. Euro aus lösen, so<br />

Ökonom Persson. „Ein Loch dieser Größenordnung<br />

würde wohl die effektive Insolvenz<br />

der EZB herbeiführen“, vermutet<br />

der Experte. Auch wenn Verluste dieser<br />

Größenordnung nicht das gesamte Kapital<br />

der Bank aufbrauchen, so würde das<br />

Risiko gemessen an der stark dezimierten<br />

Basis auf das bis zu 123-fache steigen. „In<br />

diesem Zustand wird man wohl jedes<br />

Geschäft als zahlungsunfähig ansehen.<br />

Man darf nicht vergessen, dass Lehman<br />

Brothers eine Schuldenquote von 30 hatte<br />

als die Bank unterging“, schreibt der<br />

Think Tank Open Europe.<br />

Im Notfall wird nachgeschossen<br />

Doch die EZB ist andererseits nicht irgendeine<br />

beliebige privatwirtschaftliche<br />

Bank. Eine drastische Wertberichtigung<br />

in ihren Büchern würde nicht direkt zum<br />

Kollaps führen. Die Notenbank müsste –<br />

will sie ihr Kapitalproblem nicht à la longue<br />

durch Inflation des Euro lösen – vielmehr<br />

in großem Umfang frisches Kapital<br />

von den Mitgliedsländern der Eurozone<br />

anfordern. Diese sind qua Euro-Vertrag<br />

zum Nachschuss der benötigten Mittel<br />

verpflichtet. Deutschland als größter Teilhaber<br />

des Euro-Systems müsste ein knappes<br />

Drittel der benötigten Mittel liefern.<br />

Zwischen zwölf und 18 Mrd. Euro besagt<br />

das Rechenexempel von Open Europe<br />

könnte auf den deutschen Fiskus zukommen<br />

– zusätzlich zu den bereits beschlossenen<br />

Multimilliarden-Rettungspaketen.<br />

Trichets befürchtetes Waterloo wäre mit<br />

dem EZB-Nachschuss perfekt. Welchen<br />

Respekt hätte eine Notenbank noch, die<br />

selbst zum Intensivpatienten ihrer eigenen<br />

Strategie geworden ist? Hatte die<br />

Bank nicht erst im vergangenen Jahr in<br />

einem Arbeitspapier formuliert: „Wie finanziell<br />

robust eine Notenbank im Markt<br />

wahrgenommen wird, hat größten Einfluss<br />

darauf, wie glaubhaft sie dort agieren<br />

kann.“<br />

n<br />

Griechische Staatsschulden<br />

Bei europäischen Banken in Mrd. Euro<br />

19,4 National Bank of Greece<br />

10,0 ABG<br />

8,4 Piräus Bank<br />

7,9 Hypo Real Estate<br />

7,5 EFG Eurobank<br />

5,4 GPSB<br />

5,0 BNP Paribas<br />

4,6 Alpha Bank<br />

3,5 Dexia<br />

3,0 Commerzbank<br />

26,0 Sonstige<br />

101,1 Total<br />

Quelle: Foreign & Colonial Investments<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


44<br />

PERSPEKTIVEN<br />

US-HYPOTHEKENKRISE<br />

Hybris und Nemesis<br />

Staatsanwälte in den Vereinigten Staaten gehen immer energischer gegen Banken vor. Vordergründig<br />

geht es darum, mögliche Straftaten im Vorfeld der Finanzkrise aufzudecken. Zudem<br />

sollen medienwirksame Auftritte den Chefermittlern den Weg zu politischen Karrieren bahnen.<br />

n VON RICHARD HAIMANN<br />

Die Summe scheint akzeptabel, das<br />

Renditepotenzial verlockend: Im Juli<br />

2006 verkündet die Deutsche Bank die<br />

bevorstehende Übernahme des börsennotierten<br />

Real Estate Trusts Mortgage-IT.<br />

429 Mio. US-Dollar zahlten die Frankfurter<br />

für den großen Hypothekenkreditgeber,<br />

der zu dieser Zeit kräftig am<br />

boomenden Eigenheimmarkt in den Vereinigten<br />

Staaten verdient. Immobiliendarlehen<br />

im Gesamtwert von 29,2 Mrd.<br />

US-Dollar hatte die Holding im Jahr zuvor<br />

ausgereicht.<br />

Risiken gab es scheinbar keine: Schließlich<br />

garantiert die US-Regierung über eigene<br />

Behörden für sämtliche Kredite von<br />

Mortgage-IT. „Wir glauben, dass große<br />

Chancen bestehen, am US-Hypothekenmarkt<br />

weitere Produkte und Dienstleistungen<br />

anzubieten.“ Mit diesen Worten<br />

feierte Anshu Jain, Leiter der Investmentsparte<br />

der Deutschen Bank und Mitglied<br />

ihres Group Executive Committees, damals<br />

den Zukauf.<br />

Forderung von 386 Mio. Dollar<br />

Heute freut sich in den Frankfurter Doppeltürmen<br />

des Instituts niemand mehr<br />

über den Deal. Auf Schadenersatz in Höhe<br />

von rund einer Mrd. US-Dollar verklagt<br />

Manhattans Staatsanwalt Preet Bharara<br />

die Bank. Der Vorwurf: Mortgage-IT<br />

habe auch Kredite an Immobilienkäufer<br />

geringer Bonität vergeben – obwohl der<br />

Hypothekenfinanzierer gewusst habe,<br />

dass die se Subprime-Kunden mittelfristig<br />

nicht in der Lage gewesen seien, die<br />

Darlehen zu bedienen.<br />

Die damit erschlichenen Garantien hätten<br />

die amerikanischen Regierung seit<br />

Beginn des Zusammenbruchs am Eigenheimmarkt<br />

386 Mio. US-Dollar gekostet.<br />

„Hunderte weitere Millionen Dollar“, argumentieren<br />

die Anklagevertreter, dürften<br />

hinzukommen. Den Schaden – plus<br />

einer Strafzahlung – müsse die Deutsche<br />

Bank begleichen.<br />

Der Frankfurter Konzern und seine<br />

Tochter, so diktierte Bharara Journalisten<br />

in den Stenoblock, „haben die schlimmsten<br />

der üblen Kreditvergabepraktiken<br />

der Branche vorgenommen“. Zwar gab<br />

sich Vorstandschef Josef Ackermann bei<br />

der Hauptversammlung im Mai kämpferisch:<br />

Das Institut würde von den US-<br />

Behörden „zu Unrecht angegriffen“ und<br />

werde sich „mit allen gebotenen Mitteln<br />

zur Wehr setzen“. Fast sämtliche fraglichen<br />

Kredite, argumentieren Vertreter<br />

der Bank in Hintergrundgesprächen,<br />

seien von Mortgage-IT vergeben worden,<br />

bevor die Holding im Jahr 2007<br />

endgültig an das Frankfurter<br />

Bankhaus ging. Gleich nach<br />

der Übernahme seien derartige<br />

Vergabepraktiken unterbunden<br />

worden.<br />

Doch damit wäre die Deutsche<br />

Bank lediglich moralisch für die<br />

Vorfälle nicht verantwortlich.<br />

Strafrechtlich sehe das ganz<br />

anders aus, sagt eine Sprecherin<br />

der Staatsanwaltschaft in<br />

Manhattan: „Nach US-Recht haftet<br />

der Aufkäufer einer börsennotierten<br />

Gesellschaft auch für<br />

all ihre früheren Gesetzesverstöße.“<br />

Und Bhararas Anklage ist<br />

nicht das einzige Problem der<br />

Deutschen Bank in den USA.<br />

Inzwischen ist sie auch in das<br />

Fadenkreuz der Ermittlungen des New<br />

Yorker Generalstaatsanwalts Eric Schneiderman<br />

geraten – ebenso wie etliche<br />

andere große Geldhäuser, darunter die<br />

Bank of America, Goldman Sachs, Morgan<br />

Stanley und weitere ausländische<br />

Institute wie die Royal Bank of Scotland<br />

und die Schweizer UBS.<br />

Im Jahr drei nach Ausbruch der Finanzkrise<br />

sind die USA für Banken zum<br />

heißen Pflaster geworden. Die Strafverfolgungsbehörden<br />

stellen die Institute an<br />

den Pranger. „In Umfragen genießen Gebrauchtwagenhändler<br />

mehr Ansehen als<br />

wir“, stöhnt ein führender Manager einer<br />

europäischen Bank hinter vorgehaltener<br />

Hand. „Wäre dies eine kleine Volkswirtschaft<br />

– wir hätten uns längst aus den<br />

USA zurückgezogen.“ Doch im<br />

wichtigsten Finanzmarkt der<br />

Welt sei Präsenz gefragt – koste<br />

es an Imageproblemen und Vergleichszahlungen,<br />

was es wolle.<br />

Bei Schneidermans Untersuchungen<br />

geht es jetzt um die<br />

Verbriefungen von Hypothekendarlehen<br />

in der Zeit des<br />

Immobilienbooms und um<br />

fragwürdige Wetten auf dessen<br />

Ende. Kurz: „Um die Hybris und<br />

die Nemesis der Banken in der<br />

US-Hypothekenkrise“, wie es im<br />

Büro des Generalstaatsanwalts<br />

heißt. Für die Anmaßung hätten<br />

die Banken gesorgt, als sie<br />

in den Jahren vor der Finanzkrise<br />

Hypothekendarlehen verbrieft<br />

und aus ihnen derivative<br />

Instrumente geschaffen hätten,<br />

ohne deren Inves toren über die tatsächlichen<br />

Risiken der Produkte zu informieren.<br />

Die Rolle der Göttin des gerechten<br />

Zorns aus der griechischen Mythologie<br />

wollen die Ermittler nun selbst einnehmen.<br />

Zum Synonym all ihrer Vorwürfe ist<br />

Abacus 2007-AC1 geworden – ein Immobilienkreditderivat,<br />

das die Investmentbank<br />

Goldman Sachs vor rund<br />

Vergleiche mit den Justizbehörden sind kein Schutz<br />

Vergleiche mit den US-Justizbehörden schützen<br />

Banken nicht vor weiteren Zivilprozessen.<br />

In den Vergangenheit haben Aktionäre in<br />

ähnlichen Fällen wiederholt Sammelklagen<br />

gegen die Finanzinstitute angestrengt, um<br />

Schadenersatzzahlungen für erlittene Einbußen<br />

durch Aktienkursverluste oder reduzierte<br />

Dividenden einzufordern. „Diese Gefahr<br />

besteht auch bei den derzeitigen Ermittlungen<br />

der Staatsanwälte wegen der Immobilienkrise“,<br />

Forcierte im Jahr<br />

2006 den Kauf des<br />

US-Hypothekenkreditgebers<br />

Mortgage-IT:<br />

Anshu Jain, Leiter<br />

der Investmentsparte<br />

der<br />

Deutschen Bank<br />

sagt der auf internationales Kapitalanlagerecht<br />

spezialisierte Jurist Andreas Tilp. Neben<br />

den Banken selbst könnten theoretisch auch<br />

Vermittler verklagt werden, die ihren Kunden<br />

Aktien der Finanzinstitute zur Anlage empfohlen<br />

haben. Deutsche Sparkassen dürften<br />

dabei jedoch nicht gefährdet sein. Denn nach<br />

dem US-Kapitalmarktrecht sind Sammelklagen<br />

nur zulässig, wenn die Aktien an US-Börsen<br />

erworben wurden.<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


PERSPEKTIVEN 45<br />

vier Jahren mit dem Hedgefonds-Manager<br />

John Paulson aufgelegt hat. Investoren<br />

konnten mit dem Instrument auf<br />

eine Fortsetzung des Booms an<br />

den Eigenheimmärkten der Vereinigten<br />

Staaten wetten. Was sie<br />

nicht wussten: Paulson nahm<br />

die Gegenposition ein. Als die<br />

Blase platzte, zählte sein Fonds<br />

zu den wenigen Gewinnern.<br />

Rund 3,7 Mrd. US-Dollar Profit<br />

strich Paulsons Investmentvehikel<br />

ein. Derweil gerieten rund<br />

um den Globus immer mehr<br />

Aufkäufer derartiger Papiere in<br />

den Mahlstrom des implodierenden<br />

US-Eigenheimmarkts.<br />

Allein in Deutschland musste<br />

die Bundesregierung mehr als<br />

100 Mrd. Euro an Kapitalspritzen<br />

und Garantien aufwenden,<br />

um Institute wie die IKB und die<br />

Depfa samt ihrer Mutter Hypo<br />

Real Estate vor dem Zusammenbruch<br />

zu bewahren.<br />

Die obersten New Yorker Ankläger haben<br />

nun etliche jener Banken zu Anhörungen<br />

vorgeladen, die damals Hypothekendarlehen<br />

verbrieft und an andere<br />

Investoren verkauft haben. Sie müssen<br />

Informationen über die von ihnen kreierten<br />

Finanzprodukte aus Immobilienkrediten<br />

offenlegen. Anders als in<br />

Deutschland sind Staatsanwälte in den<br />

USA nicht verpflichtet, be- und entlastendes<br />

Material gegen Verdächtige zu<br />

sammeln. Ihre Aufgabe besteht einzig<br />

darin, belastendes Material zusammenzutragen.<br />

Und wer in ihren Fokus gerät,<br />

ist gesetzlich verpflichtet, alle gewünschten<br />

Informationen zu liefern: „Die Gegner<br />

müssen die sie belastenden Beweise<br />

selbst vorlegen“, erläutert der auf internationales<br />

Kapitalanlagerecht spezialisierte<br />

Anwalt Andreas Tilp.<br />

Für die Staatsanwälte geht es nicht nur<br />

um Gerechtigkeit, sondern auch um die<br />

eigene Karriere. Beide Anklagevertreter<br />

sind Mitglieder der demokratischen<br />

Partei, die ihren Präsidenten Barrack<br />

Obama bei der Wahl in zwei Jahren<br />

im Amt bestätigt sehen will. Bank-<br />

Bashing – das verbale oder auch juristische<br />

Eindreschen auf die Banken –<br />

„kommt bei den meisten Wählern derzeit<br />

gut an“, sagt ein republikanischer Kongressabgeordneter.<br />

Staatsanwälte bekleiden Wahlämter<br />

Seine Partei steht den großen Geldhäusern<br />

zwar näher als die Demokraten.<br />

Öffentlich zu ihren Gunsten Stellung beziehen<br />

wollen die Vertreter der konservativen<br />

Partei jedoch nicht. Schließlich<br />

haben auch von ihren eigenen Wählern<br />

zu viele Häuser und Geld in der Krise verloren.<br />

Jüngst erst hatten Vertreter beider<br />

Parteien in einem Ausschuss des US-Senats<br />

die Finanzindustrie wegen fragwürdiger<br />

Hypothekengeschäfte öffentlich an<br />

„Wir werden alle<br />

Institute zur<br />

Rechenschaft<br />

ziehen, die gegen<br />

Gesetze verstoßen.“<br />

New Yorker<br />

Generalstaatsanwalt<br />

Eric Schneiderman<br />

den Pranger gestellt: „Bei unseren Untersuchungen<br />

sind wir auf eine Schlangengrube<br />

voller Gier, Interessenskonflikte<br />

und Missetaten gestoßen.“<br />

Und: Staatsanwälte bekleiden<br />

in den USA Wahlämter, die<br />

in der Vergangenheit oftmals<br />

Sprungbretter zu noch viel größeren<br />

Posten waren. Schneidermans<br />

direkter Vorgänger,<br />

Andrew Cuomo, ist heute Gouverneur<br />

von New York.<br />

Auch Harvard-Absolvent<br />

Schneider man werden Ambitionen<br />

auf höhere Weihen nachgesagt.<br />

Seit der 56-Jährige im<br />

November vergangenen Jahres<br />

sein Amt angetreten hat, lässt er<br />

fast täglich auf der Internetseite<br />

der Behörde neue Ermittlungen<br />

gegen diverse Unternehmen<br />

ankündigen und Verfahrenserfolge<br />

vermelden.<br />

Jüngst erst gegen die UBS. Die<br />

Schweizer Bank erklärte sich in<br />

einem Vergleich bereit, 90,8 Mio. US-Dollar<br />

wegen betrügerischen Verhaltens bei<br />

Geschäften mit Bondderivativen zulasten<br />

von US-Bundesstaaten und Kommunen<br />

zu zahlen. „Wir werden derartiges<br />

Verhalten nicht tolerieren“, ließ Schneiderman<br />

daraufhin die Amerikaner wissen<br />

und kündigte zugleich an, in seinen<br />

Ermittlungen gegen die Banken weiter<br />

nachzulegen: „Ich werde die ganze Kraft<br />

dieser Behörde nutzen, um all jene Institute<br />

in Rechenschaft zu ziehen, die gegen<br />

Gesetze verstoßen.“<br />

Goldman droht erneute Strafe<br />

Preet Bharara – „Robin Hood der Wall Street“<br />

Nach seiner Anklage gegen die Deutsche Bank<br />

ist der New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara<br />

auch in Deutschland kein Unbekannter mehr.<br />

In den USA hatte sich der erst seit August 2009<br />

amtierende Staatsanwalt bereits länger mit<br />

markigen Sprüchen als Liebling der Medien<br />

inszeniert. Bharara verfolgt „eine Mission“,<br />

wie etwa die „Financial Times Deutschland“<br />

anerkennend schreibt. Er und seine 200<br />

Anwälte und Ermittler wollten nicht nur dem<br />

Insiderhandel an der Wall Street den Garaus<br />

machen. „Sie wollen auch in der gesamten Finanzindustrie<br />

aufräumen.“ Der erst 42-jährige<br />

Staatsanwalt hat sich auch mit anderen Größen<br />

Die UBS, sagt ein Mitarbeiter Schneidermans,<br />

dürfe die Worte auch an sich<br />

adressiert verstehen. Ein geschlossener<br />

Vergleich garantiere keinen Schutz vor<br />

weiteren Ermittlungen und Zahlungen.<br />

Das erfährt gerade Goldman Sachs. Im<br />

Sommer vergangenen Jahres hatte sich<br />

die Investmentbank wegen Abacus 2007-<br />

AC1 mit der US-Börsenaufsicht SEC verglichen<br />

und 550 Mio. US-Dollar gezahlt,<br />

um eine Klage abzuwenden. Nun ermittelt<br />

New Yorks Generalstaatsanwalt in<br />

genau dieser Sache erneut gegen das Finanzinstitut.<br />

<br />

n<br />

der Branche angelegt, worauf sich sein Ruf<br />

als „Robin Hood der Wall Street“ begründet.<br />

Bharara verklagte den Finanzbetrüger Bernard<br />

Madoff und nahm sich den Hedgefonds-Manager<br />

Raj Rajaratnam vor, der des Insiderhandels<br />

bezichtigt wird. Gegenüber der Presse<br />

schimpfte Bharara über die Spekulanten, die<br />

den Menschen in der Finanzkrise „den Glauben<br />

an die amerikanischen Institutionen“ geraubt<br />

hätten. Der Staatsanwalt ist Mitglied der<br />

demokratischen Partei, die seit einiger Zeit mit<br />

so genanntem Banker-Bashing um Wählerstimmen<br />

buhlt. Beobachter sagen ihm eine<br />

politische Karriere voraus.<br />

Vertreter des gerechten Zorns: Staatsanwalt Preet Bharara (l.) bei einer Präsentation von<br />

Insidergeschäfts-Klagen gegen Hedgefonds-Manager.<br />

FOTOS: DPA, CORBIS<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


46<br />

LITERATUR<br />

WIRTSCHAFTSMODELLE<br />

Der neue Wohlstand<br />

Der Nachhaltigkeitsexperte Tim Jackson stellt<br />

das Streben nach Wachstum infrage. Nicht alle<br />

Thesen sind neu, dennoch leistet sein Band<br />

einen wichtigen Beitrag zur Debatte.<br />

n VON MIRKO HEINEMANN<br />

Was ist Wohlstand? Für<br />

Angehörige der Nachkriegs-Generation<br />

in Europa<br />

lag die Antwort auf der<br />

Hand. Wohlstand hatte ein<br />

materielles Gesicht: Nie mehr<br />

hungern. Ein großes Haus besitzen.<br />

Ein Auto. Einen Farbfernseher.<br />

Der Weg dorthin<br />

war klar: Wirtschaftswachstum.<br />

Rauchende Schlote.<br />

Brummende Förderbänder.<br />

Wohlstand ohne Wachstum<br />

Leben und wirtschaften<br />

in einer<br />

endlichen Welt,<br />

Tim Jackson,<br />

Oecom Verlag<br />

2011, 293 Seiten,<br />

19,95 Euro<br />

Nun scheint der Zenit überschritten<br />

und die Grenze des<br />

Wachstums erreicht, zumindest<br />

in den Industriestaaten.<br />

Statt materieller Wünsche<br />

rücken andere Bedürfnisse<br />

langsam in den Vordergrund:<br />

Sicherheit, saubere Luft, sinnvolle<br />

Beschäftigung, sozialer<br />

Frieden. Sind dies die Kennzeichen<br />

für den Wohlstand<br />

von morgen?<br />

Tim Jackson versucht in<br />

seinem aktuellen Buch eine<br />

postindustrielle Definition<br />

von Wohlstand zu entwickeln.<br />

Als Professor für nachhaltige<br />

Entwicklung an der Universität<br />

Surrey und Leiter der<br />

Kommission für nachhaltige<br />

Entwicklung der britischen<br />

Regierung ist er Anhänger<br />

des „Green New Deal“. Gerne<br />

zitiert er den ehemaligen Premierminister<br />

Gordon Brown.<br />

Der hatte vom „Zeitalter der<br />

Verantwortungslosigkeit“<br />

gesprochen, der Ära der Bedrohungen<br />

durch soziale<br />

Schieflagen und der Zerstörung<br />

von Landschaften durch<br />

Überfischung, Artensterben,<br />

Bedrohungen durch soziale<br />

Schieflagen.<br />

Jackson möchte den globalen<br />

Turbokapitalismus durch<br />

eine soziale und nachhaltige<br />

Marktwirtschaft ersetzen.<br />

Doch er weiß, dass es unrealistisch<br />

wäre, anzunehmen,<br />

„man könne Emissionen und<br />

Ressourcenverbrauch tiefgreifend<br />

senken, ohne sich<br />

mit der Struktur der Martwirtschaften<br />

auseinanderzusetzen“.<br />

Seine Gedanken hierzu sind<br />

nicht ganz neu. Er regt eine<br />

Umverteilung von Arbeit an,<br />

eine neue Investitionskultur,<br />

die Umstellung auf eine<br />

arbeitsintensive Dienstleistungswirtschaft.<br />

So etwas<br />

lässt sich aber nicht gegen<br />

den Willen der Bevölkerung<br />

durchsetzen.<br />

Nachhaltigkeit ist als ökonomisches<br />

Thema nicht erst seit<br />

der Finanzkrise aktuell. Das<br />

Umdenken zeigt sich hierzulande<br />

in Entscheidungen wie<br />

dem Atomausstieg, es findet<br />

seinen Ausdruck in den Wahlerfolgen<br />

der grünen Partei.<br />

Gleichzeitig wächst in den<br />

Unternehmen die Bedeutung<br />

alternativer Produkte, von<br />

Nachhaltigkeit, Corporate Social<br />

Responsibility und Green<br />

Economy.<br />

Nationale Sicht ist veraltet<br />

Aber klar ist auch: Die nationale<br />

Sichtweise ist überholt.<br />

Armut, Kriege, Flüchtlingsproblematik,<br />

Umweltgifte<br />

oder Atomunfälle – Bedrohungen<br />

sind global. Global<br />

muss demnach auch das<br />

Ins trument zur Bekämpfung<br />

sein. Hier hakt es leider bei<br />

Tim Jackson. Gleichwohl ist<br />

sein Buch ein wichtiger Beitrag<br />

in der Debatte um die<br />

Ökonomie von morgen. <br />

Großes Haus und Fernseher: Das Wohlstands- und Wachstumsmodell<br />

der Nachkriegsära hat sich in reichen Ländern überlebt. Arme Länder<br />

brauchen indes dringend Wachstum.<br />

FOTO: DPA<br />

„Wachstum muss dort herrschen, wo es<br />

gebraucht wird“ – Fragen an den Autoren<br />

SPARKASSE: Mr. Jackson,<br />

warum sollen wir unser Verständnis<br />

von Wirtschaft überdenken?<br />

Prof. Tim Jackson: Die konventionelle,<br />

wachstumsbasierte<br />

Wirtschaft ist in den<br />

reichsten Ländern an ihre<br />

Grenzen gelangt. Der Wohlstand<br />

wurde mit der Ausbeutung<br />

unserer Ressourcen<br />

und einer weitreichenden<br />

Umweltzerstörung erkauft<br />

– unterstützt von einem ungerechten<br />

Finanzsystem,<br />

das die globale Wirtschaft<br />

an den Rand des Zusammenbruchs<br />

gebracht hat.<br />

Und dieser ganze Überfluss<br />

macht die Industrieländer<br />

nicht einmal glücklicher. In<br />

armen Ländern sieht es anders<br />

aus: Es muss Entwicklung<br />

geben, um die Armut<br />

zu bekämpfen. Wir brauchen<br />

ein Wirtschaftsmodell,<br />

das Wachstum dort schafft,<br />

wo er gebraucht wird.<br />

Wie sieht Ihre Definition von<br />

Wohlstand aus?<br />

Jackson: Wohlstand bedeutet,<br />

dass es einem gut geht,<br />

dass man entsprechend seinen<br />

Hoffnungen und Erwartungen<br />

leben kann. Befragt<br />

man Menschen danach,<br />

zählen sie folgende Faktoren<br />

auf: Gesundheit, Familie,<br />

Freunde, eine saubere Umwelt,<br />

die Möglichkeit gesellschaftlicher<br />

Teilhabe,<br />

einen Lebenssinn. Dies mit<br />

Einkommenszuwachs erreichen<br />

zu wollen, wäre naiv.<br />

Wir untergraben die Hoffnung,<br />

wenn wir unsere Wirtschaft<br />

über die ökologische<br />

Kapazität unseres Planeten<br />

hinauswachsen lassen.<br />

Sehen Sie Chancen auf einen<br />

Denkwandel in der Bevölkerung?<br />

Jackson: Der Wandel findet<br />

bereits statt. In den<br />

reichen Volkswirtschaften<br />

wird diskutiert, wie man<br />

nach der Finanzkrise weitermachen<br />

soll. Es gibt ernsthafte<br />

Ansätze, unsere Maßeinheit<br />

für den Fortschritt<br />

neu zu definieren. Es gibt<br />

Initiativen zur Reformierung<br />

des Finanzsystems<br />

und für ethisches Investment.<br />

Konzerne beginnen<br />

zu verstehen, dass sie ihr Geschäftsmodell<br />

überdenken<br />

müssen. Nun müssen die Politiker<br />

den Strukturwandel<br />

unterstützen. Vor allem unter<br />

den jungen Menschen ist<br />

die Lust auf Veränderungen<br />

groß.<br />

<br />

Sieht „Lust auf Veränderungen“:<br />

britischer Nachhaltigkeitsprofessor<br />

und Autor Tim<br />

Jackson.<br />

FOTOS: PRIVAT, DPA<br />

S P A R K A S S E J U L I 2 0 1 1


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